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Zweites Kapitel.

Am nächsten Morgen quartierte sich Fouan bei Buteau ein. Seine Übersiedelung störte niemanden: er besaß nur zwei Bündel Kleidungsstücke, die er selbst tragen wollte und in zwei Gängen an Ort und Stelle schaffte. Vergeblich hatte das Ehepaar Delhomme eine Auseinandersetzung herbeiführen wollen. Er verließ ihr Haus, ohne nur ein Wort zu erwidern.

Bei seinem Sohne gab man ihm den großen Raum hinter der Küche, wo bisher die Kartoffeln und die Weißrüben für die Kühe aufbewahrt worden. Eine zwei Meter über den Fußboden befindliche Luke warf ein kellerartiges Licht hinein; der Lehmboden, die Gemüsehaufen, die in den Winkeln angehäuften Abfälle verbreiteten eine Feuchtigkeit, die in gelben Tropfen von dem nackten Gipsanwurf der Mauern herabtropfte. Man ließ alles, wie es war; nur ein Winkel wurde freigemacht für ein eisernes Bett, einen Tisch und einen Stuhl. Der Alte war sehr zufrieden.

Buteau aber triumphierte. Seit Fouan bei Delhomme gewohnt, hatte ihn die Eifersucht gequält, denn ihm war sehr wohl bekannt, wie man in Rognes darüber dachte: natürlich den Delhomme machte es nichts, ihren Vater zu ernähren, hingegen die Buteau hatten nicht die Mittel dazu. Darum nötigte er in der ersten Zeit den Alten zu essen, damit er recht wohlgenährt ausschaue und man im Dorfe sehe, daß es keineswegs so knapp bei ihnen hergehe. Darauf erwog er, daß sein Vater vermutlich die hundertfünfzig Franken Rente, die er aus dem Verkauf seines Anwesens geschlagen, dem seiner Kinder überlassen werde, bei dem er wohne. Endlich stand zu erwarten, daß Delhomme, sobald er den Greis nicht mehr erhalte, die zweihundert Franken jährliche Rente wieder zahlen werde, was der Schwiegersohn auch tat. Buteau rechnete auf diese zweihundert Franken. Er hatte alles bedacht und sich gesagt, daß er, ohne daß es ihn etwas koste, für einen guten Sohn gelten werde und außerdem noch die Hoffnung habe, einst durch Erbschaft belohnt zu werden; dabei rechnete er noch gar nicht den geheimen Schatz des Alten, den er immer noch mutmaßte, trotzdem er keine neuen Anhaltspunkte für sein Vorhandensein gefunden.

Für Fouan war diese erste Zeit ein reiner Honigmond. Man hätschelte ihn, zeigte ihn den Nachbarn: gelt, wie der Vater gesund aussieht? Die Kinder Laura und Julius waren immerfort um ihn herum, beschäftigten ihn und erfreuten sein Herz. Besonders war er glücklich, daß er in dem weniger strengen Regiment des Hauses sich frei ergehen und seinen alten Gewohnheiten ohne Beschränkung nachhängen konnte. Trotzdem Lise eine gute Wirtin war und alles sauber hielt, war sie doch keineswegs so peinlich und kleinlich wie Fanny. Der Schwiegerpapa konnte ausspucken, wann und wo er wollte, durfte gehen und kommen, wie es ihm beliebte, und niemand sagte ihm ein Wort, wenn er sich, sobald es ihm einfiel, ein Stück Brot abschnitt, wie die Bauern tun, wenn sie in einer Arbeitspause just beim Brotschrank vorbeigehen.

Drei Monate gingen so ins Land. Man war im Dezember, das Wasser im Kruge neben des Alten Bett gefror zu einem Block, aber er beklagte sich nicht. Selbst als beim Tauwetter die Wände seines Zimmers rieselten und der Fußboden naß ward, als habe es geregnet, fand er nichts dagegen einzuwenden, denn er war vertraut mit der rauhen Unbill des Lebens. Wenn er täglich seinen Kaffee habe und man ihn nicht ärgere, sei er zufrieden, erklärte Fouan, und tausche nicht mit dem König.

Die Sache bekam zum ersten Male eine Wendung, als der Alte eines Tages bei hellem Sonnenschein unvermutet in seine Kammer trat und dort Buteau überraschte, wie er Franziska auf einen Haufen Kartoffel hinwerfen und ihr Gewalt antun wollte. Sie verteidigte sich wortlos und ergriff, als der alte Mann erschien, die Runkelrüben, welche sie ihrer Kuh bringen wollte, und verschwand. Vater und Sohn blieben allein einander gegenüber.

»Nichtsnutziges Schwein, willst das Kind verführen, und deine Frau ist nebenan?«

Doch Buteau, der noch erregt war und dessen Wangen brannten, wollte keineswegs die väterliche Zurechtweisung hinnehmen.

»Hast du deine Nase hineinzustecken? Geht es dich was an? Rate dir, den Schnabel zu halten, oder ich werd' unbequem.«

Seit dem Zweikampfe mit Hans am Tauftage seiner Jüngsten hatte Buteau mit verdoppelter Leidenschaft darnach gestrebt, Franziska sich gefügig zu machen. Kaum war sein Arm einigermaßen geheilt, so fiel er in allen Winkeln des Hauses, wo er ihrer habhaft werden konnte, über sie her. Gab sie ihm nur ein erstes Mal nach, so war er sicher, sie für immer in seiner Hand zu haben; dann konnte er die Heirat hintertreiben, besaß das Mädchen und behielt das Land, das ihr gehörte. Diese beiden Leidenschaften wirkten gemeinschaftlich auf ihn; der feste Vorsatz, um jeden Preis den Grund und Boden, den er einmal besaß, festzuhalten, und das durch Franziskas Widerstand immer mehr aufgestachelte Verlangen nach ihrer Umarmung arbeiteten einander in die Hände. Seine Frau wurde immer beleibter, ein schwer beweglicher Fleischkoloß, dem zum Überfluß noch immer die kleine Laura an der Brust hing! Die andere hingegen, die kleine Schwägerin, war jung und frisch mit kernigen Muskeln und elastischer Brust wie eine Färse. Übrigens waren ihm beide recht, jede in ihrer Art, er werde eben zwei Frauen haben, eine fette und eine schlanke; und er malte sich ein Paschaleben aus, von zweien gepflegt, gehätschelt und geliebkost. Welch ein enges Band wäre das, welch ein sicheres Mittel, der Teilung des Landbesitzes vorzubeugen, die ihn schreckte, als wolle man ihm einen Arm abschneiden.

So wiederholten sich im Stall, in der Küche, überall, sobald die beiden allein waren, immer dieselben heftigen Szenen: auf der einen Seite Buteaus ungestümer, roher Angriff, auf der andern Franziskas entschlossene Verteidigung. Er fuhr ihr unter die Röcke, faßte sie am nackten Leibe, Fleisch und Haare miteinander wie eine Stute, die man besteigen will. Kein Wort wurde gesprochen, es war ein kurzes Ringen, das ein wohlgezielter Fußtritt des tapfern Mädchens abschloß. Dann ging er seiner Wege, einen Schmerzensschrei unterdrückend; sie aber schlug ihren Kittel herab und hinkte von dannen mit dem schmerzenden Griff seiner fünf Finger am Leibe. Oft befand sich Lise im Nebenraume; zuweilen selbst wandte sie dem Paare nur den Rücken, vielleicht um die Wäsche in einem Schranke zu ordnen; Buteau fühlte sich sicher des stolzen, hartnäckigen Schweigens der Kleinen, und die Nähe seiner Frau schien sein Gelüst noch mehr aufzureizen.

Seit der alte Fouan seinen Sohn überrascht hatte, gab es Unfrieden im Hause. Er war ohne weiteres zu seiner Schwiegertochter gegangen und hatte ihr die Sache hinterbracht, damit sie ihren Mann verhindern möge, einen neuen Angriff auf Franziska zu machen. Lise rief ihn barsch an, er solle sich um seine Angelegenheiten scheren. Darauf fiel sie über die Schwester her, warf ihr vor, es sei ihre Schuld, wenn sie die Männer aufreize; die Männer, das wisse die Welt, seien einmal so: Schweinkerle samt und sonders. Abends jedoch fand zwischen den Eheleuten eine heftige Auseinandersetzung statt, aus der die Frau mit einem braun und blau geschlagenen Auge hervorging. Seit jenem Moment lagen immer zwei einander in den Haaren, sei es Mann und Frau oder die Geschwister untereinander. Bisweilen zankten und rauften sie alle drei zu gleicher Zeit.

Jetzt entstand zwischen den Schwestern ein unbewußt wachsender Haß. Ihre einstige große Zärtlichkeit hatte einem Groll Platz gemacht, der sie ohne augenfälligen Anlaß von früh bis spät aneinander rieb. Im Grunde war die einzige Ursache dieses Mißtones der Mann, dieser Buteau, der wie ein zersetzender Gärstoff sich im Hause eingenistet. Franziska wäre in der Sinnenaufregung, in die seine Angriffe sie versetzten, lange unterlegen, wenn ihr eiserner Wille sie nicht gegen die Versuchung gestählt hätte. Wenn er mit aufgerissenen Kleidern auf sie losstürzte, spie sie seine Blöße an und sandte ihn zu seinem Weibe. Ihr Rechtlichkeitsgefühl verbot ihr, der Schwester den Mann zu nehmen, und sie gehorchte diesem Gefühl, indem sie sich selbst Enthaltsamkeit auferlegte. Ihr Zorn aber war, daß sie eine Eifersucht in sich aufleben fühlte, einen Haß gegen die Schwester, der dieser Mann gehörte, neben dem sie lieber umgekommen wäre vor ungestillter Begier, als ihn mit der andern zu teilen.

Lise war ihrerseits nicht eifersüchtig, sie wußte, daß Buteau gelogen, wenn er sich an jenem Tage gerühmt, die Schwestern seien alle beide sein; wenn sie ihn auch keineswegs eines solches Verrates für unfähig hielt, war sie doch überzeugt, daß die Kleine mit ihrem Stolze nimmer nachgeben werde. Aber sie verzieh ihrer Schwester nicht, daß diese durch ihre Weigerungen Buteau gegenüber das Haus in eine Hölle verwandelte. Je mehr Lise an Umfang zunahm, desto mehr machte sie sich mit selbstsüchtiger Freude breit in ihrem Fett, ließ sich's wohl sein, verlangte nichts, als daß Zufriedenheit unter ihrem Dache herrsche, damit sie sich ungestört ihres Lebens freuen könne. War es möglich, daß man sich so streiten konnte, daß man sich das Dasein verbitterte, während man doch alles hatte, um glücklich zu sein! Dieser dickköpfige Schädel der Kleinen war die einzige Ursache allen Ärgers.

Abends beim Schlafengehen sagte sie zu Buteau:

»Sie ist meine Schwester, doch sie soll aufhören, mir das Leben zu verbittern, oder ich werfe sie hinaus.«

Er war anderer Meinung.

»Das würd' ein nettes Gered' im Dorfe geben! ... Verwünschte Weibsbilder, ich werd' euch beiden mal den Kopf im Mistpfuhl waschen, damit ihr einig werdet.«

Zwei Monate gingen so vorüber. Lise geriet außer sich; sie hätte, wie sie zu sagen pflegte, ihren Kaffee doppelt zuckern können, und es wäre ihr nicht gut bekommen. An den Tagen, wo ihre Schwester einen neuen Angriff ihres Mannes abgewehrt hatte, ahnte sie das Vorgefallene an der schlechten Laune Buteaus. Wenn sie ihn der Kleinen nachschleichen sah, zitterte sie, denn sie wußte, er werde zehn Minuten später toben und fluchen, daß das Haus erbebe. Es wurde ihr schier unerträglich, und sie verzieh es der trotzköpfigen Schwester nicht, daß diese keinen Ausweg fand, um Ruhe zu schaffen.

Eines Tages ward es besonders schrecklich. Buteau war mit Franziska in den Keller gegangen, um Apfelwein abzuziehen und kam nach kurzer Zeit mit zerrissenem Wams und einer so tollen Wut wieder herauf, daß er wegen einer Kleinigkeit, weil seine Suppe zu heiß war, die Schüssel an die Wand schleuderte; darauf stürmte er aus dem Hause, nachdem er seiner Frau einen Schlag versetzt hatte, daß sie zur Erde stürzte.

Weinend erhob sie sich; ihre Wange blutete und schwoll auf. Sie fiel über die Schwester her und schrie:

»Fetzen! so tu ihm endlich den Gefallen ... Ich hab's satt; ich geh' auf und davon, wenn ich noch länger gemartert werde deinetwegen.«

Erstarrt horchte Franziska, bis in die Lippen erbleichend. Die Schwester fuhr fort:

»So wahr Gott mich hört, mir wär's lieber so ... Vielleicht wird dann endlich Ruh' im Haus.«

Lise sank auf einen Stuhl und weinte mit kurzem, stoßweisem Schluchzen; aus ihrer ganz in Fett verschwimmenden Person sprach eine widerstandslose Gleichgültigkeit, die nur den einen Wunsch hatte, glücklich zu sein, und sei es selbst um den Preis einer Teilung. Sobald ihr Teil ihr blieb, was lag ihr dann an allem übrigen? Man machte sich allerhand verkehrte Gedanken darüber; nur das Brot werde weniger, wenn man davon abbeißt. Wie schön sei es, wenn sie alle drei verträglich beieinander lebten?

»Sag, warum willst du nicht?«

Es schnürte dem Mädchen die Kehle vor Entrüstung; sie fand keine andere Erwiderung wie die zornigen Worte:

»Du bist noch gemeiner als er!«

Dann ging sie in den Stall und weinte ebenfalls, während Coliche sie mit den großen, trüben Augen anstarrte. Sie empörte nicht die Sache an sich, sondern die schmähliche Rolle einer gefälligen Buhlerin, die man ihr zumutete dem Hausfrieden zuliebe. Wenn sie einen Gatten besitze, nicht das kleinste Stück von ihm dürfe einer andern gehören! Ihr Groll gegen die Schwester verwandelte sich in Verachtung, sie schwor sich, jetzt werde sie sich lieber umbringen lassen, eh' sie nachgebe.

Von diesem Tage an aber ward das Zusammenleben der drei noch peinlicher. Franziska wurde der Sündenbock, auf den man losschlug. Sie sank zur Rolle einer Magd herab, ward mit den schwersten Arbeiten überhäuft, ward ohne Unterlaß gescholten und herumgestoßen. Lise gönnte ihr keine Stunde Erholung, sie mußte sich vor Tagesanbruch erheben und kam nachts so spät zur Ruhe, daß sie oft einschlief, ohne die Kraft zu besitzen, sich zu entkleiden. Heimtückisch marterte Buteau sie mit Püffen, kniff sie in die Schenkel, quälte sie mit allerhand grausamen Liebkosungen, von denen sie blaue Flecke davontrug. Sie schwieg beharrlich, wenn ihr auch der Schmerz oft die Tränen in die Augen drängte. Besonders in Gegenwart ihrer Schwester setzte sie etwas darein, nicht einmal mit den Wimpern zu zucken, ihr Stolz wollte nicht verraten, daß er sie berührt habe. Doch zuweilen blieb sie nicht Herr ihrer selbst und antwortete dem Frechen mit einer schallenden Ohrfeige; dann entstand ein Handgemenge; Buteau gab ihr den Schlag mit Zinsen zurück; Lise aber hieb, wie um sie zu trennen, mit ihren Holzpantoffeln auf beide los; dann begannen die kleine Laura und ihr Bruder Julius zu schreien: alle Hunde der nächsten Höfe stimmten heulend ein. Die Nachbarn wurden alarmiert und beklagten das arme Mädchen, das so standhaft in diesem Kerker aushielt.

Ganz Rognes wunderte sich über Franziskas Verbleiben. Warum ging sie nicht auf und davon? Allerdings war sie nicht großjährig, ihr fehlten noch achtzehn Monate; verließ sie heute das Haus, so forderte sie das Recht gegen sich heraus und durfte nicht einmal ihren Erbanteil beanspruchen; dies mußte sie sich zweimal überlegen. Anders wäre es gewesen, wenn ihr Vormund Papa Fouan sie unterstützt hätte; doch der Alte war selbst nicht auf Rosen gebettet bei seinem Sohne. Er mußte seine eigene Ruhe verteidigen; die Furcht, in die Familienstreitigkeiten verwickelt zu werden, bewog ihn, sich abseits zu halten. Auch verbat sich die Kleine energisch seine Einmischung, das tapfere und stolze Mädchen wollte sich selbst genügen.

Alle Szenen endeten jetzt mit demselben Worte:

»Aber geh doch zum Teufel! geh doch zum Teufel!« »Ja, das wollt ihr ... Früher war ich so dumm und wollte gehen ... Jetzt könnt ihr mich umbringen, ich bleibe. Ich warte auf mein Erbteil, will die Hälfte vom Land und vom Haus, und ich werde beides bekommen, jawohl, ich werde es haben!«

Buteaus Furcht in den ersten Monaten war, daß Franziskas Abenteuer mit Hans Folgen nach sich ziehen könne. Seitdem er die beiden im Heuschober überrascht, zählte er die Tage und beobachtete ängstlich mit scheelen Blicken ihren Bauch. Sie war ruhig, denn sie wußte, daß sie nicht schwanger sein könne. Doch als sie bemerkt hatte, daß er ihren Leib beobachtete, fand sie ihren Spaß daran, den Bauch hervorzustrecken, damit Buteau glaube, der Bauch schwelle an. Wenn er sie jetzt betastete, fühlte sie, daß er dies zu erforschen suchte, daß er mit seinen plumpen Fingern sie gleichsam abmaß; und schließlich sagte sie ihm mit trotziger Miene:

»Ich habe eins erwischt, und es wächst!«

Eines Morgens band sie sich sogar einige Wischlappen um den Leib. Am Abend gab es wieder eine große Prügelei, und sie ward von Entsetzen ergriffen bei den mörderischen Blicken, die Buteau ihr zuwarf; hätte sie wirklich ein Kleines unter der Haut gehabt, der böse Mensch würde ihr gewiß einen tödlichen Streich versetzt haben. Sie hörte denn mit ihren Spaßen wieder auf und zog den Bauch ein. Sie überraschte ihn übrigens dabei, wie er in ihrer Kammer die Nase in ihre schmutzige Leibwäsche steckte, um sich von der Sache zu vergewissern.

»So mache doch eins,« sagte er spöttisch.

»Ich mache keins, weil ich nicht will,« antwortete sie wütend.

So war es auch; sie weigerte sich hartnäckig, Hans zu Willen zu sein. Buteau gefiel sich dennoch in geräuschvoller Schadenfreude. Ein sauberer Mann, dieser Liebhaber! Ist er denn völlig vermorscht, daß er kein Kind machen kann? In heimtückischer Weise einem andern den Arm zerschlagen, das versteht er; aber einer Dirne den Bauch zu füllen, dazu hat er nicht Kraft genug. Fortan verfolgte er Franziska mit Anspielungen und anzüglichen Spaßen.

Als Hans erfuhr, wie Buteau von ihm redete, drohte er, ihm eins über das Maul zu hauen. Er lauerte noch immer Franziska auf und bat sie, ihm nachzugeben. Man werde ja sehen, ob er ihr nicht ein Kind machen könne, noch dazu ein großes! Sein Verlangen nach ihr ward jetzt noch durch den Zorn verschärft. Allein sie fand jedesmal eine andere Ausrede; es widerstrebte ihr, mit diesem Burschen wieder anzufangen. Sie hatte keine Abneigung gegen ihn, aber auch kein Verlangen nach ihm. So kam es, daß sie sich ihm nicht hingab, als sie eines Tages noch ganz wütend und rot wegen eines Angriffes Buteaus dem Hans hinter einer Hecke in die Arme sank. Ha, dieses Schwein! Sie sprach nur von diesem Schwein leidenschaftlich erregt, aber sogleich wieder abgekühlt, sobald der andere die Gelegenheit nützen und von ihr Besitz ergreifen wollte. Nein, nein! sie schämte sich! Als er sie eines Tages zu arg bedrängte, vertröstete sie ihn auf später, auf ihren Hochzeitsabend. Es war das erstemal, daß sie ein Versprechen gab; denn sie hatte es bisher vermieden, sich deutlich auszusprechen, wenn er sie zur Frau verlangte. Seither war es zwischen ihnen sozusagen abgemacht: er werde sie heiraten, aber nach ihrer Mündigkeit, sobald sie Herrin ihres Besitzes sein und Rechenschaft werde fordern können. Dieser vernünftige Grund leuchtete ihm ein; er predigte ihr Geduld, hörte auf, sie zu quälen, ausgenommen in den Augenblicken, wenn es ihn gar zu sehr drängte, sich einen Spaß zu machen. Beruhigt durch die nebelhafte Ferne, in der sie ihr Versprechen zu erfüllen hatte, begnügte sie sich, seine beiden Hände zu ergreifen, um seine Angriffe abzuwehren, wobei sie ihn mit ihren schönen Augen flehend anblickte mit der Miene einer ängstlichen Frau, die nur von ihrem Manne ein Kind haben möchte.

Als Buteau sicher war, daß Franziska nicht schwanger sei, ward ihm bange, sie könne das Verhältnis mit Hans fortsetzen und schwanger werden. Man hatte ihm hinterbracht, Hans habe geschworen, er werde das Mädchen anfüllen bis zu den Augen. Buteau fing an, sie vom Morgen bis zum Abend zu überwachen, verlangte, daß sie ihm über jede Minute des Tages Rechenschaft ablege. Dies ward eine neue Marter für das arme Mädchen, sie fühlte fortwährend Schwager und Schwester an ihren Sohlen; sie konnte nicht einmal mehr in die kleine Hütte beim Misthaufen gehen, um ihre Notdurft zu verrichten, ohne daß ihr eines der beiden nachspähte. Des Nachts schloß man sie in ihrer Kammer ein; eines Abends fand sie nach einem Streite sogar ihr Fenster von außen verriegelt. Wenn es ihr dennoch gelang zu entkommen, gab es bei ihrer Rückkehr abscheuliche Szenen, Verhöre, manchmal Leibesuntersuchungen, wobei der Mann sie bei den Schultern hielt, während die Frau sie entkleidete, um nachzusehen. Dieser Zwang aber näherte sie Hans; um ihren Verwandten zu trotzen, traf sie mit ihm zusammen. Vielleicht hätte sie selbst seinem stürmischen Drängen nachgegeben, wenn sie es hätte vor den Augen der anderen tun können, nur um ihnen zuwiderzuhandeln. Wenigstens aber wurde aus ihrem jedesmal wiederholten »Wenn wir Mann und Frau sein werden« ein förmliches Eheversprechen. Sie versicherte ihm bei allem, was ihr heilig war, daß Buteau schmählich gelogen, als er in der Absicht, ihre Verbindung zu hintertreiben, sich gerühmt, sie halte es mit ihm. Hans, den bisher noch immer Zweifel gequält hatten, ward überzeugt. Sie küßten sich jetzt beim Abschied jedesmal wie gute Freunde, er wurde ihr Vertrauter, den sie bei jedem Anlaß um Rat fragte, und ohne dessen Zustimmung sie nichts unternahm. Er versuchte nicht mehr, sie zu einem verfrühten Nachgeben zu überreden; er behandelte sie wie einen Kameraden, dessen Interessen die seinen waren.

Jedesmal wenn Franziska jetzt Hans hinter einer Hecke aufsuchte, war ihr Gespräch dasselbe. Sie knüpfte heftig ihr Mieder auf, entblößte ihre Beine und rief:

»Schau, da hat mich der Schweinehund wieder gekneipt!«

Er betrachtete den blauen Fleck und versetzte zuversichtlich:

»Das wird ihm alles heimgezahlt! Zeig' es den Nachbarinnen... Und vor allem, laß dich nicht hinreißen. Das Recht wird auf unserer Seite sein, sobald die Zeit gekommen ist.«

»Meine Schwester würde ihm das Licht halten, weißt du! Ist sie nicht gestern, als er mich wieder packte, aus dem Zimmer gegangen, statt ihm einen Eimer kalten Wassers über den Kopf zu schütten!«

»Deine Schwester wird ein böses Ende mit dem Schurken nehmen ... Es ist gut. Wenn du nicht willst, kann er dir nichts anhaben. Geduld, Franziska! ... Halten wir zusammen, dann sind wir die Stärkeren.«

Papa Fouan wurde wider seinen Willen gezwungen, an den Familienstreitigkeiten teilzunehmen. Schwieg er, so veranlaßte man ihn, seine Meinung abzugeben; entfernte er sich, so fand er bei seiner Rückkunft das Haus in Aufruhr, und seine Gegenwart genügte, um den Streit von neuem anzufachen. Bisher hatte er wenigstens körperlich nicht gelitten; jetzt aber begann man ihm mit Entbehrungen das Leben zu verbittern. Die Nahrung wurde ihm zugemessen, der Nachtisch, die ihm so angenehmen kleinen Extragaben fielen weg. Während man ihm früher so reichlich zu essen und zu trinken gegeben, zog ihm jetzt jedes zu dick geschnittene Stück Brot eine Bemerkung zu: Welch ein Magen! je weniger man arbeitet, um so mehr frißt man! Jedes Quartal, wenn es nach Cloyes ging, um bei Herrn Baillehache seine Zinsen zu belieben, wurde er bei seiner Heimkunft abgelauert und geplündert. Franziska stahl ihrer Schwester Geld, um ihm Tabak zu kaufen, denn auch ihr ließ man keinen Sou in den Händen. In der feuchten Kammer, wo er schlief, hatte der Alte eine Scheibe der kleinen Luke zerbrochen; man verstopfte das Loch der Ersparnis wegen mit Stroh; so ward der finstere Raum noch unwohnlicher. Diese Kinder! diese Kinder! seufzte der Greis von früh bis spät. Er bedauerte schmerzlich, das Haus Delhommes verlassen zu haben; er war vom Regen in die Traufe geraten. Doch dieses Bedauern verschloß er fest in seine Brust; denn er wußte, daß Fanny gesagt: »Papa wird uns fußfällig bitten, ihn wieder aufzunehmen!« Dieses Wort schnürte ihm das Herz in der Erinnerung zusammen. Er wäre lieber vor Hunger und Zorn gestorben bei Buteau, eh' er sich gedemütigt hätte, um zu seiner Tochter zurückzukehren.

Als Fouan eines Tages zu Fuß von Cloyes heimkam, nachdem er beim Notar sein Geld einkassiert, ließ er sich unterwegs in einem Straßengraben nieder. Jesus, der dort herumstrich, um die Höhlen der wilden Kaninchen abzusuchen, bemerkte plötzlich den Vater, der ganz vertieft damit beschäftigt war, Fünffrankenstücke in sein Taschentuch zu zählen. Der Bursche bückte sich, schlich lautlos heran, bis er sich oberhalb des tief unten hockenden Alten befand, und gewahrte jetzt zu seiner Verwunderung, wie dieser eine große Summe, vielleicht achtzig Franken, sorgfältig in sein Tuch knüpfte. Die Augen des Strolches funkelten, ein lüsternes Lächeln entblößte seine Wolfszähne. Sofort fiel ihm der geheime Schatz ein, von dem früher die Rede gewesen. Unbedingt mußte der Vater Staatspapiere besitzen, deren Kupons er bei Gelegenheit seiner vierteljährlichen Besuche bei Baillehache einlöste. Jesus' erster Gedanke war, dem Alten etwas vorzuweinen, um ihm zwanzig Franken herauszulocken. Doch das erschien ihm kleinlich; ein anderer Plan wurde in ihm wach. Ebenso leise wie er gekommen, stahl er sich wieder von dannen, so daß Fouan keinen Argwohn schöpfte, als er hundert Schritt weiter dem Sohn mit einem harmlosen Gesicht begegnete, wie wenn er nach Rognes heimbummle. Sie gingen zusammen und plauderten; der Greis kam bald auf die Buteaus zu sprechen, die er ein herzloses Volk schalt, das ihn Hunger leiden lasse. Jesus hörte ihm zu, tat sehr gerührt, und bot endlich dem Vater an, er wolle ihn aus den Händen dieser Kanaillen erlösen und zu sich nehmen. Warum nicht? Er solle sich gewiß nicht langweilen bei ihm, man werde lustig und guter Dinge sein von früh bis spät. Dreckbatzen koche jetzt für zwei, sie werde einfach für drei kochen. Eine famose Küche, wenn Geld im Haus sei!

Fouan war überrascht über diesen Vorschlag; mit einer unbestimmten Bange schüttelte er den Kopf. Nein, nein, in seinem Alter könne man nicht so von einem zum andern ziehen und jedes Jahr seine Gewohnheiten ändern.

»Nun, Papa, es kommt von gutem Herzen; denke darüber nach ... Du weißt, daß du immer bei mir eine Zuflucht findest. Komm, sobald du es satt hast bei diesem Gesindel.

Jesus verabschiedete sich dann von ihm, indem er sich den Kopf zerbrach, was nur der Alte mit seinen Renten anfange, denn es lag auf der Hand, daß er welche besaß. Viermal jährlich solch ein Haufen Geld, das mußte mindestens dreihundert Franken jährlich machen. Wenn er es nicht ausgab, verwahrte er es also? Blitz! ein prächtiger Notpfennig!

Als Fouan an diesem milden, feuchten Oktobertage heimkam, wollte ihm Buteau die siebenunddreißig Franken fünfzig abnehmen, die er seit dem Verkauf des Hauses jedes Vierteljahr einkassierte, und die er dem Abkommen gemäß nebst den zweihundert Franken Jahresrente von Delhomme seinem Sohne überließ. Doch es fand sich, daß der Alte zwei Fünffrankenstücke unversehens mit dem andern Gelde in sein Schnupftuch geknüpft hatte; als er alle Taschen umkehrte und nicht mehr wie siebenundzwanzig Franken fünfzig herausbrachte, geriet Buteau in Zorn, schalt ihn einen Betrüger, rief, er habe die zehn Franken vertrunken oder, weiß der Himmel wie, durchgebracht.

Bestürzt stand der alte Mann da; er hielt die Hand auf sein Sacktuch und zitterte vor Angst, man möge es untersuchen; er schwur Stein und Bein, er müsse das Geld beim Schneuzen verloren haben. Wieder einmal war das Haus bis zum Abend in Aufruhr.

Buteau war so aufgebracht, weil er, als er seine Egge vom Feld heimgefahren, Hans und Franziska hinter einer Mauer hatte verschwinden sehen. Die Kleine, die sich unter dem Vorwand, Kraut für ihre Kühe zu schneiden, vom Hause entfernt hatte, kam jetzt nicht wieder zurück, denn sie ahnte die Szene, die sie erwartete. Schon dunkelte es; Buteau lief jeden Augenblick auf den Hof hinaus, ging bis zur Straße, ob sie immer noch nicht von ihrem Stelldichein heimkehre. Er fluchte laut und erging sich in den gemeinsten Reden, ohne den alten Fouan zu bemerken, der sich nach dem Streit ins Freie begeben hatte, um auf der im Finstern versteckten Steinbank an der milden Luft sich zu erquicken, die aus diesem sonnigen Oktober einen Frühlingsmonat machte.

Ein Klappern von Pantoffeln kam den Weg herauf; Franziska erschien, vornübergebeugt, ein in alte Leinwand geknüpftes enormes Bund Gras auf den Schultern, darunter sie fast verschwand.

»Zum Henker auch! verdammte Straßendirne,« schrie Buteau das keuchende, schwitzende Mädchen an, »willst du mich zum besten haben? Drückst dich seit zwei Stunden mit deinem Galan herum, wenn hier Arbeit ist!

Sie warf das Gras zur Erde, und eh' sie sich's versah, hatte er sie auf das Bündel geworfen und versuchte wieder einmal, mit Gewalt ihrer Herr zu werden, während im selben Augenblick Lise aus der Haustür trat, um ebenfalls auf die Kleine loszufahren.

»He! Landstreicherin, komm heran, daß ich dir einen Denkzettel gebe.«

Buteau aber war ihr schon unter die Röcke gefahren. Der Gedanke, daß sie eben gutwillig mit dem gehaßten Feinde verkehrte, nahm ihm die Besinnung; alles Blut drang ihm zum Kopfe, färbte Wangen und Stirn blutrot; er war seiner nicht mächtig; ohne seines Weibes zu achten, rang er mit dem Mädchen und knirschte:

»Verfluchte Metze, ich will sehen, ob ich dich nicht haben kann, wie der andere.«

Wütend rief er Lise:

»Was stehst du da wie angemalt? Hilf mir doch lieber! Halte sie fest, damit sie endlich einmal dran kommt und sich nicht länger über uns lustig macht!«

Jetzt entstand ein wütender Kampf zwischen den dreien. Der alte Fouan sah im nächtlichen Dunkel nur undeutlich; aber so viel sah er dennoch, daß Lise ihre beiden Arme um die Schultern ihrer Schwester schlang und sie mit voller Kraft niederhielt, während ihr Mann, von dem Mädchen jeden Augenblick beiseitegeworfen, sich in vergeblichen Anstrengungen erschöpfte.

Als alles vorüber war, machte Franziska mit einem letzten Ruck sich frei und rief:

»Schwein! Schwein! Schwein! Du hast doch nicht können ... Das zählt nichts! Nie sollst du ans Ziel kommen!«

Sie nahm eine Handvoll Gras, wischte sich damit die Beine ab und warf das Ganze ihrer Schwester mit den Worten hin:

»Da, das ist dein!«

Lise schloß ihr mit einer Maulschelle den Mund; da trat der Vater, seinen Stock schwingend, hinzu.

»Wollt ihr Bande dem Mädel endlich Ruhe geben!«

Lichter tauchten in den nächsten Höfen auf, die Nachbarn kamen schauen, was der Lärm bedeute. Schnell schob Buteau seinen Vater und Franziska in die Küche, wo die beiden Kinder, Laura und Julius, beim Schein eines Talglichtes erschreckt in einem Winkel kauerten. Lise kam zuletzt.

Der alte Mann fuhr fort:

»Du, wahrlich, das ist zu gemein ... zu dumm ... Du hast sie gehalten ... ich hab' es gesehen.«

»Ruhe jetzt! es ist aus ... Ich schlag' drein, wenn noch einer ein Wort redet.«

»Wenn ich noch ein Wort zu reden hab',« fragte Fouan mit bebender Stimme, »schlägst du dann auch drein?«

»Ohne Unterschied!«

Franziska warf sich mutig zwischen die beiden Männer.

»Ich beschwör' dich, Onkel, mische dich nicht hinein. Du hast gesehen, ich bin groß genug, um mich zu verteidigen.«

Aber der Alte schob sie zur Seite.

»Laß! das geht dich nichts mehr an ... Das ist meine Sache.«

Er schwang seinen Stock:

»Du willst dreinschlagen, Bandit ... Wollen sehen, ob nicht ich dich züchtigen werde.«

Mit flinkem Griff entriß ihm Buteau den Stock und schleuderte ihn unter den Schrank; danach pflanzte er sich mit bösem Blick keck vor seinem Vater auf und schrie ihm ins Gesicht:

»Willst du mir Ruhe geben, he? Glaubst du, ich dulde hier dein Gehab und Getu? Nein, alle Wetter! Schau mich an, damit du weißt, wie ich heiß'.«

Beide maßen sich einen Augenblick schweigend, als wollten sie sich mit Blicken einschüchtern. Der Sohn hatte seit der Besitzteilung an Körperfülle zugenommen und stand breit und stark da mit den noch mehr hervortretenden Kinnbacken und dem nach rückwärts schwindenden Schädel. Der durch sechzig Jahre Feldarbeit abgenutzte Alte war noch mehr eingetrocknet und neigte sich täglich tiefer nach vorn über, das Rückgrat wie gebrochen, den Leib mehr und mehr zur Erde gebückt; von dem zusammengeschrumpften Gesicht hatte sich fast nichts erhalten als die übergroße Nase.

»Wie du heißt?« versetzte Fouan, »ich weiß es nur zu wohl, ich hab' dich gemacht.«

»Hättest es dir überlegen sollen,« höhnte Buteau. »Ja, das ist nicht anders, jetzt ist an mir die Reihe. Ich hab' dein Blut in den Adern, ich mag nicht, daß man mich reizt ... Noch einmal, Ruh' geben! oder es nimmt ein schlechtes End'.«

»Für dich, gewiß! ... Niemals hab' ich so mit meinem Vater geredet.«

»Oh! la, la! der Unsinn! Dein Vater? umgebracht hättest du ihn, wenn er nicht gestorben wäre.«

»Schuft! Du lügst! ... Bei Gott! bei Gott! Du nimmst auf der Stelle das Wort zurück!«

Zum zweiten Male versuchte Franziska, sich ins Mittel zu legen. Selbst Lise, erschrocken und verzweifelt über diesen neuen Lärm, versuchte einen begütigenden Einspruch. Doch die beiden Männer schoben sie beiseite, traten näher aneinander hinan; in ihren blitzenden Augen, in ihrem heißen Atem zitterte die schroffe Autorität, die der Vater dem Sohne vermacht hatte, und die dieser behaupten wollte.

Fouan versuchte sich aufzurichten, wie um seine frühere Allgewalt als Familienoberhaupt noch geltend zu machen. Ein halbes Jahrhundert lang hatte alles, hatten sein Weib, die Kinder, die Tiere vor ihm gezittert, solange er mit dem Vermögen die Macht in der Hand gehalten.

»Sag', daß du gelogen hast, Schurke, sag', daß du gelogen hast, oder, so wahr uns das Licht da bescheint, ich mach' dich mürbe.«

Er hatte die Faust erhoben und stand mit derselben Drohgebärde da, mit der er sie einst alle zu kirren gewußt.

»Sag', daß du gelogen hast ...

Buteau, der einst bei dem Zornesausbruch des Vaters stets unwillkürlich den Arm gehoben und mit knirschenden Zähnen den Schlag pariert hatte, zuckte mit herausforderndem Hohne die Schultern.

»Wenn du glaubst, ich fürchte mich! ... So was war gut, als du noch der Herr warst.«

»Ich bin der Herr, der Vater!«

»Geh' doch, alter Narr, du bist nichts ... Du willst nicht aufhören?«

Wie die Hand des Alten hinabfahren wollte, ergriff er sie und preßte sie in seiner harten Faust.

»Vermaledeiter Holzkopf, muß man grob werden, um's dir begreiflich zu machen, daß man sich einen Quark mehr aus dir macht! ... Bist du noch zu was gut! Du kostest Geld, das ist das ganze ... Wenn man seine Zeit hinter sich und sein Land den anderen übergeben hat, fährt man ab und langweilt die Leute nicht länger.«

Er rüttelte seinen Vater bei jedem Satz, wie um ihm seine Worte recht begreiflich zu machen; dann schleuderte er mit einem letzten Stoß den zitternden, taumelnden Greis von sich, so daß er rückwärts stolpernd auf dem Stuhl am Fenster zusammenbrach. Der Alte blieb dort sitzen, schwer atmend, besiegt, gedemütigt. Es war zu Ende, er zählte nicht mehr, seit er nichts mehr besaß.

Ein tiefes Schweigen zog ins Gemach, niemand rührte sich. Die Kinder hatten furchterstarrt der Szene zugeschaut. Darnach trat die Arbeit wieder in ihre Rechte und wurde aufgenommen, als sei nichts vorgefallen.

»Und das Futterkraut?« fragte Lise, »soll es im Hofe liegenbleiben?«

»Ich werd' es bergen,« versetzte Franziska.

Als sie wieder in die Küche gekommen war und man das Abendbrot verzehrt hatte, begann der unverbesserliche Buteau wieder seine Neckereien, griff in ihr offenes Mieder, um einen Floh zu fangen, der sie gestochen, wie sie sagte. Sie ärgerte es jetzt nicht einmal, sie lachte. –»Du findest ihn nicht; er ist an einem Platz, wo er dich beißen würde.«

Fouan war steif und stumm in seinem finstern Winkel sitzengeblieben. Zwei dicke Tränen rannen über seine Backen. Er erinnerte sich des Abends, wo er mit den Delhommes gebrochen; heute kostete er zum zweitenmal die Schmach, nicht mehr als Herr zu gelten, ließ ihn derselbe ohnmächtige Zorn das Mahl ausschlagen, das man ihm bot. Dreimal rief man ihn zu Tisch, er ging nicht. Plötzlich stand er auf und verschwand in seiner Kammer.

Am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang verließ er die Buteau, um sich bei Jesus einzuquartieren.


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