Sagen aus Mecklenburg-Vorpommern
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Die stille Frau

In Heiligelinde hat eine Frau gewohnt, mit der hat keiner Freundschaft halten wollen. Aber keiner hat ihr was Böses nachsagen können. Sie ist immer still und fleißig bei der Arbeit gewesen, nur manchmal, dann hat sie eine Wut bekommen, daß sie mit den Zähnen geknirscht hat. Und da haben die andern ein Grauen vor ihr gehabt. Dann ist sie in den Wald gelaufen, und wenn sie wiederkam, hat sie geweint und für zwei gearbeitet. Einmal sind die Frauen alle zum Getreidebinden aufs Feld gegangen. Und eine hat ihr kleines Kind mitgehabt und hat es hinter eine Hecke gelegt. Aber sie hat immer auf die stille Frau sehen müssen, die hat immer gearbeitet und kein Wort geredet, aber manchmal hat sie nach dem Kinde gesehen, und dann ist die Wut in ihren Augen gewesen. Und dann ist sie in den Wald gelaufen. Da ist die Mutter froh gewesen, daß sie weg war; aber die Angst hat ihr doch keine Ruhe gelassen. Da haben sie gesehen, wie ein Wolf aus dem Wald kam und zu dem Kinde lief, und ein Mann hat ihn mit der Sense getroffen. Der Wolf hat geschrieen wie ein Mensch und ist in den Wald zurückgesprungen. Und wie sie ihm nachgelaufen sind, da haben sie die stille Frau tot liegen gefunden. Und wie sie ihr die Kleider ausgezogen haben, da haben sie gesehen, daß sie einen kleinen Wolfszagel hatte. Da ist es offenbar geworden, daß die Frau ein Werwolf gewesen ist.

 


 


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