Hermann Conradi
Lieder eines Sünders
Hermann Conradi

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Marie Louise.

                       

Wenn du mich liebtest –
Nein! Ich verdiente es nicht!

Denn siehe, du Weib,
Das ich liebe mit dem Flammensturm meiner Jugend,
In dem allein
Seit Stunden und Tagen,
In Tagen und bang durchwachten Nächten,
Meine Seele lebt, meine Seele atmet –
Denn siehe, du Weib:
Nicht sündlosen Herzens
Kam ich zu dir –
Nicht keuschen Herzens
Hab' ich gepocht
An die Pforte deiner lichthellen Seele –
Siehe! Meine Augen –
Sie brannten so oft schon
In die Dämmertiefen –
In die berückenden Hetärenaugen
Eines anderen Weibes hinab . .
Und meine Lippen
Haben so oft sich verloren
Auf die rotüppigen Lippen
Eines anderen Weibes . . .
Und eines anderen Weibes
Nacken und Hüfte
Haben meine Arme umklammert
So oft schon – so oft
In brünstiger Glut . . .

Und sündige Gedanken
Haben gehaust
Und haben verpestet
Meiner Jünglingsseele
Demantene Reinheit . .

Und mit den Anderen
Bin ich gegangen,
Die da nachschleichen
In schwülen, berauschenden Mitternächten
Der Sünde, – der Sünde, die schamlos
Entblößt und verschachert
Reize um Reize! . . .
Und mit den Anderen hab' ich gelogen
Und habe geleugnet
Frech und schamlos,
Wie die Dirne der Gasse,
Daß noch atme
Eine unangetastete Frauenseele! . . .

Weib! Wenn du mich liebtest –
Nein! Ich verdiente es nicht! . . .

Und nun kam ich zu dir
Und nun fand ich dich! . . .

Und du bist bei mir,
Wo ich auch bin –
Und du gehst mit mir,
Wohin ich auch gehe –
Nur du – nur du! . . .

All' meine Gedanken,
All' mein Sehnen und Suchen:
Bei dir findet's Heimat,
Bei dir schlägt es Wurzel,
Und um dich kreist es
Mit lautaufrauschendem Flügelschlage,
Du mein Ein und mein Alles,
Du Quell' meines Lebens,
Daraus mir entgegen
Springen die Ströme
Der Seelenverjüngung . . .

Denn ja! bei dir,
Da fühl' ich mich gut,
Da fühl' ich mich rein! . . .

Wenn eng angeschmiegt
Du neben mir schreitest,
Und ich deines hastigen Atems
Lebenshauch spüre,
Und deiner Augen zartes Goldbraun
Verheißungsvoll mir entgegenblitzt,
Und ich mich verloren
Und nur dich – nur dich fühle:
Dann ist's mir, als risse,
Als klaffte auseinander
Jäh und blendend
Der Vorhang,
Der mir verschleiert des Lebens Tiefen
Immer noch bis heute,
Und des Lebens Wert
Und sein wahres Wesen. – –

Und eine neue
Berückende Wunderwelt
Hebt sich empor
Und durchschauert mein Herz
Mit seligen Träumen,
Mit heiligem Ahnen! . . .

Weib! Wenn du mich liebtest –
Nein! Ich verdiente es nicht! . . .

Und doch will ich um dich werben –
Und muß um dich werben,
Denn ich bin ja nicht mehr mein Eigen,
Nicht mehr mein Ich,
Ich lebe ja nur in dir und durch dich! . .

Aber nicht werben kann ich
Mit sanftem Rauschen,
Mit zärtlichem Kosen,
Wie der milde Frühwind
Und der leissingende Abendwind
Wirbt um den Duft
Der Kräuter und Gräser,
Die da wachsen und blühen
Bescheiden und winzig . . .

Um dich, um deine Liebe
Muß ich werben,
Wie der Nordsturm wirbt
Um den dröhnenden Nachtgesang
Breitwipfliger Eichenwälder . . .
Ueberströmen soll dich
Meiner rebellischen Seele
Jach auflohende Flammenfülle!

Durchfluten sollen dich
Meiner wehrsprengenden Leidenschaft
Wildgehende Wasser! . . .

Begraben will ich dich
In die qualsüße Sklaverei der Gewalten,
Die du in mir geweckt
Mit dem Ton deiner Stimme,
Dem Geleucht deiner Augen,
Dem Lächeln deiner Wangen,
Dem Rhythmus deines Leibes –
Mit dem geheimnißvollen
Weben und Walten
Deines einzigen Ichs . . .

Denn nicht mehr länger
Kann ich bändigen,
Kann ich dämmen,
Was größer denn ich
Und ungleich stärker,
Als mein machtloser Wille . . .

Ist's nicht, Geliebte,
Herrlich und groß denn,
Walten zu lassen
In himmlischer Fülle,
In götterstarkem Drange,
Die schrankenlose,
Majestätische Kraft
Der Elemente?

Darum nicht länger –
Nicht länger säum' ich . . .

Und ob du's auch weißt:
Es packt mich, noch einmal
Mit erstickter Stimme
Dir zuzuraunen,
Daß ich dich liebe!

So liebe mich wieder! . . .

Ich mag nicht betteln
Um deine Liebe,
Mich nicht bescheiden
Mit karger Spende . . .

Wie der Nordsturm eingreift
In der Eichenriesen
Knorren und Kronen,
So will ich mich einwühlen
In das Geäst deiner Seele!

Wie ich bei dir bin
Nacht und Tag,
Sollst du bei mir sein
Nacht und Tag,
Sollst du mein sein
Mit jeder Falte deines reinen Herzens,
Mit jeder Fiber deiner keuschen Seele . . .

An mich sollst du dich klammern,
Sollst du dich lehnen,
Denn ich bin stark
Und halte dich sicher . . .
Denn ich bin stark,
Und von jener Kraft,
Die göttlichen Samens,
Lebt auch in mir
Ein gewaltig Teil –
Und sie ist ewig
Und sie ist Wahrheit
Und Traum und Ahnung . . .

Weib! Wenn du mich liebtest,
Ich verdiente es doch,
Weil ich dich liebe,
Wie ich noch nie geliebt! . . .
Noch nie geliebt
Ein irdisches Weib! . . .


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