Sagen aus Mecklenburg-Vorpommern
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Die Prinzessin Svanvithe und die Schätze unter dem Garzer Wall auf Rügen

Prinzessin Svanvithe, die schöne Tochter des zu Bergen regierenden Königs von Rügen, wurde von boshaften Neidern verleumdet und von ihrem Vater deswegen ins Gefängnis geworfen. Um ihre Unschuld zu beweisen, beschloß die Prinzessin, den Königsschatz unter dem Garzer Wall zu heben.

Bei Garz, wo jetzt der Wall über dem See sich erstreckt, hatte vor vielen Jahren ein Schloß gestanden, darin Heiden ihre Götter verehrten. Als die ganze Herrlichkeit zerstört wurde, zog sich der alte Heidenkönig mit seinen unermeßlichen Schätzen in einen aus Marmelsteinen und Kristallen erbauten Saal unter die Erde zurück. Nur nachts zwischen zwölf und ein Uhr erscheint er auf der Oberwelt. Zuweilen umkreist er den Kirchhof, auf dem vor alters Heidengräber gewesen sein sollen. Der dort geborgene Schatz kann jedoch nur von einer Prinzessin gehoben werden, die von den alten Königen abstammt und noch eine schuldlose Jungfrau ist.

Svanvithe stieg nun in der Johannisnacht um zwölf Uhr mitternachts mit einer Johannisrute in der Hand auf den Wall und gelangte wirklich zu dem mit vielen Reichtümern gefüllten unterirdischen Saal. Als sie dann aber, mit Schätzen beladen, auf die Erde zurückkehren wollte, sah sie einen großen schwarzen Hund mit feurigem Rachen und funkelnden Augen auf sich losspringen. Da rief sie erschrocken : »Oh, Herr Je. . . !«

Im selben Augenblick schlug die Tür zu, und die Prinzessin war nun in dem unterirdischen Gemach gefangen. Sie kann nur erlöst werden, wenn es jemand wagt, zu ihr hinabzusteigen um sie still schweigend an der Hand wegzuführen. Die Erlösung ist schon öfters versucht worden, doch nie mit Erfolg. Zuletzt hatte es ein Schustergeselle gewagt; denn es ging die Mär, ein reiner Jüngling von vierundzwanzig Jahren könne das gebannte Schloß finden und die gefangene Prinzessin erlösen.

In der Johannisnacht begab sich der Geselle auf den Wallberg, und wirklich stand dort das Schloß vor ihm. Mutig schritt er hinein und kam in einen großen Saal. Darin saßen mehrere Frauen um einen großen Tisch; eine von ihnen hatte einen schwarzen Hund auf dem Schoß. Neben den Frauen lagen große Haufen Gold, und ringsum standen viele Kleinodien herum. Die schönste der Jungfrauen, die den Hund auf dem Schoß hielt, winkte den Jüngling zu sich, als ob er sie mitnehmen solle. Er aber wandte sich den Kostbarkeiten zu, die überall herumlagen, nahm einen goldenen Becher und wollte damit hinausgehen. Da entstand hinter ihm ein unheimliches Getöse. In seiner Angst blickte sich der Jüngling um, und sofort schlug die Türe vor ihm zu. Nun mußte auch er im Berg bleiben.

So soll es nach ihm noch manchen andern ergangen sein, die die Erlösung der Jungfrau und die Hebung der Schätze versuchten, die heute noch immer auf ihren Befreier harren.

 


 


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