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Neunzehntes Kapitel.

Item, ein Kapaun, 2 Schillinge 2 Pence.
Item, Sauce, 4 Schillinge.
Item, Sect, 2 Gallonen, 5 Schillinge 8 Pence.
Item, Brod, 1 Halbpenny.

Shakespeare.

 

John Effingham spielte am andern Morgen nicht im entferntesten auf die Besprechung der vorigen Nacht an, obschon der Händedruck, mit welchem er Paul begrüßte, diesem die Versicherung gab, daß nichts davon vergessen worden war. Es bereitete dem jungen Mann eine geheime Wonne, jeder Hindeutung Eva's Folge zu geben, weßhalb er schon vor dem Frühstück Kapitän Truck aufsuchte, und da er bereits vor der Ankunft der Effinghams auf dem See die Bekanntschaft des »Commodore« gemacht hatte, so wurde dieser Ehrenmann herbeibeschieden und der wackere Schiffsmeister in aller Form vorgestellt. Das Zusammentreffen der beiden Würdenträger war ernst, ceremoniös und voll Anstand, wahrscheinlich weil sich jeder für den zeitweiligen Hüter seines besonderen Antheils an einem Elemente hielt, welches Beiden so theuer war.

Die ersten paar Minuten verfloßen so zu sagen in den Einleitungspunkten der Etikette; aber bald faßte ein besseres Gefühl und mehr Vertraulichkeit Wurzel, und sie beschloßen für den größten Theil des Tages einen gemeinschaftlichen Fischfang, während Paul die Zusage gab, er wolle Nachmittags die Damen auf den See hinausbringen, wenn er anders genug Einfluß besitze, sie zu veranlassen, daß sie mit ihm gingen.

Nach dem Frühstück ersah Eva die Gelegenheit, dem jungen Mann für seine Aufmerksamkeit gegen ihren gemeinsamen Freund zu danken. Letzterer hatte, wie gemeldet wurde, sein Morgenmahl schon früher eingenommen, und war bereits auf dem See draußen, da der Morgen schon bis zehn Uhr vorgerückt war.

»Ich habe mich unterfangen, Eure Weisungen sogar zu überschreiten, Miß Effingham,« sagte Paul, »indem ich dem Kapitän versprach, ich wolle mir Mühe geben, Euch und möglichst viele von den Damen zu überreden, daß Ihr Euch meiner Fährmannskunst anvertraut und mir gestattet, Euch nach der Stelle zu rudern, wo wir ihn und seinen Freund, den Commodore, vor Anker finden werden. Oder wollt Ihr Euch lieber am Ufer hin zu einem Picknik nach dem Vorsprung begeben? – ich stelle dieß ganz Eurem Gutdünken anheim.«

»Ich will all' meinem Einfluß aufbieten, um Eurer Zusage Kraft zu geben. Mrs. Bloomfield hat bereits den Wunsch ausgedrückt, auf dem Otsego zu fahren, und ich zweifle nicht, daß ich auch noch andere Begleiter finden werde. Noch einmal meinen Dank für diese kleine Aufmerksamkeit, denn ich kenne Euren Geschmack zu gut, um nicht einzusehen, daß Ihr leicht einen angenehmeren Schützling finden könntet.«

»Auf mein Wort, ich achte unsern alten Kapitän sehr, und möchte mir oft keinen besseren Gefährten wünschen. Wäre er übrigens auch eben so unangenehm, als ich ihn in Wirklichkeit gesellig und freimüthig finde, so würden mir Eure Wünsche genug sein, um alle seine Fehler mit dem Mantel der Liebe zu decken.«

»Ihr wißt wohl, Mr. Powis, daß kleine Aufmerksamkeiten eben so gut Anerkennung finden, als wichtige Dienstleistungen, und nachdem Ihr uns das Leben gerettet, wollt Ihr nun auch beweisen, daß Ihr nicht nur große Thaten verrichten, sondern auch Euch der petits devoirs sociaux entledigen könnt. Ich hoffe, Ihr werdet Sir George Templemore bereden, gleichfalls von der Partie zu sein. Ihr sollt uns sodann um vier Uhr bereit finden, denn bis dahin habe ich versprochen, mit Mrs. Bloomfield auf ihrem Ankleidezimmer zu plaudern.«

Wir verlassen nun die auf dem Lande, um denen zu folgen, welche bereits zu dem Nachen gegriffen haben – nämlich den Fischern. Die Unterhaltung zwischen dem Salzwasserschiffer und seinem Süßwassergefährten war anfänglich wieder ein wenig gezwungen und kritisch, weil die Kunstausdrücke so wenig als möglich zusammenstimmten. Wenn nämlich der Kapitän den Ausdruck » Ship the oars« brauchte, so verstand der Commodore gerade das Gegentheil von dem, was damit gemeint war, und als er einmal seinen Gefährten zum » give way« aufforderte, nahm Letzterer den Wink so buchstäblich, daß er seine Anstrengungen ganz und gar einstellte. Alle diese kleinen Spitzfindigkeiten veranlaßten den würdigen Schiffsmeister, seinen Kunstgenossen ziemlich gering anzuschlagen, obschon dieser im Ganzen in seinem Berufe sehr geschickt war, nur mit dem Unterschiede, daß sich seine Fertigkeit nach den Eigenthümlichkeiten des Sees, nicht aber nach denen des Oceans richtete. In Folge mehrerer derartiger Contretemps begann sich, als sie den Fischgrund erreicht hatten, im Innern des Kapitäns ein Gefühl gegen den Commodore zu entwickeln, das sich nur schlecht mit der Ehrfurcht gegen dessen Titularrang vertrug.

»Ich bin mit Euch herausgekommen, Commodore,« sagte Kapitän Truck, sobald sie ihre Station erreicht hatten, indem er einen eigentümlichen Nachdruck auf den von ihm gebrauchten Titel legte, »um mich zu vergnügen, und Ihr werdet mir einen großen Gefallen erweisen, wenn Ihr keine solche Phrasen braucht, als da sind: ›Kabeltau‹, ›Ankerwerfen‹ und ›titiwatiren‹. Was die beiden ersten Worte betrifft, so braucht sie ein Seemann nie, und ich hätte mir am allerwenigsten gedacht, sie an Bord eines Fahrzeugs hören zu müssen. Soll mich Gott holen, wenn ich glaube, daß man sie überhaupt nur in einem Wörterbuche findet.«

»Ihr setzt mich in Erstaunen, Sir! ›Anker werfen‹ und ›Kabeltau‹ sind ein paar biblische Ausdrücke und müssen daher wohl recht sein.«

»Dieß folgt nicht daraus, Commodore, und ich muß dieß wohl am besten wissen – denn mein Vater ist ein Pfarrer gewesen, und ich bin ein Matrose; man kann also sagen, daß wir den ganzen Gegenstand in der Familie haben. Der heilige Paulus – Ihr habt doch von einem solchen Mann gehört, wie der heilige Paulus war, Commodore?«

»Ich kenne ihn fast so gut, wie diesen See hier, Sir; aber St. Peter und St. Andreas waren die Männer am meisten nach meinem Herzen. Unser Beruf ist ein gar alter, Sir, und in diesen beiden Beispielen könnt Ihr sehen, zu was es ein Fischer bringen kann. Ich erinnere mich nicht, je von einem Seekapitän gehört zu haben, der in einen Heiligen umgewandelt wurde.«

»Nun ja, es gibt an Bord eines Schiffes immer zu viel zu thun, als daß man Zeit fände, es in der Religion viel über den Anfang hinauszubringen. So hatte ich auf meiner vorletzten Reise einen Maten, den Tom Leach – er ist jetzt Meister eines eigenen Schiffs – aber wäre er gehörig dazu erzogen worden, so würde er einen so gewissenhaften Pfarrer abgegeben haben, wie es sein Großvater vor ihm gewesen war. Ja, wahrhaftig, er hätte eben so gut zu einem Geistlichen getaugt, wie zu einem Seemann. Ich will Euch gegen Euren St. Peter oder St. Andreas nicht viel einwenden, aber meinem Urtheil nach sind sie durch den Umstand, daß sie Fischer waren, nicht besser geworden; und wenn man der Sache auf den Grund geht, so wette ich, sie waren zuletzt schuld daran, daß so tölpelige Phrasen, wie ›Anker werfen‹ und ›Kabeltau‹ in der Bibel aufgenommen wurden.«

»Ich bitte, Sir,« entgegnete der Commodore mit Würde, »wie pflegt denn Ihr zu sagen, wenn Ihr von dergleichen Dingen sprecht? – denn offen gestanden, wir auf den Seen bedienen uns stets dieser Ausdrücke.«

»Das will ich glauben, denn sie tragen einen gewaltigen Süßwassergeschmack an sich. Wir sagen: ›ankern‹ oder ›den Anker gehen lassen‹ oder ›den Anker senken‹, kurz wir brauchen derartige vernünftige Ausdrücke, reden aber nie vom ›Anker werfen‹ als ob man ein Stückchen Eisen, das seine zwei oder drei Tonnen wiegt, handhaben könne, wie einen Stein, der groß genug ist, um einen Vogel damit todt zu schmeißen. Was das ›Kabeltau‹ betrifft, wie Ihr's nennt, so sagen wir ›Kabel‹ oder ›Kette‹, oder ›Grundtakel‹, je nach dem Zweck der Anwendung und nach den Umständen. Von einem ächten Theer hört man nie, daß er seine ›Kabeltaue‹ schwenke und seinen ›Anker werfe‹; dieß ist Alles viel zu sentimental und eine ganz unpassende Redeweise. Was die ›Taue‹ anbelangt, so glaube ich, Ihr seid nicht Commodore geworden, ohne zu wissen, wie viel ihrer in einem Schiffe sind.«

»Ich will nicht behaupten, daß ich sie gezählt habe; aber ich sah einmal ein Schiff, das unter vollen Segeln stand, Sir, und weiß daher, daß es so viele Taue an sich hatte, als es Fichten auf der Vision gibt.«

»Hat Euer Berg da mehr als sieben von diesen Bäumen? denn dieß ist just die Zahl von Tauen in einem Kauffahrer, obschon ein Kriegsschiff vielleicht eines oder zwei mehr zählt.«

»Ihr setzt mich in Erstaunen, Sir! Nur sieben Taue in einem Schiffe? Ich hätte eher gedacht, es wären siebenhundert!«

»Ja, ja – glaub's wohl; dieß ist just die Art, wie das Landvolk ein Schiff zu kritisiren sich anmaßt. Was die Taue betrifft, so will ich Euch jetzt ihre Namen angeben, und dann könnt Ihr Euch Eurer Kanoe-Gentry ein Stündchen vor die Klüse legen, um ihr zu gleicher Zeit eine gute Grammatik sowohl, als ein bischen Bescheidenheit beizubringen. Erstlich,« fuhr der Kapitän fort, indem er sehr unnöthigerweise an seiner Leine zerrte und dann an seinen Fingern zu zählen anfing; »erstlich ist da das ›Haupttau‹; dann kommt das ›Schiffseimertau‹, das ›Steuertau‹, das ›Bolzentau‹, das ›Fußtau‹, das ›Marstau‹ und das ›Rüstergatentau‹. Ich treibe mich nun schon mehr als ein halbes Jahrhundert auf dem Meere herum und habe noch nie Einen, der überhaupt Handreichung thun, reffen und steuern konnte, von einem ›Kabeltau‹ sprechen hören.«

»Na, Sir, Jeder hält's, wie's sein Gewerbe mit sich bringt,« sagte der Commodore, der eben jetzt einen schönen Grashecht herauszog – schon den dritten, den er gefangen hatte, während sein Gefährte höchstens mit einem erfolglosen Zupfen am Köder erfreut worden war. »Es scheint, Ihr versteht Euch besser auf die Taue, als auf die Fischleinen. Ich will Euch Eure Erfahrung und Wissenschaft nicht absprechen, aber was das Fischen betrifft, so werdet Ihr wenigstens zugeben müssen, daß das Meer keine sonderlich gute Schule ist. Ich stehe dafür, wenn Ihr jetzt den ›Sogdollager‹ an den Haken kriegtet, würden wir Euch in dem See baumeln sehen, damit Ihr nur wieder los würdet. Wahrscheinlich habt Ihr noch nie von diesem berühmten Fisch gehört?«

Nun hatte Kapitän Truck, ungeachtet seiner vielen trefflichen Eigenschaften, doch eine Schwäche, die man ziemlich allgemein bei einer Menschenklasse findet, welche viel von der Welt gesehen hat und daher nicht gerne zugestehen will, sie habe nicht Alles gesehen. Er glaubte es seiner eigenen Würde schuldig zu sein, mit dem Commodore ein wenig anzubinden und ihm seine eigene Ueberlegenheit gehörig bemerklich zu machen; hatte er es einmal so weit gebracht, so wollte er weiter keinen Anstand nehmen, dem Anderen zuzugestehen, daß er im Hechtfang die Palme verdiene. Freilich war es vorderhand noch zu früh, eine derartige Einräumung zu machen und die selbstgefälligen Bemerkungen des Commodore jagten ihn so sehr in's Feuer, daß er auf dem Punkte war, im Nothfalle sogar zu behaupten, er habe einen ganzen Monat lang nichts als »Sogdollagers« zum Frühstück gegessen.

»Pah! pah! Mann,« entgegnete der Kapitän mit der Miene kalter Geringschätzung. »Ihr werdet Euch doch wahrhaftig nicht einbilden, Ihr hättet Etwas in diesem See da, was sich nicht auch im Ocean finden lasse? Wenn ein Wallfisch mit seinen Floßen Euren Sumpf drösche, so würden alle Eure Kreuzer nach einem Hafen rennen, und was die ›Sogdollagers‹ betrifft, so machen wir auf dem Salzwasser uns wenig daraus, da der fliegende Fisch oder sogar der dürre Delphin ein weit besseres Essen ist.«

»Sir!« rief der Commodore mit einiger Hitze und großem Nachdruck, »es gibt nur einen Sogdollager in der Welt, und der ist in diesem See. Außer meinem Vorgänger, dem ›Admiral‹, hat ihn Niemand je gesehen, als ich.«

»Pah!« rief der Kapitän; »im mittelländischen Meer gibt es ihrer so viele, als weiche Austern, und die Egyptier braten sie in der Pfanne. Im Morgenland fängt man sie als Köder für die Hellbutten und andere mittelgroße Kreaturen, die's mit ihrer Kost ein bischen genau nehmen. Ich gebe zu, daß es ein guter Fisch ist, wie man schon aus diesem Umstand ersehen kann.«

»Sir,« wiederholte der Commodore, seine Hand schwenkend und in seinem Eifer warm werdend, »es gibt nur einen einzigen Sogdollager auf dem ganzen Erdenrund, und der ist im Otsego-See. Der Sogdollager ist eine Salmforelle – eine besondere Species, eine Art Vater von allen Salmforellen in diesem Theile der Welt, ein schuppiger Patriarch.«

»Ich zweifle nicht, daß Euer Sogdollager schuppig genug ist, aber was nützt's, so viele Worte zu vergeuden wegen einer derartigen Kleinigkeit? Ein Wallfisch ist der einzige Fisch, mit dem sich ein Gentleman mit seinen Gedanken befassen kann, und so lang ich auch auf dem Meere bin, habe ich doch nicht mehr als drei derselben fangen sehen.«

Diese Anspielung bewahrte glücklicherweise den Frieden, denn wenn es Etwas auf der Welt gab, wofür der Commodore eine tiefe aber unklare Verehrung unterhielt, so war dieß ein Wallfisch. Diesen Nimbus trug er sogar auf den Mann über, welcher ein derartiges Thier im freien Ocean hatte seine Sprünge machen sehen, und sein Geist demüthigte sich plötzlich unter den Strahlenglanz eines Matrosen, der sein ganzes Leben unter so riesigen Thieren zugebracht hatte. Seine Mütze auf dem Kopfe zurückschiebend, schaute der alte Mann den Kapitän eine Minute lang stätigen Blickes an, und sein Mißvergnügen über die »Sogdollager« verschwand, obgleich er im Innersten seiner Seele überzeugt war, der Andere habe ihm über diesen besonderen Gegenstand nichts als eine regelmäßige Fisch- oder Lügengeschichte aufgebunden.

»Kapitän Truck,« sagte er feierlich, »ich gebe zu, daß ich nur ein unwissender, unerfahrener Mann bin, der sein Leben hier auf diesem See verbracht hat; denn obschon er groß und schön ist, muß er doch den Augen eines Seemannes, der, gleich Euch, seine Tage auf dem atlantischen Ocean verlebte, nur wie ein Teich erscheinen.«

»Auf dem atlantischen Ocean?« unterbrach ihn der Kapitän verächtlich. »Ich würde eine sehr geringe Meinung von mir selbst haben, wenn ich nichts als den Atlantischen gesehen hätte! Wahrhaftig, ich kann nicht einmal glauben, daß ich überhaupt auf dem Meere bin, wenn ich auf dem Atlantischen fahre, denn das Hin und Her zwischen New-York und Portsmouth will nicht viel weiter heißen, als das Kanalen längs eines Leinpfads. Wenn Ihr von Ocean sprechen wollt, so sprecht von dem Pacific oder von der großen Südsee, wo man selbst bei dem besten Wind einen Monat lang laufen kann und kaum von einer Insel zur andern kommt. Ja wohl, das ist ein Meer, in welchem es eine Inselfabrik gibt, denn sie tauchen dort in Masse auf für den Markt, und noch obendrein von jeder Größe, wie es der Liebhaberei der Kunden zusagt.«

»Eine Inselfabrik!« wiederholte der Commodore, der gegen seinen Begleiter eine Ehrfurcht zu fassen begann, wie er sie nie gegen ein menschliches Wesen auf dem Otsego-See fühlen zu müssen erwartet hätte; »wißt Ihr gewiß, Sir, daß hierin kein Irrthum obwaltet?«

»Von einem Irrthum ist nicht entfernt die Rede, denn nicht blos Inseln, sondern ganze Archipelagi werden jährlich in diesem Theile der Welt durch die Seeinsekten gemacht. Aber freilich dürft Ihr ein Insekt in einem solchen Meere nicht mit den Insekten vergleichen, die Ihr in einem solchen Topf voll Wasser, wie dieser See da ist, finden könnt.«

»So groß als unser Grashecht oder Salm, kann ich mir denken,« entgegnete der Commodore in der Einfalt seines Herzens, denn sein absprechender Lokaldünkel war jetzt vollkommen gedemüthigt und der Mann selbst bereit, fast Allem Glauben zu schenken.

»Ich meine nicht ihre Größe, sondern hauptsächlich ihre Zahl und ihren Fleiß. Wahrlich, ein einziger Hayfisch würde Euren ganzen See in Commotion bringen?«

»Ueber einen Hayfisch sollten wir, denke ich, wohl Meister werden, Sir. Ich habe, einmal eins dieser Thiere gesehen und glaube wahrhaftig, daß es der Sogdollager ausstechen würde. Ich denke, wir könnten mit einem Hayfisch fertig werden, Sir.«

»Ja, allenfalls mit einem Küstenhay aus den hohen Breiten; aber was würdet Ihr zu einem Hay sagen, der so lang ist, wie eine von jenen Fichten auf den Bergen?«

»Und solch' ein Ungeheuer könnte ein Mann ganz hereinnehmen?«

»Ein Mann? Er würde einem ganzen Peloton, nach Indianerweise in Reih' und Glied gestellt, zu schaffen machen. Na, ich meine, eine von diesen Fichten mag wohl dreißig oder vierzig Fuß hoch sein!«

Ein Strahl des besseren Verständnisses und des Jubels schoß über das verwitterte Gesicht des alten Fischers, denn er hatte in dem Wissen des Anderen einen schwachen Punkt entdeckt. In Folge jener Art von Ausschließlichkeit, welche man stets findet, wo sich irgend Jemand in einem Fache auszeichnet, verstand sich der würdige Kapitän durchaus nicht auf die Gegenstände, welche zu dem Land gehörten. Daß es so weit im Binnenland einen Baum geben sollte, der länger war als seine Hauptraa, schien ihm nicht wahrscheinlich, obschon diese Raa selbst nur aus dem Theile eines Baums gemacht war; in seiner löblichen Absicht also, dem Commodore die Ueberlegenheit eines ächten Seemanns über einen Süßwasserschiffer recht an's Herz zu legen, hatte er unabsichtlich eine schwache Seite in Abschätzung von Höhen und Entfernungen bloßgestellt, und der Andere fuhr nun mit derselben Gier darauf los, wie der Hecht auf die Angel. Dieser gelegentliche Mißgriff allein ersparte dem Fischer eine tiefe Selbstdemüthigung, denn die ruhige Ueberlegenheit des Kapitän hatte ihn in so weit all seines Dünkels beraubt, daß er fast zu der Einräumung bereit war, er sei nicht viel besser als ein Hund, wenn ihm nicht ein Lichtschimmer durch diese Lücke wieder einiges Selbstgefühl gegeben hätte.

»Auf allen diesen Bergen gibt es keine einzige Fichte, die nicht über hundert Fuß hoch wäre, und viele messen sogar ihrer zwei,« rief er frohlockend mit einer furiosen Handschwenkung. »Das Meer mag seine Ungeheuer haben, Kapitän, aber unsere Berge haben große Bäume. Habt Ihr je einen auch nur halb so langen Hayfisch gesehen?«

Kapitän Truck war ein Freund der Wahrheit, obschon er sich gelegentlich verlocken ließ, ihre Gesetze zu verletzen; da er nun nicht geneigt war, sich über die Wunder der großen Tiefe im Geiste der Uebertreibung zu verbreiten, so konnte er es nicht über sein Gewissen bringen, eine so maßlose Behauptung aufzustellen, und sah sich deßhalb genöthigt, seinen Irrthum zuzugestehen. Von diesem Augenblick an lief die Unterhaltung mehr auf dem Fuße der Gleichheit fort. Sie sprachen während des Fischens von Politik, Religion, Philosophie, Menschennatur, nützlichen Künsten, Abolition und den meisten übrigen Gegenständen, die möglicherweise ein paar Amerikaner interessiren können, wenn sie nichts zu thun haben, als hin und wieder an zwei im Wasser hängenden Leinen zu zupfen. Obschon unsere Landsleute anderen Nationen gegenüber im Punkte des eigentlichen Conversations-Talents sehr verkürzt sind, so umfaßt doch kein anderes Volk in seinen Verhandlungen einen so weiten Gesichtskreis, denn es müßte ein sehr dürftig ausgestatteter Amerikaner sein, der nicht von Allem Etwas wüßte oder doch zu wissen meinte, und unsere beiden Würdenträger blieben in Geltendmachung ihrer derartigen National-Ansprüche nicht zurück. Diese allgemeine Discussion stellte die Freundschaft zwischen den Partien wieder vollständig her, denn die Wahrheit zu gestehen, unser alter Freund, der Kapitän war über die Angelegenheit mit dem Baum etwas kleinlaut geworden. Die einzige beachtenswerthe Eigenthümlichkeit, welche im Laufe ihrer verschiedenen Verhandlungen vorfiel, war der Umstand, daß der Commodore unwillkürlich seinen Gefährten als »General« zu betiteln begann; der Landesbrauch schien es ihm nämlich zu fordern, daß ein Mann, der so viel mehr gesehen hatte, als er selbst, sich wenigstens eines Titels erfreue, der seinem eigenen an Rang gleich war, und die Bezeichnung »Admiral« konnte er nicht wohl in Anwendung bringen, da die Empfindlichkeit der republikanischen Grundsätze sie geächtet hatte.

Nachdem sie einige Minuten gefischt hatten, ruderte der Commodore den Nachen nach dem mehrerwähnten Vorsprung, wo er Feuer auf dem Grase anzündete und ein Mittagsmahl zurichtete. Sobald Alles bereit war, nahmen die Beiden Platz und begannen sich der Früchte ihrer Mühen in einer Weise zu erfreuen, welche wohl von allen Freunden der Jagd und Fischerei begriffen werden wird.

»Ich habe noch nicht daran gedacht, Euch zu fragen, General,« sagte der Commodore, als er eben an einem Barsch zu kauen begann, »ob Ihr ein Aristokrat oder ein Demokrat seid. Wir haben zwar diesen Morgen an der Regierung so ziemlich das Unterste zu oberst gekehrt, aber diese Frage ist mir aus der Acht gekommen.«

»Wir sind hier unter uns und können unter diesen schönen Eichen wie ein paar alte Kameraden sprechen,« entgegnete der General mit halbgefülltem Munde; »ich will daher mit der Farbe herausgehen und nicht viel Federlesens machen. Nachdem ich so lang Kapitän meines Schiffes war, kann ich nur mit größter Verachtung auf alle Gleichheit niederschauen. Ich erkläre sie für eine sehr fehlerhafte Einrichtung, und was auch die Gesetze des Landes sagen mögen, so bin ich doch der Ansicht, daß die Gleichheit nirgends in dem Völkerrechte eine Stütze findet; dieses, Commodore, ist am Ende das einzig wahre Gesetz, unter dem ein Gentleman leben kann.«

»Wenn ich die Sache recht begreife, so ist darunter das Recht des Stärksten verstanden, General?«

»Aber auf Regeln gebracht. Die Wahrheit zu gestehen, das Völkerrecht ist voll von Kategorien, und dieß gibt einem unternehmenden Manne Gelegenheit, sein Glück zu machen. Würdet Ihr's wohl glauben, Commodore, daß es Länder gibt, in welchen man den Taback besteuert?«

»Den Taback besteuert? Sir, ich habe nie von einem solchen Bedrückungs-Akt unter der Form eines Gesetzes gehört! Was hat denn der Taback gethan, daß man daran denken kann, ihn mit Steuern zu belegen?«

»Ich glaube, Commodore, sein größtes Verbrechen besteht darin, daß er so allgemein beliebt ist. Ich habe gefunden, daß die Steuern verschieden sind von den meisten andern Dingen, indem sie hauptsächlich das angreifen, was die Menschen am meisten werthschätzen.«

»Dieß ist mir etwas Nagelneues, General. Eine Steuer auf den Taback! Gewiß haben die Gesetzmacher in jenen Ländern ihre Zähne verloren und können nicht kauen. Auf Eure Gesundheit Sir, und auf oftmalige, glückliche Wiederkehr solcher Bankette, wie unser gegenwärtiges.«

Der Commodore brachte jetzt seine Lippen an eine große silberne Punschbowle, welche Pierre geliefert hatte, und heftete fast eine Minute lang seine Augen auf die Zweige einer knorrigen Eiche, einem Manne gleich, der mit größter Angelegentlichkeit eine Beobachtung vornimmt. Der Kapitän sah ihm mit sympathetischem Wohlbehagen zu und ahmte, sobald die Bowle frei wurde, das Beispiel des Andern nach, indem er sein Auge auf eine Wolke richtete, die ausdrücklich zu diesem Zwecke unter einem Winkel von 45 Graden über ihm hing.

»Das ist eine träge Wolke,« rief der General, als er absetzte, um Athem zu holen. »Fast eine Minute habe ich sie beobachtet, und diese ganze Zeit über ist sie nicht einen Zoll von ihrer Stelle gerückt.«

»Taback!« wiederholte der Commodore mit einem langen Athemzuge, als habe eben erst das Spiel seiner Lungen wieder begonnen. Ich würde eben so gut daran denken, eine Steuer auf den Punsch zu legen. Ein Land, das eine solche Politik befolgt, muß früher oder später zu Grunde gehen. Ich habe nie etwas Gutes erlebt aus einem Verfolgungs-System.«

»Ich finde, daß Ihr ein verständiger Mann seid, Commodore, und bedaure, daß ich Eure Bekanntschaft nicht im früheren Leben gemacht habe. Seid Ihr über den Punkt des religiösen Glaubens schon mit Euch in's Reine gekommen?«

»Je nun, mein lieber General, um gegen eine Person von Eurer Freisinnigkeit nicht zu nippeln, wie ein Säugling mit wundem Munde, will ich Euch eine einfache Geschichte meiner Abenteuer und Erfahrungen geben, damit Ihr Euch selbst ein Urtheil bilden mögt. Ich bin, wenn man so sagen kann, als Episcopale geboren, im Zwanzigsten aber zum Presbyterianismus bekehrt worden. Bei diesem Glaubensbekenntnisse blieb ich ungefähr 5 Jahre, und da dachte ich denn, ich wolle es mit den Baptisten probiren, weil ich mittlerweile das Wasser liebgewonnen hatte. Im Zweiunddreißigsten fischte ich eine Weile in Gemeinschaft mit den Methodisten, und nach dieser Bekehrung habe ich's für gut befunden, Gott so ziemlich in meiner eigenen Weise hier auf dem See außen anzubeten.«

»Haltet Ihr es für eine Sünde, an einem Sonntag zu fischen?«

»Eben so wenig, als es mir sündig erscheint, am Sonntag einen Fisch zu essen. Ich halte es im Allgemeinen bei meiner Religion mit dem Glauben, General, denn man hat mir so viel von der Nutzlosigkeit der Werke vorgesprochen, daß ich's nicht sonderlich genau nehme mit Allem, was ich thue. Die Leute, die sich ihre vier oder fünf Mal bekehren, kommen mir wie die Grashechte vor, die nach jeder Angel schnappen.«

»Ganz das Gleiche ist bei mir der Fall. Zum Beispiel am River – natürlich wißt Ihr, wo der River ist?«

»Allerdings,« versetzte der Commodore; »drunten am Ausgang des See's.«

»Mein lieber Commodore, wenn wir sagen: ›der River‹, so verstehen wir stets darunter den Connecticut, und es nimmt mich Wunder, daß man einem Mann von Eurer Klugheit dieß sagen muß. Aber am River gibt's Leute, welche behaupten, daß ein Schiff am Sonntag beiliegen müsse. Sie sprachen davon, eine Anti-Sonntags-Segelsocietät aufzubringen, aber die Schiffsmeister waren ihnen zu stark und drohten mit Bildung einer Gesellschaft, welche das Wachsen der Zwiebeln an Sonntagen abschaffen sollte. Gut also – was die Religion betrifft, so wurde ich auf dem Platformgange vom Stapel gelassen, und ich glaube, ich werde auf dem gleichen Kurs Stand halten, bis der Befehl zum ›Anker werfen‹ kömmt, wie Ihr's nennt. Mit Euch halte ich den Glauben für das Einzige, was nöthig ist. Bitte, mein guter Freund, was sind Eure wahren Ansichten in Betreff des alten Hickory?«

»Er ist zäh – zäh wie ein Februartag auf diesem See; lauter Finnen, Kiemen und Gräthe.«

»Das ist die passendste Bezeichnung, die ich je von dem alten Gentleman gehört habe, und sie sagt viel in wenigen Worten. Keine Kategorie darin. Ich hoffe, der Punsch ist nach Eurem Geschmack?«

Auf diese Andeutung lüpfte der alte Fischer die Bowle zum zweitenmal an seine Lippen und erneuerte die angenehme Obliegenheit, den Inhalt in einem lieblichen Strome die Kehle hinunterfließen zu lassen. Dießmal nahm er sich eine Möve zum Ziel, die über seinem Kopfe hinsegelte, und er setzte erst wieder ab, als sich der Vogel auf's Wasser niedergelassen hatte. Der General ging sorgfältiger zu Werke, denn er wählte sich einen festen Punkt auf dem Wipfel einer Eiche, die auf dem nahen Berge wuchs, und studirte ihn mit bewunderungswürdiger Aufmerksamkeit, bis er den letzten Tropfen versorgt hatte. Sobald sich übrigens die beiden Zecher von dieser niederschlagenden Thatsache überzeugt hatten, gingen sie an's Werk, den Unfall wieder gut zu machen, indem sie secundum artem Citronen ausdrückten, Zuckerwasser verfertigten und Branntwein darein mischten. Zu gleicher Zeit zündete jeder eine Cigarre an, und die Unterhaltung wurde eine Weile nur durch die Zähne fortgeführt.

»Wir sind heute so offen gegen einander gewesen, mein trefflicher Commodore,« sagte Kapitän Truck, »daß ich Eure innerste Seele als einen Theil meines Ich's betrachten könnte, wenn ich nur erst Eure wahre Gesinnung über die Mäßigkeitsgesellschaften wüßte. Durch derartige freie Mittheilungen wird man am schnellsten miteinander bekannt.«

»Wenn der Branntwein nicht zum Trinken gemacht ist, für was hätte man ihn dann? Jedermann sieht, daß dieser See die Bestimmung hat, Nachen zu tragen und dem Fischfang zu dienen; diesen Zwecken entspricht er durch seine Länge, Breite und Tiefe. Nun haben wir da gut destillirten Spiritus in zugestöpselten Flaschen, und ich frage, ob nicht Alles dieß darauf hindeutet, daß er dazu gemacht worden ist, getrunken zu werden. Ich will wohl glauben, daß die Mäßigkeitsmänner gescheidte Leute sind, aber sie sollen mir dieß beantworten, wenn sie können.«

»Ich wünschte von Herzen, mein lieber Sir, wir hätten einander schon seit fünfzig Jahren her gekannt. Ihr wäret dadurch in Berührung mit dem Salzwasser gekommen, und Eure Reputation hätte nichts zu wünschen übrig gelassen. Wir denken, glaube ich, in Allem gleich, nur nicht gerade über die Tugenden des [Süßwassers]. Na, wenn man dieses Mäßigkeitsvolk gewähren ließe, so würden wir bald Alle zu Türken, welche nie einen Tropfen Wein kosten, aber doch Weiber zu Dutzenden nehmen.«

»Eine der Haupteigenschaften des süßen Wassers, General, besteht in seiner Mischbarkeit, wie ich's nenne.«

»Ohne diese wär's auch mit den Sonnabenden alle – sie sind nämlich die Theepartien des Seemanns.«

»Ich möchte wohl fragen, ob Viele der Mäßigkeitsleute vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang im Regen fischen möchten.«

»Ja, oder von [Sonnenuntergang] bis zum [Sonnenaufgang] in nassen Jacken auf der Wache stehen. Zu solchen Zeiten die Hauptbrasse zu splissen ist die wahre Quintessenz des menschlichen Vergnügens.«

»Wenn der Branntwein nicht zum Trinken gemacht ist,« fuhr der Commodore logisch fort, »so muß ich noch einmal fragen, für was sonst wäre er denn da? Sie sollen mir über diese Schwierigkeit wegkommen, wenn sie können.«

»Commodore, ich wünsche Euch noch zwanzig herzige Jährchen Fischfangs auf diesem See, der mir, wie überhaupt die ganze Erde, mit jedem Augenblick lieblicher vorkommt; und um Euch zu zeigen, daß ich nicht mehr sage, als ich denke, will ich es mit einem Trunke bekräftigen.«

Kapitän Truck hielt nun mit dem rechten Auge auf die Mondsichel ab, die zufälligerweise in einer bequemen Höhe stand, schloß das linke und blieb in dieser Haltung, bis der Commodore ernstlich zu denken begann, es dürften ihm für seinen Antheil nichts als Citronenkerne übrig bleiben. Die Besorgniß konnte jedoch nur aus einer Unkenntniß von Mr. Truck's Charakter hervorgehen, da es nach dem Urtheil aller seiner Collegen keinen billiger denkenden Mann auf der ganzen Erde gab, und hätte man den in der Bowle zurückbleibenden Punsch abgemessen, so würde man auf den Fingerhut voll hin gefunden haben, daß die Hälfte noch vorhanden war. Die Reihe kam jetzt an den Commodore, und ehe dieser noch mit seiner Prozedur fertig war, hatte der Boden des Gefäßes eine völlig wagrechte Lage gewonnen. Nach dieser Heldenthat holte der ehrliche Fischer tief Athem und senkte die Augen vom Himmelsgewölbe zur Erde nieder, bei welcher Gelegenheit er eines Bootes ansichtig wurde. Dieses kam von der schweigenden Fichte her gegen den Vorsprung, auf welchem sich die beiden Freunde in so vielen lieblichen Hallucinationen über Mäßigkeit ergangen hatten.

»Dort kommen die aus dem Wigwam,« sagte er, »und sie werden just zeitig genug anlangen, um sich zu unseren Ansichten zu bekehren, wenn sie allenfalls über die besprochenen Punkte Zweifel unterhielten. Sollten wir den festen Boden aufgeben und nach dem Kahne greifen, oder fühlt Ihr Euch geneigt, das Weibsvolk zu erwarten?«

»Unter gewöhnlichen Umständen, Commodore, würde ich Eure Gesellschaft allen Unterröcken des Staates vorziehen; aber in jenem Boote sind zwei Damen, von denen ich jede heirathen würde, so bald sie's haben wollte.«

»Sir,« versetzte der Commodore im Tone der Warnung, »wir, die wir so lange als Junggesellen gelebt haben und dem Wasser angetraut sind, sollten über einen so ernsten Gegenstand nie leichtfertig sprechen.«

»Dieß ist auch nicht der Fall. Von den Frauenzimmern ist die Eine zwanzig und die andere siebenzig, und ich will mich hängen lassen, wenn ich weiß, welcher ich den Vorzug gebe.«

»Der letzteren seid Ihr am ehesten wieder los, mein lieber General, und ich rathe Euch daher, bei ihr zuzugreifen.«

»So alt sie auch ist, so müßte sich doch sogar ein König viele Mühe geben, um ihre Einwilligung zu gewinnen. Wir wollen etwas Punsch für sie anfertigen, damit sie sehen, wie wir ihrer auch in ihrer Abwesenheit eingedenk waren.«

Die beiden Ehrenmänner setzten sich nun in eifrige Thätigkeit, um vor der Ankunft der Gesellschaft noch fertig zu werden, und da die verschiedenen Ingredienzien großentheils schon gemischt waren, so geschah hiedurch ihrer Unterhaltung kein Eintrag. Der Schiffer vom Salzwasser und der vom See befanden sich nun in jenem Zustande, in welchem die Menschen zum Lautdenken geneigt sind, und die ehrfurchtsvolle Scheu, mit welcher der Commodore seinen Gefährten früher betrachtet, hatte sich nun völlig verloren.

»Um Euch ohne Hehl meine Herzensmeinung zu sagen, mein lieber Sir,« sagte er – »ich habe keine andere Einwendungen mehr gegen Euch zu machen, als daß Ihr nicht den mittleren Staaten angehört. Ich will zwar zugeben, daß die Yankees gute Eigenschaften besitzen, aber doch sind sie die allerschlimmsten Nachbarn, die nur ein Mensch haben kann.«

»Dieß ist ein nagelneues Lob, Commodore, da sie sich selbst für die allerbesten halten. Ich möchte übrigens doch hören, wie Ihr dieß meint.«

»Ich nenne den einen schlechten Nachbar, der nie lange genug an einem Platze bleibt, um irgend Etwas zu lieben, als sich selbst. Ich zum Beispiel, Sir, habe Gefühl für jeden Kieselstein am Ufer dieses See's – eine Sympathie für jede Welle,« der Commodore begann jetzt mit den Händen zu fechten und die Finger zu spreizen, so daß sie wie eben so viele Spitzen an einem spanischen Reiter hinausstanden; »und mit jeder Stunde, die ich hier rudere, gefällt mir mein Wasser besser. Aber würdet Ihr's wohl glauben, Sir – so oft ich am Morgen ausgehe, um den Tag auf dem See zuzubringen, und Abends zurückkehre, finde ich die Hälfte der Häuser mit neuen Gesichtern angefüllt.«

»Und was wird aus den alten?« fragte Kapitän Truck, denn auf diese Weise hoffte er seinen Gegner mit den eigenen Waffen schlagen zu können. »Wollt Ihr damit sagen, daß die Leute kommen und gehen, wie Ebbe und Fluth?«

»Ganz so, Sir; just wie's die Häringe im Otsego zu halten pflegten, ehe der Susquehanna eingedämmt war, und wie man's noch immer an den Schwalben sieht.«

»Na, na, mein guter Freund, laßt Euch trösten; Ihr werdet alle Gesichter, die Ihr je hier saht, eines Tags im Himmel wieder treffen.«

»Bei Leibe; kein Mann davon wird dort bleiben, wenn es im Himmel auch so eine Art von Umziehen gibt. Verlaßt Euch darauf, Sir,« fügte der Commodore in der Einfalt seines Herzens mit größerem Ernste bei, »der Himmel ist kein Platz für einen Yankee, wenn dieser nicht mit Sack und Pack weiter nach Westen ziehen kann. Sie sind insgesammt viel zu unstät für irgend eine feste Beschäftigung. Ihr, der Ihr ein Seefahrer seid, müßt etwas von den Sternen wissen; gibt's eine Art andere Welt, die westlich davon liegt?«

»Dieß kann kaum sein, Commodore, sintemal die Striche des Kompasses sich nur auf Gegenstände der Erde beziehen. Vermuthlich wißt Ihr, daß ein Mann, der hier ausbricht und fort und fort nach Westen reist, im Lauf der Zeit von Osten her wieder an derselben Stelle anlangen muß. Was uns daher auf dieser Seite der Welt am Himmel westlich erscheint, ist denen auf der anderen östlich.«

»Davon, gestehe ich, weiß ich nichts, General. Ich habe wohl schon bemerkt, daß in den Augen des Einen etwas gut sein kann, was in denen eines Andern schlecht ist, hörte aber nie zuvor, daß etwas westlich sein könne, was für einen Anderen östlich ist. Ich fürchte, General, Ihr gebt mir da etwas von dem Sogdollager-Köder zum Besten.«

»Nicht so viel, um die ärmlichste Süßwassergrundel damit zu fangen, Sir. Nein, nein, außerhalb dieser Erde gibt's weder Ost noch West – kein Aufwärts und kein Abwärts, und so müssen wir Yankees es eben versuchen, uns mit dem Himmel zufrieden zu geben. Reicht mir jetzt die Bowle herüber, Commodore; ich will an die Küste hinunter gehen und den Damen in etwas Punsch unsere Huldigung bringen.«


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