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Nacht. In der Villa Seemann.

Frau Rositta war zum Abendbesuch bei ihrem Mann. Sie lagen nebeneinander in seinem Bett. Und auf dem Nachttisch vor ihnen befanden sich zwei kräftige Whiskys.

Es war dunkel im Zimmer; aber die Tür zum Arbeitsraum des Amtsrichters war angelehnt. Und drinnen waren alle Lichter angezündet.

Ein Fenster stand offen, und draußen lag der Garten schweigend und still in theaterhaftem Mondlicht ... Isidor atmete tief und wachte dadurch auf. Vorsichtig machte er seinen Arm frei, lichtete sich auf und streckte die Hand nach seinem Whiskyglase aus.

»Was tust du?« fragte Rositta noch halb schlafend.

»Ich trinke,« sagte er.

Rositta lachte:

»Ja, wir sind ein paar nette Eltern!«

»Außerordentlich nett!« bestätigte er. »Haben wir nicht gesunde, hübsche und fröhliche Kinder bekommen ... Prosit!«

»Prosit!« lachte sie wieder und ergriff ihr Glas und stieß mit ihm an.

»Die Menschen müßten nur des Nachts leben,« sagte Isidor und blickte zum Fenster, »und dazu müßte immer Mondschein sein!«

»Ja!« nickte sie. »Wollen wir ein bißchen im Garten spazieren gehen?«

»Gerne, meine Geliebte!«

»Willst du wirklich?«

»Gerne, meine Reseda! Alles, was du willst, will ich auch ... zu dieser Stunde.«

»Ja, aber, bedenke, daß du ›Obrigkeitsperson‹ bist!«

»Nicht nachts ...!«

Rositta lachte ausgelassen, wahrscheinlich von Whisky ein wenig beeinflußt. Sie steckte die Füße in die Pantoffeln und warf ihren Schlafrock über, den, in dem sie gekommen war.

Isidor zog Morgenschuhe an und legte einen langen, hellen Staubmantel um.

»Ich muß erst hinüber und nach den Kindern sehen,« sagte Rositta dann.

Aber er antwortete:

»Die Kinder ruhen in Abrahams Schoß, meine Reseda; laß sie dort ruhen ... Die Nacht ist die Zeit der Eltern!«

Und er schlang den Arm um ihre Taille und zog sie mit sich durch das Entree und in den Garten hinaus ... Die Luft war lau und vom Duft der betauten Rosen, erfüllt.

Isidor und Rositta gingen zum Teich hinab.

» Jetzt hatten wir etwas Brot für die Fische haben müssen ...!« sagte sie.

»Das haben wir! Sieh her ...« er zeigte ihr ein Stück Brot, das er aus seiner Rocktasche nahm. »Ich gehe zuweilen allein hier herunter, wenn ich nicht einschlafen kann.«

Unten vor dem Teich zerbröckelten sie das Brot und warfen es hinaus. Und die Fische schössen durch das schwarze Wasser hervor und leuchteten wie Silberblitze im Mondschein.

»Wie schön das ist!« sagte Rositta.

»Ja,« nickte er. »Man füttere seine Karauschen und mache seinen Whisky stärker, Resedachen ... und lasse dann den Herrgott für den Rest sorgen.«

So sprach in der schönen Hochsommernacht der Herr Vertreter der Jurisprudenz Isidor Severin Seemann, Amtsrichter in den Gerichtsbezirken Havslunde und Söby.


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