Sagen aus Mecklenburg-Vorpommern
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Der Griff an der Wesenberger Kirche und das Halseisen

An der Nordseite der Wesenberger Kirche befindet sich an der Eingangstür ein wohl einen Fuß langer eiserner Griff, der künstlich zusammengeschmiedet ist, so daß die wunderlichsten Verschlingungen sich daran zeigen, Von dem erzählt man: als die Kirche gebaut worden, habe ein Schmied einen Griff zu der Tür machen sollen, und als er nun damit fertig gewesen, seien die Wesenberger gekommen und hätten gesagt, der gefalle ihnen nicht, er solle ihnen einen besseren machen; das hat sich der Mann auch nicht verdrießen lassen, ist hingegangen und hat noch einen viel schöneren als den ersten gemacht, und gemeint, nun würden sie doch zufrieden sein. Die Wesenberger sind aber gekommen und haben wieder allerhand an dem Griff auszusetzen gehabt, so daß dem Mann endlich die Laus über die Leber gelaufen ist und er gerufen hat: »Nun so mag euch der Teufel selber einen besseren machen!« und damit ist er fortgegangen. Andern Morgens kommen die Leute bei der Kirche vorbei, und siehe da, es saß ein neuer Griff an der Tür, und zwar war es der, welcher heute noch daran zu sehen ist. Den haben sie nun gar erst nicht haben mögen, weil ihn offenbar nur der Teufel gemacht haben konnte und sie dessen Werk nicht anrühren mochten, wenn sie zur Kirche gingen; darum haben sie ihn sogleich abgerissen, aber er saß am andern Morgen stets wieder an der Tür, sie mochten ihn abreißen, so oft sie wollten, und so haben sie ihn denn endlich sitzen lassen; aber ob sie ihn anfassen, weiß ich nicht.

An der Mittagsseite der Kirche steht auch vor der Eingangstür eine uralte Linde, die schon halb ausgehöhlt ist und die Stadt bereits zweimal in Flammen gesehen hat; an der sitzt ein großes Halseisen, in welchem, wie man sagt, zu katholischen Zeiten diejenigen, welche Kirchenbuße tun mußten, eingeschnürt sind.

 


 


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