Hermann Conradi
Lieder eines Sünders
Hermann Conradi

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Oft schweif' ich . . .

     

Oft schweif' ich durch der Menschen Reihen hin
Und spüre Keinen . . .
Ahne traumumflirrt nur,
Wie ein gewaltig Chaos mich umbraust,
Wie ein verwirrtes Tönen zu mir ruft,
Gleich Stimmen, die von fernen Inseln kommen . . .

Ich spüre Keinen –
Und ob Freund, ob Feind
An mir vorübertreibt:
Ich weiß es nicht . . .
Wie Schatten hastet's hin –
Verhängt ist mein Gesicht,
Entrückt mein Sinn . . .

Dann sing' ich leise Lieder für mich hin,
Die Niemand sang bis heute . . .
Was dieser schweren Weisen Gang
Bedeute –
Kaum klärt sich's mir . . .
–   –   –   –   –   –   –   –

Mit Wesen sprech' ich,
Die noch ungeboren –
Sich noch verloren
In Ewigkeiten, schrankenlosen,
Unvergleichbar
Irdischen Loosen,
Unerreichbar
Für Menschenmaaß . . .

Was ich besaß –
Was ich besitze,
Mir zugeeignet
Wachend bewußt:
Liegt überflutet
Wie vom Vergessen
Märchenversunken
Tief in der Brust . . .

Aber die Stimmen, die geheimnißvollen,
Die verschollen
Im Wachsen und Reifen,
Tönen herauf,
Und sie begreifen
Nach eigener Satzung
Eine eigene Welt . . .
Die sich entwirkend
Mich dem Schooße
Alles Entstehens
Ahnend gesellt . . .

Urworte denk' ich,
Und ich versenk' mich
In den Strudel der Kraft,
Die sich entfaltend
Alles gestaltend
Zum Wandel schafft . . .

Selbst ich entrolle
Bemessener Scholle
Zum Urborn des Seins,
Und es verliert sich,
Was nur gebiert sich,
Als Schatten des Scheins . . .


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