Hermann Conradi
Lieder eines Sünders
Hermann Conradi

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Frühlingssehnsucht.

       

Da nun die Nächte kamen,
Die Nächte wundersüß,
Wo letzter Nachtigallenschlag
Die Stunden feiert früh vor Tag
Und erstes Rosendüften:
Sehnt sich mein Herz nach Liebe,
Nach Glück –
Nach dem verlor'nen Paradies
Zurück . . .

Mir ist's, als klopften Geister
An meine braune Thür!
Als trät' zu mir mit Glorienschein
Der König Frühling selber ein
Und brächte mir ein Mägdlein
Und spräche: »Heil sei dir!

Ich bring' dir eine feine Magd –
Soll fürder bei dir gasten!
Am Tage sei ihr Cavalier,
Geleit' sie durch das Waldrevier
Wo auf verscholl'ne Pfade
Der Bilder, der verblaßten,
Kaum noch ein Schatten fällt –
Wo holder Götter Gnade
Vergessen ließ die Welt! . . .

Der Vögel Klang,
Der Fluren Duft
Und eurer Seelen Feuerdrang
Beflügele den Hochgesang,
Den eure Liebe tönt!
Nun gürte dich mit milder Kraft
Und von den Göttern hingerafft
Sei mit der Welt versöhnt,
Da dich ein Gott gekrönt!

Hebt's aber an zu nachten,
Dann zäumt das Wandertrachten
Und kehrt, der Sehnsucht reich,
In diese enge Kammer ein,
Und bei kristallnem Sternenschein
Enthüllt ihr das Geheimniß,
Drin alle Wesen gleich . . .
Draus alles Sein entsprießt,
Drin alles Sein sich schließt.

Es liegt die Welt in Schlummer tief –
Euch ist's, als ob sie ewig schlief –
Noch ferne weilt der junge Tag –
Da letzter Nachtigallenschlag! –
Ihr aber habt's begriffen,
Das Evangelium,
Das dieses Frühlings Wundermund
Den Creaturen thuet kund –
Ihr aber habt's begriffen
Und seid in Wonne stumm!«

Da nun die Nächte kamen,
Die Nächte wundersüß,
Wo letzter Nachtigallenschlag
Die Stunden feiert früh vor Tag
Und erstes Rosendüften –
Sehnt sich mein Herz nach Liebe –
Nach Glück –
Nach eines Mägdleins weißem Leib
Zurück . . .

Doch ach! Die Rosen düften –
Es schluchzt die Nachtigall
Nicht mehr zu meiner Liebe Preis –
Verdorret ist das Wunderreis –
Und ob sich ungezügelt
Die Sehnsuchtsflamme flügelt
Und um Erhörung wirbt:
Die Pforte ist geschlossen –
Ich hab' mein Glück genossen –
Der Gott hat sich verhüllt –
Und meine Sehnsucht stirbt
Ach! unerfüllt . . .


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