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Viertes Kapitel.

Cynewulf beigelegte Dichtungen: Guthlac, Andreas.

Noch zwei poetische Bearbeitungen von Legenden besitzen wir aus dieser Periode, die man ganz oder theilweise dem Cynewulf in unsrer Zeit beigelegt hat. Sie bilden in einem gewissen allgemeinen Sinne Pendants zu den eben betrachteten. Ein Seitenstück zu Juliana ist Guthlac. Thorpe, Cod. Exoniensis S. 104 ff. – Grein, Biblioth. II, S. 71 ff. – Charitius, Ueber die angelsächs. Gedichte von H. Guthlac in: Anglia Bd. II, S. 265 ff. – Lefèvre, Das altenglische Gedicht von H. Guthlac in: Anglia Bd. VI, S. 181 ff. Die Dichtung zählt, so wie sie uns erhalten ist, denn der Schluss fehlt, 1353 Langzeilen. Sie besteht aber aus zwei von zwei verschiedenen Autoren verfassten Theilen, von denen der zweite, der mit Vers 791 anhebt, nur eine Fortsetzung oder Ergänzung des ersten ist. Er hat allein den Tod des Heiligen zum Gegenstand. Die beiden Theile sind nicht bloss in Sprache und Stil, sondern auch in der Behandlung des überlieferten Stoffes vollkommen verschieden. Dass die Verfasser verschiedene sind, zeigt auch zu allem Ueberfluss noch der Eingang der Fortsetzung, der einen kurzen Rückblick auf das Leben des Heiligen wirft, und damit dem zweiten Theil die Unabhängigkeit eines selbständigen Werkes in formeller Beziehung verleiht. Trotzdem ist der zweite Theil als Fortsetzung zu betrachten: er setzt die Kenntniss des Lebens des Heiligen voraus; den Tod allein würde ein Dichter in solcher Weise sonst nicht behandelt haben. Dazu kommt endlich noch, dass der Verfasser des ersten Theils vielleicht noch eine andre Stoffquelle ausser der beiden Autoren gemeinsamen benutzt hat.

Diese letztere aber war eine lateinische Vita des Heiligen, verfasst von Felix, der wahrscheinlich Mönch des Klosters Croyland war. S. diese Vita in Acta Sanctorum, April. T. II, p. 38 ff. Er hat sie dem König der Ostangeln, Aethelbald, der von 720 bis 749 regierte, gewidmet; denn dieser selbst, der ein Freund des Heiligen gewesen und ihm zu Ehren das Kloster Croyland gründete, hatte ihn dazu aufgefordert. Felix beruft sich zur Versicherung der Wahrheit seiner Darstellung auf die Mittheilung von Augenzeugen, welche der König kennt, und 60 von denen er ein paar auch namhaft macht. Guthlac lebte aber von 673 bis 714.

Guthlac, so erzählt Felix, war von vornehmer Abkunft; eine wunderbare Erscheinung zeigte bei seiner Geburt schon seine künftige Heiligkeit an. Nichtsdestoweniger widmete er sich, zum Jüngling herangewachsen, acht Jahre lang gleich seinen Standesgenossen dem Waffenwerk, indem er Städte und Burgen seiner Gegner zerstörte und plünderte; den dritten Theil der Beute gab er jedoch den Beraubten zurück. Eines Nachts in seinem 24. Jahre überfiel ihn aber der Gedanke an sein Ende. Er ging in sich und gelobte sich dem Dienste Christi. Zunächst begab er sich in das Kloster Ripadum, wo er, seine Sünden abzubüssen, sich die strengste Enthaltsamkeit auferlegte: dies machte ihn den Mönchen anfangs verhasst, die erst später ihn liebgewannen. Doch genügte ihm selbst diese Askese noch nicht; als er von dem Einsiedlerleben gelesen, verlangte ihn nach diesem. Er zog sich auf die als nicht geheuer quam (insulam) multi inhabitare tentantes propter incognita eremi monstra et diversarum formarum terrores amiserant. Vita Guthl. § 14. verlassene Insel Croyland zurück. Dämonen spukten hier. Ihre Heimsuchungen erfährt dann auch alsbald der Heilige; aber sein Schutzpatron Bartholomäus erscheint, um ihn zu trösten. Eines Tags erfolgt ein Hauptangriff der Dämonen, um den Heiligen aus dem Eremus zu vertreiben: in Schwärmen erscheinen sie, misshandeln ihn, tragen ihn in die Lüfte bis zum Höllenschlund, wo er die Strafen der Verdammten sieht und wo sie ihm auch das Feuer zeigen, das für seine Verbrechen angezündet ist. Die Teufel wollen ihn hinabstürzen, da erscheint Bartholomäus und gebietet ihnen, Guthlac aufs sanfteste nach Hause zurückzutragen: was dann auch geschieht. Andre Abenteuer folgen. Ausführlicher wird des Umgangs des Heiligen mit den Vögeln gedacht. Nachdem dann Felix noch Beispiele des prophetischen Geistes seines Helden gegeben, erzählt er Kap. 5 ausführlich sein Ende, seine Bestattung und die Wunder, welche von seinen Reliquien ausgehn.

Dies ist in den Hauptzügen der Inhalt der schriftlichen Quelle, aus der die beiden angelsächsischen Dichter geschöpft haben. Der erste behandelt den Stoff aber viel freier als der zweite. In einer selbständigen Einleitung (v. 1–63) hebt er 61 den Werth der Askese hervor, zumal in einer Zeit des Niedergangs der Welt. Er rühmt die frommen Einsiedler, die zwar vom Teufel verfolgt, aber von Engeln beschützt werden. – Ein solcher war Guthlac. Schon früher stritten jene um die Herrschaft über seine Seele, als der Teufel ihn zu kühnen Raubzügen antrieb (v. 98 ff.) – so wird auf die Waffenthaten der Jugend des Heiligen nur angespielt. Der Dichter schildert dann die Heimsuchung Guthlacs durch die Dämonen als einen Kampf um den Besitz des »Berges«, d. h. des Hügels im Walde der Insel, auf welchem der Heilige seine Wohnung aufgeschlagen. Es war ihr Rastplatz, wenn sie müde von ihren Fahrten dorthin kamen (v. 180 ff.). Sie mahnen Guthlac an seine Verwandtschaftspflichten; er soll der Männer Jubel wieder aufsuchen. So vertreten die Teufel in ihren Forderungen gewissermassen das alte Germanenthum, Daher ist die Stelle von Interesse: cwædon þät he on þam beorge| byrnan sceolde – – gif he monna dreám of þam orlege eft ne wolde | sylfa gesêcan and his sibbe ryht | mid moncynne mâran cräftê | willum bewitigan. v. 163 ff. der Askese des Christenthums gegenüber, wie sie selbst auch an die germanischen Waldgottheiten erinnern. Ein andrer eigenthümlicher Zug unsers Dichters besteht darin, dass die Teufel an der asketischen Gesinnung zweifeln und die äussere Frömmigkeit für Heuchelei halten: dies dem Heiligen zu beweisen, erheben sie ihn in die Lüfte, um ihm »der Männer Gebaren in den Kirchen unter der heiligen Hirten Walten zu zeigen, þät he fore eágum eall sceáwode | under hâligra hyrda gewealdum | in mynsterum monna gebæru: könnte man hier mynster im Sinne von Kloster nehmen, wie Grein dies in seiner Uebersetzung thut, so würde sich ein interessante Polemik des Eremitenthums gegen das Mönchthum ergeben; aber eine solche Auffassung des Wortes ist hier unmöglich; es genügt schon auf die Parallelstelle v. 461 hinzuweisen, wo statt mynsterum sich templum findet. Auch würden namentlich die prächtigen Gewänder nicht passen, von vielem andern abgesehen. solcher welche ihr Leben lustig geniessen, in eitlem Besitz und pomphaften Kleidern, wie es Brauch der Jugend ist« (v. 383 ff.). Auch hier sind die Teufel offenbar die Wortführer der Gegner der Askese, die eben damit an den Pranger gestellt werden, denn Guthlac weiss natürlich die Teufel abzufertigen: Jugend hat keine Tugend, und neben den schlechten Beispielen gibt es ebensoviele gute. Auch in diesem Theil der Dichtung ist die Hauptaction die Entführung Guthlacs 62 zum Höllenschlund, aber auch hier geschieht dies – was in der Quelle nicht bemerkt wird – von den Teufeln um ihn zu prüfen, da sie ihn für scheinheilig erklären (v. 551 ff.).

Nachdem dann der erste Dichter noch des Umgangs des Heiligen mit den Vögeln seines Waldes gedacht, endet er mit einem Hinblick auf den Lohn, der Guthlac in dem Himmel zu Theil wurde, wohin Engelsarme ihn lieblich geleiteten (v. 753 f.), und mit einem Lob der Askese, der er solchen Lohn verdankte. Hiermit hat der erste Theil einen vollkommenen Abschluss und erscheint als ein selbständiges, auch wohl abgerundetes Werk. Beachtenswerth ist die freie Behandlung des Stoffs, der hier ganz von der einen Idee der Verherrlichung der Askese überhaupt beherrscht wird, nur was diesem Zwecke dient, wird aus der Lebensgeschichte des Heiligen erzählt. Die weitschweifige Darstellung wirkt durch häufige Wiederholungen wahrhaft ermüdend. Durch dieselben wie in der Behandlung der Quelle unterscheidet sich dieser Theil nicht minder als in der Sprache von den Werken des Cynewulf, und zwar in solchem Grade, dass an seine Autorschaft zu denken geradezu unmöglich ist. Und doch hat dies auch Lefèvre noch zu stande gebracht, der freilich auch in den eigenthümlichen Charakter dieser ersten Dichtung gar nicht eingedrungen ist.

Der zweite Theil der Dichtung, dessen Schluss uns aber nicht erhalten ist, behandelt nur das letzte Kapitel der Vita, schliesst sich aber viel unmittelbarer an die Darstellung des Felix an, als der erste Theil. Wie im Eingang jenes Kapitels der Tod überhaupt motivirt wird durch den Fall Adams, so auch hier, nur in ausführlicherer Darstellung: der Tod herrscht seitdem über die Erde, obgleich es viele heilige Männer gab und selbst noch in unserer Zeiten Gedächtniss: so sagen uns Bücher, wie Guthlac in England selig ward. sume ær sume sîđ, sume in ûrra | äfter tälmearce tîda gemyndum | sigorleán sohtun. Us secgad bêc | hû Gûđlâc wearđ þurh godes willan | eádig on Engle. v. 848 ff. So geht der Verfasser auf sein Thema über, und dieser Eingang, namentlich die zuletzt angeführten Sätze zeigen bereits, dass der zweite Theil eine ganz selbständige Dichtung ist, nicht gar lange nach der Vita selbst verfasst. Auch das nächstfolgende spricht für die Selbständigkeit. Der Dichter erinnert nämlich an die Wunderthaten des Heiligen (seine Heilungen), gedenkt in aller Kürze 63 seiner von den Teufeln erlittenen Anfechtungen und seines Verkehrs mit den Vögeln (wovon doch ausführlich in dem ersten Theil schon die Rede war), sowie des tröstenden Beiraths, den er den Menschen gewährte. Erst mit v. 904 geht der Dichter zu seinem Gegenstande selbst über. Er erzählt nun auf Grund seiner Vorlage, die Reden weiter ausführend, das Ende Guthlacs und die Botschaft, welche davon der Diener desselben seiner Schwester bringt mit dem Auftrag des Heiligen, ihn zu bestatten. Hier bricht das Gedicht ab. Weder eine Antwort der Schwester, noch die Ausführung des Auftrags werden noch erzählt.

Diese zweite Dichtung, in welcher das germanische Gemüth in einzelnen Reden des Heiligen und seines Dieners zu einem vollen und treuen Ausdruck gelangt, erinnert in Sprache und Vers wie in der Behandlung der Vorlage allerdings an Cynewulfs authentische Werke; und liegt daher seine Autorschaft im Bereiche der Möglichkeit.

 

Als ein Pendant zu Cynewulfs Elene erscheint Andreas, Andreas, Ausg. von Grimm s. oben S. 55, Anm. 1. – Kemble, The poetry of the Cod. Vercell. T. I, S. 1 ff. – Wülker, Biblioth. Bd. II, S. 1 ff. – – Fritzsche, Das angelsächs. Gedicht Andreas und Cynewulf in: Anglia Bd. II, S. 441 ff. eine Dichtung von 1722 Langzeilen, die sich auf eine ganz apokryphe Legende gründet. Die Stoffquelle sind die Πράξεις Ἀνδρέου καὶ Ματϑαίου εἰς τὴν πόλιν τῶν Ἀνϑρωποφάγων, Thilo, Acta S. S. apostolorum Andreae et Matthiae (so irrthümlich in einem Ms.) et commentatio de eorundem origine. Halle 1846 (Univers. progr.). – * Acta apostolorum apocrypha ed. Tischendorf. Leipzig 1851, p. 132 ff. – – Die apocryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden, von Lipsius. Bd. I. Braunschweig 18S3. S. 543 ff. welche, allerdings meines Erachtens in einer lateinischen Uebersetzung, Hierfür sprechen die verschiedenen Abweichungen des Gedichts von dem griechischen Texte, die wir in der Analyse grösstentheils angezeigt haben, mehr noch die Zusätze als die Weglassungen: man müsste denn eine andre griechische Recension annehmen. Doch erscheint von vornherein eine griechische Vorlage unwahrscheinlich. – Dieser Ansicht ist auch Lipsius, S. 548, indem nach ihm für die Existenz einer lateinischen Uebersetzung auch die Miracula b. Andreae apostoli, welche dem Gregor von Tours – und mit Recht, wie Lipsius S. 137 zeigt – beigelegt werden, sprechen. – Auch Zupitza bestätigt in einem Aufsatz der Zeitschr. f. deutsches Alterth. N. F. Bd. 18 (1886) »Zur Frage nach der Quelle von Cynewulfs Andreas« meine Annahme, indem er eine »altenglische« Homilie mit dem griechischen Grundwerk vergleicht. geradezu die Vorlage des angelsächsischen Dichters 64 bildeten, welcher er im Gange seiner Erzählung mit im ganzen seltenen Ausnahmen getreu folgt. Nur hat auch er seiner Darstellung soviel als möglich ein nationales Kolorit zu geben sich bestrebt. Der Inhalt unserer Dichtung ist nun der folgende.

Einer von den zwölf Degen des Herrn, den ruhmvollen Helden, deren Kraft im Kampfe nimmer unterlag, war Matthäus. Ihm hatte Gott das Loos bestimmt, auf der Insel der Mermedonier das Evangelium zu verkünden. Diese aber waren Menschenfresser, namentlich dienten ihnen die Fremden zur Speise: man stiess denselben die Augen aus und gab ihnen einen Zaubertrank ein, der sie des Verstands beraubend zum Thiere machte, so dass sie Heu und Gras assen, worauf man sie dann nach einer bestimmten Frist schlachtete. Dies Schicksal sollte auch Matthäus treffen. Auch er verlor das Augenlicht, aber der Zaubertrank hatte auf ihn keine Wirkung, er flehte Gott Gott und Christus werden hier identificirt, Christus erscheint hier namentlich als Schöpfer. um seine Hülfe an. Da vernahm er im Kerker die Stimme des Heilands, der sie ihm zusagte und ihm das Augenlicht zurückgab. Dies wird nur in der Quelle ausdrücklich angezeigt (c. 3), in unserer Dichtung aber zeigt es sich bei der Begegnung des Matthäus mit dem Andreas. Vgl. Fritzsche a. a. O. S. 463. Andreas, welcher in Achaia lehrte, soll ihn erretten (v. 161 ff.). Er hört die Stimme Christi, die ihn auffordert, deshalb nach Mermedonia zu eilen, wo in drei Tagen Matthäus sein Leben verlieren solle. Andreas wendet seine Unkenntniss des weiten Wegs und die Kürze der Zeit ein: das möchte nur ein Engel des Himmels vollbringen. Doch Christus verlangt, dass er mit Anbruch des Tages sich einschifft im Vertrauen auf die Allmacht Gottes. Als nun Andreas, gefolgt von seinen Degen, zur bestimmten Zeit am Ufer erscheint, findet er dort ein Boot mit drei Schiffern: es war Christus mit zweien seiner Engel. Andreas hört, dass sie aus der Mermedonier Land gekommen sind, und bittet den Steuermann holmweard wird er später v. 359 genannt., ihn und die Seinigen dorthin zu führen. Der warnt ihn zunächst vor diesem Lande, dann fordert er Fährgeld, und erst als er hört, dass sie Degen Christi sind, ist er mit Freuden bereit sie zu fahren (v. 347). 65 Kaum aber hat die Fahrt begonnen und der vorsorgliche Steuermann die Degen mit Speise versehen, so geben sich schon die Anzeigen eines Sturmes kund, dessen Ausbruch der Dichter wie ein Seegereister in wenigen Versen vortrefflich beschreibt (v. 369 ff.). Angst erfüllt die Leute des Andreas. Dieser aber tröstet sie, indem er sie an die Macht erinnert, welche Christus über der Wasser Schrecken besitzt, wie er sie einst seinen Jüngern bewährte. Die Degen entschlummern, das Meer wird ruhig.

Nun hebt ein langes Zwiegespräch zwischen Andreas und dem Steuermann an (v. 469). Jener rühmt die Kunst des jungen Seemanns, denn als solcher erscheint hier Christus, und dieser belehrt ihn, dass die dem Willen des Schöpfers gehorsamen Wogen nur darum sich gelegt, weil Andreas ein Degen des in Herrlichkeit thronenden Königs sei. Der Steuermann frägt darauf Andreas, wie es gekommen sei, dass die Juden den Heiland trotz seiner Wunder nicht als Gott erkannten (v. 555 ff.). Ob er sie auch vor den Augen der Bischöfe und Aeltesten vollbrachte (v. 607 ff.)? Andreas bejaht dies, aber er that, fügt er hinzu, auch Wunder im geheimen (vor diesen). Die eingeklammerten Stellen der Analyse sind aus der Quelle entlehnt, so dieser hier wichtige erklärende Zusatz: Καὶ ἀποκριϑεὶς Ἀνδρέας εἶπεν· Ναι, ἀδελφέ, ἐποίησαν καὶ ἐνώπιον τῶν ἀρχιερέων, οὐ μόνον ἐν φανερῷ, ἀλλὰ καὶ ἐν κρυπτῷ, καὶ οὐκ ἐπίστευσαν αὐτῷ. ἀποκριϑεὶς δὲ ὁ Ἰησοῦς εἶπεν· Ποῖαί εἰσιν αἱ δυνάμεις ἃς ἐποίησεν ἐν τῷ κρυπτῷ, φανέρωσόν μοι αὐτάς. c. 11. Im Angelsächsischen dagegen: secge ic þe tô sôđe, þät he swîđe oft | beforan fremede folces ræswum | wundor äfter wundre on wera gesiehđe, | swylce deogollice dryhten gumena | folcræd fremede, swâ he tô friđe hogode. Der Zusammenhang wird also auch hier durch die Quelle klar, und man sieht, wie ihre Kenntniss zum Verständniss der Dichtung nothwendig ist. Solche will nun der Steuermann von ihm hören. Und so erzählt denn Andreas hier solch ein apokryphes Wunder, das seltsam genug ist (v. 661 ff.). Christus kommt nämlich mit seinen Jüngern zum Tempel. Der Hohepriester verhöhnt die letzteren, dass sie glaubten dem Sohne Gottes zu folgen, und doch kenne man hier seine Eltern Josef und Maria und seine Brüder Simon und Jacob. (Die Jünger werden bedenklich). Πράξεις c. 12. Christus zieht darauf mit den Jüngern in die Wüste, um sie dort durch Wunder von seiner Gottheit zu überzeugen. Dann kehrt er zum Tempel 66 zurück und vollbringt vor den Priestern das folgende Wunder. An der Wand des Tempels befinden sich zwei Statuen, ein Cherub und ein Seraph. In der Quelle eine Sphinx, die aber mit den genannten Engeln verglichen wird. Auf den Befehl Christi springt die eine von der Wand herab und bezeugt mit Worten seine Gottheit. Die Aeltesten aber erklären dies für Zauberei. Nun befiehlt Christus dem Steinbild nach Kanaan zu gehen: es soll Abraham mit Sohn und Enkel auferstehen und kommen lassen. Diese erscheinen denn auch alsbald, um den Fürsten der Herrlichkeit zu preisen.

So unterhielt sich Andreas den ganzen langen Tag mit dem Steuermann, dann übermannte auch ihn der Schlaf (v. 818 ff.). Nun lässt ihn (mit seinem Gefolge) Christus durch seine beiden Engel sanft über das Meer hin tragen ans Land der Mermedonen. Mit Sonnenaufgang erwacht dort Andreas und sieht ihre Burg vor sich. Er erweckt seine am Ufer neben ihm noch ruhenden Jünger. Es ist ihm jetzt klar, wer sie gefahren. Die Jünger bestätigen seine Meinung durch ein Traumgesicht, das sie hatten (v. 859 ff.). Als sie entschlafen waren, kamen Adler über der Wasser Wogen und entführten ihre Seelen in den Himmel, wo sie den Herrn von den Engeln, Patriarchen und Märtyrern, die sein Lob sangen, umgeben sahen, und auch »Euch zwölf«, welchen Engel dienten. – Dem über diese Mittheilung hocherfreuten Andreas erscheint In der Quelle auf seine Bitte. bald darauf Christus selbst in der Gestalt eines Knaben, um ihm zu verkünden, was er thun und was er leiden soll, und dazu ihn zu stärken. Nun begibt sich (v. 981 ff.) Andreas, unsichtbar durch des Herrn Schutz, zur Burg und zum Gefängniss; die sieben Hüter desselben rafft auf sein Gebet der Tod dahin, die Thür springt auf und Matthäus sinkt in seine Arme. Er und mit ihm viele Männer und Weiber werden befreit, Die Quelle (c. 21) ist hier ausführlicher. Andreas gibt ihnen erst durch Auflegen der Hände Gesicht und Verstand zurück. auf ihrem Zug durch die Stadt in einer Wolke geborgen.

Hier (v. 1057) endet der erste Theil der Erzählung. Nun folgt das Martyrium des Andreas und die schliessliche Bekehrung der Anthropophagen. Die letzteren, erzählt der Dichter weiter, ziehen zu dem Gefängniss, um von den Fremden welche 67 zur Mahlzeit sich zu holen; als sie den Kerker leer finden, ist ihr Entsetzen um so grösser, je stärker ihr Hunger ist, denn dieser wird hier überall als Motiv der Anthropophagie bezeichnet. Nun soll einer der Ihrigen selbst ihn stillen. In der Quelle (c. 22) sind es sieben Greise; vorher wollen dort die δήμιοι die sieben todten Wächter zur Speise zubereiten, aber auf Andreas' Gebet erstarren ( ἀπελιϑώϑησαν) ihre Hände. Das Loos entscheidet; es trifft einen Alten. Jammernd bietet er zur eigenen Rettung seinen Sohn dar: In der Quelle (c. 23) auch seine Tochter. aber vergebens suchen die Heiden diesen mit ihren Speeren zu tödten, da Gott ihn beschützt. In der Quelle (c. 23) wollen die δήμιοι die beiden Kinder schlachten; aber auf das Gebet des Andreas wiederholt sich das vorige Wunder (s. Anm. 1). Die vom Hunger Gepeinigten halten in Verzweiflung Rath. Da erscheint der Teufel und weist auf den gegenwärtigen Andreas hin, der aber den Heiden noch unsichtbar ist: Wie der Dichter offenbar annimmt, der Vorlage folgend (s. c. 24 der Πράξεις), aber nicht ausspricht. der habe die Gefangenen befreit, er sei geopfert! Andreas verhöhnt nun Satan, während das Volk ihn tobend sucht. Da verlangt die Stimme des Herrn, dass Andreas sich selbst ihnen kundthue (v. 1208). Der Heilige wird darauf gefesselt und gemartert, über Felsen und Klippen geschleift, dann in den Kerker geworfen. Noch zwei ganze Tage wiederholt sich dies Martyrium. Auch im Gefängniss erscheint der Teufel mit sechs seiner Söhne, die mit vergifteten Speeren vergeblich den durch das Zeichen des Kreuzes (auf seiner Stirn) geschützten Heiligen zu tödten versuchen (v. 1337 ff.). Am dritten Tage erbarmt sich der Herr des wehklagenden Märtyrers; zum Beweis des Endes seiner Qualen zeigt er ihm, wie aus seinem Blute mit Frucht beladene Bäume emporgewachsen sind (v. 1448). Er stellt ihn vollkommen wieder her. Das Ende des Martyrthums bezeichnet der Dichter selbst, indem er (v. 1478 ff.) beklagt, nicht alle die Leiden besingen zu können, was, im Hinblick auf die Quelle, hier nur als eine Phrase erscheint. Von hier an einen zweiten Theil zu rechnen, der später oder gar von einem andern Autor verfasst wäre, wie Fritzsche will, S. 455, ist ganz ungerechtfertigt.

Andreas beschwört nunmehr eine Säule, die in dem Gefängniss sich befand, Dass sie dort stand, sagt nur die Quelle ausdrücklich. Nach dieser aber befindet sich auf ihr ein Menschenbild, ἀνδριάς, und an dies wendet sich der Heilige und aus ihm geht der Wasserstrom hervor. S. Πράξ. c. 29. Wasserströme über die Stadt zu ergiessen. 68 Der Stein gehorcht. Die Heiden fliehen entsetzt, aber die Stadt zu verlassen, verwehrt ihnen ein Engel (Michael, auf das Gebet des Heiligen), der dieselbe mit einem Flammenmeer umgibt. Wie die Wogen wachsen, das Wasser rauscht, die Feuerfunken fliegen und die Ertrinkenden schreien, schildert der Dichter ausführlich in einem bewegten Bilde (v. 1523 ff.). Einer aus dem Volk fordert jetzt (v. 1558) die andern auf, Andreas aus dem Kerker zu befreien und ihn um Hülfe zu bitten, da sich jetzt zeige, wie sie ihm Unrecht gethan. Als dem Heiligen diese Gesinnung kund wird, hemmt er die Fluth, Er verspricht dem Bilde: εἰ πεισϑῶσιν οἱ πολῖται τῆς πόλεως ταύτης, οἰκοδομήσω ἐκκλησίαν καὶ στήσω σε ἐν αὐτῇ. l. l. c. 30. die den Männern schon bis zur Achsel gestiegen, und lässt den Berg sich öffnen: die Spalte verschlingt die Wasser und mit ihnen vierzehn der schlimmsten Uebelthäter. In der Quelle (c. 31) sind es die δήμιοι, ausserdem der Greis, der seine Kinder opferte und hier Andreas um seine Rettung anfleht. Nun ist das geängstigte Volk zur Bekehrung bereit: Andreas lässt die ertrunkenen Kinder In der Quelle (c. 32) wird auch der Männer und Weiber gedacht. wieder auferstehen. Eine Kirche wird ebenda gegründet, das Volk nimmt die Taufe an und der Heilige bestellt ihnen einen Bischof Namens Plato, Platan v. 1651, in der Quelle wird er nicht genannt. aber er selbst verlässt sie trotz ihrer Bitten. Da erscheint ihm Christus und verlangt, dass er umkehrt und noch sieben Tage bei den Neubekehrten verweilt, sie zu unterweisen. Erst nach dieser Frist fährt Andreas, von dem dankbaren Volke zum Strande geleitet, nach Achaia ab, wo er den Tod finden sollte, Fehlt in der Quelle. wofür der Mörder in den Höllenschlund niederfuhr. –

Bei dem Reichthum an Begebenheiten, der diese Dichtung dank ihrer Vorlage auszeichnet, drängt sich das rhetorische Element nicht so breit, wie in andern Erzählungen der Angelsachsen, vor, wenn auch der Dichter dieser von der Alliteration so begünstigten nationalen Neigung seinen Tribut nicht ganz vorenthält. Auch überwuchert die Beschreibung nicht die Erzählung, und bewegt sich selbst da, wo ein besonderer Anlass sich bietet, in mässigen Grenzen. Gern schildert der Dichter, aber in kurzen poetischen Zügen, den Anbruch und Abschied des Tags. In seiner Naturschilderung aber spiegelt sich die 69 angelsächsische Heimath wieder, wie z. B. in der treffenden Schilderung des Nachtfrostes (v. 1255 ff.). Vielleicht liesse sich daraus selbst auf die Gegend Englands, wo der Dichter lebte, schliessen.

Mit den authentischen Dichtungen Cynewulfs zeigt das Werk zwar manche Verwandtschaft, andrerseits aber auch so viele Abweichungen, welche Fritzsche Gegen ihn wendet sich die Dissertation von Ramhorst, Das altenglische Gedicht vom h. Andreas und der Dichter Cynewulf. Berlin 1885. ausführlich dargelegt hat, dass wir nicht berechtigt erscheinen, ohne weitere äussere Beglaubigung es ihm zuzuschreiben.

 


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