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Neuntes Kapitel.

Wo gedeiht die Phantasie,
Weilt im Kopf, im Herzen sie?
Was gibt Nahrung ihr und Leben?

Shakespeare.

 

Die Reisenden fuhren mehrere Stunden bergauf, hatten aber eine so schlechte Straße, daß sie kaum von einem französischen Güterwege überboten wurde. Mademoiselle Viefville betheuerte wohl zwanzigmal im Laufe des Morgens, es sei tausend Schade, daß Mr. Effingham nicht frohnberechtigt sei, um den Zugang zu seinen terres in einem besseren Stande erhalten zu können. Endlich hatten sie die Höhe an einem Punkte erreicht, von wo aus das Wasser südwärts zu fließen begann und der Weg leidlich eben wurde. Sie kamen jetzt schneller von der Stelle und konnten die Pferde zwei oder drei Stunden zu einem stätigen Trab ausholen lassen. Aristobulus theilte nunmehr seinen Begleitern mit, daß er in Folge der von John Effingham ertheilten Weisungen dem Kutscher befohlen habe, einen Weg einzuschlagen, der ein wenig von der geraden Richtung abwich; sie seien daher schon einige Zeit auf einer der älteren nach Templeton führenden Straßen gefahren.

»Ich habe dieß wohl bemerkt, obschon ich mir den Grund nicht denken konnte,« sagte Mr. Effingham. »Wir sind an dem großen westlichen Schlagbaume.«

»Allerdings, Sir, und zwar ganz nach Mr. Johns Vorschrift. Wir hätten uns eine gute Strecke Wegs erspart und meiner Ansicht nach auch das Pferdefleisch geschont, wenn wir ruhig nach dem Ufer des Sees hinuntergefahren wären.«

»Jack wird uns seiner Zeit wohl die Gründe angeben,« erwiederte Mr. Effingham. »Er hat den Wagen Halt machen lassen und ist mit Sir George ausgestiegen, ein Wink, wie es mir scheint, daß wir seinem Beispiele folgen sollen.«

Der zweite Wagen hielt jetzt gleichfalls, und Sir George eilte herbei, um den Schlag zu öffnen.

»Mr. John Effingham, der den Cicerone spielt,« rief der Baronet, »besteht darauf, daß gerade an dieser Stelle Alles pied à terre setzen solle; das Warum aber ist ein Geheimniß, welches er im Innersten seines Busens bewahrt.«

Die Damen stiegen nun gleichfalls aus, und die Dienerschaft erhielt die Weisung, mit den Wagen weiter zu fahren, während die übrigen Reisenden allein und, wie es schien, im Herzen eines Urwalds zurückblieben.

»Hoffentlich gibt es keine Räuber in Amerika, Mademoiselle,« sagte Eva, während sie umherschaute, um die Lage zu mustern, in welche sie augenscheinlich eine bloße Laune ihres Vetters versetzt hatte.

» Ou des sauvages,« entgegnete die Gouvernante, welche ungeachtet ihres gewöhnlichen Verstandes im Laufe des Tags mehreremal unruhige, verstohlene Blicke nach dem Streifen dunkler Waldungen hingeworfen hatte, an denen sie gelegentlich vorbeigekommen waren.

»Ich will für eure Börsen und Skalpe einstehen, mes Dames,« rief John Effingham heiter, »aber nur unter der Bedingung, daß ihr mir unbedingte Folge leistet. Als Pfand meiner Zusage bitte ich um die Ehre, Mademoiselle Viefville mit diesem unwürdigen Arm unterstützen zu dürfen.«

Die Gouvernante ging lachend auf die Bedingung ein, und Eva nahm den Arm ihres Vaters, während Sir George den seinigen Grace anbot. Aristobolus sah sich daher zu seiner großen Ueberraschung genöthigt, allein zu gehen, obschon es ihm in hohem Grade unschicklich vorkam, daß sich eine junge Dame bei einer solchen Gelegenheit der Unterstützung ihres eigenen Vaters bediene, weßhalb er denn auch sich freimüthig und ritterlich erbot, Mr. Effingham seine Last abzunehmen. Der Antrag wurde indeß eben so unumwunden, als er gemacht wurde, abgelehnt.

»Vermuthlich führt Vetter Jack bei seinem Melodrama etwas im Schilde,« sagte Eva, als sie in den Wald traten, »und auch Ihr scheint mit hinter den Coulissen zu stecken, lieber Vater, obschon ich Eurem Gesichte ansehe, daß Ihr das Geheimniß zu bewahren entschlossen seid.«

»John will uns vielleicht eine Höhle oder irgend einen außerordentlich hohen Baum zeigen, denn es gibt dergleichen Dinge in der Gegend.«

»Wir sind allzu vertrauensvoll, Mademoiselle, denn ich entdecke Verrath auf allen Gesichtern unserer Umgebung. Sogar Miß van Courtlandt hat die Miene einer Verschwörerin und scheint mit irgend Etwas oder irgend Jemandem im Bunde zu sein. Gebe der Himmel, daß es keine Wölfe sind.«

» Des loups!« rief Mademoiselle Viefville und blieb mit so erschreckter Miene stehen, daß sich ein allgemeines Gelächter darüber erhob. » Est-ce qu'il-y-a des loups et des sangliers dans cette forêt

»Nein, Mademoiselle,« entgegnete ihr Begleiter; »dieß ist nur das barbarische Amerika und nicht das civilisirte Frankreich. Wären wir im Departement de la Seine, so hätten wir vielleicht derartige Gefahren zu besorgen; da wir uns aber nur in den Bergen von Otsego befinden, so sind wir ziemlich sicher.«

» Je l'espère,« murmelte die Gouvernante, während sie mit mißtrauischem Widerstreben weiter ging und ihre Blicke unablässig nach rechts und links schweifen ließ.

Der Pfad wurde jetzt steil und nachgerade so mühsam, daß Niemand Lust zu sprechen hatte. Er führte unter den Zweigen hoher Fichten dahin, obgleich zu beiden Seiten Denkzeichen der Verwüstungen bemerklich waren, die der Mensch in diesem edlen Forste angerichtet hatte. Nachdem sie eine ziemliche Strecke von der Straße, wo sie die Wagen verlassen, aufwärts gekommen waren, sahen sie sich genöthigt, Halt zu machen, um wieder zu Athem zu kommen.

»Ich hätte euch sagen sollen, daß die Stelle, wo wir diesen Pfad betraten, in der Familiengeschichte denkwürdig ist,« bemerkte John Effingham, »denn es war genau der Platz, wo einer unserer Vorfahren einem andern eine Kugel in die Schultern schoß.«

»Dann weiß ich, wo wir sind,« rief unsere Heldin, »obschon ich mir noch immer nicht denken kann, warum wir in diesen Wald geführt werden mußten, wenn sich's nicht etwa um den Besuch eines Ortes handelt, der durch eine That von Natty Bumbo geheiligt ist.«

»Die Zeit wird dieses wie alle anderen Geheimnisse lösen. Laßt uns weiter gehen.«

Sie stiegen abermals bergan und erreichten nach einigen mühsamen Minuten eine Art Tafelland. Jetzt ging es auf eine Oeffnung im Gehölze zu, wo augenscheinlich ein kleiner Kreis seiner Bäume beraubt worden war, ohne übrigens dem Zwecke des Anbaues dienen zu müssen. Eva schaute sammt den Uebrigen, denen der Platz neu war, verwundert umher und verlor sich in Zweifeln.

»Dort scheint ein freier Raum zu sein,« sagte der Baronet. »Vermuthlich hat uns Mr. John Effingham hieher geführt, damit wir uns einer schönen Aussicht erfreuen sollen.«

Auf diese Andeutung hin bewegte sich das Häuflein in Masse weiter und fand bald eine reichliche Belohnung für die Mühe des Bergsteigens in einer Aussicht über eine Landschaft, die an Schönheit und Charakter einer schweizerischen kaum nachstand.

»Jetzt weiß ich, wo wir sind,« rief Eva, entzückt die Hände zusammenschlagend. »Dieß ist die ›Vision‹, und dort ist unsere theure Heimath!«

Der ganze Kunstgriff der Ueberraschung war nunmehr enthüllt, und nachdem sich der erste Ausbruch der Freude gelegt hatte, erklärten Alle, welchen die Scene neu war, daß sie den Genuß, welchen ihnen diese piquante Vorführung des Susquehannahthals geboten, um keinen Preis hätten missen mögen.

Damit der Leser die Ursache des allgemeinen Entzückens und den Grund, warum John Effingham seinen Freunden diese Scene bereitet hatte, besser verstehen möge, wollen wir dem Leser eine kurze Schilderung der Gegenstände geben, die jetzt den Augen unserer Reisenden entgegentraten. Es ist bereits gesagt, daß sie sich auf einem kleinen freien Platz im Walde und am Rande eines abschüssigen Berges befanden; die Bäume umgaben die Stelle von allen Seiten, eine einzige ausgenommen, und diese bot das ganze Panorama, obgleich die Wipfel der hohen Fichten, die fast in parallelen Linien mit dem Abhange liefen, sich beinahe bis zur Höhe ihrer Augen erhoben.

Hunderte von Fußen unter ihnen, gerade nach Vorn und stundenweit nach Rechts sich erstreckend, lag ein von Wald und Berg umgebener See. Auf der Seite, welche den Reisenden zunächst lag, unterbrach ein Waldsaum die Wasserlinie, und auf der anderen war die Landschaft von hohen, zackigen Hügeln oder vielmehr niedrigen Bergen begränzt, auf denen Maierhöfe zerstreut umherlagen und sich in den Wälderstreifen so lieblich ausnahmen, daß man einen weiten Park oder den Lustgarten eines Königs vor sich zu sehen glaubte. Zwischen den Anhöhen lagen Hochthäler, und nach allen Richtungen waren die Felder mit wohnlichen Häusern besät. Die dunkeln Farben der immer grünen Bäume, durch welche alle Anhöhen in der Nähe des Wassers beschattet wurden, bildeten einen sanften Gegensatz zu dem lebhaften Grün des übrigen Baumschlags, während die Wiesen und Waideplätze in einem üppigen Wuchse strotzten, den weder England noch die Schweiz zu überbieten vermag. Buchten und Vorsprünge verschönerten noch am Ufer den spiegelglatten See, und eine der ersteren zog sich so weit gegen Nordwesten, daß es dem Auge zweifelhaft blieb, ob es das Ende der durchsichtigen Wasserfläche vor sich sah oder nicht. Auch gegen Süden begränzten abwechselnd kühne, angebaute Hügel die Aussicht; man sah daselbst allenthalben die Früchte menschlicher Anstrengung aufschießen, obschon sich in der bereits erwähnten Weise an verschiedenen Plätzen Waldstriche hereinzogen, welche der ganzen Gegend den Charakter einer Parklandschaft verliehen. Am südlichen Ende des See's oder fast dem Standpunkte unserer Reisenden gegenüber begann ein weites, tiefes, ebenes Thal, das sich gegen Mittag hinzog, bis es in einer Krümmung der Bergkette verschwand. Gleich den Scheiteln der Berge war dieses Thal grünend, wohl bevölkert, voll von Spuren des Lebens und an gewissen Plätzen mit Wald versehen, obschon nicht in dem ausgedehnten Grade, wie die Berge. Um die friedlichen Hügelvorsprünge wanden sich Wege, die man weit hinauf durch die Klingen und in jeder Richtung auf Stunden hin berganwärts verfolgen konnte.

In dem nördlichen Ende dieses lieblichen Thals, ganz am Rande des See's, lag das Städtchen Templeton, unmittelbar unter den Augen unserer Wanderer. Die Entfernung ihres Standorts in gerader, ununterbrochener Linie vom Mittelpunkt der Wohnungen konnte nicht viel weniger als 500 Ruthen betragen, schien aber in der reinen Atmosphäre des windstillen Tages viel kürzer zu sein. Man sah die Kinder und sogar die Hunde in den Straßen umherlaufen, während das helle Geschrei der Knaben bei ihren Spielen deutlich die Ohren erreichte.

Da wir hier das Templeton der Ansiedler vor uns haben, an welches sich die Fortschritte eines halben Jahrhunderts knüpfen, so wollen wir dem Leser eine genauere Vorstellung von seinem dermaligen Zustande beibringen, als dieß durch gelegentliche Anspielungen möglich ist. Wir unterziehen uns dieser Aufgabe um so bereitwilliger, da das Städtchen nicht unter die Ortschaften gehört, welche unter den unnatürlichen Anstrengungen der Spekulation in Einem Tage aufschießen oder, durch eigenthümliche Handelsvortheile begünstigt, zu vorzeitigen Städten werden, während die Stubben noch in den Straßen stehen; nein, wir haben es mit einer nüchternen Landstadt zu thun, die pari passu mit der Umgegend stätig vorwärts geschritten ist und eine schöne Probe von der regelmäßigeren Civilisirung der Nation bietet.

Templeton nahm sich von der Höhe aus, nach welcher wir den Leser hinversetzt haben, im Allgemeinen schön und wie eine Karte aus. Man konnte ein Dutzend Straßen sehen, die sich hauptsächlich unter rechten Winkeln kreuzten, obschon dieß nicht mit steifer, gezwungener Regelmäßigkeit geschah. Wie gewöhnlich in den kleineren amerikanischen Städten, war der größere Theil der Gebäude weiß getüncht, obschon sich mitunter auch ein besserer Geschmack kund gab, indem viele der Häuser die ernsten Farben des grauen Gesteins trugen, aus dem sie gebaut waren. Der Charakter der Reinlichkeit und Bequemlichkeit war allenthalben zu erkennen – Eigenschaften, durch die sich Templeton gar sehr von den europäischen Städten im Süden des Rheins unterschied, wenn wir die malerischen Flecken der Schweiz als eine Ausnahme gelten lassen. In England wäre wohl Templeton durch seinen Umfang zu dem Titel einer Marktstadt und in Frankreich zu dem eines großen Fleckens berechtigt gewesen; in Amerika aber hieß es dem gewöhnlichen Sprachgebrauch und der politischen Einreihung zufolge eben ein Dorf.

Unter den Wohnungen befanden sich wenigstens zwanzig, welche die wohlhabende Stellung ihrer Besitzer bekundeten und auf eine Lebensweise hindeuteten, welche sich über die der großen Masse erhob. Von diesen waren sechs oder acht mit kleinen Höfen, Anfahrten und anderem ähnlichen Zugehör von Häusern versehen, die der Ehre nicht unwürdig erachtet wurden, ihre eigenen Namen zu tragen. Nicht weniger als fünf kleine Thürmchen oder Glockenstühle (denn keines dieser beiden Worte paßt genau auf die Wunder der Architektur, die wir zu beschreiben wünschen) erhoben sich über die Dächer und bezeichneten die Standorte einer gleichen Anzahl von Plätzen der Gottesverehrung, denn jedes amerikanische Dorf bietet so viele von diesen Beweisen der Gewissensfreiheit – Gewissenslaunenhaftigkeit würde vielleicht der bessere Ausdruck sein – als die Dollars und Cents der Umgegend, durch was immer für anwendbare Mittel beigebracht, herzustellen möglich machen. Mehrere leichte Kutschen, wie sie für einen gebirgigen Strich paßten, fuhren in den Straßen hin und her, und da und dort sah man ein einspänniges Wägelchen vor einer Ladenthüre oder dem Bureau eines Advokaten angebunden, die Anwesenheit eines Kunden oder Clienten aus den benachbarten Bergen bezeichnend.

Templeton war als Durchgangspunkt nicht bedeutend genug, um eine von jenen Ungeheuerlichkeiten, ein modernes amerikanisches Wirthshaus oder ein Gebäude zu besitzen, dessen Giebel die aller Nachbarbauten, selbst der Kirchen nicht ausgenommen, überragte; dennoch hatten die Herbergen einen ansehnlichen Umfang, waren gut gelegen und auch vollkommen zureichend besucht.

Fast in der Mitte des Platzes und auf einem Grunde von ziemlich beschränktem Umfang stand noch immer jenes Modell der zusammengesetzten Ordnung, welches sein Dasein dem vereinigten Wissen und Geschmack des Mr. Richard Jones und Mr. Hiram Doolitle verdankte. Wir wollen nicht sagen, daß es modernisirt worden sei, denn der Anschein wenigstens deutete gerade auf das Gegentheil; gleichwohl hatte es aber, seit es dem Leser zum letztenmal vorgeführt wurde, unter der Leitung des verständigeren John Effingham wesentliche Veränderungen erlitten.

Dieses Gebäude zeichnete sich durch seine Lage und seinen Umfang dermaßen aus, daß die Augen Aller, nachdem sie unter beharrlichen Aeußerungen der Freude die ganze Landschaft überblickt hatten, an demselben wie an dem Focus des Hauptinteresses haften blieben. Ein langes gemeinsames Schweigen bekundete, wie allgemein dieses Gefühl war, und ohne die Blicke von dem Gebäude zu verwenden, setzte sich die ganze Gesellschaft auf Baumstümpfe und umgestürzte Stämme, ehe eine weitere Sylbe laut wurde. Aristobulus schaute unstät umher und musterte neugierig das Gesicht Mr. Effingham's, in dessen Nähe er saß, um zu entdecken, ob der Ausdruck desselben eine Gutheißung von Johns geistvollen Bemühungen andeutete, oder nicht.

»Mr. John Effingham hat das alte Haus bedeutend regenerirt und revivicirt, um nicht transmographirt zu sagen,« begann er, behutsamerweise Ausdrücke wählend, welche seine eigenen Ansichten über die Veränderungen zweifelhaft ließen. »Das Werk seiner Hand hat in der ganzen Gegend allerlei Gedanken, viel Nachfragens und ein bischen Redens veranlaßt – ja, ich könnte fast sagen, eine Aufregung hervorgerufen.«

»So, wie das Haus von meinem Vater auf mich kam,« sagte Mr. Effingham, über dessen mildes, schönes Antlitz sich allmählig ein Lächeln stahl, »kenne ich seine Geschichte und wenn man mir eine Erklärung über seine Einzelnzüge abforderte, so würde ich sie unumwunden auf die Regeln der zusammengesetzten Ordnung beziehen; du aber, Jack, hast all dieß durch deinen eigenen Styl ersetzt, und ich werde mich deßhalb wegen der Erklärung an die höhere Autorität wenden müssen.«

»Mißfällt dir mein Geschmack, Ned? Wie mir scheint, nimmt sich das Gebäude von hier nicht übel aus.«

»Zweckmäßigkeit und Gemächlichkeit sind unerläßliche Erfordernisse der Privatarchitektur, wie du selbst zu behaupten pflegst; weißt du aber auch gewiß, daß jenes kastellförmige Dach zum Beispiel dem tiefen Schnee unserer Berge angemessen ist?«

John pfiff in einer Weise vor sich hin, wie es wohl ein Mann von Bildung bisweilen zu thun pflegt, und bemühte sich, eine unbefangene Miene anzunehmen, denn er wußte wohl, daß schon der erste Winter die Unhaltbarkeit seiner Plane in einem solchen Klima bewiesen hatte. Auch war er in der That geneigt gewesen, das Ganze auf seine eigene Kosten umändern zu lassen; aber abgesehen von der Ueberzeugung, sein Vetter werde eine Freiheit übel nehmen, welche anzudeuten schien, als traue man ihm nicht die Neigung zu, seine eigenen Baulichkeiten zu bezahlen, mochte er nicht Angesichts der ganzen Umgegend einen Grundfehler in einem Kunstzweige zugestehen, auf den er sich nicht wenig – ja fast so viel als sein großer Vorgänger Mr. Richard Jones zu Gute that.

»Wenn dir das Aussehen deiner Wohnung nicht gefällt, Ned,« sagte er, »so hast du wenigstens den Trost, in Betracht der Häuser Deiner Nachbarn zu bemerken, daß sie viel häßlicher sind. Von allen derartigen Mißgeburten sind meinem Geschmacke die Griechischen am meisten zuwider; die meinige ist nur Gothisch und noch obendrein in einem so bescheidenen Style gehalten, daß ich glauben möchte, auch der wüthendste Kritiker dürfte sie unbelästigt lassen.«

Es war eine Seltenheit, daß man John Effingham im Stande der Abwehr sah, und die ganze Gesellschaft lächelte, während Aristobulus, der vor der kaustischen Zunge des Baukünstlers in heilsamer Furcht war, zugleich auch verwundert darein schaute.

»Du mußt mich nicht mißverstehen, John,« entgegnete der Eigenthümer des fraglichen Gebäudes; »nicht deinen Geschmack beanstande ich, sondern nur deine Vorsorge gegen die Jahreszeiten. Was das Aeußere betrifft, so verdienst du in der That alles Lob, denn du hast eine sehr häßliche Wohnung in eine fast schöne umgewandelt, obschon du dich durch die Verhältnisse und durch die Nothwendigkeit, bei der Veränderung in vorgeschriebenen Gränzen zu bleiben, beengt sahst. Dennoch glaube ich, es ist sogar an dem Aeußeren noch ein bischen zu viel von der zusammengesetzten Ordnung geblieben.«

»Ich hoffe, Vetter Jack, Ihr habt doch im Innern keine übereilten Neuerungen vorgenommen,« rief Eva; »denn ich glaube, mich dort auf Alles erinnern zu können, und nichts ist angenehmer, als das Katzenthum, wenn man Alles wieder sieht, wie es uns der Rückblick auf die Kindheit vergegenwärtigt – angenehm meine ich, für Diejenigen, welche die Wuth des Wechsels noch nicht ergriffen hat.«

»Macht Euch keine unnöthige Sorge, Miß Effingham,« versetzte ihr Verwandter mit einer Verdrießlichkeit, die bei einem Manne von sonst so ruhiger männlicher Gelassenheit besonders auffallend war; »Ihr werdet Alles, was Ihr als Kätzchen kanntet, noch am gehörigen Platze finden. Leider konnte ich die Asche der Königin Dido, die von den vier Winden des Himmels zerstreut war, nicht wieder zusammenrechen, und ebensowenig war ich im Stande, eine leidlich gute Büste des Homer aufzutreiben; es ist übrigens für achtbare Stellvertreter Sorge getragen worden, und Einige davon haben noch obendrein das große Verdienst, alle Zuschauer im Ungewissen zu lassen, wen oder was sie vorstellen sollen – dieß war, glaube ich, doch die Haupteigenthümlichkeit von Mr. Jones' meisten Erfindungen.«

»Es freut mich, Vetter Jack, daß es dir wenigstens gelang, dem ganzen Hause eine recht anständige ›Wolkenfarbe‹ zu geben.«

»Ja, ich stand in der Wahl zwischen dieser und einem unsichtbaren Grün,« antwortete John, des augenblicklichen Unmuths in seiner natürlichen Vorliebe für das Komische vergessend; »als ich aber fand, letzteres werde sich in der Dürre, die bisweilen in diesem Klima herrscht, nur zu augenfällig machen, so entschied ich mich für das Gelbgrau, welches in der That den dichteren Wolkenmassen nicht unähnlich ist.«

»Im Ganzen habt Ihr, glaube ich, die ›Belohnung unseres Dankes‹, wie Steadfast Dodge Esquire sagen würde, ehrlich verdient.«

»Welch eine liebliche Stelle!« rief Mr. Effingham, der bereits aufgehört hatte, an seine eigene Wohnung zu denken, und dessen Auge durch die sanfte Landschaft dahinschweifte, über die der Glanz eines Juninachmittags seine reichste Glorie warf. »Dieß ist in der That ein Erdwinkel, in dem man wohl hoffen darf, Ruhe und Zufriedenheit für den Abend eines mühevollen Lebens zu finden.«

»Wahrlich, ich habe selten eine bezauberndere Gegend gesehen,« antwortete der Baronet. »Die See'n von Cumberland lassen sich ihr kaum an die Seite stellen.«

»Oder die von Brienz, von Lungern oder Nemi,« sagte Eva in einer Weise lächelnd, welche den Anderen den Stich auf seine National-Vorurtheile wohl fühlen ließ.

» C'est charmant!« murmelte Mademoiselle Viefville; » un si beau calme fait penser à l'éternité.«

»Die Farm, die unter jenem Walde dort liegt, Mr. Effingham,« bemerkte Aristobulus kaltblütig, »wurde letztes Frühjahr um 30 Dollars für den Acre verkauft und erst den Sommer zuvor um 20 angekauft.«

» Chacun à son goût!« sagte Eva.

»Und doch fürchte ich, daß diese herrliche Landschaft befleckt ist durch den Neid, die Habsucht, die Lieblosigkeit und alle übrigen schlimmen Leidenschaften des Menschen!« fuhr der philosophischere Mr. Effingham fort. »Vielleicht wäre es besser, sie läge, wie erst kürzlich noch, in der Einsamkeit und in dem Frieden der Wildniß – ein Tummelplatz der Vögel und des Wilds.«

»Die gerade so vom gegenseitigen Raub lebten, liebster Vater, wie die Schlechtesten unserer eigenen Gattung ihren Nebenmenschen gegenüber.«

»Du hast Recht, Kind, du hast Recht; und doch kann ich nie diese Schauplätze einer heiligen Ruhe betrachten, ohne zu wünschen, daß der große Tempel der Natur nur von Solchen bewohnt werden möchte, die ein Gefühl haben für seine Vollkommenheit.«

»Seht Ihr die Dame,« sagte Aristobulus, »die eben jetzt von dem ›Wigwams‹,« denn dieß war der Name, welchen John Effingham dem veränderten und verbesserten Hause zu geben beliebt hatte – »in den Hof herauskömmt? Dort, Miß Effingham, mehr in gleicher Linie mit dem Wipfel der Fichte unter uns.«

»Ich sehe die Person, die Ihr meint; sie scheint nach uns herzublicken.«

»Ganz recht, Miß; sie weiß, daß wir auf der Vision Halt zu machen beabsichtigten, und sieht uns ohne Zweifel. Die Lady ist Eures Vaters Köchin, Miß Effingham, und denkt wohl an das späte Frühstück, das für Eure Ankunft bestellt wurde.«

Eva suchte ihre Heiterkeit zu verbergen, denn sie hatte nachgerade aufgefunden, wie Mr. Bragg eine ihm oder doch wenigstens seiner Klasse eigenthümliche Art an sich hatte, manche Worte zu gebrauchen. Auch Sir George Templemore blickte etwas verwundert umher, da man wohl zu viel von ihm erwartet hatte, wenn man ihm hätte zumuthen wollen, daß er sich bei einem solchen Anlaß nicht nach einem Lächeln umsehe.

»Ach!« rief Aristobulus nach dem See deutend, über den mehrere Nachen hinglitten, einer in dieser, der andere in jener Richtung; »dort ist ein Boot, das wohl dem Poeten gehören muß.«

»Einem Poeten?« wiederholte John Effingham. »Sind wir in Templeton schon zu dieser Höhe des Luxus gekommen?«

»Himmel, Mr. John Effingham, Ihr müßt sehr geringe Begriffe von dem Platze haben, wenn Ihr glaubt, ein Poet sei eine so große Neuigkeit. Der See und die Berge sind in den letzten zehn Jahren sicherlich schon zu Dutzendmalen poetisirt worden. Was sagt Ihr dazu, Sir? – wir haben fast jeden Sommer Menagerien im Orte.«

»Dieß ist in der That ein Fortschritt, von dem ich nichts wußte. Hier also, in einer Gegend, die erst kürzlich noch von Raubthieren bewohnt war, zeigt man sie bereits als Merkwürdigkeiten? Diese Thatsache gibt Euch einen treffenden Beweis von dem Aufkommen des Landes, Sir George Templemore.«

»Allerdings; indeß möchte ich doch von Mr. Bragg hören, welche Arten von Thieren in diesen Menagerien gezeigt werden.«

»Alles nur Erdenkliche, Sir, vom Affen bis zum Elephanten. Die letzte hatte ein Nashorn.«

»Ein Nashorn? – wahrhaftig, jüngster Zeit hatte man in ganz Europa nur ein einziges, und weder der Jardin des plantes noch die zoologischen Gärten sind im Besitze eines solchen Thiers. Ich habe nur ein einziges gesehen und zwar zu Rom in einer Menagerie, die zwischen St. Petersburg und Neapel reiste.«

»Ja, Sir, wir haben Nashörner hier und Affen und Zebra's und Poeten und Maler und Kongreßmänner, und Bischöfe und Gouverneure und alle andern Arten von lebenden Thieren.«

»Und wer mag wohl der Poet sein, Mr. Bragg,« fragte Eva, »welcher just in diesem Augenblicke Templeton mit seiner Anwesenheit beehrt?«

»Dieß ist mehr, als ich Euch sagen kann, Miß, denn obgleich ihrer Acht oder Zehn von uns während der letzten Woche fast alle ihre Zeit darauf verwendeten, seinen Namen zu entdecken, so haben wir's doch nicht einmal so weit gebracht, diese einzige Thatsache zu erkundigen. Er und der Gentleman, welcher mit ihm reist – beide sind ungemein zurückhaltend in solchen Dingen, obschon ich glaube, daß wir in Templeton einige so gute Ausforscher haben, als sich im Umkreis von zwanzig Stunden nur auffinden lassen.«

»Es ist also ein anderer Gentleman bei ihm – haltet Ihr beide für Poeten?«

»O nein, Miß; der Andere wartet dem Poeten auf. Wir wissen dieß aus dem Umstande, weil er beim Diner servirt und anderweitig seine Angelegenheiten überwacht, z. B. seine Kleider ausbürstet und sein Zimmer in Ordnung hält.«

»Dieser Poet kann also von Glück sagen, denn Dichter gehören einer Klasse an, die es in der Regel mit dem Aeußerlichen nicht sonderlich genau nimmt. Darf ich fragen, warum Ihr den Herrn, der einen so eifrigen Diener hat, für einen Poeten haltet?«

»Ei, was könnte er denn anders sein? Erstlich, Miß Effingham, hat er keinen Namen.«

»Dieß ist ein gewichtiger Grund,« versetzte John Effingham, »denn heutzutage haben nur sehr wenige Dichter Namen.«

»Dann ist er die halbe Zeit auf dem See draußen, guckt nach der ›schweigenden Fichte‹ hinauf, unterhält sich mit den ›sprechenden Felsen‹ oder trinkt aus der ›Feenquelle‹.«

»Allerdings lauter sehr verdächtige Umstände, namentlich die Zwiegespräche mit den Felsen, obschon sie nicht eben maßgebend sind.«

»Aber der Mann nimmt sein Essen nicht zu sich, wie andere Leute, Mr. John. Er steht früh auf, geht alle Morgen auf's Wasser oder in die Wälder hinauf und kehrt gegen die Mitte des Vormittags zurück, um sein Frühstück einzunehmen. Dann geht er wieder in die Wälder oder auf den See und kommt zum Mittagessen just um die Zeit zurück, wenn ich meinen Thee einnehme.«

»Dieß gibt den Ausschlag. Jeder, der sich erdreistet, alles dieß zu thun, Mr. Bragg, verdient sogar einen noch härteren Namen, als den eines Poeten. Bitte, Sir, wie lange befindet sich diese überhirnte Person schon in Templeton?«

»Bst! – Da ist er, so wahr ich ein Sünder bin! Also ist's nicht er und der andere Gentleman gewesen, die in dem Boote waren.«

Das scheue Wesen des Landagenten, der plötzlich seine Stimme gedämpft hatte, bewog die Uebrigen, der Richtung seines Auges zu folgen, und sie bemerkten jetzt, daß wirklich ein Gentleman in halb ländlicher Tracht, wie sie ein Mann von Stande auf dem Lande wohl anzunehmen pflegt, herankam. Seine Kleidung war für sich schon geeignet, an einem Platze, wo man sich möglichst nach städtischer Weise zu halten bemüht war, Aufsehen zu erregen. Der Fremde kam über das Tafelland, das auf einige Entfernung den Scheitel des Berges krönte, vom Walde her und folgte einem der Fußpfade, den die Bewunderer der schönen Landschaft durch den anmuthigen Waldstrich betreten hatten. Als er auf der gelichteten Stelle anlangte und sie bereits von Anderen besetzt sah, verbeugte er sich und ging mit einem Zartgefühl weiter, das Mr. Bragg für vollkommen excentrisch zu halten geneigt war; dann aber machte er plötzlich Halt, musterte die Gesellschaft mit einem Blicke angelegentlichen Interesses, lächelte und kam rasch näher, so daß man jetzt seine ganze Gestalt erkennen konnte.

»Ich sollte nicht so überrascht sein,« sagte er, als er nahe genug heran gekommen war, um jeden weiteren Zweifel zu beseitigen, »denn ich wußte, daß ihr stündlich erwartet wurdet, und sah selbst auch eurer Ankunft entgegen. Gleichwohl kam mir diese Begegnung so plötzlich, daß ich kaum meine Fassung zu erhalten vermochte.«

Es ist unnöthig, uns über die warmen Begrüßungen zu verbreiten, die nun folgten. Zu Mr. Bragg's großem Erstaunen war sein Poet nicht nur der ganzen Gesellschaft bekannt, sondern wurde auch augenscheinlich von allen sehr geachtet. Nur die einzige Miß van Courtlandt machte hievon eine Ausnahme, und auch ihr wurde in Bälde der Fremde unter dem Namen Powis auf's Herzlichste vorgestellt. Es gelang Eva durch eine Gewaltanstrengung des weiblichen Stolzes, das Ungestüm ihrer Gefühle zu unterdrücken, und das Wiedersehen lief unter wechselseitiger Ueberraschung und Freude ab, ohne daß irgend eine ungewöhnliche Aeußerung von Aufregung stattgefunden hätte.

»Wir müssen unser Erstaunen ausdrücken, daß wir Euch vor uns hier treffen, mein theurer junger Freund,« sagte Mr. Effingham, Pauls Hand noch immer herzlich mit den seinigen festhaltend; »und selbst jetzt noch, obschon mich meine eigenen Augen von der Thatsache überzeugen, wird es mir schwer, zu glauben, daß Ihr nach New-York kommen und es verlassen konntet, ohne uns mit einem Besuche zu erfreuen.«

»Ihr habt hierin nicht Unrecht, mein theurer Sir, und sicherlich würde mich nur das Bewußtsein, mit einem Besuche ungelegen zu kommen, abgehalten haben, mir selbst diesen Genuß zu bereiten. Mein plötzliches Erscheinen in dieser Gegend wird Euch übrigens nicht geheimnißvoll erscheinen, wenn ich Euch sage, daß ich von England über Quebeck die großen Seen und die Fälle zurückkehrte; mein Freund Doucie bewog mich nämlich, diesen Weg einzuschlagen, weil sein Schiff nach St. Lawrence geschickt wurde. Der Reiz der Neuheit und namentlich der Wunsch, den berühmten Niagara-Fall zu sehen, der fast der Löwe Amerika's ist, thaten das Uebrige.«

»Wir sind unter allen Umständen erfreut, Euch unter uns zu haben, und ich weiß es ganz besonders anzuerkennen, daß Ihr nicht an meiner Thüre vorbeigingt. Ihr haltet Euch schon einige Tage hier auf?«

»Schon eine volle Woche. Zu Utika angelangt, ging ich von der Hauptstraße ab, um diesen Platz aufzusuchen, obschon ich mich allerdings nicht der Freude versah, Euch so bald zu begegnen; als ich übrigens hörte, daß Ihr erwartet wurdet, so beschloß ich, zu bleiben, weil ich hoffte, es werde Euch nicht leid thun, einen alten Reisegefährten wieder zu sehen. Ich bemerke nun mit Vergnügen, daß diese Hoffnung nicht eitel war.«

Mr. Effingham drückte ihm noch einmal mit Wärme die Hand, ehe er sie losließ, – die Versicherung einer willkommenen Aufnahme, die Paul mit glücklicher Wonne durchzuckte.

»Ich bin fast lange genug zu Templeton gewesen,« nahm der junge Mann lachend wieder auf, »um als Candidat um die öffentliche Gunst auftreten zu können, wenn ich anders die Ansprüche eines Einwohners richtig verstehe. So viel ich aus gelegentlichen Bemerkungen ersehen konnte, findet das alte Sprüchwort, daß ›neue Besen gut kehren‹, auf diese ganze Gegend eine treffende Anwendung.«

»Habt Ihr nicht ein Exemplar von Eurer letzten Ode oder ein herrenloses Epigram in Eurer Tasche?« fragte John Effingham.

Paul blickte überrascht auf, und selbst Aristobulus machte eine etwas verdutzte Miene, obschon ihm sonst etwas Aehnliches nicht leicht begegnete. Pauls Ueberraschung war natürlich, denn obgleich er seit seiner Ankunft in Templeton durch die Neugierde, welche der Einbildungskraft von Dorfbewohnern gerne so viel zu schaffen macht, oft genug geärgert worden war, war es ihm doch nie eingefallen, daß man seine Freude an den Schönheiten der Natur dem Dienste der Musen zuschrieb. Als er jedoch aus dem Lächeln seiner Umgebung bemerkte, daß in Sir John Effingham's Frage ein tieferer Sinn lag, so besaß er Takt genug, die Aufklärung von diesem Gentleman selbst zu erwarten, im Falle er überhaupt sie zu geben für passend hielt.

»Wir wollen das Vergnügen einer Erörterung auf ein andermal verschieben,« fuhr John Effingham fort. »Für den Augenblick fällt mir nur bei, daß die Lady im Hof etwas ungeduldig werden, und das Dejeuner à la fourchette, welches ich zu bestellen so vorsichtig war, auf uns warten dürfte. Das Mahl muß verzehrt werden, auf die Gefahr hin, daß wir von dem ganzen Staate für mondsüchtige Reimschmiede gehalten werden. Wenn ihr jetzt den Wigwam lange genug aus der Vogelperspektive bewundert habt, so wollen wir hinuntergehen und seine Schönheiten der ernsteren Probe einer nahen Besichtigung unterwerfen.«

Dieser Vorschlag fand bereitwillige Aufnahme, obschon sich Alle nur mit Widerstreben von dem lieblichen Punkte losrissen und auch unterwegs noch hin und wieder Halt machten, um sich der schönen Rundsicht zu erfreuen.

»Wie bezaubernd würde nicht erst der Anblick sein,« sagte Eva, »wenn die Ufer dieses See's mit Landhäusern gesäumt wären, unter diesen Bergen stattliche Kirchthürme sich erhüben, jede Höhe ein Schloß oder eine Ruine trüge und alle übrigen Zugaben eines alten Zustandes der Gesellschaft dem Auge dargeboten würden.«

»Ich glaube, der Zauber wäre geringer als heute, Miß Effingham,« entgegnete Paul Powis; »denn obgleich es ein Erforderniß der Poesie ist – – ihr Alle lächelt – ist es verboten, derartige Gegenstände zu berühren?«

»Durchaus nicht, so ferne es in regelmäßigen Versen geschieht,« versetzte der Baronet. »Ihr müßt wissen, daß von Euch wenigstens eine Sprache in Knittelreimen erwartet wird.«

Paul ging nicht weiter auf die Sache ein, da er nicht wußte, wie er sich dabei zu benehmen hatte, und die ganze Gesellschaft schritt lachend und frohherzig weiter. Auch Aristobulus war so lustig, wie nur irgend Einer, obschon er sich kaum einen Grund dafür angeben konnte; es war übrigens ein Grundzug im Charakter dieses Mannes, nie hinter dem Zeitalter zurückzubleiben.


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