Hermann Conradi
Lieder eines Sünders
Hermann Conradi

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Nicht war mir zu Willen
Deine lebendige Seele!
Und nicht umtönte mich
Ihrer tiefsinnigen Sprache
Ergreifender Urlaut . . .

Doch deinen Leib – doch deinen Leib
Hab' ich besessen
Und deine Glieder
Kühnlich betastet –
Und meine Hand –
Meine heiße irrende Hand –
Fand Huld und Heimat
Im Thal deiner Brüste . . .

Und dein Leben spürt' ich –
Dein lebendiges Leben! . . .
Den Rhythmus des Blutes –
Von den Lippen dir sog ich
Die Frucht seines Kreisens . . .
Und das Leben umfing ich –
Das lebendige Leben . . .

Aber deine Seele war stumm,
Und wortlos dein Auge
Als ahnten sie kaum
Der Wonneschmerzen
Verschleierten Tiefgang –
Die Schmerzenswonnen,
Die sich gebären,
Flackernde Flammen,
Giebt sich dem Menschen
Der göttliche Mensch
Im Namen des Geistes,
Der das Ewige fügt
Zum Gebilde der Stunde –
All-einig Bewußtsein
Zeugt und entfaltet,
Ein pfadkundiger Tröster! . . .

Aber deine Seele war stumm,
Als deckte sie Schlummer –
Als träumte entrückt sie
Zu anderen Sphären,
Die Nahsein den Göttern
Heiter gewähren . . .

Mich aber verwarf sie
Und meiner Seele
Brünstiges Rufen . . .

Da quoll es empor –
Und meine Sehnsucht,
Die dich nicht beseelt,
Wandelte trotzig
Zu irdischer Lust sich
Nach jener Sünde,
Die wurzelnd im Staube
Vom Staube sich sättigt . . .

Und mich zerfraß
Die Flamme der Wollust –
Und wühlte sich ein
Und füllte mich ganz
Und mordete meuchlings
All' meine Gottheit! . . .

Und ich betastete dich –
In deine Glieder verkrampft –
Als sei ich von Sinnen –
Als hätte ich niemals
Meiner Seele Freiheit
Auch nur geahnt –
Als hätt' ich mich niemals
Voll feuriger Kraft
Zu den Göttern entrafft!

Durch mein Hirn
Schossen die Ströme
Brennender Wollust –
Und es versengte
Der verruchte Drang mich,
Dich zu zermalmen
Unter den Strudeln
Meiner entarteten Lust!

Aber da lagst du –
Bleich, wie ohne Seele,
Wie ohne tiefstes
Lebensbedürfniß . . .
Und jeder Zug
In deinem blöden
Verstumpften Antlitz
Stieß sich mir in's Hirn
Und redete deutlich:
Daß ich dich nur gekauft . . .

Weib! Da kam es über mich –
Da kroch es heran –
Es lastete sich auf mich
Und ich wähnte –
Ich wähnte, es wiche –
Es wiche jählings
Unter meinen zuckenden Fingern
Dein warmfeuchtes Leben . . .
Und Grausen schlug mich . . .

Und mich zerschnitt
Der eiskalte Anhauch,
Der auf den Poren
Deines Leibes emporquoll,
Sich um mich gürtete
Mit Klammern der Angst . . .

Und ich warf dich von mir . . .

Mein Auge aber –
Mein hellsichtiges Auge,
Schaute Bilder und Zeichen
Und durchdrang
Die Herzen der Menschen . . .

Und ich sah
Tausend Mal, tausend Mal! –
Immer wieder
Das letzte Eine:
In jede Seele
Mit Blutschrift gebrannt:
Verkauft!

Ueber die weiten Märkte des Lebens
Rollt unaufhaltsam,
Nächte und Tage,
Ohne Labung und tröstende Sonne
Die Sclavencolonne
Der verkauften Creaturen, –
Zu Schächern und Huren
Niedergezwungen
Von den Fäusten der Not, –
Zum alltagsüberstaubten,
Hoffnungsberaubten,
Listkampf um's Brot . . .

Und ich sah zu dir nieder, Weib,
Und du sahest zu mir empor, – Weib –
Und wie Verwunderung, –
Wie eine Frage
Las ich in deinen todten Augen . . .

Tröste dich, Weib!
Du seelenloses!
Ich habe noch eine Seele,
Die einmal, einmal –
Mit dem Kanaan-Wasser
Der Freiheit getauft!
Leider! – oh leider
Ist sie zu drei Viertel
Auch schon glücklich – verkauft!


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