Hermann Conradi
Lieder eines Sünders
Hermann Conradi

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Es ist so still geworden . . .

         

Es ist so still geworden,
Die Flut verlief sich sacht . . .
Mein Wehr und Waffen that ich ab
Und der Gedanken Fracht . . .
Was mich tagüber wild bewegt:
Ich hab' es nun zur Ruh gelegt –
Nur meine Wunden bluten,
Bluten in stiller Nacht . . .

Da in der Brust tief drinnen
Ist mir ein Ton erwacht:
»Was dich zu hartem Zwiestreit rief,
Was deines Herzens Schacht
Befeuert, daß du kühn entbrannt,
Verspottet ist's wie Kindertand –
Drum deine Wunden bluten,
Bluten in stiller Nacht!

Wirf hin dein Schwert, die Laute,
Daß sie zerschellt, zerkracht!
Dem Gott, den du bekennst, dem wird
Kein Opfer mehr gebracht!
Kein Herz mehr schlägt, das ihn bekennt,
Und keine Zunge, die ihn nennt –
Drum deine Wunden bluten,
Bluten in stiller Nacht . . .

Vergeblich ist dein Ringen,
Umsonst die Glut entfacht!
Aus diesem Kampf hat Keiner noch
Das Glück sich heimgebracht . . .«
Doch sei's, wie auch mein Ahnen spricht:
Euer Gott, er ist der meine nicht!
Mein Herz wird ihn nie rufen –
Bei den ewigen Sternen der Nacht! . . .

Es ist so still geworden,
Die Flut verlief sich sacht . . .
Mein Wehr und Waffen that ich ab . . .
Doch der Gedanken Fracht
Hab' hoch und stolz ich aufgericht't:
Euer Gott, er ist der meine nicht!
Ob meine Wunden bluten,
Bluten in stiller Nacht! . . .


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