Hermann Conradi
Lieder eines Sünders
Hermann Conradi

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Stimmen der Nacht.

                               

Kennst du der Nacht geheimnißschweres Raunen?
Wie ein verlorner Klang aus Jugendtagen,
Der jäh in deine Seele eingeschlagen –
Der jäh erwacht nach jahrelangem Schweigen:
So kommt es über dich . . . Es quellen, steigen
Vergessne Bilder auf – und ein ergreifend Staunen
Packt dich . . . Das also war dein Schwärmen, war dein Wagen?
Und jetzt? Und heute? Wie die Wunden tropfen!
Und wie die Reue mahnt mit wildem Klopfen!

Doch laß begraben sein, was da vergangen!
Die Bilder, die in der Erinn'rung Hallen
In schwarzem Trauerflor ich aufgestellt:
Sie mögen stürzen, mögen fallen –
Mit ihnen eine ganze Schmerzenswelt!

Was heute mir auf dem Gesang der Nacht
Entgegenklingt in wundersamen Tönen:
Es ist ein Siegeslied! Es soll versöhnen,
Wie jenes Wort am Kreuz: Es ist vollbracht!

Es ist vollbracht! Die Augen heb' ich auf,
Und von den Felsenhäuptern seh' ich gleiten
Zu Thal des Nebels dunst'ge Wolkenbrut, . .

Und über die Scheitel, über die nachtgefeiten
In langem Zug die Heldengeister schreiten,
Die sich aus Kluft und Krümmung hochgemüht,
Wo in der Einsamkeit die Freiheit blüht!

So giebt's doch einen Lohn! So giebt's ein Ziel!
Ein Zion über diesem Staubgewühl!

Und auf den Stimmen, die der Nacht entklingen,
Tönt die Gewißheit mir: du wirst's erringen!


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