Charles Dickens
Skizzen aus dem Londoner Alltagsleben
Charles Dickens

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Viertes Kapitel

Die Tuggs zu Ramsgate.

Es wohnte einmal in einer schmalen Straße, an der Surrey-Seite des Wassers, drei Minuten weit von der alten London-Brücke, ein kleiner Mann mit einem schwarzen Gesichte, hellen Haaren, blinzelnden Augen, kurzen Beinen und einem ansehnlich dicken Körper, wenn man von dem mittelsten Westenknopf vorn bis zu den Knöpfen hinten auf dem Rocke messen wollte; er hieß Herr Joseph Tuggs. – Wenn auch die Figur der liebenswürdigen Frau Tuggs nicht ganz symmetrisch war, so war sie doch ganz behaglich, – und ihre einzige Tochter, die reizende und gebildete Miß Charlotte Tuggs, hatte ganz das üppige Embonpoint, welches in früheren Tagen bei ihrer Mutter das Auge des Herrn Joseph Tuggs bezaubert und sein Herz gefesselt hatte. Herr Simon Tuggs, sein einziger Sohn und Miß Charlotte Tuggs einziger Bruder, war der ganzen übrigen Familie an Gestalt und Größe gleich unähnlich. Sein gedankenvolles Gesicht hatte gerade die Länge und seine interessanten Beine gerade die Dünne und Schwäche, welche so entschieden auf einen hohen Geist und eine romantische Gemüthsart hinweisen.

Auch der unbedeutendste Charakterzug bei einem solchen Wesen hat für einen spekulativen Kopf nicht geringe Wichtigkeit. Gewöhnlich trug er große Schuhe und schwarze baumwollene Strümpfe, auch bemerkte man, daß er großes Attachement für einen schwarz lackirten Stock besaß, der weder Knopf noch irgend anderen Zierrath hatte.

Es gibt wohl nicht leicht ein Handwerk, so nützlich es auch sein mag, und kein noch so verdrießliches Geschäft, welches den niedrigen Angriffen gemeiner Seelen zu entgehen im Stande wäre. Herr Joseph Tuggs war ein Gewürzhändler. Man sollte glauben, daß ein Gewürzkrämer außer dem Bereich der Verleumdung gewesen wäre; aber nein: die Nachbarn schimpften ihn einen Schwefelholzkrämer, und die giftigen Zungen des Neides versicherten bestimmt, daß er Thee und Kaffee zu Viertelchen, Zucker unzenweise, den Käse schnittenweise, den Tabak pfeifenvollweise und die Butter bällchenweise hergebe. Allein dieser Spott machte keinen Eindruck auf die Tuggs. Herr Tuggs stand dem Gewürzdepartement vor, Frau Tuggs dem Käsehandel, Miß Tuggs gab sich mit ihrer Ausbildung ab und Herr Simon Tuggs führte die Bücher seines Vaters und lebte seinen eigenen pfiffigen Gedanken.

An einem schönen Frühlingsabende saß der Letztere auf einem Fasse Dorseter Schafkäse an dem kleinen rothen Pulte mit dem Holzgitter, welches eine Ecke des Comptoirs zierte, als ein Cabriolet vor dem Hause hielt, aus welchem ein Unbekannter ausstieg und eilig in den Laden trat. Er war schwarz gekleidet und trug einen grünen Regenschirm nebst einer blauen Tasche in der Hand.

»Herr Tuggs zu Hause?« sagte der Unbekannte in fragendem Tone.

»So heiße ich,« erwiederte Herr Simon.

»Den andern Herrn Tuggs meine ich,« versetzte der Unbekannte und sah durch das Fenster, welches in das Zimmer hinter dem Laden ging, an dessen innerer Seite das Vollmondsgesicht des Herrn Tuggs senior deutlich sichtbar war, wie es über den Vorhang guckte. Herr Simon schwenkte zierlich winkend seine Feder, gleichsam um dem Vater seinen Wunsch begreiflich zu machen, daß er kommen möge; Herrn Tuggs' Gesicht verschwand sehr schnell hinter dem Vorhang und er stand im Nu selbst vor dem Unbekannten.

»Ich komme vom Tempel,« sagte der Mann mit der Tasche.

»Vom Gerichtshofe?« wiederholte Frau Tuggs und riß die Thüre, welche in das kleine Stübchen führte, auf, so daß Miß Tuggs im Hintergrunde sichtbar wurde.

»Vom Tempel!« riefen Miß Tuggs und Herr Simon Tuggs aus Einem Munde.

»Vom Tempel!« rief Herr Joseph Tuggs und wurde so weiß, wie ein holländischer Käse.

»Vom Tempel!« wiederholte der Mann mit der Tasche, »von Herrn Cower, Ihrem Sachwalter. Herr Tuggs, ich statte Ihnen meinen Glückwunsch ab, Sir; meine Damen, ich gratulire. Wir haben gewonnen.« Damit legte der Mann mit der Tasche bedächtlich einstweilen Schirm und Handschuhe ab, um bei dem eifrigen Händeschütteln, das nun folgte, nicht genirt zu sein.

Nun waren aber die Worte: »Wir haben gewonnen,« kaum den Lippen des Mannes mit der Tasche entschlüpft, so sprang Herr Simon Tuggs von seinem Sitze auf, sperrte die Augen angelweit auf, schnappte nach Luft, zeichnete, wie phantasirend, Figuren in Gestalt einer Acht mit der Feder in die Luft und fiel endlich seiner Mutter ohnmächtig in die Arme, ohne daß man irgend wissen oder merken konnte, warum?

»Wasser,« schrie Frau Tuggs.

»Mach' doch die Augen auf, mein Sohn,« rief Herr Tuggs aus.

»Simon, lieber Simon,« kreischte Miß Tuggs.

»Es ist mir jetzt wieder besser,« flüsterte Herr Simon Tuggs. – »Was! gewonnen!« Und zum bekräftigenden Beweise, daß es ihm wieder besser war, fiel er abermals in Ohnmacht und ward durch die gemeinsamen Anstrengungen der übrigen Familie und des Mannes mit der Tasche in das anstoßende kleine Stübchen getragen.

Wer die Sache zufällig mit ansah und nicht in die Verhältnisse der Familie eingeweiht war, konnte sich den Grund dieser Ohnmacht durchaus nicht enträthseln. Wer aber die Botschaft des Mannes mit der Tasche, und außerdem die Nervenreizbarkeit des Herrn Simon Tuggs kannte, dem war die Sache sehr erklärlich. Ein lange dauernder Prozeß über die Gültigkeit eines Testamentes war unerwartet entschieden und Herr Joseph Tuggs Besitzer von zwanzigtausend Pfund geworden.

Eine sehr lange und ausführliche Berathschlagung fand noch an demselben Abend statt – man berieth, wie es die Familie Tuggs in Zukunft halten wollte. Der Laden wurde ungewöhnlich früh zugemacht, und Mancher, der gerne ein Viertel Kaffee, ein halbes Viertel Brod oder für einen Pfennig Pfeffer gehabt hätte, klopfte vergeblich an der verschlossenen Thüre, wo man ihn bis Uebermorgen hätte stehen lassen, denn es war im Buche des Schicksals geschrieben, daß sie sammt und sonders draußen bleiben mußten.

»Das Geschäft müssen wir aber natürlich aufgeben,« sagte Miß Tuggs.

»O gewiß,« erwiederte Frau Tuggs.

»Simon muß Advokat werden.«

»Und ich werde mich in Zukunft ›Cymon‹ schreiben,« versetzte der Sohn.

»Und ich Charlotta,« sagte Miß Tuggs.

»Und ihr müßt mich hinfort stets ›Ma'‹ und den Vater ›Pa'‹ nennen,« meinte Frau Tuggs.

»Ja, und Pa' muß seine gemeinen Gewohnheiten aufgeben,« sagte Miß Tuggs dazwischen.

»Ich werde mir alle Mühe geben,« erwiederte Herr Joseph Tuggs mit großer Bereitwilligkeit; – er aß gerade ein Stück gesalzenen Salmen mit seinem Taschenmesser.

»Wir müssen die Stadt unverzüglich verlassen,« sagte Herr Cymon Tuggs.

Alles war der Meinung, daß dieß der nothwendige Anfang ihrer nun zu beginnenden feinen Lebensart sei; es entstand die Frage:

»Wohin sollte man gehen?«

»Gravesend,« meinte Herr Joseph Tuggs kleinlaut. Der Gedanke wurde allgemein verworfen. Gravesend war zu gemein.

»Margate,« bemerkte Frau Tuggs. – Warum nicht gar, – zu Gevatter Schneidern und Handschuhmachern.

»Brighton!« Dagegen legte Herr Cymon Tuggs ein entschiedenes Veto ein. Alle Wagen dahin hatten in den letzten Wochen umgeworfen, jede Kutsche hatte im Durchschnitt zwei Todte und sechs Verwundete auf dem Gewissen, und in jedem Falle hatten die Zeitungen ausdrücklich gesagt: daß den Kutschern nicht die geringste Schuld beizumessen sei.

»Ramsgate!« stieß Herr Cymon gedankenvoll aus. – Freilich! – Wie hatte man auch nur so dumm sein können, nicht gleich darauf zu kommen. Ramsgate war vor Allem der Ort, wo sie hingehen mußten.

Zwei Monate nach dieser Unterredung glitt das Dampfboot City of London lustig den Fluß hinab nach Ramsgate. Die Wimpel flatterten, Musikanten spielten, die Passagiere plauderten, der ganze Himmel hing voller Geigen. – Kein Wunder – die Tuggs waren an Bord.

»Köstlich, nicht wahr?« fing Herr Joseph Tuggs an; er trug einen bouteillengrünen Ueberrock mit gleichfarbigem Sammtkragen, und eine blaue Reisemütze mit einer Goldborte.

»Herzbegeisternd,« erwiederte Herr Cymon Tuggs, – er war schon Student der Rechte, – »herzbegeisternd!«

»Ein herrlicher Morgen, Sir,« sagte ein stattlicher, militärisch aussehender Herr in blauem, bis an das Kinn zugeknöpftem Ueberrocke und weißen Hosen mit Stegen.

Herr Cymon Tuggs nahm es auf sich, diese Bemerkung zu erwiedern und entgegnete: »himmlisch!«

»Sie sind, scheint es, ein enthusiastischer Bewunderer der schönen Natur, Sir?« sagte der militärische Herr verbindlich.

»Das bin ich auch, Sir,« versetzte Herr Cymon Tuggs.

»Schon viel gereist?« fragte der Militärische.

»Nicht sehr,« entgegnete Herr Cymon Tuggs.

»Auf dem Continente sind Sie wohl gewesen, – natürlich?« fragte der Militär weiter.

»Eigentlich nicht,« erwiederte Herr Cymon Tuggs in einem Tone, als wenn er zu verstehen geben wollte, er sei halbwegs gekommen und dann wieder umgekehrt.

»Sie werden doch natürlich Ihren Sohn die große Tour machen lassen, Sir?« wandte sich unser Militär an Herrn Joseph Tuggs.

Da Herr Joseph Tuggs nicht recht verstand, was die große Tour eigentlich heißen sollte und wie so etwas gemacht würde, so antwortete er: »Natürlich.« Gerade bei diesem Worte kam von einer Bank am Vordertheile des Schiffes eine junge Dame in einem flohfarbenen Seidenkleide, ditto Stiefelchen, langen, schwarzen Locken, großen, schwarzen Augen, kurzem Schürzchen und untadelhaften Fußknöcheln auf die Gruppe zu.

»Lieber Walter,« sagte die junge Dame zu dem Militär.

»Ja, liebe Belinda,« erwiederte der Militär dem schwarzäugigen jungen Frauenzimmer.

»Warum hast du mich so lange allein gelassen?« fragte die junge Dame. »Jene rohen jungen Leute haben mich durch ihr Anstarren ganz außer Fassung gebracht.«

»Was! haben sie dich angestarrt!« rief der militärische Herr mit solchem Nachdrucke aus, daß Herr Cymon Tuggs mit unbegreiflicher Schnelligkeit seine Augen von dem Gesichte der jungen Dame wegwandte.

»Was für junge Leute, – wo?« – der Militär ballte die Hand und blickte drohend auf die Cigarrenraucher umher.

»Sei ruhig, Walter, ich bitte dich,« sagte die junge Dame.

»Ich will nicht,« erwiederte der Militär.

»Doch, Sir,« äußerte Herr Cymon Tuggs dazwischen. »Es ist ja nicht der Mühe werth.«

»Nein, nein, das ist es ja auch nicht,« stellte die junge Dame vor.

»Ich will ja ruhig sein,« sagte der Militär. »Sie haben Recht, Sir. Ich danke Ihnen, daß Sie mich noch bei Zeiten gemahnt, damit ich nicht ein Todtschläger geworden bin,« – verbiß seinen Grimm und drückte Herrn Cymon Tuggs die Hand.

»Meine Schwester, Sir,« sagte nun Herr Cymon Tuggs, denn er sah, daß der militärische Herr einen bewundernden Blick auf Miß Charlotta warf.

»Meine Frau, Ma'am, – Frau Kapitän Waters,« versetzte darauf der Militärische, und stellte die schwarzäugige junge Dame vor.

»Meine Mutter, Ma'am, – Frau Tuggs,« sagte Herr Cymon.

Der Militär und seine Frau waren voll der bezauberndsten Artigkeit, und die Tuggs gaben sich alle Mühe, möglichst wenig verlegen auszusehen.

»Lieber Walter,« sagte die schwarzäugige junge Dame, nachdem sie mit den Tuggs etwa eine halbe Stunde geplaudert hatte.

»Ja, Liebe,« erwiederte der Militär.

»Findest du nicht, daß dieser Herr (dabei machte sie eine Kopfbewegung nach Herrn Cymon Tuggs) dem Markis Carriwini außerordentlich ähnlich sieht?«

»Bei Gott, außerordentlich!« rief der Militär aus.

»Es fiel mir gleich im ersten Augenblicke auf,« fuhr die junge Dame fort, und blickte mit melancholischem Ausdrucke dem Herrn Cymon Tuggs unverwandt in das über und über erröthende Gesicht. Herr Cymon Tuggs sah Jedermann an und bemerkte, daß Jedermann auf ihn sah, und schien im Augenblick nicht recht zu wissen, wo er hinblicken sollte.

»Ganz wie der Markis,« wiederholte der Militär.

»Ganz außerordentlich!« seufzte die Dame des militärischen Herrn.

»Kennen Sie den Markis nicht, Sir?« fragte der Militär.

Herr Cymon Tuggs stotterte eine Verneinung.

»Wenn Sie ihn kennten,« fuhr Kapitän Walter Waters fort, »so würden Sie finden, wie sehr Sie Ursache haben, auf diese Ähnlichkeit stolz zu sein: ein höchst feiner Mann mit sehr einnehmendem Aeußeren.«

»Ja, das ist er in der That!« rief Belinda Waters sehr nachdrücklich aus – und schlug ihre Augen, welche Herrn Cymon Tuggs begegneten, in verschämter Verwirrung zu Boden.

Dieß war Alles höchst schmeichelhaft für die Tuggs, und als es sich im Laufe der weiteren Unterhaltung herausstellte, daß auch Miß Charlotta Tuggs das sprechende Bild einer vornehmen Verwandtin von Frau Belinda Waters war, und Frau Tuggs, die Mutter, der verwittweten Herzogin von Dobbleton auf und nieder gleichsah – so kannte ihr Entzücken, die Bekanntschaft von so feinen und lieben Leuten gemacht zu haben, keine Grenzen. Kapitän Walter Waters war auch sogar so herablassend, daß er sich durch Herrn Tuggs überreden ließ, mit ihm eine kalte Taubenpastete, nebst einer Flasche Xeres, auf dem Verdecke zu verspeisen, und mit Beihülfe dieses gar nicht unangenehmen Gaumenkitzels führten sie eine sehr ergötzliche Unterhaltung, bis man an den Landungsplatz von Ramsgate kam.

»Leben Sie wohl, meine Theure!« sagte Frau Kapitän Waters zu Miß Charlotta Tuggs, unmittelbar ehe das Gedränge bei dem Aussteigen seinen Anfang nahm; »Morgen treffen wir uns also am Strande, und wenn wir vorerst eine Wohnung gefunden haben, so werden wir hoffentlich für manche kommende Woche unzertrennlich sein.«

»Gewiß hoffe ich das,« sagte Miß Charlotta Tuggs mit Emphase.

»Ihre Karten, meine Herren und Damen,« bemerkte nun der Mann an dem Radgehäuse.

»Brauchen Sie einen Träger, Sir?« fragten ein Dutzend Leute in leinenen Kitteln.

»Nun, mein Lieber –,« sagte Kapitän Waters.

»Leben Sie wohl,« sagte Frau Kapitän Waters – »Leben Sie wohl, Herr Cymon!« – ein Händedruck, welcher den jungen Mann in einen unbegreiflich derangirten Nervenzustand versetzte – und die schöne Frau verschwand unter dem Haufen. Man sah ein Paar flohfarbene Damenstiefelchen die Treppe hinaufsteigen, ein weißes Taschentuch winkte und schwarze Augen leuchteten – die Waters waren fort, und Herr Cymon Tuggs fühlte sich allein und verlassen.

Still und in sich gekehrt folgte der allzu gefühlvolle Jüngling seinen ehrwürdigen Eltern, und ein Zug von Burschen in Kitteln, welche Schubkarren über den Landungsplatz fuhren, und die ganze wogende Menge um ihn her brachte ihn erst wieder zu sich. Die Sonne schien hell und klar – die Fluth tanzte nach ihrer eigenen Musik lustig dahin, haufenweise spazierten die Leute umher, kichernde junge Mädchen, plaudernde Alte, Kindermädchen, welche auf die möglichst vortheilhafte Weise ihre Reize zu entfalten suchten, während ihre kleinen, zarten Pflegbefohlenen auf und ab, hin und her, aus und ein rannten, den Leuten bald unter die Füße, bald zwischen die Beine kamen – Alles auf die lustigste und ergötzlichste Weise von der Welt. Alte Herren sahen durch lange Fernrohre in die Welt hinaus und junge ließen sich durch das offene Hemd in's Herz sehen. Damen trugen tragbare Stühle und tragbare Stühle trugen die Alten. Am Landungsplätze warteten Leute auf ihre Freunde, welche mit dem Dampfboote gekommen waren, und man hörte nichts als Plaudern, Lachen, Grüßen, Scherz und Kurzweil.

»Fahren wir, Sir?« riefen 14 Männer und 6 Jungen im Chor, sowie Herr Joseph Tuggs an der Spitze seines Gefolges einen Fuß auf die Straße setzte.

»Na, da ist ja der Herr endlich,« sagte Einer und griff mit scherzhafter Höflichkeit an seinen Hut. »Freut mich sehr, Sie zu sehen, Sir, – hab' schon seit sechs Wochen auf Sie gewartet. Ist es gefällig einzusteigen, Sir?«

»Da sehen Sie, was das ein kleines, nettes Fly ist und ein wahrer Renner daran, Sir,« fiel ein Anderer ein; »der läuft 14 Meilen in Einer Stunde, so schnell, daß Alles mit Ihnen herumgeht, und Ihnen grün und blau vor den Augen wird.«

»Meines ist groß genug für die ganze Equipage, Sir,« schrie ein Dritter, – »sehen Sie – ganz großes Fly – ein wahrer Kasten Noah's!«

»Dieses müssen Sie nehmen, Sir,« rief ein vierter Aspirant, sprang auf den Bock und machte den Versuch, bei einem alten Grauschimmel etliche unvollkommene Reminiscenzen eines Galopps zu Wege zu bringen. »Da schauen Sie her, Sir, – fromm wie ein Lamm und feurig wie eine Dampfmaschine.«

Aber auch diesen Lockungen, einen so vortrefflichen Vierfüßler, als der letztgepriesene, für seinen Dienst zu gewinnen, widerstand Herr Joseph Tuggs, winkte dem Eigenthümer eines verrauchten alten Fuhrwerks mit grünlichem Anstriche und verschossenem, gestreiftem Calico-Ueberzug; Effekten und Familie wurden hineingepackt, und nachdem das Thier in seiner Scheere, nicht viel länger als eine Viertelstunde, Kreise in der Straße beschrieben hatte, war es endlich so gefällig, die Wohnungs-Entdeckungsreise anzutreten.

»Wie viele Betten haben Sie?« schrie Frau Tuggs aus dem Wagen der Frau zu, welche die Thüre des ersten Hauses öffnete, an welchem ein Anschlag zu lesen war, daß hier Zimmer zu vermiethen seien.

»Wie viele wollen Sie, Ma'am?« war die natürliche Frage.

»Drei.«

»Wollen Sie nur gefälligst hereinkommen, Ma'am.« Frau Tuggs stieg aus. Die Familie war entzückt. Man mußte eine herrliche Aussicht auf das Meer aus den vorderen Fenstern haben – prächtig! In kurzer Zeit kam Frau Tuggs zurück. »Ein einziges Zimmer mit Einem Bette.«

»Was zum Teufel, warum hat man denn das nicht gleich gesagt?« fragte Herr Joseph Tuggs ganz empfindlich.

»Ich weiß es nicht,« sagte Frau Tuggs.

»Die Schufte!« rief der reizbare Herr Cymon aus. Ein zweiter Anschlag – abermaliger Halt. Dieselbe Frage – dieselbe Antwort – gleicher Erfolg.

»Was soll denn dieß nur heißen?« fragte Herr Joseph Tuggs ganz außer sich.

»Ich weiß nicht,« meinte die gelassene Frau Tuggs.

»So machen sie es immer,« sagte der Kutscher, um die Sache auf eine befriedigende Art zu erklären; – sie fahren weiter, um neue Fragen zu thun und abermalige Täuschungen zu erfahren.

Es war schon dunkel geworden, als »das Fly« (Fliege) – seiner Schnelligkeit hatte es freilich den Namen nicht zu verdanken, – nachdem vier oder fünf steile Hügel mühsam überstiegen waren, vor der Thüre eines schmutzigen Hauses mit einem kleinen Guckloche hielt, aus dem man einen recht hübschen Blick auf die See hatte, – wenn man nämlich den halben Leib hinausbog und sich der offenbaren Gefahr aussetzte, hinabzustürzen. Frau Tuggs stieg aus. Ein Parterrezimmer, ein Wohnzimmer und drei Kammern mit Betten eine Treppe höher, – ein Doppelhaus, – vis-à-vis eine Familie mit fünf Kindern, die im Wohnzimmer ihr Wasser mit Milch tranken; ein kleiner, lieber Knabe, den man, weil er unartig gewesen, hinausgejagt hatte, schrie wie besessen auf dem Gange und wollte durchaus wieder hinein.

»Was ist der Preis?« fragte Frau Tuggs. Die Hausfrau dachte eben darüber nach, ob sie noch eine Guinee darauf schlagen könne, hustete ein wenig und that, als ob sie die Frage überhört hätte.

»Was verlangen Sie dafür?« fragte Frau Tuggs abermals, etwas lauter.

»Fünf Guineen wöchentlich, Ma'am, versteht sich mit Aufwartung,« versetzte die Vermietherin. (Unter Aufwartung versteht man das Recht, so oft man will, zur speciellen Privatunterhaltung zu klingeln.)

»Das ist ziemlich theuer,« meinte Frau Tuggs.

»Theuer? o nein, Ma'am,« entgegnete die Hausfrau mit einem mitleidigen Lächeln über ihre Ignoranz, da ihre Bemerkung verrieth, wie wenig sie wußte, was der Brauch sei.

Einer solchen Autorität war nicht zu widersprechen. Frau Tuggs nahm die Wohnung auf vier Wochen, bezahlte eine voraus, und nach einer Stunde saß die ganze Familie in ihrem neuen Aufenthalte um den Theetisch.

»Kapitale Krebselchen,« sagte Herr Joseph Tuggs.

Herr Cymon sah seinen Vater an, als ob er ihn fressen wollte, und sagte mit Nachdruck: »Krebschen.«

»Meinetwegen Krebschen,« erwiederte Herr Joseph Tuggs, »Krebselchen oder Krebschen, das ist Ein Handel.«

In Herrn Cymon's Auge lag ein Gemisch von Mitleid und Bosheit, als er entgegnete: »Ein Handel! Vater! Was würde Kapitän Waters sagen, wenn er so etwas Pöbelhaftes hörte?«

»Oder was würde die liebe Frau Kapitän Waters sagen,« fügte Charlotta hinzu, »wenn sie sähe, wie die Mutter – Ma' wollte ich sagen – den Kopf und Alles mit Haut und Haar aufspeist?«

»Ich darf gar nicht daran denken!« stieß Herr Cymon schaudernd aus. Das, dachte er, sieht der verwittweten Herzogin von Dobbleton gar nicht gleich.

»Es ist doch eine ganz hübsche Frau, die Frau Kapitän Waters, nicht wahr, Cymon?« fragte Miß Charlotta.

Eine plötzliche Glut fuhr über Herrn Cymon's Gesicht und in Extase erwiederte er: »Ein Engel von Schönheit!«

»Ho ho!« schrie Herr Joseph Tuggs, »ho ho, Cymon, mein Junge, nimm dich in Acht, – sie ist eine verheirathete Frau,« und blinzelte mit dem Einen Auge.

»Ha!« rief Herr Cymon aus und sprang mit einer Wuth auf, welche den Seinigen ganz unerwartet kam und sie nicht wenig erschreckte. »Warum muß ich daran erinnert werden, daß all' mein Erdenglück dahin, daß all' mein Hoffen gemordet ist! Warum noch den Hohn zu all' dem Elende, welches über meinem Haupte zusammenschlägt! Es ist nicht genug, daß ich – ich! –« hier hielt der Redner inne, man wußte aber nicht genau, ob aus Mangel an Worten, oder weil ihm der Athem fehlte.

Es lag eine so ungeheure Feierlichkeit, eine so erhabene Würde in Cymon's Ton und Miene, womit er seine Anrede beschloß und nach einem Licht klingelte, daß kein Mensch etwas darauf zu sagen wagte. Mit tragischen Schritten stieg er durch das Zimmer in sein Bett; eine halbe Stunde später suchten auch die übrigen Tuggs in großer Bestürzung und Verwirrung ihr Lager.

Hatte der Landungsplatz damals, als die Tuggs das erste Mal zu Ramsgate an das Land stiegen, ein Bild von Leben und Getreibe dargeboten, so übertraf das Schauspiel am Strande den Morgen nach ihrer Ankunft alles Vorhergesehene noch bei weitem. Es war ein schöner, heller, klarer Tag und ein leichtes Lüftchen wehte von dem Meere her. Die nämlichen Damen und Herren, die nämlichen Kinder, die nämlichen Kindermädchen, die nämlichen Fernrohre und die nämlichen tragbaren Stühle waren wieder zu sehen; die Damen stickten, flochten Uhrketten, strickten oder lasen Novellen, die Herren studirten ihre Zeitungen und Journale, die Kinder gruben mit hölzernen Stäbchen Löcher in den Sand und sammelten Wasser darein, die Wärterinnen mit den Kleinsten auf den Armen liefen hinter den Wellen her und wieder vor ihnen davon, und hie und da fuhr ein Schiffernachen mit seiner lustigen, plaudernden Ladung ab, oder kam einer mit einem ganz stillen, ausnehmend unbehaglich aussehenden Passagier zurück.

»Das ist nicht übel, da danke ich!« rief Frau Tuggs aus, als sie, Herr Joseph Tuggs, Miß Charlotta Tuggs und Herr Cymon Tuggs mit ihren acht Füßen und einer gleichen Zahl von gelben Schuhen sich auf vier Rohrstühlen niedergesetzt hatten, welche, da sie auf einer weichen Stelle im Sand standen, etliche dritthalb Fuß tief einsanken. – »Da danke ich!«

Herr Cymon zog mit bedeutender Kraftanstrengung die Stühle wieder heraus und stellte sie weiter zurück.

»Gott steh' mir bei, – wenn da nicht ein paar Frauenzimmer in das Wasser gehen!« rief Herr Joseph Tuggs im größten Erstaunen aus.

»Warum nicht gar, Pa'!« rief Miß Charlotta.

»Und doch, meine Liebe!« sagte Herr Joseph Tuggs. Richtig standen auch vier junge Damen, jede mit einem Handtuche, auf einem Badekarren; das Pferd ging in das Wasser, scharrte und stampfte, die Maschine drehte sich, der Führer saß ab, und im Augenblicke entleerte sie sich ihrer Last, und die vier Damen thaten jede einen vernehmlichen Plumps in das Wasser.

»Das muß ich sagen, das ist kurios, das,« rief Herr Joseph Tuggs nach einer Pause voll alberner Verlegenheit. Herr Cymon hustete ein wenig.

»Ha, und da neben gehen auch ein paar Herren hinein,« rief Frau Tuggs mit Abscheu aus.

Drei Maschinen, drei Pferde, dreimaliges Gestampf – dreimaliges Umdrehen – drei Plumpse – und drei Herren patschelten im Wasser gleich Delphinen.

»Das muß ich sagen, das ist ganz sond- und wunderbar,« sagte Herr Joseph Tuggs. Dießmal hustete Miß Charlotta, und es entstand eine zweite Pause. Diese wurde sehr angenehm unterbrochen.

»Wie befinden Sie sich meine Liebe? Wir haben uns schon den ganzen Morgen nach Ihnen umgesehen,« sagte eine Stimme zu Miß Charlotta Tuggs. Es war Frau Kapitän Waters.

»Wie geht es Ihnen?« fragte Kapitän Walter Waters mit zuckersüßer Freundlichkeit; und nun ging es an ein herzliches Bewillkommnen von allen Seiten.

»Liebe Belinda,« sagte nun Kapitän Walter Waters, nahm sein Glas vor das Auge und schaute nach dem Meere hinaus.

»Ja, Lieber,« erwiederte Frau Kapitän Waters.

»Dort ist Harry Thompson.«

»Wo?« entgegnete Belinda, und nahm ebenfalls ihr Glas vor.

»Dort badet er.«

»Richtig, ja! Er sieht uns nicht, – nicht wahr?«

»Nein, ich glaube nicht,« versetzte der Kapitän. – »Was der Tausend, das ist doch seltsam!«

»Was?« fragte Belinda.

»Dort ist auch Mary Golding.«

»Ach! – Wo denn?« (Abermals wird das Glas gebraucht.)

»Dort,« sagte der Kapitän, und zeigte auf eine von den vorerwähnten Damen, welche in ihrem Badcostüme aussahen, als wenn sie sehr knappe Patent-Makintosh's anhätten.

»Es ist so; ja, ja!« rief Frau Kapitän Waters aus. »Wie freue ich mich doch darauf, sie Beide zu sehen.«

»Ja wohl!« entgegnete der Kapitän sehr kalt.

»Sie sehen, das ist etwas sehr Gewöhnliches hier,« sagte Herr Cymon Tuggs leise zu seinem Vater,

»Das merk' ich jetzt,« flüsterte eben so leise Herr Joseph Tuggs dagegen. »Aber doch sonderbar – nicht?« Herr Cymon Tuggs nickte bejahend.

»Was haben Sie diesen Morgen vor?« fragte nun der Kapitän. »Wollen wir zu Pegwell frühstücken?«

»Das wäre ganz schön, in der That,« meinte Frau Tuggs. Sie hatte in ihrem ganzen Leben noch nichts von Pegwell gehört, allein das Wort ›Frühstück‹, welches sie vernommen, klang gar nicht unangenehm in ihr Ohr.

»Und wie wollen wir hinkommen?« fragte der Kapitän weiter; »zum Gehen ist es zu warm.«

»In einem Fuhrwerk,« schlug Herr Joseph Tuggs vor.

»Fuhrwerke,« flüsterte Herr Cymon.

»Ich dächte, wir hätten an einem genug« – sagte Herr Joseph Tuggs ganz laut, denn er merkte die Zurechtweisung nicht. »Meinetwegen auch zwei, wenn Ihr meint.«

»Ich habe die Esel so gerne,« sagte Belinda.

»Ach, ich auch!« meinte Miß Charlotta Tuggs.

»Gut, da nehmen wir ein Fly,« war des Kapitäns Vorschlag – »und Ihr ein Paar Esel.«

Nun erhob sich aber eine weitere Schwierigkeit. Herr Kapitän Waters meinte, es würde sich doch nicht wohl schicken, wenn zwei Damen allein ritten. Da war übrigens leicht zu helfen – vielleicht wäre der jüngere Herr Tuggs so gütig sie zu begleiten. Herr Cymon Tuggs wurde blutroth, lächelte, sah gerade vor sich, und suchte sich verzagt damit zu entschuldigen, daß er kein Reiter sei. Man ließ seine Einwürfe nicht gelten. Bald war ein Fly gefunden, ebenso drei Esel – von denen der Eigenthümer hoch und theuer schwor, daß sie drei Theile Vollblut und ein Theil Haber wären.

»Vorwärts,« rief einer von den Jungen, welche hinten drein liefen, um die Esel zu treiben, als Belinda Waters und Charlotta Tuggs in ihre Sättel gehoben, respektive geschrotet waren.

»Hi, – hi, – hi,« gröhlte der andere Junge hinter Cymon Tuggs drein. Die Esel setzten sich in Bewegung, daß die Steigbügel an Cymon's Fersen klapperten und seine Stiefel beinahe den Boden fegten.

»Platz – Platz! – O-o-o-oh!« schrie Herr Cymon Tuggs, so gut er vor dem Geholper konnte.

»Laßt ihn nicht galoppiren!« schrie Frau Kapitän Waters zurück.

»Mein Esel will ja mit Gewalt in das Wirthshaus hinein,« kreischte Miß Tuggs, welche den Nachtrab bildete.

»Hi – hi – hi!« – gröhlten die Jungen mit einander, und

Hura, hura, hopp, hopp, hopp,
Ging's fort in sausendem Galopp.

Alles nimmt aber einmal ein Ende, und sogar der Galopp der Esel hört einmal auf. Herrn Cymon Tuggs' Bucephalus, dem das Zerren am Gebisse nicht recht gefallen wollte, dessen Grund er nicht wohl einzusehen vermochte, lehnte sich ohne weiteres an eine Seitenwand und drückte sein Mißbehagen dadurch aus, daß er Herrn Cymon's Bein an der rauhen Mauer zu reiben begann. Frau Kapitän Waters Esel bekam die spaßhafte Liebhaberei, sich kopfüber in eine Hecke zu stürzen und wollte schlechterdings nicht mehr heraus, und der Vierfüßler, welcher die Ehre hatte, von Miß Tuggs geritten zu werden, drückte seine Freude über die spaßhafte Laune seiner Genossen dadurch aus, daß er sich mit den Vorderfüßen fest gegen die Erde stemmte, und auf eine zwar höchst lohnende, allein etwas beunruhigende Art mit den Hinterbeinen ausschlug.

Durch diese schnelle Unterbrechung ihres eiligen Ritts entstand natürlich einige Confusion. Die beiden Damen beliebten mehrere Minuten lang ketzerlich zu schreien, und Herr Cymon Tuggs, abgesehen von seinen körperlichen Schmerzen, mußte noch dazu in Angst und Bangen ihre unselige Lage mit ansehen, ohne ihnen beispringen zu können, denn sein Bein stak förmlich wie in einem Schraubstocke, zwischen der Mauer und dem Thiere. Die Anstrengung der Jungen, unterstützt durch das sehr ingeniöse Mittel, dem rebellischesten der beiden Esel unaufhörlich den Schwanz zu drehen – hatte indessen bald die Wiederherstellung der Ordnung zur Folge – und früher als man es hätte füglich erwarten sollen, hoppelte bald die Gesellschaft wieder langsam von dannen.

»Nun laßt sie aber im Schritt gehen,« sagte Herr Cymon Tuggs. »Es ist grausam, sie so zu übertreiben.«

»Sehr wohl, Sir,« erwiederte der Junge, und bleckte die Zähne gegen seinen Kameraden, als merke er wohl, daß die Grausamkeit sich weniger auf die Thiere, als auf die Reiter bezöge.

»Welch' ein schöner Tag, meine Liebe,« sagte Miß Charlotta.

»Herrlich, bezaubernd, meine Theure!« entgegnete Frau Kapitän Waters. »Was für eine göttliche Aussicht, Herr Tuggs!«

Cymon sah Belinden starr in's Gesicht und antwortete – »Ja wohl, göttlich!« Die Dame schlug die Augen nieder und ließ ihr Thier etwas zurückbleiben. Cymon Tuggs that instinktmäßig das Nämliche.

Es entstand eine kurze Pause, nur von einem Seufzer des Herrn Cymon Tuggs unterbrochen.

Plötzlich sagte die Dame in gedämpftem Tone: »Herr Cymon – ich gehöre einem Anderen.«

Herr Cymon drückte seine vollkommene Uebereinstimmung mit einer Behauptung aus, welche er unmöglich zu bestreiten im Stande war.

»Wenn das nicht wäre,« ergriff Belinda wieder das Wort – und hielt abermals inne.

»Was – was?« sagte Herr Cymon eifrig. »Spannen Sie mich nicht auf die Folter. Was wollten Sie sagen?«

»Wenn das nicht wäre« – fuhr Frau Kapitän Waters fort – »Wenn ich früher im Leben das Loos gehabt hätte, von einem edlen Jüngling gekannt und geliebt zu werden – von einer verwandten Seele – einem gleichgestimmten Herzen – das mich verstanden und die Gefühle und Empfindungen zu würdigen gewußt hätte, welche –«

»O Himmel! was höre ich?« rief Herr Cymon Tuggs aus. »Ist es möglich! Kann ich meinen Ohren trauen?« – »Vorwärts!« (Diese letzte unsentimentale Parenthese war an den Esel gerichtet, der, den Kopf zwischen den Vorderbeinen, den Zustand seiner Hufe ängstlich zu untersuchen schien.)

»Hi-Hi-Hi« riefen die Jungen hinten. »Vorwärts!« zankte Herr Cymon Tuggs. »Hi-Hi-Hi,« wiederholten die Jungen: und, sei es nun, daß das Thier einigen Unwillen über Herrn Cymons Commandoworte verspürte, oder aus Furcht vor dem ominösen Geräusche, welches die Stiefel des Stellvertreters seines Herrn dicht hinter ihm machten, oder ob er von edlem Ehrgeiz brannte, die anderen Esel auszustechen – soviel ist gewiß, kaum erscholl das abermalige »Hi-hi« – so stürzte er mit einer Schnelligkeit voran, daß Herr Cymons Hut unverweilt in die Luft wirbelte und er selbst im Nu vor dem Wirthshause zu Pegwell war, wo ihm die Mühe des Absteigens dadurch erspart wurde, daß sein Grauer ihn ganz geschickt über den Kopf hinaus gerade zur Hausthüre hineinfliegen ließ.

Herrn Cymon Tuggs Bestürzung war nicht geringe, als zwei Kellner ihn wieder auf die Beine brachten, und kaum weniger beträchtlich Frau Tuggs' Angst um ihr Söhnchen; Frau Kapitän Waters that vollends, als glaubte sie, das Schrecklichste wäre passirt. Indeß entdeckte man bald, daß ihm nicht viel mehr geschehen war, als dem Esel – jener war gerieben und dieser rieb sich jetzt selbst – – und dann, war es ja doch so schön gewesen.

Die Tuggs und der Kapitän hatten das Frühstück in das Hintergärtchen bestellt: – kleine Teller mit großen Garnelen, Butter, mürbes Brod und gepfropftes Ale. Ein wolkenloser Himmel über ihnen, um sie her Blumentöpfe und ein üppiger Rasen; das Meer, welches den Fuß des Felsens bespülte, dehnte sich in unabsehbarer Ferne aus, und Schiffe mit Segeln, so weiß und nett, wie zierlich aufgespannte Batisttaschentücher, schaukelten auf dem nassen Elemente. Die Garnelen waren köstlich, das Ale noch besser und der Kapitän unterhaltender als je. Frau Kapitän Waters war nach dem Frühstücke gewaltig ausgelassen: sie jagte zuerst den Kapitän auf dem Rasenteppich unter den Blumentöpfen herum, dann den Herrn Cymon Tuggs, dann die Miß Tuggs, und das tolle Gelächter wollte gar kein Ende nehmen. Allein der Kapitän sagte, dieß sei ganz gleichgiltig, denn kein Mensch kannte sie ja hier, und Jedermann im Hause sah, daß sie ganz gewöhnliche Leute seien. Dieß bekräftigte Herr Joseph Tuggs mit einem: »Natürlich!« und dann gingen sie noch ein wenig weiter umher, den Fußsteig, die hölzernen Stufen hinab, welche an den Fuß des Abhangs führten, schauten nach den Krabben, dem Meergrase und den Aalen, bis es endlich Zeit war, nach Ramsgate heimzukehren. Bei dem Hinaufsteigen war Herr Cymon Tuggs der letzte und Frau Kapitän Waters die Vorletzte; – bei dieser Gelegenheit machte Herr Cymon Tuggs die Entdeckung, daß Fuß und Knöchel der Frau Kapitän Waters in der That noch untadelhafter wären, als er sich gleich Anfangs gedacht hatte.

Einen Esel wieder nach Hause zu reiten, seinem Stalle zu, – ist ein ganz anderes Ding und eine mit bei weitem weniger Schwierigkeit verknüpfte Kunst, als ihn von dort wegzubringen; es ist für diesen Fall ein ansehnlicher Aufwand von Vorsicht und Geistesgegenwart erforderlich, um den unzähligen Seitensprüngen seiner unstäten Einbildungskraft zu begegnen, während man in dem andern Falle nichts zu thun hat, als sich zu halten und sich dem Thier mit blinder Zuversicht zu überlassen. Das Letztere wählte Herr Cymon Tuggs bei dem Heimritte, und seine Nerven waren durch die Anstrengung des Tages doch nicht so zerrüttet, daß er nicht deutlich begriffen hätte, sie wollten sich alle heute Abend wieder in dem Lesezirkel treffen.

Dort war es gedrängt voll. Dieselben Damen und dieselben Herren, welche am Morgen an dem Strande und den Tag vorher an dem Landungsplätze gewesen, waren auch hier. Junge Mädchen in maroonfarbigen Kleidern und schwarzen Sammtbracelets gaben allerlei Modeartikel in dem Laden aus, und andere leiteten das Glücksspiel in dem Concertsaale. Hier waren heirathsfähige Töchter und hochzeitlustige (für ihre Tochter) Mütter; alles spielte, ging herum, blätterte Musikalien durch, scherzte und koste. Stutzer spielten flüsternd die Sentimentalen und andere mit ihren Bärten die Wilden. Frau Tuggs war in Ambrafarbe, Miß Tuggs in Himmelblau und Frau Kapitän Waters in Rosenroth: Kapitän Waters in einem polnischen Ueberrocke, Herr Cymon Tuggs in Tanzschuhen und Goldweste, und Herr Joseph Tuggs in blauem Rocke und gefälteltem Busenstrich.

»Nummer drei, acht und eilf,« rief eine von den Damen in maroonfarbigem Kleide.

»Nummer 3 – 8 und 11« echoete eine andere Dame in derselben Uniform.

»Nummer 3 ist besetzt,« sagte die erste junge Dame. »Nummer acht und eilf.«

»Nummer 8 und 11« echoete abermals die andere Dame.

»Nummer 8 ist besetzt; Mary Ann« sagte die Erste.

»Nummer 11« schrie die Zweite.

»Die Nummern sind alle besetzt, meine Damen; wie es Ihnen nun gefällig ist,« sagte die Erste und die Repräsentantinnen der Nummern 3, 8 und 11 sammt den übrigen Nummern schaarten sich um den Tisch.

»Wollen Sie werfen, Ma'am?« sagte die präsidirende Fee, und reichte den Würfelbecher der ältesten Tochter einer dicken Dame mit vier Mädchen.

Tiefes Schweigen herrschte unter den Zuschauern.

»Wirf, liebe Jane,« sagte die große Dame; – rührende Schüchternheit – leises Erröthen – Batist-Schnupftuch vorhalten – der jüngeren Schwester in das Ohr wispern. –

»Liebe Amelia, wirf du für deine Schwester,« sagte die große Dame, und dann kehrte sie sich zu einer wandelnden Empfehlungstafel von Rowlands Macassaröl neben ihr und sagte: »Jane ist gar zu bescheiden und eingezogen – ich kann ihr aber darum nicht böse sein. Ein kunstloses und ungeziertes Mädchen hat so gar viel Liebes, daß ich oft wünsche, Amelia möchte ihrer Schwester mehr gleichen!«

Der Herr im Backenbarte stimmte beifällig in dieses Lob ein, und das kunstlose junge Mädchen sah herüber, um den Eindruck zu beobachten, welchen ihre sehr unpassende Einfachheit hervorgebracht habe.

»Nun, Liebe!« sagte die Mutter. Miß Amelia warf, 8 für ihre Schwester, 11 für sich.

»Doch eine hübsche Figur, die Amelia,« flüsterte die Dame einem magern jungen Menschen neben ihr zu.

»Herrlich!«

»Und so lebhaft. Ich habe das gerne; ich kann ein Mal nicht anders, ich muß das Leben und das aufgeräumte Wesen gerne haben. Ach, (ein Seufzer) könnte ich doch der armen Jane etwas mehr von der lieben Amelia geben!«

Der junge Mann stimmte von ganzem Herzen ihrer Meinung und ihrem Wunsche bei, und er sowohl als der zuerst Angeredete waren beide vollkommen zufrieden gestellt.

»Wer ist das?« fragte Herr Cymon Tuggs die Frau Kapitän Waters, als ein kurzes Frauenzimmer, in blauem Sammthute mit Federn von einem dicken Herrn in schwarzem Fracke und dunkeln Berlins zu dem Orchester geführt wurde.

»Frau Tippin von einem Londoner Theater,« erwiederte Belinda, denn so stand es auf dem Concertzettel.

Nachdem die große Künstlerin das Klatschen und Bravorufen, mit welchem sie empfangen wurde, sehr herablassend anerkannt hatte, begann sie die beliebte Cavatine: »Schweig still!« unter Klavierbegleitung des Herrn Tippin zu singen; hierauf sang Herr Tippin ein komisches Lied unter Klavierbegleitung der Frau Tippin, und der ungeheure Beifall, welchen dieses hervorrief, wurde nur durch den enthusiastischen Applaus übertroffen, mit welchem eine Arie der Miß Tippin, nebst Variationen auf der Guitarre, die der junge Herr Tippin mit dem Kinn begleitete, aufgenommen wurden.

So verging der Abend – so vergingen den Tuggs und den Waters die Tage und Abende sechs Wochen lange. Morgens am Strande, Mittags Esel, Nachmittags Landungsplatz, Nachts Lesezirkel; – und stets dieselben Leute. In der letzten Nacht dieser sechs Wochen schien der Mond herrlich über den stillen See, welche gegen den Fuß der hohen Klippen nicht lauter anschlug, als um die alten Fische in den Schlaf zu lullen, ohne die jungen zu stören – da sah man – oder hätte gesehen, wenn sich Jemand die Mühe gab, nach ihnen zu schauen – zwei Personen auf einer hölzernen Bank am Rande der westlichen Klippe sitzen. Schon zwei Stunden lange war der Mond am Himmel, und immer saßen die beiden Figuren noch unbeweglich auf ihren Plätzen. Die Spaziergänger hatten sich nach und nach verlaufen, die Musik der Schnurranten erstarb, ein Licht nach dem andern wurde in den Häusern in der Entfernung sichtbar, ein Strandwächter um den andern kam auf seiner Runde an diesem einsamen Orte vorüber und immer blieben beide Personen wie angenagelt sitzen. Theilweise waren die zwei Gestalten in tiefe Schatten gehüllt, allein das Mondlicht fiel hell auf einen flohfarbenen Stiefel und einen lakirten Stock. Es waren Herr Cymon Tuggs und Frau Kapitän Waters, welche auf der Bank saßen. Sie sprachen kein Wort und schauten nur schweigend in das Meer hinaus.

»Walter wird Morgen zurückkommen,« unterbrach endlich Frau Kapitän Waters in traurigem Tone die Stille.

Herr Cymon Tuggs seufzte, wie wenn der Wind durch einen Wald von Stachelbeerbüschen fährt und erwiederte: »Ach ja!«

»O Cymon,« nahm Belinda wieder das Wort, »die keusche Wonne, das stille Glück, dieser Wahn platonischer Liebe, ist zu viel für mich!«

Cymon hätte gern gesagt, für ihn sei es zu wenig gewesen, aber er hielt zurück und murmelte unverständlich in den Bart.

»Wenn ich daran denke, daß dieser Lichtstrahl von Glück, so unschuldig es auch ist,« – rief Belinda aus, »nun für ewig vorüber ist!«

»O, sagen Sie nicht auf ewig, Belinda!« rief der erregbare Cymon aus, und zwei große Thränen jagten einander über sein bleiches Gesicht herab – es war wirklich so lang, daß man hätte eine Treibjagd darauf anstellen können – »Sagen Sie nicht auf ewig!«

»Ich muß es sagen,« erwiederte Belinda.

»Warum?« bat Cymon angelegentlich, »o warum? Eine platonische Bekanntschaft, wie die unsrige, ist ja so harmlos, daß sogar Ihr Gemahl nichts dagegen haben kann.«

»Mein Gemahl!« rief Belinda aus. »Sie kennen ihn nicht. Eifersüchtig und rachsüchtig, wie er ist, – grimmig in seiner Rache – bis zum Wahnsinn eifersüchtig! Wollen Sie sich vor meinen Augen morden lassen?«

Herrn Cymon Tuggs' Stimme zitterte vor Rührung, als er seine entschiedene Abneigung aussprach, sich vor irgend Jemands Augen morden zu lassen.

»Dann verlassen Sie mich,« sagte Frau Kapitän Waters. »Verlassen Sie mich diese Nacht auf immer. Es ist schon spät, lassen Sie uns heimkehren.«

Herr Cymon Tuggs bot der Dame höchst niedergeschlagen den Arm und begleitete sie nach ihrer Wohnung. An der Thüre machte er Halt – er fühlte einen platonischen Händedruck. »Gute Nacht,« sagte er zaudernd.

»Gute Nacht,« schluchzte die Dame.

Herr Cymon Tuggs überlegte.

»Wollen Sie nicht hereinkommen, Sir?« sagte der Bediente. Herr Tuggs war unschlüssig. O diese Unschlüssigkeit – der Unglückliche ging endlich doch hinein.

»Gute Nacht,« sagte Herr Cymon Tuggs noch ein Mal, als er im Zimmer war.

»Gute Nacht,« erwiederte Belinda, »und wenn ich jemals wieder im Leben – S't!« Die Dame hielt inne und blickte mit starren erschrockenen Augen Herrn Cymon Tuggs in das aschenbleiche Gesicht. Man hörte zwei Mal an der Hausthüre klopfen. »Mein Mann!« sagte Belinda, und man hörte des Kapitäns Stimme.

»Und die Meinigen sind dabei!« setzte Cymon hinzu, als die Stimmen seiner Verwandten die Treppe herauf schallten.

»Hinter den Vorhang, hinter den Vorhang!« keuchte die Dame und zeigte nach einem Fenster, welches durch Zitzgardinen dicht verhängt war.

»Ich habe ja aber nichts Unrechtes gethan,« sagte Cymon zaudernd.

»Hinter den Vorhang!« wiederholte die Lady wie wahnsinnig, »Sie werden sonst ermordet.«

Dieser letzten Appellation an seine Gefühle konnte er nicht widerstehen. Eilig schlüpfte Cymon in seiner Bangigkeit hinter den Vorhang, – und hereintraten der Kapitän, Joseph Tuggs, Frau Tuggs und Charlotta.

»Meine Theuerste,« sagte der Kapitän, »Lieutenant Slaughter.«

Cymon hörte zwei eisenbeschlagene Stiefel klappern und eine rauhe Stimme, welche sich über die Ehre freute, der Dame vorgestellt zu werden. Der Säbel des Lieutenants rasselte schrecklich auf dem Boden, als er sich an den Tisch setzte. Herrn Cymon wurde so bange, daß ihm fast die Sinne vergingen.

»Bring den Rum, Liebe,« sagte der Kapitän. – Welche Lage – sie hatten also im Sinne, sitzen zu bleiben, und Herr Cymon Tuggs saß hinter dem Vorhange eingepfercht und der Athem verging ihm schier vor Angst.

»Slaughter,« sagte jetzt der Kapitän, »ist Ihnen eine Cigarre gefällig?«

Nun wurde es aber Herrn Cymon Tuggs, wenn er rauchen wollte, im Augenblicke so übel, daß er gleich wieder aufhören mußte; er konnte nicht einmal den Rauch riechen, ohne heftige Neigung zum Husten zu bekommen. Die Cigarren wurden angebrannt, der Kapitän war ein ausgemachter Raucher, ebenso der Lieutenant und Herr Joseph Tuggs desgleichen. Das Zimmer war eng, die Thüre zu, und der Rauch wurde ungeheuer – er hing in dunkeln Wolken über dem Zimmer und fand endlich auch den Weg hinter den Vorhang. Herr Cymon hielt die Nase zu, dann den Mund und endlich den Athem. Es half Alles nichts – er mußte husten.

»Potz tausend!« sagte der Kapitän, »ich bitte tausend Mal um Vergebung, Miß Tuggs. Der Rauch ist Ihnen unangenehm.«

»O nein, durchaus nicht!« entgegnete Charlotta.

»Er macht Ihnen aber Husten.«

»O gewiß nicht.«

»Sie haben ja eben gehustet.«

»Ich, Kapitän Waters? O wie können Sie das sagen?«

»Irgend Jemand hat aber gehustet,« versetzte der Kapitän.

»Es war mir auch so,« sagte Slaughter.

Kein Mensch wollte es aber gethan haben.

»So war es Einbildung,« meinte der Kapitän.

»Wahrscheinlich,« sagte Slaughter.

Sie nahmen ihre Cigarren wieder, rauchten weiter – abermals Husten – unterdrückt, aber heftig.

»Verdammt seltsam!« sagte der Kapitän und blickte um sich.

»Sonderbar!« sagte auch Herr Joseph Tuggs in seiner Unwissenheit.

Lieutenant Slaughter betrachtete zuerst geheimnißvoll eine Person nach der andern, dann legte er seine Cigarre hin, näherte sich dem Fenster auf den Zehen und zeigte, den Daumen bis zur Schulter emporgehoben, in der Richtung nach dem Vorhange.

»Slaughter,« stieß der Kapitän heraus und stand vom Tische auf; »was meinen Sie?«

Als Antwort zog der Lieutenant den Vorhang weg und zeigte Herrn Cymon Tuggs den Augen aller Anwesenden, blaß vor Angst und kirschblau von unterdrücktem Husten.

»Ha!« schrie der Kapitän wüthend. »Was sehe ich? Slaughter, Ihren Säbel!«

»Cymon!« kreischten die Tuggs.

»Gnade!« jammerte Belinda.

»Platonisch,« keuchte Cymon.

»Ihren Säbel!« brüllte der Kapitän. »Slaughter – – es kostet dem Schurken das Leben!«

»Mörder!« kreischten die Tuggs.

»Halten Sie ihn doch fest, Sir!« lallte Cymon mit schwacher Stimme.

»Wasser!« rief Herr Joseph Tuggs – und Herr Cymon Tuggs, und alle Frauenzimmer fielen in Ohnmacht und bildeten ein Tableau.

Wir möchten es herzlich gerne verschweigen, welch' schrecklichen Ausgang die Bekanntschaft von sechs Wochen nahm. Indessen verlangt der einmal angenommene lästige Brauch, daß jede Geschichte, so gut wie ihren Anfang, auch ihren Beschluß haben muß, und es bleibt uns also keine Wahl. Lieutenant Slaughter schickte eine Aufforderung, der Kapitän drohte mit einer Klage. Herr Joseph Tuggs schlug sich in das Mittel – der Lieutenant unterhandelte.

Als Herr Cymon Tuggs sich von dem Anfalle von Nervenschwachheit, in welche ihn seine übel angebrachte zärtliche Neigung versetzt und die Aufregung des Augenblickes noch tiefer gestürzt hatte, wieder erholte, fand er, daß seine Familie eine charmante Bekanntschaft verloren, daß sein Vater um 1500 Pfd. ärmer und Herr Kapitän Waters accurat um so viel reicher geworden war. Das Geld wurde bezahlt, damit die Sache vertuscht wurde, allein sie kam demungeachtet doch unter die Leute, und es fehlte nicht an solchen, die behaupteten, daß noch selten drei listigen Betrügern leichter ein Streich gelungen sei, als dem Kapitän Waters, Frau Waters und dem Lieutenant Slaughter bei den Tuggs zu Ramsgate.



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