Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechstes Kapitel.

Lise und Franziska hatte ihre rote Kuh losgeschlagen, weil sie zu fett geworden war und nicht mehr kalbte; und sie beschlossen eines Sonnabends, sich auf den Markt nach Cloyes zu begeben, um dort eine andere zukaufen. Hans bot ihnen an, sie in einem Wagen der Farm dorthin zu fahren. Er machte sich für den Nachmittag frei, und Herr Hourdequin gestattete ihm wegen des Gerüchtes vom Eheversprechen zwischen Lise und Hans, daß er ein verfügbares Gefährt nehmen durfte. Die Heirat war in der Tat beschlossen, oder vielmehr hatte Korporal versprochen, nächste Woche Buteau aufzusuchen, um die Angelegenheit zum Austrag zu bringen. Einer oder der andere, es mußte ein Ende gemacht werden.

Um zwei Uhr brach man auf, Hans und Lise saßen vorn, Franziska auf der zweiten Bank. Von Zeit zu Zeit drehte der Bursch sich um und lächelte der Kleinen zu, deren Knie ihm das Kreuz wärmten. Es war recht schade, daß sie fünfzehn Jahre weniger zählte als er. Wenn er sich nach vielem Zögern und langem Aufschub entschlossen hatte, die Ältere zu nehmen, so geschah es vielleicht mit dem geheimen Gedanken, daß er dann als Verwandter neben ihrer Schwester leben werde. Man tut so manches im Leben ohne zwingenden Grund, ohne großes Verlangen, bloß weil man einmal gesagt hat, daß man es tun wolle.

Bei der Einfahrt in Cloyes mußte Hans bremsen; dann ging es den steilen Weg neben dem Ortskirchhof hinab. Als der Wagen bei der Kreuzung der Großen Gasse und der Grouaisestraße anlangte, um in der Herberge »Zum wackeren Landmann« einzukehren, sah man einen Bauer längs der Häuser dahinstreichen.

»Mir scheint, das ist Buteau«, meinte Korporal.

»Gewiß, er ist's«, versicherte Lise. »Vermutlich geht er zu Herrn Baillehache ... Sollte er seinen Teil endlich annehmen?«

Hans knallte lachend mit der Peitsche.

»Wer weiß? Das ist ein Schlaumeier!«

Buteau, der die Insassen des Wagens sehr wohl erkannt hatte, tat, als bemerke er sie nicht. Vorgebeugten Hauptes schritt er dahin. Die drei sahen ihn in der Ferne verschwinden; jedes erwog, daß man die Gelegenheit zu einer Auseinandersetzung benützen könne; doch sprach keines diesen Gedanken aus. Franziska, die sehr einsilbig geblieben, war die erste, die vom Wagen sprang, als man im Herbergshofe hielt, wo eine Menge Bauernkarren vornüber auf ihren Deichseln lehnten. Aus den weitläufigen Räumen des Gasthofes lärmte dumpfes Menschengewirr.

»Gehen wir?« fragte der Bursche, nachdem er sein Pferd im Stalle untergebracht.

»Ja, sofort!«

Doch statt sich direkt durch die Tempelgasse zum Viehmarkte zu begeben, der auf dem Sankt-Georgs-Platze abgehalten wurde, schlenderten sie zwischen den Gemüse- und Obsthändlerinnen dahin, welche die beiden Fußsteige der Großen Gasse belagerten. Hans trug eine seidene Mütze und eine lange blaue Bluse über schwarzen Tuchbeinkleidern. Auch die vollkommen gleich gekleideten Schwestern waren sonntäglich herausgeputzt, in runden Hauben, in dunklen, wollenen Leibchen und eisengrauen Röcken, über denen große baumwollene Schürzen mit schmalen rosa Streifen hingen. Sie gaben einander nicht den Arm; mit freien Händen gingen sie eine hinter der anderen durch das Gedränge die Straße hinab und wandten sich durch die Hunderte von Mägden und Bürgersfrauen, die an den am Boden neben ihren Körben hockenden Bäuerinnen vorbeizogen. Sie erkannten die Frimat, deren Hände noch blau angelaufen waren von der schweren Last, welche die Frau zu Markte geschleppt hatte. In ihren beiden übervollen Körben gab es alles mögliche: Salat, Bohnen, Pflaumen, sogar drei lebende Kaninchen. Ein Alter neben ihr hatte einen Wagen Kartoffeln abgeladen, die er scheffelweise feilbot. Eine Frau und deren Tochter, ein berüchtigtes Weibsbild namens Norine, hatten einen Tisch mit Stockfisch, gesalzenem Hering, saurem Hering: schlechte Warenreste, deren starker Salzgeruch einem den Atem benahm. So öde die Große Gasse in der Woche war trotz ihrer schönen Läden, der Apotheke, der Kurzwarenhandlung und zumal dem Pariser Neuigkeitengeschäft Lambourdieus, sie schien zu eng an diesen Sonnabend-Märkten. Die Läden waren mit Käufern vollgestopft; die Händlerinnen belagerten das Pflaster; kein Wagen konnte passieren.

Lise und Franziska kamen mit Hans bis zu dem Geflügelmarkt, der in der Beaudonnieregasse abgehalten wurde. Dorthin sandten die Bauern die riesigen Gitterkörbe, in denen die Hähne krähten, und durch deren Geflecht die Enten ihre hungrigen Hälse hervorstreckten. Geschlachtete, abgerupfte Hühner lagen in flachen Kästen beieinander. Daneben hockten wieder Bauersfrauen mit ihren vier oder fünf Kilo Butter, ihren zwei Dutzend Eiern, ihrem trockenen und weichen, weißen, gelben, grauen Käse. Andere hatten nur zwei Paar an den Füßen zusammengebundene Hennen vor sich liegen. Kaufende Damen feilschten mit den Weibern; vor dem Gasthause »Zur Zusammenkunft der Geflügelhändler« drängte sich eine Menge Menschen um eine soeben angekommene große Fracht Eier. Zwischen den Männern, welche die Eierkörbe abluden, arbeitete auch Palmyre; denn an den Markttagen, wo es in Rognes wenig zu tun gab, verdingte sie sich in Cloyes und schleppte Lasten, unter denen sie fast zusammenbrach.

»Die verdient sich ihr Brot sauer!« bemerkte Hans.

Die Menge wuchs noch immer an; neue Wagen kamen die Straße von Mondouble heran und zogen in langer Reihe schrittweise über die Brücke. Rechts und links schob der Loir in sanften Windungen seine Wasser durch den Wiesengrund; die Gärten der Stadt begrenzten das linke Flußufer; Flieder- und Eibengesträuch ließ seine Gezweige in die Wellen hinabhängen. Stromaufwärts klapperte eine Lohmühle mit hellem Tick-Tack; eine große Getreidemühle lag daneben, ein riesiger Bau, den die Windlöcher am Dache mit einem feinen Mehlstaube bepuderten.

»Nun?« wiederholte Hans seine Erinnerung. »Wollen wir hingehen?«

»Ja, ja!«

Sie kehrten durch die Große Gasse zurück. Beim Sankt-Lubin-Platze machten sie vor dem Rathause halt, wo sich der Getreidemarkt befand. Lengaigne, der vier Sack Korn zu Markte gebracht hatte, stand mit den Händen in den Taschen neben seiner Ware. Hourdequin sprach mit zorniger Miene inmitten einer Schar Bauern, die ihm mit hängenden Köpfen schweigend zuhörten. Man hatte eine Preissteigerung erwartet; doch selbst der Preis von achtzehn Franken schien sich nicht halten zu wollen, und die Männer waren darauf gefaßt, daß er zum Schluß um fünfundzwanzig Centimes hinuntergedrückt werde. Macqueron ging in einem schmierigen Rocke vorüber und führte seine Tochter Berta in einem Musselinkleide mit frischen Rosen am Hut am Arme.

Lise und Franziska bogen in die Tempelgasse und zogen an der Sankt-Georgs-Kirche vorüber, wo fahrende Händler ihre Bänder, Kurzwaren und Stoffe zum Kaufe boten.

»O, Tante Rose«, rief Lise.

In der Tat, es war die alte Fouan. Fanny, die an Delhommes statt mit Hafer hereingefahren war, hatte ihre Mutter mitgenommen, um sie zu zerstreuen. Die beiden standen wartend neben dem Handkarren eines Messerschleifers, dem die Greisin ihre Schere zum Schärfen gegeben. Seit dreißig Jahren schliff er ihr diese Schere.

»Ach, ihr seid da!«

Fanny wandte sich um. Als sie Hans bemerkte, sagte sie:

»Ihr geht wohl spazieren?«

Doch als Mutter und Tochter erfuhren, daß die Basen eine Kuh kaufen wollten, schlossen sie sich ihnen an; denn Fannys Hafer war abgeliefert. Der Bursche schritt hinter den vier Frauen drein, so kam man auf den Sankt-Georgs-Platz.

Es war ein an hundert Meter messendes Viereck, das die im Hintergrund liegende Kirche mit ihrem hohen Glockenturme in altem roten Backstein beherrschte. Alleen dicht belaubter Linden umschlossen den Platz, den an zwei Seiten eiserne, in Prellsteinen eingelassene Ketten absperrten, während die beiden anderen Seiten mit hölzernen Stangen versehen waren, vor denen das Marktvieh stand. Hier begrenzten Gärten den weiten Plan, am Boden wuchs Gras: man hätte sich im freien Felde wähnen können; drüben aber vor den Schenken »Zum heiligen Georg«, »Zur Wurzel«, »Zum braven Schnitter« war der Boden hart getreten und mit weißem Staube bedeckt, den einzelne Windstöße in Wolken emporbliesen.

Sie mußten sich durch das Gewühl in der Mitte des Platzes drängen; dort hielt sich das Volk auf. Man sah ein wirres Durcheinander blauer Blusen; alle Abstufungen von Blau waren vertreten, von dem harten Blau der neuen Leinwand bis zum ausgeblaßten Blau hundertmal gewaschenen Stoffes. Dazwischen blinkten runde weiße Flecke: die Hauben der Weiber. Ein paar Damen gingen mit bunt schillernden Seidenschirmen herum. Man vernahm Lachen, hörte plötzliche Rufe, die in dem surrenden Gewoge verhallten: dann das Wiehern eines Pferdes, ein Blöken von dem Stand des Rindviehs her. Ein Esel hob mit einmal laut zu schreien an.

»Hierher!« sagte Lise, den Kopf wendend.

Die Pferde waren im Hintergrunde an die Stangen gebunden, ungeschirrt einen Strick um den Hals und einen zweiten um den Schwanz geschlungen. Die Kühe seitwärts standen fast frei; sie wurden nur mit der Hand gehalten von ihren Verkäufern, die sie hin und wieder den Standort wechseln ließen, um sie besser zu zeigen. Gruppen von Männern und Weibern blieben stehen und musterten die Tiere. Hier wurde nicht gelacht, die Leute sprachen kaum, ließen nur selten ein paar kurze Worte fallen.

Sofort versanken die vier Frauen in die Betrachtung einer weißschwarzen Kuh, die von einem Ehepaare feilgeboten wurde. Das Weib mit gebräuntem Gesicht und einem starrköpfigen Ausdruck in den Zügen hielt das Tier; ihr Gatte stand unbeweglich und stumm im Hintergrunde.

Es begann eine eingehende Musterung, die an zehn Minuten währte; doch die Verwandten wechselten kein Wort dabei, keinen Blick. Dann gingen sie weiter und pflanzten sich in einer Entfernung von zwanzig Schritten vor einer zweiten Kuh auf. Diese war sehr groß, ganz schwarz und von einem jungen Mädchen begleitet, fast einem Kinde, das sehr niedlich aussah mit seinen munteren Augen und der kleinen Haselgerte in der Rechten. Hernach machte die Gesellschaft an der Reihe der Marktkühe vielleicht noch sieben- oder achtmal halt, einmal so stumm und so lange wie das anderemal. Endlich kehrten die Frauen zu der ersten Kuh zurück und begannen sie von neuem mit den Blicken zu prüfen.

Allein jetzt war die Sache ernster. Die vier standen in einer Linie nebeneinander und bohrten ihre Augen in die Haut des Tieres. Noch hatte keiner ein Wort gesprochen. Auch die Verkäuferin schwieg, blickte zur Seite und tat, als habe sie nicht bemerkt, wie jene zurückgekommen und stehengeblieben.

Endlich neigte sich Franziska zu Lise und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Ebenso leise teilten sich die alte Fouan und Fanny ihre Eindrücke mit. Dann verfielen alle wieder in ihr vorheriges Schweigen. Die stille Prüfung wurde fortgesetzt.

»Wieviel?« fragte Lise plötzlich.

»Vierzig Pistolen!« versetzte die Bäuerin.

Mit lautem Ah! und Oh! machten sich die vier Frauenzimmer aus dem Staube, als habe diese Forderung sie in die Flucht gejagt. Sie suchten Hans und waren überrascht, ihn unweit in Gesellschaft von Buteau zu finden; die beiden plauderten wie alte Freunde. Buteau war im Begriff, für die Ghamade ein Ferkel zu erhandeln. Die in einem großen Wagen zu Markte gebrachten Tiere drängten sich mit ohrenzerreißendem Geschrei in einer hinter dem Wagen angebrachten Umzäunung.

»Willst du zwanzig Franken?« fragte Buteau.

»Nein, dreißig!«

»Kerl, so mäst' es selbst!«

Sehr aufgeräumt trat er auf die Frauen zu, begrüßte seine Mutter, seine Schwester und die beiden Basen nicht anders, als habe er sich gestern in bestem Einvernehmen von ihnen getrennt. Auch sie machten harmlos freundliche Gesichter, wie wenn sie den Familienzwist und den Bruch vor zwei Jahren lang vergessen. Nur die Mutter, der die anderen mitgeteilt, daß sie Buteau vorher in der Grouaisestraße gesehen, sah ihn an mit ihren umfalteten Augen, wie um herauszubekommen, warum er wohl zum Notar gegangen sei. Sie brachte nichts heraus, und niemand tat der Sache Erwähnung.

»Also, Base,« redete Buteau Lise an, »du kaufst eine Kuh, wie mir Korporal erzählt? ... Da drüben steht eine, das beste Tier vom ganzen Markt.«

Er deutete zu den weißen hinüber.

»Vierzig Pistolen? Danke!« entgegnete Franziska.

»Vierzig Pistolen für dich, Kleine«, gab er zurück und versetzte ihr scherzend einen Klaps auf die Schulter.

Aber sie wurde böse und gab ihm den Schlag zurück.

»Laß mich zufrieden, verstehst? Ich scherz' nicht mit den Männern.«

Ihm machte ihr Zorn Spaß; noch munterer wandte er sich an Lise, die ernst daneben stand.

»Und du? Soll ich mich dreinmischen! Ich wette, daß ich sie für dreißig Pistolen bekomme ... Willst du hundert Sous wetten?«

»Mir ist's schon recht ... Wenn du den Versuch machen willst ...«

Rose und Fanny nickten. Sie kannten seine Geschicklichkeit auf den Märkten, wußten, daß er zu feilschen, zu lügen und zu betrügen verstand wie keiner. Es gelang ihm, eine Sache dreimal über ihren Wert zu verkaufen, während er selbst alles halb umsonst bekam. Die Frauen ließen ihn also mit Hans zur Bäuerin hinübergehen, während sie abseits blieben, damit man nicht merke, daß er zu ihnen gehöre.

Die Menge wurde jetzt dichter bei den Viehständen; die Leute verließen die sonnenbeschienene Mitte des Platzes und suchten den Schatten der Alleen auf. Dort war ein unaufhörliches Hin und Her unter den Bäumen; das Blau der Blusen dunkelte im Schatten der Linden; der blinkende Widerschein der spielenden Blätter warf einen grünlichen Schimmer auf die gebräunten Gesichter. Doch obwohl der Markt bereits seit einer Stunde eröffnet, war noch nicht ein einziges Geschäft abgeschlossen. Man ging mit sich zu Rate; Käufer und Verkäufer suchten mit heimlichen Seitenblicken einander die Gedanken aus den Augen abzulesen.

Das langsame Hin- und Hergehen, das stumm blickende Stehenbleiben vor den Tieren nahm kein Ende.

Doch ein Tumult erhob sich; der sanfte Wind trug einen verworrenen Lärm über den Platz. Zwei zusammengekoppelte Pferde bäumten sich, bissen einander mit zornigem Gewieher; ihre polternden Hufe hieben das Pflaster. Schreiend sprangen die Weiber zur Seite, laute Flüche ertönten; mächtiger Peitschenknall, gleich Flintenschüssen, hallte durch die Luft und beruhigte die aufgeregten Rosse. Auf den leeren Fleck aber, den eben die Flüchtenden verlassen, schwebte ein Volk Tauben hernieder, trippelte hastig umher und pickte mit den Schnäbeln nach Haferkörnern in dem Mist der Gäule.

»Na, Mutter, wie teuer verkauft Ihr denn Eure Kuh?« fragte Buteau die Bäuerin.

Diese hatte sehr wohl bemerkt, was zwischen dem Knecht und den Frauen vorgegangen. Ruhig versetzte sie:

»Vierzig Pistolen.«

Er nahm die Sache zunächst scherzend auf und rief lachend zu dem Bauer hinüber, der immer noch stumm abseits stand:

»Sag, Freund, gibst du deine Alte drein zu dem Preis?«

Doch während er seine Witze riß, prüfte er sorgfältig das schöne Tier und fand, daß es alle Bedingungen einer guten Milchkuh erfüllte: einen nicht zu fleischigen Kopf, feines Hörn, große Augen, einen etwas starken, mit Adern durchzogenen Leib, ziemlich schlanke Beine, einen dünnen, sehr hoch sitzenden Schweif. Buteau bückte sich, untersuchte die Euter, die Länge und Elastizität der Zitzen. Dann fing er, mit einer Hand auf das Tier gestützt, zu feilschen an, wobei er mechanisch die Wirbelknochen abfühlte.

»Vierzig Pistolen? Das ist zum Lachen ... Wollt Ihr dreißig?«

Er versicherte sich des kräftigen und guten Gefüges des Rückgrats; dann glitt seine Hand zwischen die Schenkel hinab, wo die safranfarbene Tönung der Haut reichen Milchertrag verspricht.

»Dreißig Pistolen, ist's recht?«

»Nein, vierzig«, antwortete die Bäuerin.

Buteau ließ die Frau stehen, entfernte sich ein paar Schritte und kam zurück. Jetzt entschloß sie sich zusprechen.

»Es ist ein gutes Tier, wahrhaftig ein herrliches Tier. Zur Dreifaltigkeit wird es zwei Jahre alt, und in vierzehn Tagen kalbt es ... Sie werden zufrieden sein mit ihm.«

»Dreißig Pistolen«, wiederholte er.

Als er wieder Miene machte zu gehen, wechselte die Frau einen Blick mit ihrem Manne und rief:

»Wißt Ihr ... damit ich heimfahren kann ... Wollt Ihr sie für fünfunddreißig? Aber es muß gleich sein.«

Er blieb noch einmal stehen und fing an, die Kuh schlecht zu machen. Sie sei dürftig gebaut, habe keine Lenden; man sehe ihr an, daß sie nicht gut gehalten worden, sie müsse sich erst zwei Jahre ausfressen, ehe sie einen Profit abwerfe. Schließlich behauptete er, der eine Fuß sei krank. Es war nicht wahr: Buteau log, um zu lügen, um die Verkäuferin zu ärgern und aufzuregen. Sie aber zuckte die Achseln.

»Dreißig Pistolen.«

»Nein, fünfunddreißig.«

Diesmal ließ sie ihn gehen. Er kam zu den Frauen zurück, meinte, die Bäuerin beiße bereits an, man müsse jetzt um eine andere Kuh feilschen. Die beiden Männer begaben sich zu der großen Schwarzen, die das junge Mädchen am Strick hielt. Sie sollte gerade nur dreihundert Franken kosten. Buteau tat, als finde er sie nicht zu teuer und lobte sie laut; dann wandte er sich plötzlich noch einmal zu der Schwarzweißen.

»Ich soll also mein Geld anderwärts hintragen? Ihr wollt nicht?«

»Ja, wenn ich könnt', aber ich kann nicht.«

Die Bäuerin bückte sich, ergriff mit beiden Händen das Euter.

»Seht Euch das doch an, das ist ja eine Pracht!«

Er war nicht ihrer Meinung, sondern wiederholte:

»Dreißig Pistolen.«

»Nein, fünfunddreißig.«

Jetzt schien alles vorbei. Buteau hatte Korporals Arm ergriffen, um deutlich auszudrücken, daß er auf das Geschäft verzichte. Die Frauen kamen sehr aufgeregt herbei: sie meinten, die Kuh sei die verlangten dreihundertfünfzig Franken wert. Zumal riet Franziska, der das Vieh sehr gefiel, man solle den Handel abschließen. Doch Buteau rief ärgerlich, ob sie glaube, daß er sich so übers Ohr hauen lasse? Eine Stunde lang blieb er standhaft, während die Basen jedesmal zitterten, wenn ein Käufer sich der Schwarzweißen näherte. Übrigens ließ auch er das Tier nicht aus den Augen, aber er blieb ruhig dabei: man muß hart gesotten sein beim Handel. Sie haben ja Zeit; niemand zieht so schnell sein Geld aus der Tasche; es wird sich schon zeigen, ob jemand so dumm ist, für das Vieh mehr als dreihundert Franken zu bezahlen. In der Tat kam noch immer kein Geld zum Vorschein, trotzdem der Markt zu Ende ging.

Auf der Straße wurden jetzt die Pferde versucht. Ein ganz weißer Schimmel trabte daher, von dem gurgelnden Rufe eines Mannes angefeuert, der neben ihm herlief, während Patoir, der Tierarzt, rot und aufgedunsen, mit den Händen in den Taschen neben dem Käufer an der Ecke des Platzes stand und mit lauter Stimme seine Meinung abgab. In den Kneipen herrschte ein reges Treiben. Ohne Unterlaß drängte sich das Volk in die Türen, kam wieder heraus, ging noch einmal hinein, fortwährend handelnd und feilschend in endlosen Reden. Jetzt waren der Lärm und die Bewegung auf ihrem Höhepunkt angelangt; man vermochte kaum sein eigenes Wort zu vernehmen. Ein von seiner Mutter getrenntes Kalb blökte unaufhörlich. Hunde trieben sich bellend umher; ein gelber Pudel, dem man die Pfote überfahren, heulte vor Schmerz. Dann war zuweilen plötzlich alles einen Augenblick still, und man vernahm nichts wie das Krächzen der Raben, die, durch den Lärm aufgeschreckt, den Kirchturm umkreisten. Durch den warmen Dunst des Marktviehes drang ein scharfer Gestank verbrannten Hornes empor und verbreitete sich über den ganzen Platz; wie eine Pest kam dieser Geruch aus einer benachbarten Hufschmiede daher, wo die Bauern ihre Pferde beschlagen ließen.

»Dreißig«, wiederholte Buteau, ohne müde zu werden, indem er wieder an die Verkäuferin herantrat.

»Nein, fünfunddreißig.«

Während noch ein zweiter Käufer um die Kuh handelte, riß der Bursch dem Tier das Maul auf, um seine Zähne zu sehen. Er schnitt ein Gesicht und ließ den Kopf der Kuh wieder los. Jetzt platzte rückwärts der weiche Kuhmist zur Erde; prüfend blickte Buteau hin; seine Grimasse wurde noch unzufriedener. Der Fremde, ein bleicher, langer Mensch, verlor bei diesem Mienenspiel die Lust zum Kaufen und verschwand.

»Ich will sie nicht mehr«, rief Buteau. »Sie hat verdorbenes Blut.«

Jetzt beging die Bäuerin den Fehler, zornig zu werden. Das war's gerade, was er beabsichtigte. Sie schalt ihn; er antwortete mit einem Strom von Schimpfreden. Leute kamen und horchten lachend zu. Der Ehemann im Hintergrund stand immer noch steif und stumm da; jetzt tippte er seine Frau am Ellbogen, und plötzlich schrie sie:

»Nehmt Ihr sie um zweiunddreißig Pistolen?«

»Nein, dreißig.«

Von neuem ging er seiner Wege; mit wuterstickter Stimme rief sie ihn zurück:

»Also, verfluchter Kerl, so nimm sie dir! ... Aber, soll mich der Teufel holen; eh' ich nochmal mit dir einen Handel anfang', kratz' ich dir lieber die Augen aus.«

Die Frau zitterte vor Zorn und Aufregung. Er lachte aus vollem Halse, tat sehr galant mit ihr und bot ihr für das abgehandelte Geld an, bei ihr zu schlafen.

Sofort kam Lise heran, zog die Bäuerin auf die Seite und gab ihr hinter einem Baum ihre dreihundert Franken. Schon hielt Franziska das Tier am Halfter; doch Hans mußte die Schwarzweiße von hinten stoßen, denn sie wollte nicht vom Fleck. Der Handel hatte zwei Stunden gedauert; aber selbst Rose und Fanny hatten, ohne der Sache überdrüssig zu werden, stumm das Ende abgewartet. Wie man aufbrechen wollte, war Buteau verschwunden. Sie fanden ihn bei dem Schweinehändler, dem er kameradschaftlich auf den Schmerbauch klopfte. Er hatte sein Ferkel für zwanzig Franken erstanden. Als er die Schuld begleichen wollte, zählte er zuvor das Geld in der Tasche, zog nicht mehr heraus als gerade die zwanzig Franken und zählte noch einmal nach in der halb geöffneten Hand. Sehr lang dauerte es, bis das Schweinchen in dem Sack untergebracht war, den Buteau zu diesem Zweck unter seiner Bluse bereithielt. Die mürbe Leinwand bekam Löcher; die Pfoten und der Rüssel des Tieres schauten hervor. So lud der Bursche es auf seine Schulter und trug es fort; das Ferkel quiekte und schrie zum Gotterbarmen.

»Hör' mal, Lise, meine hundert Sous?« bemerkte Buteau. »Ich hab' gewonnen.«

Sie reichte ihm scherzend ein Fünffrankenstück in der Meinung, er werde es nicht nehmen. Doch er nahm es sehr wohl und ließ es verschwinden. Langsam machten sich alle auf den Weg zum »Wackern Landmann«.

Der Markt war vorüber. Das Geld blinkte in der Sonne und klapperte auf den Schanktischen. In der letzten Minute wurden alle Geschäfte abgeschlossen. In einem Winkel des Platzes standen die wenigen nicht verkauften Tiere. Nach und nach verlief sich die Menge gegen die Große Gasse zu, wo die Obst- und Gemüsehändlerinnen bereits im Begriff standen, mit ihren leeren Körben das Feld zu räumen. Ebenso sah man auf dem Platz des Geflügelmarktes nichts mehr wie am Boden zerstreutes Stroh und Federn. Schon rüsteten sich die Bauern zur Heimfahrt, bespannten die in den Herbergen untergebrachten Marktkarren, oder lösten einfach die an den Eisenringen des Fußweges angebundenen Pferde. Auf allen Straßen rollten nach allen vier Himmelsrichtungen die Fuhrwerke dahin: die blauen Blusen blähten sich im Winde; die Räder polterten über das Pflaster.

Lengaigne fuhr mit seinem kleinen Rappen vorüber, nachdem er die Gelegenheit benützt hatte, eine Sense zu kaufen. Macqueron und seine Tochter Berta besuchten noch einige Kaufläden. Die Frimat kehrte zu Fuß heim, schwer bepackt, wie sie gekommen war, denn sie hatte ihre Gemüsekörbe mit am Wege zusammengelesenem Pferdemist gefüllt. In der Apotheke der Großen Gasse wartete die todmüde Palmyre stehend seit; einer halben Stunde, daß man ihr eine Arzenei für den s«it einer Woche kranken Bruder bereite: irgendein schauderhaftes Gebräu, für das sie zwanzig Sous zahlen mußte von den vierzig, die sie mit so übergroßer Mühe verdient hatte. Doch was die Geschwister Mouche und ihre Begleiter den Schritt beschleunigen hieß, war der Anblick von Jesus, der vollständig betrunken die ganze Breite der Straße mit seinem schwankenden Gang einnahm. Man wollte wissen, daß er heute Geld aufgenommen, indem er sein letztes Stück Feld mit einer Hypothek belastete. Er lachte still vor sich hin; das Silber klapperte in seinen weiten Taschen.

Als man endlich beim »Wackern Landmann« anlangte, sagte Buteau munter:

»Ihr wollt heim? ... Was meinst, Lise, wenn du mit deiner Schwester noch bliebest, damit wir zusammen irgendwas essen?«

Sie war überrascht. Unwillkürlich wandte sie sich zu Hans herum; da setzte Buteau hinzu:

»Hans kann auch bleiben, es wird mir Vergnügen machen.«

Rose und Fanny wechselten einen Blick. Sicher hatte der Bursch irgendeinen Gedanken im Kopf: sollte er sich zur Heirat entschließen, nachdem er sein Teil beim Notar angenommen? In seinem Gesicht war nichts zu lesen. Doch es empfahl sich, den Lauf der Dinge nicht zu hindern; darum beeilte sich Fanny zu entgegnen:

»Recht so, bleibt ... Ich will mit der Mutter nach Hause fahren, man erwartet uns.«

Franziska, die noch immer die Kuh hielt, sagte kurz:

»Ich geh' auch.«

Sie war nicht zum Bleiben zu bewegen: sie langweile sich im Wirtshaus, meinte sie, und wolle lieber sofort die Kuh heimgeleiten. Sie ward so unfreundlich, daß die anderen nachgeben mußten. Man spannte das Pferd ein, band die Schwarzweiße hinten an, und die drei Frauen bestiegen den Karren.

In diesem letzten Augenblick endlich getraute sich Rose, die vergeblich auf eine Äußerung Buteaus gewartet, ihn zu fragen:

»Hast du keine Botschaft für deinen Vater?«

»Nein, keine.«

Sie blickte ihn fest an.

»Also es gibt nichts Neues?«

»Wenn's was Neues gibt, wirst du's erfahren, sobald es Zeit ist.«

Fanny hob die Peitsche; das Pferd zog im Schritt an, die Kuh ließ sich mit gestrecktem Halse nachzerren. Lise blieb allein zwischen Buteau und Hans.

Um sechs Uhr nahmen die drei in einem Speisezimmer der Herberge Platz unmittelbar neben dem Kaffee- und Spielsaale. Buteau hatte nicht gesagt, daß er das Essen bezahlen wolle; doch er ging in die Küche und bestellte eine Eierspeise und ein Kaninchen. Inzwischen bat Lise den Hans, er möge ihre Angelegenheit zur Sprache bringen, daß ein Ende damit werde und er sich einen Weg erspare. Aber man verzehrte den Eierkuchen und machte sich an das Fleisch, ohne daß der Bursch in seiner Verlegenheit noch ein Wort geäußert hätte. Der andere schien übrigens ebensowenig an diese Sache zu denken. Er aß tüchtig, lachte mit breitem Munde und stieß Lise und Hans unter dem Tische freundschaftlich mit den Knien. Sodann begann ein ernstes Gespräch. Es war die Rede von der neuen Chaussee nach Rognes, und wenn auch kein Wort fiel über die Entschädigung von fünfhundert Franken und die Werterhöhung von Lises Grundstück, so lagen doch diese unausgesprochenen Dinge der ganzen Unterhaltung zugrunde. Buteau witzelte und brachte Gesundheiten aus; dabei spiegelten seine grauen Augen deutlich den Gedanken, daß der dritte Anteil jetzt sehr vorteilhaft sei, daß seine einstige Geliebte, deren neben seinem Grunde gelegenes Land seinen Wert erhöhte, eine gute Partie geworden.

»Kinder,« rief er, »trinken wir keinen Kaffee?«

»Drei Kaffee!« bestellte Korporal.

Noch eine Stunde verging beim Trinken des Kaffees und beim Leeren der Branntweinflasche, ohne daß Buteau sich erklärte. Bald schien er nahe daran; dann kam er wieder davon ab, zog die Sache in die Länge nicht anders, als feilsche er noch um die Kuh. Die Angelegenheit war im Grunde entschieden; aber es konnte nicht schaden, noch ein Weilchen darüber nachzudenken. Plötzlich wandte er sich an Lise und sagte:

»Warum hast du das Kind nicht mitgebracht?«

Sie lächelte; denn sie verstand, daß er sich entschlossen. Freundschaftlich puffte sie ihn in die Seite; sie war glücklich, verzieh ihm alles.

»Ist das ein Mensch, dieser Buteau!« versetzte sie.

Das war alles. Auch er lachte. Die Heirat war eine abgemachte Sache.

Hans, der bisher verlegen neben beiden gesessen, ward mit ihnen guter Dinge. Ihm fiel ein Stein vom Herzen, und er war der erste, der das Ding bei seinem Namen nannte.

»Du tust wohl daran, zur Lise zurückzukehren: ich wollte deinen Platz einnehmen.«

»Ja, man hat mir erzählt ... Aber mir war nicht bange; denn Ihr hättet mir doch vorher davon gesprochen.«

»Natürlich ... Um so mehr, als es wegen des Kindes eigentlich besser ist, daß du die Lise nimmst. Wir haben es immer gesagt, nicht so, Lise?«

»Immer, das ist die reine Wahrheit.«

Alle drei blickten mit einer gewissen Rührung drein. Sie waren brüderlich untereinander. Hans empfand nicht die mindeste Eifersucht und wunderte sich über sich selbst, wie warm er dieser Verbindung das Wort reden konnte. Als Buteau meinte, man müsse doch noch etwas trinken, bestellte er Bier. Lise saß zwischen den beiden; sie lehnten die Ellbogen auf die Tischkante und plauderten von dem letzten Regen, der das Getreide niedergeworfen.

Aber in dem nebenliegenden Spielzimmer machte Jesus, der dort mit einem ebenfalls betrunkenen Alten Karten spielte, einen Heidenlärm. Auch die anderen, die dort im roten Qualm der Lampen tranken, rauchten und spien und vermochten nicht zu sprechen, ohne zu schreien; doch seine schmetternde Stimme übertönte alles. Ein Streit hatte sich zwischen ihm und seinem Partner erhoben. Jeder wollte gewonnen haben; der Zank wurde immer erbitterter; der andere behauptete mit unerschütterlicher Hartnäckigkeit sein Recht, obwohl er Unrecht zu haben schien; Jesus aber brüllte so laut, daß der Wirt einschreiten mußte. Da erhob sich der Trunkenbold, ging mit seinen Karten von Tisch zu Tisch und langweilte alle mit der umständlichen Erklärung des Falles. Hierauf kam er wieder zu seinem Kumpan zurück, der im Bewußtsein seines Unrechtes gleichmütig die Zornesausbrüche des Aufgeregten über sich ergehen ließ.

»Elender Feigling! Komm heraus, daß ich dir die Rippen einschlage!« tobte Jesus.

Dann ließ er sich plötzlich wieder beruhigt auf seinen Sessel nieder.

»Ich kenne ein Spiel, eine Art Wettkampf, willst du?«

Er hatte eine Handvoll Fünffrankenstücke aus der Tasche gezogen, vielleicht fünfzehn oder zwanzig, und stapelte sie in einer einzigen Säule aufeinander auf.

»So; mache du einen ebenso großen Haufen.«

Der Alte zog, ohne ein Wort zu sprechen, seine Börse und baute eine gleiche Rolle Silber.

»Recht! Also jetzt nehme ich ein Stück von deinem Haufen, und ... schau her!«

Er ergriff die Münze, legte sie sich feierlich wie eine Hostie auf die Zunge und verschlang sie.

»Jetzt nimm du von meinem Gelde. Wer die meisten Stücke vom andern verschluckt, behält sie. Das ist das Spiel.«

Der Alte tat, wie ihm geheißen; mit auf gerissenen Augen würgte er mühsam das erste Stück hinab. Jesus rief ihm zu, er solle sich Zeit lassen, und dabei verschluckte der Strolch die Silbermünzen wie Pflaumen. Beim fünften machte die Sache Aufsehen im Kaffeehause; alle kamen heran, umstanden im Kreise den Tisch und blickten starr vor Bewunderung auf die unheimliche Schaustellung. Welch ein Rachen, der so das Geld verschlingen kann! Der Alte war bei seinem vierten Stück, da sank er plötzlich blau im Gesicht, atemringend, röchelnd vom Stuhl. Einen Augenblick schien es, als wolle er den Geist aufgeben. Jesus hingegen erhob sich wohlgemut; er hatte zehn Stück im Magen: das machte dreißig Franken Gewinn.

Buteau scheute sich, mit seinem saubern Bruder sich sehen zu lassen, falls der alte Mann dem Erstickungsanfall erliegen sollte. Darum verließ er seinen Platz und befahl, daß angespannt werde. Weil er keine Miene machte zu zahlen, obwohl die Einladung von ihm ausgegangen, beglich Hans die Rechnung. Das vermehrte noch die gute Laune von Lises Bräutigam. Im Hof, wo die beiden Wagen warteten, faßte er den Kameraden freundschaftlichst bei den Schultern und rief:

»Weißt du, du sollst auch auf meine Hochzeit kommen. Wir heiraten in drei Wochen ... Ich bin beim Notar gewesen, habe den Akt unterzeichnet ... Alle Papiere sind bereit ...«

Dann hob er Lise in seinen Wagen und sagte:

»Vorwärts, hup! Ich fahre dich heim! ... Über Rognes ist kein großer Umweg für mich.«

Hans kehrte allein in seinem Fuhrwerk in die Borderie zurück. Er fand es natürlich und ließ seinen Wagen dem andern folgen. Cloyes schlummerte bereits in seinem starren Alltagsfrieden, beleuchtet von den gelben Lampen der Straßenlaternen. Von dem Lärm des Marktes war nichts übriggeblieben; man hörte kein anderes Geräusch als den taumelnden Schritt eines Betrunkenen. Vor der Stadt aber streckte sich die finstere Landstraße. Der Wagen mit dem Brautpaare rollte in die Ferne voraus. Es war besser, daß es so gekommen, weit besser! Hans ward frei und leicht zumut; er pfiff eine lustige Weise in das frische Dunkel der Nacht hinaus.


 << zurück weiter >>