Charles Dickens
Skizzen aus dem Londoner Alltagsleben
Charles Dickens

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Siebentes Kapitel

Unser nächster Nachbar.

Bei unsern Spaziergängen durch eine Straße machen wir uns gern unsere Gedanken über den Charakter und die Beschäftigung Derjenigen, welche in derselben wohnen, und nichts unterstützt uns dabei so wesentlich, als das Aeußere der Hausthüren. Das verschiedene Gepräge des menschlichen Gesichtes bildet einen schönen und interessanten Stoff für das Studium; aber es liegt fast eben so viel Charakteristisches und kaum weniger Trügliches in der Physiognomie der Thürklopfer. So oft wir Jemand zum ersten Mal besuchen, so betrachten wir die Umrisse seines Thürklopfers mit der angelegentlichsten Neugierde, denn wir wissen wohl, daß zwischen dem Mann und seinem Klopfer nothwendig ein gewisser Grad von Aehnlichkeit und Sympathie stattfinden muß.

So gehe ich z. B. eben an einem Thürklopfer vorbei, der zu der gewöhnlicheren Sorte gehört: er ist groß und rund, und ruht auf dem lustigen Gesichte eines zutraulichen Löwen, der einem freundlich zulächelt, wenn man mit den Fingern in den Haarlocken dreht, oder an dem Hemdkragen zupft, bis die Thüre geöffnet wird. Wir sahen nie einen solchen Klopfer an der Thüre eines filzigen Mannes, und unserer Erfahrung zufolge, verkündet er immer, daß man bei einer Flasche gern gesehen ist.

Man bemerkt einen solchen Klopfer nie an der Thüre eines kleinen Anwalts oder eines Papiermäklers, denn diese lieben eine andere Art von Löwen, eine wildaussehende Bestie mit groben Zügen, in denen sich viehischer Stumpfsinn ausdrückt: dieser ist eine Art Großmeister unter den Klopfern und das Lieblingssymbol eines selbstsüchtigen Grobians.

Dort ist ein kleiner naseweiser Aegyptier mit langem, schmalem Gesichte, aufgestülpter Nase und sehr spitzigem Kinn, den man vorzugsweise bei den Regierungsbeamten mit ihren hellbraunen Beinkleidern und Steifcravatten vorfindet. Diese sind kleine, sparsame, superkluge Leute, welche gewaltig von sich eingenommen sind und das non plus ultra aller Wichtigkeit zu sein wähnen.

Vor einigen Jahren wurden wir nicht wenig in Verlegenheit gesetzt durch eine neue Art von Thürklopfer, ganz ohne Gesicht, der nur aus einem von einer Hand oder von einem kleinen Stab herunterhängenden Ring bestand. Einiges Nachdenken setzte uns jedoch in die Lage, die Schwierigkeit zu überwinden und die Neuerung unserer Lieblingstheorie einzuverleiben. Man findet diesen Klopfer ohne Unterschied an den Thüren kalter, förmlicher Leute, die Einen immer fragen, warum man sie nie besuche, während sie Einen doch nie einladen.

Alle Welt kennt den Thürklopfer der Landhäuser in Vorstädten und ausgedehnteren Kostschulen: er bildet die hervorstechendste und bezeichnendste Species.

Einige Phrenologen behaupten, daß die Thätigkeit des menschlichen Gehirns bei verschiedenen Leidenschaften entsprechende Veränderungen in der Form des Schädels veranlasse. Man darf uns jedoch nicht so verstehen oder unsere Theorie so weit auf die Spitze treiben, daß, unserer Behauptung zufolge eine Veränderung in dem Charakter eines Menschen, eine erkennbare Wirkung auf die Physiognomie seines Thürklopfers übe; denn unsere Ansicht ist blos die, daß in einem solchen Falle der magnetische Rapport, der zwischen dem Mann und seinem Thürklopfer besteht, Ersteren veranlassen wird, den Letzteren zu entfernen, und ihn mit einem solchen zu ersetzen, der seiner veränderten Sinnesart angemessen ist. Findet man je, daß Jemand seine Wohnung ohne einen vernünftigen Grund wechselt, so kann man sich darauf verlassen, daß es deßhalb geschehen ist, weil der Bewohner nicht mehr mit seinem Klopfer übereinstimmte, obgleich dieß der Betheiligte vielleicht selbst nicht einmal ahnt. Unsere Theorie ist zwar neu, aber wir halten sie dem ungeachtet fest, und betrachten sie für ebenso geistvoll und untrüglich, als viele tausende der philosophischen Spekulationen, welche täglich zum Besten des allgemeinen Wohles und des häuslichen Glückes in's Leben treten.

Da die Klopfer für uns eine solche Wichtigkeit haben, so kann man sich leicht denken, mit welcher Bestürzung uns die Entfernung eines solchen von der Thüre unseres Nachbarhauses erfüllte, da derselbe vor einiger Zeit durch eine Klingel ersetzt wurde. Das war ein Strich durch unsere Rechnung, den wir nicht voraus gesehen hatten. Schon der bloße Gedanke, daß Jemand ohne Klopfer existiren könnte, erschien uns so träumerisch, daß wir ihn nicht einen Augenblick für möglich gehalten hätten.

Wir verließen unmuthig die Stelle und lenkten unsere Schritte nach Eaton Square, das eben im Entstehen begriffen war. Aber man denke sich unser Staunen und unsern Unwillen, als wir daselbst fanden, daß die Klingel zur Regel gehörte und der Klopfer nur eine Ausnahme bildete. – Unsere Theorie erlitt hiedurch einen gewaltigen Stoß. Wir eilten nach Hause, und da wir in den nächsten Zeiten schon dem gänzlichen Außerbrauchkommen einer solchen Thürzierde entgegen sehen zu müssen glaubten, so entschlossen wir uns, von Stund an unsere Forschungen an unsern nächsten Nachbar in Person anzustellen. Das Haus zu unserer Linken war unbewohnt, und wir hatten daher volle Muße, unsern Nachbar zur Rechten zu beobachten.

Das Haus ohne den Klopfer gehörte einem Stadtbediensteten, und in dem Fenster des Parterrezimmers stak ein zierlich geschriebener Zettel mit der Nachricht, daß hier eine Wohnung für einen ledigen Herrn zu vergeben wäre.

Es war ein niedliches, ziemlich kleines Haus auf der Winterseite, mit neuen, schmalen Bodentüchern in der Hausflur und neuen schmalen Teppichen auf der Treppe in den ersten Stock. Tapeten, Malerei und Hausgeräthe waren neu, und alle drei verkündigten die beschränkten Mittel des Bewohners. In einem der Zimmer lag ein kleiner roth und schwarzer Teppich, der nicht den ganzen Boden bedeckte; und ein paar eingelegte Sessel, ein Pembroketisch und zwei kleine Pfeilercommoden, auf deren jeder eine rosenfarbene Schaale stand, bildeten, nebst dem Theeservice, der Zuckerdose, einigen Muschelschaalen auf dem Kamingesims und drei geschmackvoll übereinander gelegten Pfauenfedern über demselben, die Ausstattung des Gemachs.

Dieß war das Zimmer, welches den ledigen Herrn den Tag über beherbergen sollte, während eine kleine Hinterstube auf demselben Boden das Schlafappartement abgeben sollte.

Der Zettel hatte noch nicht lange in dem Fenster gesteckt, als sich ein wohlbeleibter, gutmüthig aussehender Gentleman von ungefähr Fünfundvierzig als Bewerber um das Logis meldete. Die Bedingungen waren bald bereinigt, und unmittelbar nach diesem ersten Besuche wurde der Zettel wieder weggenommen. Ein paar Tage nachher zog der ledige Herr ein, und bald darauf erfuhr man auch, wessen Geistes Kind er wäre.

Zuerst ließ sich bemerken, daß er eine außerordentliche Vorliebe für das Aufbleiben bis drei oder vier Uhr Morgens hegte, wobei er Wiskey und Wasser trank und Cigarren rauchte; dann machte er auch gerne Einladungen an seine Freunde, welche sich um zehn Uhr einzustellen pflegten und ungefähr nach Mitternacht lustig zu werden anfingen, indem sie Lieder sangen, wobei der Chor mit voller Kraft und in einer sehr lärmenden und enthusiastischen Weise einfiel – zum großen Verdruß der Nachbarn, und insbesondere zur nicht geringen Störung eines andern ledigen Herrn, welcher gerade über ihnen wohnte.

Das war allerdings schlimm genug, da es im Durchschnitt mindestens dreimal in der Woche vorkam – aber es war noch nicht Alles. Denn wenn sich die Gesellschaft entfernte, so unterhielt sie sich, statt, wie andere ehrliche Leute thun würden, ruhig ihrer Straße zu ziehen, damit, daß sie einen schrecklichen Lärm machte und den Angstruf von Wehen befallener Frauen nachahmten. Und eines Nachts pochte sogar ein Gentleman mit rothem Gesicht und einem weißen Hute auf die empörendste Weise an die Thüre des alten puderköpfigen Herrn in Nummer 3. Der puderköpfige alte Gentleman meinte, einer seiner verheiratheten Töchter möchte zu früh etwas zugestoßen sein, weßhalb er die Treppen hinuntertappte und nach vielem Riegel- und Schlüsselgetöse die Thüre öffnete, vor der er aber Niemand anders als den Mann mit dem rothen Gesichte und dem weißen Hute traf, welcher ihn um Entschuldigung bat, daß er ihm so viele Mühe mache, aber er würde ihm sehr verbunden sein, wenn er die Güte haben wollte, ihm ein Glas frisches Brunnenwasser zu geben und einen Shilling zu leihen, damit er sich in einem Cabriolet nach Hause fahren lassen könne. Der alte Herr schlug ihm die Thüre vor der Nase zu, ging wieder die Treppe hinauf und goß stracks den Inhalt seines Wasserkrugs aus dem Fenster herunter, wobei übrigens zu bedauern war, daß er den Unrechten traf, was denn abermals die ganze Straße in Alarm brachte.

Ein Scherz ist ein Scherz; und selbst handgreifliche Späße mögen in ihrer Art gar nicht übel sein, wenn man nicht unter diejenigen gehört, auf deren Kosten er geübt wird. Aber die Bevölkerung unserer Straße fürchtete so sehr für ihre eigene Haut, daß ihr das Drollige dieser Scene durchaus nicht einleuchten wollte; und die Folge davon war, daß unser Nachbar sich genöthigt sah, dem ledigen Herrn zu erklären, er möge sich, wenn er seine nächtlichen Gelage nicht aufgeben wolle, nach einem anderen Quartier umsehen. Der ledige Herr nahm diesen Verweis in der besten Laune von der Welt hin und versprach, künftig seine Abende in einem Kaffeehaus zuzubringen, – ein Entschluß, der allgemeine Zufriedenheit veranlaßte.

Die nächste Nacht verlief ruhig, und männiglich freute sich dieses Wechsels; aber in der darauf folgenden war der Lärmen größer als je. Da die Freunde des ledigen Herrn ihn nicht mehr alle andere Nacht in seinem eigenen Hause besuchen konnten, so entschlossen sie sich, ihn fortan jede Nacht nach Hause zu begleiten; und das geräuschvolle Abschiednehmen der Freunde, und die Art, wie der ledige Herr die Treppe hinauf polterte, und die Mühe, welche es kostete, bis er die Stiefel von den Beinen gestreift hatte – mit einem Worte, es war nicht mehr auszuhalten. Unser Nachbar kündigte dem ledigen Herrn, der in jeder andern Beziehung ein sehr guter Miethsmann war, das Quartier auf; und der ledige Herr zog aus, um seine Freunde in einer andern Wohnung zu unterhalten.

Der nächste Bewerber um den vacanten ersten Stock war ein ganz anderer Mann, als der ledige Störenfried, welcher denselben eben verlassen hatte. Er war ein hoher, schmaler, junger Gentleman, mit einer Fülle braunen Haares, röthlichtem Backenbart und nicht sehr entwickelten Schnurrbart. Er trug einen Uniformrock mit eingefaßten Knopflöchern, hellgraue Beinkleider, waschlederne Handschuhe und hatte überhaupt ein ziemlich militärisches Aeußere. Also ein ganz anderer Mann, als der polternde ledige Herr. So gewinnend in seinen Manieren, so angenehm im Umgang, und noch obendrein so gesetzt in seinem Wesen! Als er die Wohnung einsah, erkundigte er sich zuvörderst, ob er sich auch darauf verlassen könne, einen Sitz in der Kirche zu bekommen; und als der Miethvertrag abgeschlossen war, wünschte er auch, eine Liste der verschiedenen Lokalwohlthätigkeits-Anstalten zu erhalten, da er dem verdienstlichsten davon beizutreten gedächte.

Wer war glücklicher als unser Nachbar? Er hatte endlich einen Miethsmann gefunden, der ganz seine Gesinnung theilte – einen gesetzten, ernsten Herrn, der kein Freund von lauten Belustigungen war und die Einsamkeit liebte. Er nahm den Zettel mit einem leichten Herzen vom Fenster weg und träumte sich schon eine lange Reihe von ruhigen Sonntagen, an denen er sich mit seinem Miethsmanne unterhalten und in seiner Gesellschaft die Sonntagsblätter lesen konnte.

Der gesetzte Herr langte an, und sein Gepäcke sollte des andern Morgens durch die Landfuhre nachkommen. Er borgte von unserem Nachbar ein reines Hemd und ein Gebetbuch und begab sich zeitig zur Ruhe, nachdem er zuvor gebeten hatte, man möchte ihn des andern Morgens Punkt zehn Uhr wecken – nicht früher, da er sehr ermüdet sei.

Das Letztere geschah, aber es erfolgte keine Antwort; man pochte wieder, aber alles blieb stille. Unser Nachbar wurde unruhig, und ließ die Thüre aufbrechen. Der gesetzte Mann hatte das Haus ganz geheimnißvoll verlassen und das Hemd, das Gebetbuch, einen Theelöffel und die Bettleinwand mitgenommen.

Ob dieser Vorfall in Vereinigung mit den Unregelmäßigkeiten seines früheren Miethsmannes unserem Nachbar einen Widerwillen gegen ledige Herrn einflößte, wissen wir nicht; wir können nur so viel sagen, daß der nächste Zettel in dem Fenster des Parterrezimmers nur im Allgemeinen andeutete, daß ein paar möblirte Gelasse in dem ersten Stock zu vergeben seien. Die Anzeige verschwand bald wieder, und die neuen Insassen erregten zuerst unsere Neugierde, später aber unsere Theilnahme.

Sie bestanden aus einem jungen Menschen von achtzehn oder neunzehn Jahren und seiner Mutter, die etwa fünfzig, vielleicht auch etwas weniger zählen mochte. Mutter und Sohn waren tief in Trauer gekleidet. Sie waren arm – sehr arm; denn ihr ganzer Unterhalt beschränkte sich auf den kümmerlichen Verdienst des jungen Mannes, den er sich durch Abschreiben und Uebersetzen für Buchhändler erwarb.

Sie hatten früher auf dem Lande gelebt und sich nach London übersiedelt, zum Theil, weil es dem jungen Mann bessere Aussichten zu Beschäftigung bot, zum Theil vielleicht auch, weil sie einen Ort zu verlassen wünschten, wo sie bessere Tage gesehen hatten und wo man ihre Verarmung kannte. Sie waren für ihre Verhältnisse stolz und mochten keinen Fremden ihren Mangel wissen lassen. Welche bittere Entbehrungen sie zu erleiden hatten und wie angestrengt der junge Mann arbeiten mußte, um der größten Nothdurft abzuhelfen, war Niemand als ihnen selbst bekannt. Man konnte alle Nacht bis zwei, drei, ja vier Uhr hin und wieder das spärliche Feuer nachschüren hören oder den hohlen, halberstickten Husten vernehmen, welcher verkündigte, daß der junge Mann noch bei der Arbeit war; und mit jedem Tage sah man deutlicher, daß die Natur jenes unirdische Licht über seine Jammermiene gegossen hatte, welches das Kennzeichen ihrer verheerendsten Krankheit ist.

Wir leiteten, wie wir hoffen, von einem höheren Gefühle als dem der bloßen Neugierde veranlaßt, eine Bekanntschaft mit den armen Fremden ein, welche bald in die innigste Vertrautheit überging. Unsere schlimmsten Befürchtungen waren verwirklicht; der junge Mensch schwand rasch dahin. Er setzte seine Arbeiten den Winter über, durch das Frühjahr und bis in den Sommer hinein fort, und die Mutter versuchte es, durch die Arbeit ihrer Nadel Brod zu erwerben.

Aber Alles, was sie verdienen konnte, bestand nur hin und wieder in einigen Shillingen. Der junge Mensch arbeitete ohne Unterlaß und starb mit jeder Minute mehr dahin; aber kein Murren, keine Klage kam über seinen Mund.

An einem schönen Herbstabende machten wir unsern gewöhnlichen Besuch bei dem Kranken. Die wenigen Kräfteüberreste hatten in den letzten zwei oder drei Tagen schrecklich abgenommen, und er lag, in den Anblick der untergehenden Sonne vertieft, an dem offenen Fenster auf dem Sopha. Seine Mutter hatte ihm aus der Bibel vorgelesen und schloß bei unserem Eintreten das Buch, um uns zu begrüßen.

»Ich habe William gesagt,« sprach sie, »wir müßten Sorge tragen, ihn irgendwo aufs Land zu bringen, damit er sich erholen könne. Er ist nicht krank, wie Sie wissen, aber sehr geschwächt, denn er hat sich in der letzten Zeit zu sehr angestrengt.«

Arme Frau! die Thränen, die unter ihren Fingern niederfielen, während sie sich zur Seite wandte, als wolle sie sich ihre Haube zurecht setzen, zeigten zu deutlich, wie vergeblich der Versuch war, sich zu täuschen.

Wir setzten uns oben an das Sopha, ohne etwas zu sprechen, denn wir sahen den Athem des Lebens, zwar sanft, aber schnell aus der Gestalt des jungen Mannes entweichen. Mit jedem Athemzug schlug sein Herz langsamer.

William legte eine Hand in die unsrige, umfaßte mit der andern seine Mutter, zog sie an sich, und küßte sie glühend auf die Wange. Es erfolgte eine Pause. Dann sank er auf sein Kissen zurück, und sah lange und ernst seiner Mutter in's Gesicht.

»William! lieber William!« flüsterte die Mutter nach einem langen Schweigen; »sieh mich nicht so an – sprich mit mir, Lieber!«

Der junge Mann lächelte matt, aber einen Augenblick nachher nahmen seine Züge denselben kalten und feierlichen Ausdruck wieder an.

»William, lieber William! Fasse dich! Sieh mich nicht so an, mein Herz! – thu es nicht! O mein Gott! was soll ich thun?« rief die Wittwe, die Hände verzweifelnd zusammenschlagend. »Mein liebes Kind! es stirbt!«

William machte eine gewaltsame Anstrengung, sich aufzurichten, und faltete die Hände:

»Mutter! liebe Mutter!« hauchte er. »Laß mich in dem freien Felde begraben – überall, nur nicht in diesen schrecklichen Straßen. Ich möchte wohl sein, wo du mein Grab sehen könntest, aber nicht in diesem Straßengedränge; es hat mich getödtet. Küsse mich noch einmal, Mutter; schlinge den Arm um meinen Hals – –«

Er sank zurück, und ein seltsamer Ausdruck stahl sich über seine Züge – nicht der des Schmerzes oder des Leidens, sondern ein unbeschreibliches Starrwerden jeder Linie und jeder Muskel.

William war todt.

 


 


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