Hermann Conradi
Lieder eines Sünders
Hermann Conradi

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Empörung!

         

Manchmal ist's mir, als packte mich ein Krampf,
Wenn ich halb müde, halb verdrossen,
Verträumt, mechanisch dem Gewölk nachstarre,
Das sich in zarten, bläulich krausen Ringen
Von der Cigarre mählich löst . . . . – –:

Da ist es mir, als packte mich ein Krampf –
Als schlüg' an's Ohr mir dröhnend Roßgestampf –
Als schlüg' an's Ohr mir gellend Horngeschmetter –
Als riefe mich Posaunenton zu Kampf
Für einen neuen Heiland – einen neuen Retter!

In wilden Rhythmen pulst mein Blut –
Aufschwillt mir jauchzender Titanenmut –
Erstickt liegt der Gedanken fahle Brut
Und wirbelt auseinander wie der Blätter
Zermürbte Spreu im Herbststurmtosen! . . .
Ich lebe nur der That!
Und ihre Rosen
Blüh'n auf in meiner qualzerspaltnen Brust . . .

Hei! Wilde Götterlust,
Auf dürrem Haidepfad
Dahin zufliegen!
Es dampft das Roß – und in die Locken wühlt
Der Sturm sich ein – –
Gespenstig liegen
Des Mondes gleißend weiße Silberschleier
In fahl kristallenem Schein
Weit ausgespannt
Auf dem Haidesand . . .
Hei! Wie hinweggespült
Wird da des Zweifels leichenfarbner Dunst –
Es atmet freier auf und freier
Die erlöste Brust –
Und in allmächt'ger Brunst,
In neugeborner Werdelust,
Umfaßt sie tief und voll
Des Lebens ganzes Sein
Und die lebend'ge That!
Ein heißer Groll
Flammt auf wie greller, blut'ger Nordlichtschein,
Daß so Verrat
Am Heiligsten begangen ward!
Verblendet uns genarrt
Hab' ich gefront nur blödem Afterleben! . . . .
–   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –
–   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –
Hei! Wie der Sturm in gellender Melodei,
Mit dröhnend heis'rem Schrei,
Mir um das Haupt braust!
Wie die Wolken flattern
Und wild gehetzt,
Zerrissen und zerfetzt,
Zu Riesenbänken sich zusammenschieben! . . . – –
Ich balle wild die Faust:
Das war dein Sein? – das war dein Lieben?
Verflucht! Nur Nattern,
Giftgeschwollen,
Hast Du an deiner Brust genährt!
Hast dich erbärmlich nur gescheert
Nach Hinz und Kunz und ihrem Alltagsschnattern!
Liebäugeltest mit Basen und Gevattern –
War das ein Leben aus dem Vollen?
Wo hingerafft
Von lodernder Leidenschaft,
In heißem Rächergrollen
Du niederschlugst der Buben feilen Tand?!
Und wo mit schwertbewehrter Siegerhand
Der Lüge Drachen du erschlagen?!
Wo du mit der Parole: »ich vollbrings!«
Den Leib der Sphinx,
Ein starker Siegfried, sprengtest aus den Fugen? . .
Und ihre Rätselfragen,
Die bekannten klugen,
Die manchen Schwächling schon zerbrochen,
Zertreten hast?
Nur blöde Ofenrast,
Verschämt verkrochen,
Hast du gehalten:
So leichte Beute nächtiger Gewalten! . . .
–   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –
So schreit's in mir – und wilder Durst entbrennt
In meiner Brust nach stürzender Zerstörung!
Stolz wogt des Hasses Flammenelement
Und lechzt nach Rache und Empörung!
Satt hab' ich endlich diese Hirnbethörung –
Satt diese dunst'ge Trugbelehrung!
Der Afterweisheit Götzen will ich fegen
Von ihren gleißenden Despotensesseln –
Will mit der That gewucht'gen Donnerschlägen
Ihr Reich in Schutt und Trümmer legen:
Denn – nein! – nicht länger trag' ich diese Fesseln!


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