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»Der erste Mai.« Welche Lust und Wonne liegt in dem Worte, welches mit tausendfacher Zunge uns zuruft, was Alles die Natur in ihrer holdesten und ergötzlichsten Gestalt Schönes und Angenehmes hat! Was müßte der für ein Mensch sein, auf welchen ein reiner klarer Frühlingsmorgen nicht einen magischen Einfluß ausübte? – Er führt ihn zurück zu den Tagen seiner Kinderspiele, und beschwört vor ihm herauf das alte grüne Feld, mit seinen freundlich winkenden Bäumen, wo die Vögel sangen, wie er sie nie seitdem gehört, – wo der Schmetterling sich lustiger wiegte, als er es je seither auf seiner Lebensfahrt gesehen hat – wo der Himmel blauer schien und die Sonne heller leuchtete – wo die Luft frischer über den Rasen hinstrich, der grüner prangte, und über Blumen, welche süßer dufteten – wo Alles in reicheren und glänzenderen Farben strahlte, als in der Gegenwart! So sind die warmen Gefühle der Kindheit und die Eindrücke, welche jeder liebliche Gegenstand auf sein Herz macht. Der kühne Reisende wandert durch das Labyrinth dicker, pfadloser Wälder, wohin nie ein Sonnenstrahl dringt, wo niemals reine Himmelslüfte kosen: er steht am Rande des donnernden Wasserfalls, und, schwindelnd und verwirrt, folgt er seinen schäumenden Massen, wie sie von Stein zu Stein und von Fels zu Fels stürzen; mit zögerndem Fuße durchschreitet er die fruchtbaren Ebenen eines Landes, wo ewiger Sonnenschein herrscht, und schwelgt in der berauschenden Lust ihres balsamischen Hauches. Aber was sind die dunkeln Wälder, die donnernden Gewässer, oder die reichste Landschaft, welche je die gütige Mutter Natur vor uns ausbreitet, ein Menschenauge zu entzücken und die Sinne zu fesseln, im Vergleich mit der Erinnerung an die einstigen Scenen der ersten Jugendzeit? – Magische Scenen fürwahr! – Die zauberische Phantasie unserer Kinderjahre kleidete sie in hellere Farben als der Regenbogen, aber auch in beinahe eben so vergängliche – in Farben, die nur einzig und allein der Widerschein des funkelnden Sonnenstrahls der Jugendzeit sind, und welche die trüben und umwölkten Tage der späteren Zeit nie wieder in's Leben zurückrufen können.
Sonst kam aber der Frühling nicht allein mit einem solchen an die Vergangenheit gefesselten Gefolge, er brachte auch Scherz und Spiel für die Gegenwart, lustige Tänze um ländliche, mit den Sinnbildern der Jahreszeit gezierte und dem beginnenden Lenze zu Ehren errichtete Maibäume. Wohin sind diese Denksäulen der jugendlichen Natur nun gekommen? Säulen haben wir noch, allein es sind keine ländlichen mehr, und was die Tänzer betrifft, so sind diese an Säle und Kerzenlicht gewöhnt und würden sich in freier Luft nicht gut ausnehmen.
Und dann weiter noch – wie unmoralisch! Was würden unsere Sabbat-Enthusiasten sagen, wenn eine aristokratische Ronde die Herzog Yorkssäule in Carlton Terrace umtanzte – wenn eine große »Poussette« aus der Mittelklasse um Alterman Waithman's Monument in Fleet Street – oder ein allgemeiner Kreistanz von Zehnpfundhausvätern zu Füßen des Obelisks in St. Georgs Fields gehalten würde? Ach, die Romantik kann mit der Aufruhrsakte nicht in die Schranken treten, und die Polizei versteht nichts von idyllischer Einfachheit.
Nun – es ist schon manches Jahr her, daß wir ein steifes, so zu sagen materiell-praktisches Volk zu werden angefangen haben; sintemalen das Tanzen im Lenze unter unserer Würde ist, haben wir es aufgegeben, und im Verlaufe der Zeiten ist es bis zu den Schornsteinfegern herabgesunken – allerdings ein starker Fall, denn obgleich die Kaminkehrer in einem civilisirten Haushalt sehr nützlich sind, so kann man doch nicht gerade sagen, daß sie diejenige Art von Leuten wären, welche bei den Lustpartien der eleganten Welt den Ton angibt. Indessen hat diese ehrenwerthe Genossenschaft den Tanz für sich in Anspruch genommen, ihn aufrecht erhalten und weiter überliefert. Es war ein harter Schlag für die Frühlingsromantik, allein ganz wurde sie doch nicht vernichtet; denn ein Theil davon stieg mit dem Tanz zu den Essenkehrern hinab und machte sie so zum Gegenstande von großer Wichtigkeit. In jenen Tagen hing ein Geheimniß über den Schornsteinfegern. Es geht eine Sage, ein reicher Mann, der seine Kinder verloren hatte, habe sie, nach vielen kummervollen Jahren, als Schornsteinfeger wieder gefunden. Man erzählt eine Geschichte von einem Knaben, der in der Kindheit seinen Eltern gestohlen worden war und Schornsteinfeger hatte werden müssen; im Verlaufe seiner Geschäftcarriere wurde er einmal ausgeschickt, um das Kamin von seiner Mutter Schlafzimmer zu kehren; als er, erhitzt und müde, nach beendigter Arbeit das Kamin herabkam, legte er sich auf das Bett, worin er so oft als Kind geschlafen hatte, wurde von seiner Mutter entdeckt und erkannt, welche sich dann nachher, so lange sie lebte, jedes Jahr einmal das Vergnügen von der ganzen Londoner Kaminkehrerzunft ausbat, um halb zwei Uhr auf Roastbeef, Plumpudding, Porter und sechs Pence.
Solche Geschichten, und es gibt deren noch viele, ziehen einen geheimnisvollen Schleier um die Schornsteinfeger und bringen eine ähnliche gute Meinung von ihnen zu Wege, wie sie die Thiere der Lehre von der Seelenwanderung verdanken. Niemand denkt daran, einen Essenkehrer zu mißhandeln, als sein Meister, weil man nicht weiß, was hinter einem steckt, oder was für ein Prinz oder Junker herauskommen kann. Das Kaminkehren wurde von vielen Wundergläubigen als eine Art von Probezeit angesehen, nach deren längerer oder kürzerer Dauer verschiedene junge Edelleute erst in den Besitz ihres Rangs und ihrer Titel gelangten: und demzufolge stand dieses Handwerk bei jenen in großem Respect.
Wir erinnern uns aus unseren jüngeren Jahren an einen kleinen Essenkehrer, etwa von unserem eigenen Alter, mit lockigem Haar und weißen Zähnen, von dem wir steif und fest glaubten, er müsse der verlorene Sohn und Erbe irgend eines großen Herrn sein – dieser Glaube wurde in unserer kindlichen Brust zur unumstößlichen Gewißheit, als der Gegenstand unserer Grübeleien einst, als er eben im Begriff war, die Höhe eines Küchenkamins zu erklimmen, auf unsere Frage wegen seiner Herkunft zur Antwort gab, »so viel er wisse, sei er im Spinnhause geboren, seinen Vater habe er aber nicht gekannt.« Von dieser Zeit an glaubten wir nichts gewisser, als daß er eines Tages wenigstens von einem Lord anerkannt werden würde, und hörten nie eine Kirchenglocke oder sahen nie eine Fahne in der Nachbarschaft aufgesteckt, ohne zu denken, daß endlich der glückliche Fall eingetreten und sein langverlorener Vater in einer Kutsche mit Sechsen angefahren gekommen sei, um ihn nach Grosvenor-Square mit heimzunehmen. Er soll aber heute noch kommen – und in dem Augenblick hat sich der fragliche junge Gentleman als Kaminfegermeister in der Nachbarschaft von Battle Bridge niedergelassen; seine hervorstechenden Eigenschaften sind eine entschiedene Abneigung gegen das Waschen und ein paar Beine, welche durchaus ungeeignet scheinen, seinen etwas plumpen und dicken Leichnam zu tragen.
Da die Frühlingsromantik vor unserer Zeit ein Ende genommen hat, so mußten wir uns so gut wie möglich über die Ungewißheit, welche die Geburt und die Abkunft der tanzenden Begleiter des Lenzes – der Essenkehrer – einhüllt, zu trösten suchen, und haben uns auch wirklich etliche Jahre lang darüber getröstet. Aber selbst diese elende Quelle des Trostes erlitt einen Stoß, von welchem sich unser schöner Jugendwahn nie wieder erholt hat, einen Stoß, der in der That ein Todesstoß war. Wir konnten uns die ausgemachte Thatsache nicht verhehlen, daß ganze Familien von Essenkehrern erzeugt und geboren wurden, namentlich in den Landdistricten von Sommers-Town und Camden-Town, daß der älteste Sohn dem Vater in dem Geschäfte nachfolgte, daß die übrigen Sprößlinge eine Zeit lang seine Gehülfen sind, und dann auf eigene Rechnung anfangen, daß ihre Kinder wieder in dem Handwerke erzogen werden, und daß über ihre Identität nicht wohl ein Irrthum obwalten kann. Wir konnten, wie gesagt, gegen diese traurige Wahrheit nicht blind sein, allein uns nichtsdestoweniger auch nicht überwinden, sie zuzugestehen, und lebten so einige Jahre in freiwilliger Unwissenheit dahin. Wir wurden aber aus unserem angenehmen Schlummer durch die schwarzen Einflüsterungen eines unserer Freunde aufgestört, welcher uns entdeckte, daß Kinder aus den niederen Ständen bereits aus eigener Wahl die Kaminkehrer-Profession ergriffen, daß von verschiedenen solchen Jungen bei den Behörden Gesuche eingegangen seien, daß man ihnen erlauben möge, den Gegenstand ihres Ehrgeizes unter dem Beistande und dem Schutze der Gesetze verfolgen zu dürfen; kurz, daß sich die Behörden darum annähmen. Dieß war Anfangs tauben Ohren gepredigt; allein das Gerücht davon wußte sich doch langsam und sicher bei uns einzuschleichen. Von Monat zu Monat, von Woche zu Woche, ja von Tag zu Tag hörten wir von ähnlichen Gesuchen. Der Schleier war gelüftet, der Zauber des Geheimnisses verschwunden, und das Kaminkehren ist eine begünstigte und beliebte Profession geworden. Nun ist keine Veranlassung mehr vorhanden, Kinder zu stehlen, denn es kommen eine Menge von Jungen freiwillig.
Das Romantische in der Sache ist verflogen, und der heutige Kaminfeger hat mit dem vor dreißig Jahren nicht mehr Aehnlichkeit, als ein Taschendieb von Fleet-Street mit einem spanischen Räuber, oder Paul Pry und Caleb Williams.
Die stufenweise Abnahme und der Verfall des Gebrauchs, adelige Kinder einzufangen und gewaltsam zu Kaminfegern zu machen, war ein harter Schlag, wenn ich so sagen darf, für das romantische Interesse der Kaminfegerei und zugleich für das des Frühlings. Allein dieß war noch nicht Alles, denn vor einigen Jahren kam auch das Tanzen am Maitage in Abgang; nur noch wenige Schornsteinfeger sah man sich zu zwei oder zu drei versammeln, ohne einen »Green,«»Grün,« ein kegelförmiges Futteral, mit frischen Maien umflochten und oben mit einer Krone – in welchem ein Bursche steckt. ohne einen »Mylord« um den Ceremonienmeister zu machen, ohne eine »Mylady« in der Funktion eines Schatzmeisters. Wenn hie und da eine Gesellschaft auch ein »Green« hatte, so war es ein absolutes Nichts, ein bloßes »Hälmchen,« und das musikalische Accompagnement erhob sich nicht leicht über die Schüppen und über ein paar Pfeifen, welche der Menge noch besser bekannt sind, als die »Mondharmonika.«
Dieß waren Zeichen der Zeit und schreckliche Vorbedeutungen eines kommenden Wechsels – und was war der Erfolg ihrer dunkeln Verkündigungen? Ja, – von einem rastlosen Neuerungsgeiste getrieben, machten die Kaminfegermeister wirklich ihre Autorität gegen das Tanzen geltend und veranstalteten statt dessen einen Schmauß – ein jährliches Mittagessen zu White Conduit House, wo statt schwarzer, roth geschminkter Gesichter saubere erschienen, und Kniebänder und Kappenstiefel cassirte Nankinhosen und rosenfarbene Schuhe verdrängten.
Herren, welche scheue Pferde zu reiten pflegten, und gesetzte Leute, welche keinen Spaß an solchen Possen haben, erhoben diese Aenderung bis in den Himmel, und die Anordnung der Kaminfegermeister wurde über alle Maßen gelobt. Aber wie stand nun die Sache wirklich? Läugne einmal Einer, wenn er kann, daß, als das Tafeltuch weg, frisches Bier und Pfeifen auf den Tisch gekommen und die gewöhnlichen loyalen und patriotischen Gesundheiten ausgebracht waren, der gefeierte Herr Sluffen von Adam- und Eva-Court, dessen Autorität auch der bösartigste unter unseren Opponenten nicht in Zweifel ziehen kann, sich auf folgende Weise ausdrückte:
»Da er den Präsidentenstuhl jetzt inne habe, so solle ihn gleich Dieser und Jener, wenn er nicht seinen Kropf ausleeren, und ohne Umstände, wie ihm der Schnabel gewachsen, frisch von der Leber weg reden und sagen wolle, was er gehört und gesehen habe, wie, daß so einige boshafte alte Knicker, welche keinen Pfifferling davon verstehen, sich Mühe gegeben haben, den Leuten Flöhe gegen die Kaminkehrermeister in die Ohren zu setzen, ihnen da ein Bein zu stellen, ihren Verdienst zu schmälern und ihren lieben Kindern das Brod vor dem Mund wegzunehmen, weil sie in ihrer Gescheidtigkeit die Bemerkung da gemacht hätten, und weil sie wissen wollten, daß man die Kamine eben so gut mit Maschinerie als durch Buben fegen lassen könne, und daß es barbarisch wäre, Buben zu dem Geschäfte da zu brauchen; maßen er selbst so eine Rauchschwalbe gewesen. – Der Herr Präsident möge ihm gehorsamst verzeihen, daß er einen so gemeinen Ausdruck brauche – seit länger als dreißig Jahren – er möge fast sagen, er sei in einem Kamin geboren und gezogen, sei auch kein Esel nicht, und wisse ausnehmend gut, wo es noch gar keine Maschine nicht gegeben habe; und was das anbelangen thue, von dem Ungesundsein da von den Buben, so wisse die ganze ehrsame Kaminkehrerzunft mit Respekt zu melden so gut und noch besser als er, daß ihnen ja selbst nichts lieber sei, als in das Kamin zu klettern.«
Von diesem Tage an datiren wir den gänzlichen Untergang des in den letzten Zügen liegenden Maitagtanzens unter der Elite der Zunft; und von jetzt an beginnt eine neue Zeitrechnung in den mit dem ersten Mai zusammenhängenden Frühlingslustbarkeiten.
Gedankenlose Menschen möchten gegen diese Behauptung vielleicht einwenden, das Tanzen am Maitage daure noch immer fort – man sehe noch alle Jahre »Green's« sich die Straße entlang drehen – junge Leute in Hanswurstentracht liefen voraus und machten allerlei Narrenstreiche, und Lord und Ladies zögen hintendrein.
Zugegeben. Es ist nicht zu läugnen, daß nach dem äußern Schein die Prozessionen bedeutende Fortschritte gemacht haben, wir können die neueingeführten Solo auf der Trommel nicht in Abrede stellen; wir wollen sogar so weit gehen, hie und da eine Phantasie auf dem Triangel zuzugeben, allein hier haben unsere Zugeständnisse ein Ende. Wir müssen schlechterdings läugnen, daß die Essenkehrer dabei irgend eine aktive Rolle spielen. Wir bezeichnen ganz besonders die Straßenkehrer als solche, welche gerade das, was sie wegräumen sollten, dem Publikum vor die Augen bringen. Wir klagen die Gassenfeger, Ziegelstreicher und die Herren, welche ihre Thätigkeit dem Apfelhandel widmen, an, daß sie einmal im Jahre unter falschem Vorwande Geld erhalten. Wir hängen mit einer eigenen Zärtlichkeit an den Gebräuchen der vergangenen Tage, und haben uns so lange als möglich gegen die Ueberzeugung gesträubt, allein sie hat sich uns mit Gewalt aufgedrängt und wir erklären nun dem getäuschten Publikum, daß die Maitagtänzer keine Essenkehrer sind. Ihre Gestalt und Größe schon ist hinreichend, diesen Glauben zu verbannen. Es ist eine bekannte Thatsache, daß der weitverbreitete Geschmack für Registerofen jetzt bedeutend mehr kleine Jungen in Anspruch nimmt, wogegen die Leute, welche unter fingirtem Charakter heutzutage am ersten Mai durch die Straßen tanzen, kaum in einem Küchenschlot Platz hätten, geschweige denn in einem Zimmerkamin. Dieß ist zwar eine sehr vermessene Behauptung, allein wir haben den positiven Beweis dafür – das Zeugniß unserer eigenen Sinne. Hier ist es.
An dem Morgen des zweiten Tages im luftigen Monat Mai, in dem Jahr des Herrn eintausend achthundert und sechsunddreißig, gingen wir zu einem Spaziergange aus, und hatten schon fast alle Hoffnung verloren, das Eine oder das Andere zu sehen, was uns zu dem Glauben verleiten könnte, daß es wirklich Frühling und nicht Weihnachten sei. Nachdem wir schon bis Copenhagenhouse gelangt waren, ohne daß uns irgend etwas vorgekommen wäre, was unseren Argwohn, als müsse im Kalender ein Irrthum obwalten, hätte verscheuchen können, drehten wir wieder um durch Maiden-Lane, in der Absicht, durch die ausgedehnte Ansiedlung zu gehen, welche zwischen jener Gasse und Battle-Bridge liegt und von Eselsfuhrwerken, Pferdefleischessern, Zieglern und Aschensiebern gebildet wird, und wir wären auch ohne Aufenthalt oder Unterbrechung durch diese Kolonie gekommen, wenn nicht ein um ein kleines Häuschen versammelter Menschenhaufe unsere Aufmerksamkeit erregt und uns zum Stehenbleiben bewogen hätte. Wenn wir sagen – ein kleines Häuschen – so verstehen wir darunter kein Detentionshäuschen, welches nach dem alten Liede, »in seiner Jugend Amor bewohnte,« sondern ein hölzernes Haus mit Fenstern, die mit Lumpen zugestopft und mit Papier verkleistert waren, darneben ein schmales Höschen mit einem Kothkarren, zwei Körben, einem Paar Schaufeln, einem kleinen Kohlenhaufen und zerstreuten Porzellanscherben und Ziegelstücken. Vor diesem einladenden Orte blieben wir stehen, und je länger wir hinblickten, desto neugieriger wurden wir, was es wohl für ein interessanter Umstand sein möge, welcher die vordersten in dem Haufen bewog, in der vergeblichen Hoffnung, einen Blick von dem zu erhaschen, was drinnen vorging, an den Fensterscheiben ihre Nasen glatt zu drücken. Nachdem wir einige Minuten ohne Etwas zu entdecken hingeblickt hatten, wendeten wir uns, um die Ursache des Auflaufs zu hören, an einen Herrn in dem Anzug einer »Theerjacke,« der zu unserer Rechten seine Pfeife rauchte, aber die einzige Antwort, welche wir bekamen, war die scherzhafte Frage: »ob unsere Mutter ihre Wäschrolle hergeliehen habe?« und somit entschlossen wir uns, in Ruhe den Ausgang abzuwarten.
Man denke sich unseren edlen Unwillen, als die Thüre der Hütte aufging und eine Gesellschaft daraus hervorging, ganz in dem Kostüme der »Maitagschornsteinfeger,« deren Aufzug sie darstellten!
Zuerst erschien »Mylord,« in einem blauen Frack mit hellen Knöpfen, auf den Nähten Goldpapierstreifen, gelbe kurze Hosen, roth baumwollene Strümpfe und Schuhe, einem mit bunten Papierschnitzeln gezierten aufgestülpten Hut auf dem Kopfe, ein Bouquet von der Größe eines Preisblumenkohl im Knopfloch, ein großes Velcherschnupftuch in der rechten und einen dünnen Stock in der linken Hand. Beifallsgemurmel ging durch die Menge (welche hauptsächlich aus den persönlichen Freunden Sr. Herrlichkeit bestand), als seine graziöse Figur sich zeigte – und schwoll zu einem lauten Freudengeschrei an, als seine schöne Ehehälfte sich an ihn hing. Die Robe von Ihro Herrlichkeit war aus einem rothen Bettüberzug gefertigt, mit langem Leib und kurzen Aermeln. Ihre Knöchel waren theilweise durch ein paar sehr sichtbare Pumphosen verdeckt, und um dem Uebelstand, der aus ihren um ein ansehnliches zu großen weißen Atlasschuhen entstand, war dadurch abgeholfen, daß man sie mit starkem Bindfaden fest an die Beine gebunden hatte.
Ihr Kopf war verschwenderisch mit künstlichen Blumen geziert, und in der Hand trug sie einen großen Messinglöffel, um das hineinzuthun, was sie figürlich »das Zinn« nannte. Die übrigen Masken waren ein junger Bursche in Mädchenkleidern und einer Wittwenhaube, zwei Hanswurste, welche zum unermeßlichen Jubel der Zuschauer auf den Händen im Koth liefen, ein Mann mit einer Trommel, ein zweiter mit einer Pfeife, ein schmutziges Weib in einem großen Umschlagtuche, mit einer Büchse unter dem Arme zu dem Gelde, – und endlich, obgleich nicht das unbedeutendste, »der Green,« welchem keine geringere Person als unser Freund in der Theerjacke Leben und Odem gab.
Der Mann hämmerte auf die Trommel, die Pfeife quieckte, die Schaufeln rasselten, der »Green« torkelte herum, nachdem man ihn erst rechts, dann links unterstützt hatte; – Ihro Herrlichkeit setzte abwechselnd Ihren linken Fuß über den rechten und umgekehrt; Se. Herrlichkeit rannte ein paar Schritte vorwärts und stieß mit dem Kopf an den »Green«, – dann ein paar Schritte rückwärts und trat der nachströmenden Menge auf die Füße, wandte sich bald rechts bald links, riß seine Dame um den »Green« herum, nahm sie dann in den Arm und forderte die Straßenjungen auf, recht zu schreien, was sie denn auch wacker thaten; – dieß war das Tanzen.
Wir begegneten zufällig derselben Gruppe noch ein Mal am Abende. Niemals haben wir noch ein »Green« so voll gesehen, nie einen so zänkischen Lord (nein, auch nicht ein Mal im Oberhause nach dem Mittagessen), nie ein paar so melancholische Lustigmacher, nie eine so mürrische Lady oder überhaupt eine so miserable Partie.
Wie hat der Maitag doch abgenommen! Wie manches lustige Spiel, wie der Tanz um den Maibaum, ist außer Uebung gekommen; und so wenig auch offenbar daran liegen mag, ob sie verloren gegangen sind oder nicht, wie manche liederliche und lasterhafte Gewohnheiten sind an ihre Stelle getreten! Wie viele Heiterkeit und wie viel gemächliche Einfalt haben sie mit sich fortgenommen, und wie viel Herabwürdigung und Verdruß zurückgelassen! –