Charles Dickens
Skizzen aus dem Londoner Alltagsleben
Charles Dickens

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Eilftes Kapitel

Astley's Cirkus.

Nie sehen wir so einen großen, steifen, schwarzen, römischen Anfangsbuchstaben in einem Buche, an einem Ladenfenster, oder auch auf einem Mauerplakate, ohne daß er augenblicklich eine unbestimmte und verworrene Rückerinnerung an jene Zeit in uns hervorriefe, wo wir zuerst in die Mystereien des Alphabetes eingeweiht wurden. Wir bilden uns fast ein, noch die Nadel in der Hand der Lehrerin zu sehen, womit sie den Buchstaben zu folgen pflegte, um ihre Form unserer verwirrten Einbildungskraft noch fester einzuprägen, und stampfen unwillkürlich auf den Boden, wenn wir uns der harten Knochenfinger erinnern, mit denen die ehrwürdige alte Dame, die uns die ersten Grundsätze der Erziehung für wöchentlich neun Pence oder vierteljährig zehn Shilling und sechs Pence beibringen sollte, gewohnt war, unser jugendliches Haupt gelegentlich zu klopfen, um die konfusen Ideen, mit denen es gewöhnlich angefüllt war, in Ordnung zu bringen. Ein ähnliches Gefühl drängt sich uns in vielen anderen Fällen auf, aber es gibt keinen Ort, der die Rückerinnerung an unsere Kindheit uns so genau hervorzurufen vermöchte, als »Astley's Cirkus.« Damals gab es noch kein »königliches Amphitheater«: ebensowenig war bereits ein Ducrow aufgestanden, um das Licht klassischen Geschmacks und portablen Gases über die Sägespäne des Cirkus zu verbreiten; allein der Charakter des Platzes war im Ganzen derselbe – die Stücke des nämlichen – die Späße des Bajazzo ebenfalls – die Stallmeister waren eben so großartig – die Komiker eben so witzig – die Tragiker eben so heiser – und die wohlgearbeiteten Rosse mit demselben Geiste beseelt. Astley's Cirkus hat sich zu seinem Besten verändert, wir dagegen sind schlechter geworden. Unser theatralischer Geschmack ist dahin; und mit Scham müssen wir es gestehen, daß uns jetzt die Zuschauer weit mehr Spaß und Unterhaltung machen, als der Prunk, welchen wir einst so hoch schätzten.

Wir wollen einmal eine gewöhnliche Astley's-Gesellschaft an einem Oster- oder Johannisfeiertage beobachten: – Pa' und Ma', und neun bis zehn Kinder von fünf Fuß sechs Zoll bis zu zwei Fuß eilf Zoll herab, zwischen vierzehn und vier Jahren. Wir hatten gerade eines Abends unsern Sitz in einer Mittelloge eingenommen, als die nächste Loge genau von einer solchen Gesellschaft besetzt wurde, wie wir sie geschildert haben würden, wenn wir unser beau ideal einer Gruppe von Astley's-Besuchen abgezeichnet hätten.

Voran gingen drei kleine Knaben und ein kleines Mädchen, welchen Pa' – in sehr vernehmlicher Stimme unter der Logenthüre – die Anweisung ertheilte, die Vorderbank einzunehmen; dann wurden zwei kleinere Mädchen von einem jungen Frauenzimmer – augenscheinlich der Gouvernante – hereingeführt. Hierauf kamen abermals drei kleinere Knaben – gleich den ersten in blauen Jacken und dergleichen weiten Beinkleidern, mit übergeschlagenen Hemdkrägen – dann wurde ein Kind in einem langen Spitzenröckchen, das alle Zeichen des Staunens von sich gab und seine großen runden Augen so weit als möglich aufriß, über die Bänke herüber gehoben, wobei seine kleinen rothen Beinchen bedeutend zum Vorschein kamen; – endlich Ma' und Pa' und zuletzt der älteste Sohn, ein Junge von etwa vierzehn Jahren, der sich offenbar das Ansehen gab, als ob er gar nicht zu der Familie gehörte.

Die ersten fünf Minuten gingen darüber hin, den kleinen Mädchen die Shawls abzunehmen und ihre Haarschleifen in Ordnung zu bringen. Der sorgsamen Frau Mama entging es nicht, daß einer der kleinen Knaben hinter einem Pfeiler saß, wo er nichts sehen konnte: daher mußte sich die Gouvernante bequemen, hinter den Pfeiler zu kriechen und der Knabe wurde auf ihren Platz gehoben; dann musterte Pa' die Knaben und wies sie an, ihre Taschentücher einzustecken, und nachdem Ma' zuvor der Gouvernante mit Nicken und Winken angedeutet hatte, den Mädchen ihre Kleider mehr über die Schultern herab zu ziehen, erhob sie sich nun auch, um die kleine Truppe Revue passiren zu lassen – eine Inspektion, die ganz zu ihrer Befriedigung auszufallen schien, denn sie sah mit wohlgefälliger Miene auf Pa', der an dem andern Ende des Sitzes stand. Pa' gab den Blick zurück und blies mit vieler Emphase die Naslöcher auf; die arme Gouvernante aber guckte hinter dem Pfeiler hervor und suchte Ma's Augen, mit einem Ausdruck, der ihre Bewunderung für die ganze Familie aussprach. Zwei von den kleinen Knaben, die sich darüber in Erörterungen eingelassen hatten, ob Astley's Cirkus mehr als zweimal so groß als Drury Lane wäre, vereinigten sich endlich darüber, es »George« zur Entscheidung vorzulegen, worüber »George« – der kein anderer als der vorerwähnte junge Gentleman war – sehr ungehalten wurde und ihnen nicht gerade in den artigsten Ausdrücken zu verstehen gab, wie es höchst unschicklich wäre, seinen Namen mit so lauter Stimme an einem öffentlichen Orte zu rufen, worüber alle Kinder recht herzlich lachten und einer der kleinen Knaben der Meinung war, »George fange an, sich schon völlig für einen Mann zu halten,« wozu Pa' und Ma' selbst lachten. George (der einen Spazierstock trug und einen Bart zu cultiviren strebte) murmelte, »daß William stets noch in seiner Unverschämtheit bestärkt würde,« und nahm eine Miene tiefer Verachtung an, die er auch den ganzen Abend über beibehielt.

Die Vorstellung begann und das Interesse, welches die kleinen Knaben daran nahmen, war gränzenlos; Pa' interessirte sich augenscheinlich nicht minder dafür, obschon er sich – jedoch ohne Erfolg – viele Mühe gab, gleichgültig zu erscheinen. Was Ma' anbelangt, so war sie vollkommen außer sich über die Possen des Hauptcomödianten und lachte, daß die ungeheuren Schleifen auf ihrem großen Hute zitterten, worauf die Gouvernante abermals hinter ihrem Pfeiler hervorschielte und, so oft sie Ma's Blicken begegnen konnte, ihr Taschentuch vor den Mund nahm, um pflichtschuldigst ebenfalls in Lachkrämpfe auszubrechen. Als der Mann in dem glänzenden Waffenschmuck schwur, die Dame zu befreien, oder dabei unterzugehen, applaudirten die kleinen Knaben aus Leibeskräften, besonders ein kleines Kerlchen, das dem Anschein nach bei der Familie auf Besuch war und die ganze Zeit über mit einer kleinen Kokette von zwölf Jahren charmirt hatte, die ganz das Modell ihrer Mama in verjüngtem Maßstabe war. Sowohl sie, als die andern kleinen Mädchen, welche im Allgemeinen sogar mehr Koketterie besitzen, als viele ältere – waren ganz besonders erbost, als des Ritters Schildknappe die Kammerzofe der Prinzessin küßte.

Als die Vorstellungen im Cirkus begannen, stieg die Lust der Kinder auf's Höchste, und die Begierde, das, was vorging, genau zu sehen, trug über Pa's Gravität einen so vollständigen Sieg davon, daß er sich in der Loge erhob und eben so laut, als irgend Einer, applaudirte. So oft ein Reiterkunststück vorüber war, bog sich die Gouvernante nach Ma' herum und ließ sich von den Kindern ihre munteren Bemerkungen über das, was vorgegangen war, wieder erzählen, – und Ma' bot der Gouvernante in ihrer Freigebigkeit ihr Riechfläschchen an. Die Gouvernante, schon damit zufrieden, daß man nur Notiz von ihr genommen, zog sich wieder mit verklärtem Gesicht hinter ihren Pfeiler zurück, und die ganze Gesellschaft schien äußerst glücklich zu sein, mit einziger Ausnahme des Vortrefflichsten, der im Hintergrunde der Loge stand. Zu erhaben, sich um die Kinder zu bekümmern, und zu bedeutend, als daß sich Jemand um ihn bekümmert hätte, beschäftigte er sich damit, von Zeit zu Zeit an dem Orte, wo der Bart sein sollte, zu reiben, und stand in seinem Glanz völlig allein.

Wir fordern einen Jeden auf, der zwei- oder dreimal bei Astley's gewesen und demnach im Stande ist, die Beharrlichkeit zu würdigen, mit der genau dieselben Scherze, Abend für Abend und Saison für Saison, wiederholt werden, ob er nicht wenigstens durch einen Theil der Darstellungen unterhalten worden – nämlich durch die Scenen im Cirkus.

Wir unserer Seits gestehen gerne, daß wir, wenn der Kronleuchter mit seinen Gasstrahlen herabgelassen und der Vorhang aufgezogen ist, damit die außerhalb des Kreises Sitzenden um den halben Preis auch etwas sehen, und wenn die Orangenschalen aufgelesen und die Sägespähne mit mathematischer Genauigkeit in einen vollkommenen Zirkel ausgebreitet sind, uns in dieselbe heitere Stimmung versetzt fühlen, wie das jüngste Kind, und stimmen gewiß mit in das Lachen ein, das auf des Bajazzo's gellendes Geschrei »da bin ich!« folgt, wäre es auch nur um der alten Bekanntschaft willen. Wir können uns sogar unseres früheren Gefühls von Ehrfurcht gegen den Stallmeister nicht ganz erwehren, der dem Bajazzo mit einer langen Peitsche folgt, und mit würdevoller Grazie vor den Zuschauern seine Verbeugung macht. Hier ist aber von keinem unserer untergeordneten Stallmeister in Nankinröcken mit braunen Borten die Rede, sondern von dem wirklichen Stallmeister, der die ersten Reiter während ihrer Produktionen zu Fuß begleitet, stets eine auf der Brust mit einem Tischtuche wattirte Militärsuniform trägt und in diesem Costüme unwillkürlich an einen zum Braten hergerichteten Vogel erinnert. Er ist – aber warum wollten wir etwas beschreiben, von dem keine Feder auch nur eine annähernde Idee geben kann? Jedermann kennt ihn, und Jedermann erinnert sich seiner blank gewichsten Stiefeln, seines graziösen Wesens (einige Uebelwollende sind so bösartig, es steif zu nennen), des herrlichen Kopfes mit den schwarzen über der Stirne hoch gescheitelten Haaren und des Antlitzes mit der Miene tiefsten Denkens und poetischer Schwermuth. Dazu steht seine sanfte, angenehme Stimme im vollkommenen Einklange mit seinem noblen Benehmen, wenn er sich mit dem Bajazzo abgibt, und sich herabläßt, seinen Scherz mit ihm zu treiben; und die Art, wie er sich plötzlich im wiedererwachten Gefühl seiner Würde zusammennimmt und ausruft: »Nun, Monsieur Bajazzo, ist es Ihnen gefällig sich zu erkundigen, ob Miß Woolford bald kommt?« wird Jedermann ewig unvergeßlich sein. Der edle Anstand, mit dem er dann Miß Woolford in den Cirkus einführt, und wenn er ihr in den Sattel geholfen, ihrem fee'nhaften Renner rings im Kreise folgt, kann und wird gewiß nie verfehlen, einen tiefen Eindruck in dem Busen jedes anwesenden Dienstmädchens zu hinterlassen.

Wenn nun Miß Woolford und das Pferd und das Orchester, alle mit einander Athem schöpfen, so läßt er sich zu einem Dialog mit dem Bajazzo herab, ungefähr wie folgt: – (Bajazzo fängt an) »Herr Patron!« – »Nun, Monsieur Bajazzo?« (stets mit größter Höflichkeit) – »Wissen Sie wohl auch, daß ich in der Armee gedient habe, Herr Patron?« – »Nein, Monsieur Bajazzo.« – »Freilich hab' ich das, Herr Patron; ich kann auch exerciren.« – »Wirklich, Monsieur Bajazzo?« – »Soll ich es Ihnen etwa vormachen, Herr Patron?« – »Wenn Sie Lust dazu haben, Monsieur Bajazzo; lustig, – machen Sie!« (ein Hieb mit der langen Peitsche, und ein »da bedanke ich mich! – das ist nicht meine Liebhaberei!« von Seite des Hanswurstes.)

Nun wirft er sich auf den Boden und macht eine Menge gymnastischer Wendungen, krümmt sich ganz zusammen und wickelt sich wieder auf, macht schreckliche Grimassen, wie einer, der die fürchterlichsten Schmerzen hat, alles zum lauten Ergötzen der Gallerie, bis er durch einen abermaligen Hieb mit der langen Peitsche unterbrochen wird und den Auftrag erhält, nachzusehen »was Miß Woolford wünsche?« Jetzt schreit er zur unaussprechlichen Freude der Gallerie: »Nu, Miß Woolford, nach was darf ich gehen? was darf ich holen? was darf ich bringen? was darf ich suchen? was darf ich tragen, Ma'am?« Auf die mit bezauberndem Lächeln ausgesprochene Bitte der Dame, daß sie die beiden Fahnen wünsche, holt und überreicht er diese unter allerlei Grimassen; und wenn diese Ceremonie beendigt ist, bemerkte der Bajazzo witzig: – »he, he! o Herr Patron, Miß Woolford kennt mich; sie hat mich angelacht.« Abermals ein Hieb mit der Peitsche – das Orchester bricht auf einmal los – das Pferd bäumt sich, und Miß Woolford beginnt wieder ihren Rundritt mit aller Grazie – zum Entzücken sämmtlicher Zuschauer, jung und alt. Bei der nächsten Pause gibt es wieder Gelegenheit zu ähnlichen Witzen, wozu blos noch die weitere Posse kommt, daß, so oft Bajazzo gegen den Stallmeister drollige Grimassen macht, er ihm jedesmal den Rücken zuwendet; und wenn er endlich den Cirkus verläßt, springt er über seinen Kopf weg, nachdem er vorher seine Aufmerksamkeit anders wohin zu richten gewußt hat.

Hat einer unserer Leser wohl je die Classe von Leuten bemerkt, welche sich den Tag über unter den Thüren unserer kleinen Theater aufhalten? Selten wird man vorübergehen, ohne eine Gruppe von drei bis vier Menschen, die sich auf der Straße mit unbeschreiblicher Aufgeblasenheit, wie man sie kaum in den Gesellschaftszimmern der Gasthäuser trifft, und mit der wegwerfenden Miene des Bewußtseins ihrer Wichtigkeit, welche Leuten dieser Gattung so eigenthümlich ist, unterhalten. Sie scheinen stets zu glauben, sie seien auf der Bühne; sie sehen immer die Lampen vor sich. Jener junge Bursch in dem abgetragenen braunen Rocke und den ungeheuer weiten hellgrünen Beinkleidern trägt die Manschetten seines blau gestreiften Hemdes so prahlerisch zur Schau, als ob sie vom feinsten Linnen wären, und stülpt den weißen Hut vom vorletzten Sommer so zuversichtlich über das rechte Auge, als wenn er ihn erst gestern gekauft hätte. Man betrachte die schmutzigen weißen Berliner Handschuhe und das ärmliche seidene Taschentuch, das aus dem Busen seines knappen Rockes hervorsieht. Kann man ihn auch nur einen Augenblick ansehen, ohne zu der Ueberzeugung zu gelangen, daß er derselbe herumwandernde Gentleman ist, der eine halbe Stunde lang einen blauen Oberrock, eine weiße Halsbinde und Beinkleider trägt, um dann wieder in seine abgetragenen dürftigen Kleider zu kriechen; der Abend für Abend von seinem großen Reichthum spricht – mit dem peinlichen Bewußtsein, daß er wöchentlich nur ein Pfund zu verzehren und seine Stiefel selbst zu putzen hat; der von seines Vaters Landhaus prahlt, mit der trübseligen Erinnerung an sein eigenes Hinterstübchen im New-Cut; und der als der begünstigte Liebhaber einer reichen Erbin flattirt und beneidet wird, während er sich erinnern muß, daß der Ex-Tänzer von der Familie erhalten werden muß und nun außer Engagement ist?

Neben ihm wird man vielleicht einen schmächtigen blassen Mann mit langem hageren Angesichte in fadenscheinigen schwarzen Kleidern erblicken, der in Nachdenken versunken mit einem Eschenstocke auf den Theil seines Stiefels klopft, wo sich einst der Absatz befand. Er hat die schwierige Aufgabe, prosaische Väter, tugendhafte Bediente, Pfarrer, Wirthe u. dgl. darzustellen.

Da wir gerade von Vätern reden, so möchten wir wohl den Wunsch aussprechen, einmal ein Stück zu sehen, in dem alle Personen Waisen wären. Die Väter sind immer große Hindernisse auf der Bühne und stets muß sich der Held oder die Heldin, wenn der Vorhang in die Höhe gegangen, in weitläufige Erörterungen über das einlassen, was vorgegangen ist, ehe der Vorhang aufgeht. Gewöhnlich fängt dieß so an:

»Es sind nun neunzehn Jahre, mein theures Kind, seit dich deine geliebte Mutter (hier wankt des alten Schelms Stimme) meiner Pflege anvertraut hat. Du warst damals noch ein Säugling« etc. etc. Oder haben sie – doch stets plötzlich – die Entdeckung zu machen, daß Jemand, mit dem sie während drei Akten in genauer Verbindung gestanden sind, ohne daß sie vorher die geringste Ahnung davon gehabt hätten, ihr eigenes Kind ist, in welchem Falle sie dann ausrufen: »Ha! Was sehe ich! Dieses Armband! Dieses Lächeln! Diese Papiere! Diese Augen! Darf ich meinen Sinnen trauen? Es muß es sein! – Ja – es ist's – es ist's – mein Kind!« – »Mein Vater!« ruft das Kind aus; dann fallen sie sich in die Arme, sehen einander über die Schultern, und das Haus zittert von drei Beifallsstürmen.

Um von dieser Abschweifung wieder zurückzukommen, – wir wollten nämlich sagen, daß es derlei Leute sind, die man vor den Thüren unserer Theater niedern Ranges in verschiedenen Conversationen und Attituden begriffen sieht. Bei Astley's sind sie stets zahlreicher als an andern Orten. Man wird in der Regel ein paar Burschen am Fenstergesimse sitzen sehen, während zwei oder drei Gentlemen in schmutzigschäbiger Eleganz mit gewürfelten Halstüchern und vergelbtem Linnenzeug umherlungern und vielleicht ein paar nachlässig in altes Zeitungspapier eingewickelte Tanzschuhe unter dem Arme tragen. Einige Jahre früher pflegten wir hinzustehen und diese Männer mit offenem Munde und geheimnißvoller Neugierde anzustaunen, – die Erinnerung daran nöthigt uns sogar in dem Augenblicke, wo wir dieses schreiben, noch ein Lächeln ab. Wir konnten damals nicht glauben, daß diese in lichtvoller Pracht strahlenden Wesen, in schneeweiße Tunica, salmenfarbigen Beinen und blauer Schärpe, die des Abends in all' dem Glanze der Beleuchtung, der künstlichen Blumen und der rauschenden Musik auf schneeweißen Rossen vor uns herumjagten, die liederlich aussehenden Creaturen sein könnten, wie wir sie beim Tage erblickten.

Wir können dieß kaum jetzt noch glauben. Von der niedrigern Klasse der Schauspieler haben wir Einiges gesehen, und man braucht seine Einbildungskraft nicht gewaltig anzustrengen, um sich zu überzeugen, daß der Liebhaber mit dem aufgeblasenen Schmutzigel, der komische Sänger mit dem Kerl, der bei dem Kruge das große Wort führt, oder der erste Tragöde mit dem bettelarmen Trunkenbolde dieselbe Person ist; – allein jene Andern sind geheimnißvolle Wesen, die man außer dem Cirkus nie sieht, und nie anders erblickt, als im Costüm von Göttern und Sylphen. Denn, wer hat je – mit Ausnahme Ducrow's, der wohl kaum unter diese gerechnet werden kann – einen Reiter von Astley's kennen lernen, oder wer sah einen solchen je anders, als zu Pferde? Kann unser Freund in der Militäruniform sich in einem abgetragenen Anzuge zeigen? oder sich zu den vergleichungsweise unwattirten Kleidern des gewöhnlichen Lebens herablassen? Unmöglich! Wir können – wir wollen es nicht glauben.



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