Hermann Conradi
Lieder eines Sünders
Hermann Conradi

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Einem Kinde der Sünde.

         

Ob's deine Augen auch verneinen
Mit ihrem hellen, klaren Licht,
Ob auch auf deinem zarten, feinen,
Madonnenschönen Angesicht
Es liegt, als wäre deine Seele
Ein seltner Kelch, der niemals trog,
Drin Keuschheit sich und Kraft vermähle:
Ein Kind der Sünde bist du doch!

Ob deine Augen drohend blitzen –
Ob du auch zitternd, zornbewehrt,
Dich vor dem Frechen suchst zu schützen,
Den deiner Schönheit Reiz bethört, –
Der deines Nackens holde Fülle
Umspannen will mit engem Joch –
Ein Bild der lieblichsten Idylle! –
Ein Kind der Sünde bist du doch! . .

Ob du auch sittsam deine frommen
Blauaugen niederschlägst, wenn jach,
Wie's just passirt, ein Wort gekommen –
Ein Wort von bravem, derbem Schlag –
Es fährt heraus – die Andern kichern:
»Ein Witz, der nicht zum Feinsten roch!«
Ob du auch kalt sie's läßt versichern –
Ein Kind der Sünde bist du doch! . .

Denn ich, Madonna, muß es wissen –
Du hast es selbst mir ungesäumt
Gebeichtet, da auf weichen Kissen
Ich manche Nacht bei dir verträumt . . .
Dein schöner Leib ist so gesellig
Und Kosen dünkt ihn wunderfein –
Drum bist du heimlich gern gefällig:
Du sollst ein»Kind der Sünde« sein? . .


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