Ernst Wichert
Der Bürgermeister von Thorn
Ernst Wichert

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Siebentes Kapitel

Liebeswerben

An den Nachmittagen machte der Herr Hochmeister gewöhnlich einen Spazierritt, manchmal in Begleitung von einigen Brüdern, manchmal auch allein, nur von einem Stallknecht gefolgt. Er schien mit Vorliebe den Weg zu wählen, der an dem Hofe vorbeiführte, und hielt stets an, wenn er einen der Hausgenossen bemerkte, plauderte mit Frau Christine oder den Mädchen eine kleine Weile und ließ sich wohl auch, wenn es heiß war, einen Krug Wasser oder frische Milch aufs Pferd reichen. Ursula paßte schon die Zeit ab, wenn er vorüberzukommen pflegte, und begrüßte ihn mit einem freudigen Zuruf. Meist brachte er ihr auch einen Leckerbissen vom hochmeisterlichen Nachtisch mit, den sie dann gleich mit Magdalene teilte. Einmal traf er sie, wie sie auf einem der Ackerpferde saß, das Marcus am Zügel herumführte. Sie war sehr verschämt, da sie nicht gleich abspringen konnte, gestand aber, daß es ihr das größte Vergnügen sein würde, ordentlich reiten zu lernen. »Dazu könnt ich Euch wohl die Gelegenheit bieten«, sagte der Hochmeister lachend. »Man hat mir ein kleines gotländisches Pferdchen geschenkt, das unbenutzt in meinem Stall steht. Ich will's für Euch hierherbringen lassen und auch für das Futter sorgen, damit es Blume nicht beschwerlich fällt.« Am andern Tage schickte er's wirklich hinaus. Es war ihm eine Decke von rotem Tuch und Goldfransen und ein Quersattel aufgelegt; auch fehlte ein zierliches Zaumzeug mit blanken Schnallen und kleinen Schellen nicht. Ursula war überglücklich, stieg sofort auf und trabte um den Teich herum. Als der Hochmeister wieder ansprach, schalt Frau Christine: »Ew. Gnaden haben da etwas Schönes angerichtet! Ursula möchte nur den ganzen Tag auf dem Sattel sitzen.« Sie mußte sich zu Pferde zeigen, und der hohe Herr lobte ihre gute Haltung und geschickte Zügelführung. »Wer hat Euch denn so gut unterwiesen?« fragte er. »Marcus«, antwortete sie, »aber er hat wenig Mühe mit mir gehabt. Es ist gar keine Kunst, auf einem so willigen und gehorsamen Pferdchen zu reiten.« »Wenn's Euch gefällt, soll's Euch gehören«, sagte Erlichshausen, »mir ist's ja doch unnütz.« Nun war die Freude groß; sie konnte nicht genug herzliche Worte finden, dem gnädigen Herrn zu danken, der sich heute ungewöhnlich lange verweilte und kein Auge von der anmutigen Gestalt ließ.

Seitdem war Ursula auf ihrem grauen Gotländer viel unterwegs. In allen Bauernhöfen des Werders kannte man sie. Doch kehrte sie nirgends ein, sondern ritt immer nur flüchtig vorüber; die rasche Bewegung war ihr eine Lust. Im Winter hatte sie sich schon daran gewöhnt, ihr krauses rotblondes Haar zu flechten; jetzt trug sie es meist wieder offen unter einem Männerhut mit breiter Krempe, den Marcus hatte herleihen müssen. Darauf steckte sie ein grünes Birkenreis. Um die Schulter band sie ein weißes Laken, den Staub von den Kleidern abzuhalten; doch achtete sie wenig darauf, daß es ihr als Mantel diente, und ließ es beim schnellen Reiten hinter sich im Winde flattern. Auch liebte sie bunte Röcke, rot und blau, und puffte ihre weiten Ärmel mit farbigen Bändern. Frau Christine meinte, sie wolle es damit den Ritterfräulein nachtun, die sie bei festlichen Gelegenheiten in der Stadt gesehen, und schalt ihr eitles Wesen. Aber Ursula schien kaum zu begreifen, was sie verdroß. »Es ist ja für niemand als für mich«, sagte sie entschuldigend, »und es gehört so zur Reiterin.« Es haftete ihr noch immer von dem langen Waldaufenthalt etwas Ungewöhnliches an, das die kurze städtische Erziehung nicht hatte unterdrücken können. Magdalene meinte, man müsse ihr eine Weile die Freiheit lassen; berufe man sie zu viel, so werde sie scheu werden. Der Hund war übrigens ihr steter Begleiter, bei seiner Anhänglichkeit sicher auch der treueste Beschützer, wenn ihr einmal auf der Landstraße jemand unfreundlich begegnen sollte, was doch in dieser Gegend nicht zu befürchten war. Der Hochmeister, der sie so getroffen hatte, schickte ihr ein schönes Reitkleid mit Spitzen und goldenen Borten. Das trug sie nun aber nicht. Sie entschuldigte sich bei ihm, daß sich's für sie nicht schicke; sie müßte sich selbst darin hoffärtig vorkommen.

Wenn sie Marcus auf dem Felde bei der Arbeit wußte, versäumte sie nicht zu ihm heranzureiten und sich eine Weile mit ihm zu unterhalten. Er hatte das Pflügen und Eggen zu beaufsichtigen; die Saat streute er selbst aus. Mit besonderer Sorgfalt wurde das Flachsfeld bearbeitet. Mitunter stieg Ursula auch ab, legte den Arm um den Hals des kleinen Pferdes und streichelte mit der andern Hand dessen Kopf, während Marcus neben ihr stand und verliebt zuschaute, oder sie setzte sich zu ihm auf den Rain in den Schatten der Buchenhecke, wenn er sein Frühstück oder Vesperbrot verzehrte. War er selbst zu Pferde, so begleitete er sie wohl auch ein Stück Weges. Mit ihm konnte sie von ihrer Mutter und von dem großen Walde und von der Waldhütte mit allen ihren Insassen sprechen, und das tat sie gern. Es wäre hier sehr schön, meinte sie, man sehe überall so weit, und der mächtige Strom biete viel wechselnde Bilder; aber den Wald vermisse sie doch schmerzlich – so einen Wald, in dem ein Riesenbaum am andern stehe und die liebe Sonne Not habe, mit einem Strahl das lichte Blätterdach zu durchdringen und den Tau vom Moosteppich aufzutrinken. »Gibt's hier keine solche Wälder, die man an einem Tag erreiten könnte?« Er versprach ihr, am nächsten Sonntag, wenn das Wetter schön bleibe, seine Begleitung zu einem weiteren Ausritt. Dann wolle er sie auch durch Wald führen. »Freilich ist's kein Wald, wie Ihr ihn im Sinne habt«, setzte er doch vorsorglich hinzu, »aber auch so wird er Euer Herz erfreuen können.«

Er hielt ihr auch Wort. Magdalene mußte ihm, bevor sie mit der Mutter nach der Stadt zur Kirche fuhr, die Lischke mit allerhand Eßmitteln vollpacken. Die hing er mit dem Strick vorn an den Sattelknopf. Sie kamen wahrscheinlich vor Abend nicht wieder, sagte er. Dann ging's eine Strecke an der Uferhöhe entlang und darauf seitab in der Richtung auf Schloß Stuhm, wo vor vierzig Jahren der Polenkönig Jagiel, als er Marienburg belagerte, sein Hauptquartier gehabt hatte. Aber nicht bis dorthin verfolgte Marcus den Weg, sondern bog ab nach dem Damerausee, dessen südliche Ufer und kleine Inseln bewaldet waren, umritt ihn auf der einen Seite und lenkte wieder über Feld und Bruch, bis sie aus verstreutem Gebüsch heraus einen dichten Waldsaum vor sich hatten, der sich unabsehlich gegen die Nogat hinauszog. Ursula jauchzte auf. Nun ganz ohne Weg und Steg ritten sie hinein, jede enge Lichtung benutzend oder auch die Zweige fortbiegend, deren junges Grün noch überall den Durchblick gestattete. Sie scheuchten allerhand Wild auf; über ihnen in den hellen Laubkronen sangen die Waldvögel, und Ursula nannte jeden mit Namen und ahmte geschickt seinen Lockruf nach. Sie war froh wie ein Kind, dem einmal voll nach Wunsch der Wille geschieht, und rief einmal über das andere: »Wie dank' ich Euch, Lieber, Guter! So einen Tag hab' ich lang' nicht erlebt!«

Um Mittag hielten sie Rast unter einer Buche am Rand der Wiese, die ein kleiner Bach durchrieselte. Sie zäumten die Pferde ab und ließen sie grasen. Marcus packte die Lischke aus und schöpfte in einem Becher von dem klaren, kühlen Wasser. Wie erquicklich war das nach dem heißen Ritt, und wie schmeckte die einfache Mahlzeit von Brot, Käse und geröstetem Fleisch. Nachdem sie sich an Speise und Trank gesättigt hatten, lehnten sie sich, nebeneinander sitzend, gegen den Stamm, noch ein Stündchen zu ruhen. Aber die Augen wollten ihnen nicht zufallen, wie sie gemeint hatten. Ursula pflückte neben sich Grashalme von verschiedener Länge ab, faßte sie in die Hand und ließ ihn ziehen, ob er den längsten oder kürzesten träfe. Sie suchte im Moose, ob schon die Kräuter aufkämen, die ihre Mutter sie unterscheiden gelehrt hatte, und freute sich, ein paar kleine Blättchen zu finden, die selten anzutreffen sein sollten. »Nehmt einmal eins auf die Zunge«, sagte sie, »es schmeckt wie feines Gewürz und erfrischt den Atem.« Marcus merkte wenig davon, gab ihr aber recht. »Reißt von der Buche ein Blatt und reicht es mir, Ursula, so soll seine Bitterkeit mir süß sein«, versicherte er. Er hatte seine Schulter an die ihrige gelehnt, und ihr Haar streifte seine Wange, wenn sie den Kopf wandte. Nun ergriff er ihre Hand, zog sie an seinen Mund und drückte einen langen und heißen Kuß darauf. Sie ließ es geschehen, sah ihn aber wie verwundert an und lächelte dann vor sich hin.

Er gab ihre Hand nicht mehr frei. Die seine zitterte merklich; die breite Narbe auf seiner Stirn wurde feuerrot, während über die bleiche Stirn Schweißtropfen perlten. Er hatte die Augen halb geschlossen und schien vor sich hinzuträumen. Er sprach kein Wort, und auch Ursula verhielt sich eine lange Weile schweigend, als gälte es, einen Zauber nicht zu stören. Sie fühlte, daß etwas Wundersames in ihm vorging, dem er keine Sprache zu geben vermochte, und auch ihr war so eigen beklommen zumut, wie noch nie zuvor. Daß sie ihm von Herzen gut sei, hatte sie immer gewußt, aber es war nichts Aufregendes darin gewesen: es verstand sich so von selbst, daß er sie liebgewonnen habe von dem ersten Augenblick, da er sie gesehen. Aber jetzt hatte das andere Bedeutung. Es kam ihr plötzlich so sonderbar vor, daß sie mit ihm allein sei – allein in einem großen unbekannten Walde, aus dem sie vielleicht ohne ihn gar nicht wieder herausfände. Ihr Arm lag wie gelähmt; sie hätte die Hand mit aller Kraft nicht fortziehen können. Warum auch? Und doch ... Warum hatte er sie geküßt?

Endlich wurde ihr dieses Schweigen ganz ängstlich. Sie meinte es brechen zu müssen und sagte leise: »Nun ist der Sommer nahe. Bedenkt Ihr wohl, daß Ihr meiner Mutter versprochen habt, ich solle dann wieder nach Hause?«

Marcus zuckte. »Wie kommt Euch das in den Sinn, Ursula?«

»Ich meine, das gibt mir der Wald so ein«, antwortete sie, ohne die Schulter zu rühren oder den Kopf zu wenden.

»So müßt' ich's beklagen, Euch hierher geführt zu haben, Ursula. Ich hoffte gerade, Eure Sehnsucht sollte gestillt sein.«

»Es ist auch so. Aber der Wald mahnt nun doch, daß ich nicht vergesse, wie ich hier nur eine Fremde bin und den lieben Menschen, die mich gütig aufgenommen haben, vielleicht längst schon zur Last falle. Es ist Zeit, an die Heimkehr zu denken.«

»Wie möget Ihr nur so sprechen, Ursula? Beweist Euch nicht der Herr Hochmeister, daß er Euch gern in seiner Nähe sieht? Ehrt nicht meine Mutter den lieben Gast, und ist Euch nicht Magdalene eine treue Freundin? Und ich selbst ... Ich hatte gehofft, Ursula ...«

Er stockte, aber drückte wiederholt ihre Hand, als könnte er ihr damit besser als mit Worten zu verstehen geben, was er empfinde.

Und sie verstand ihn auch und ließ das Köpfchen zur Seite sinken, bis er sich an sie stützte. Ihre Brust atmete in langen Zügen, und ihr stummer Mund war wie zum Sprechen geöffnet.

»Ich hatte gehofft, Ursula«, fuhr er leise fort, »Ihr würdet nun immer bei uns bleiben wollen, und ich weiß auch nicht, wie ich's ertragen könnte, wenn ich mich von Euch trennen müßte. Nein, nein! das ist unmöglich – das ist so unmöglich, als daß ich mich von mir selbst trenne. Und ginget Ihr auch von uns fort, meine Seele würde Euch folgen und immer bei Euch sein. Aber mein armer Leib müßte hinsiechen in Kümmernis, daß meine Augen Euch nicht mehr sehen und mein Ohr Eurer Sprache holden Laut nicht mehr vernimmt und meine Hand ... Ach, Ursula, warum wollt Ihr mir das antun? War's denn nur eitel Täuschung, daß ich glaubte, auch Ihr liebtet mich, wie ich Euch liebe, und könntet nimmermehr von mir lassen? Wohl weiß ich, daß ich für Euch zu gering bin, aber wenn mein ganzes Herz –«

Plötzlich fühlte er sich von ihrem Arm umschlungen, ihre Lippen an seinen Lippen. Sie küßte ihn mit leidenschaftlichem Eifer und rief: »Ach –! nun ist mir's endlich gewiß, Marcus. Du liebst mich und willst von mir geliebt sein. Ich träume nicht – ich halte dich in meinem Arm, du lieber, lieber Mann. Ja, dir will ich angehören mit Leib und Seele, und von dir darf meine Mutter mich nicht fordern. Marcus – lieber Marcus!«

Sie sank wie erschöpft zurück und bedeckte die Augen mit der Hand. Er aber richtete sich jetzt auf den Knien auf, wendete sich zu ihr, zog sie an sich heran und schloß sie fest in seine Arme. »Du willst mein sein, Ursula –?« fragte er überselig und wiederholte die Frage immer wieder. Sie nickte lachend und erwiderte seine Küsse.

Dann aber, wieder wie mit plötzlichem Entschluß, machte sie sich von ihm los, stand auf, trat einen Schritt zurück und sagte ernst: »Was haben wir getan? Darfst du dich binden, Marcus? An ein Mädchen binden, das im Walde aufgewachsen ist und nichts von seiner Herkunft weiß? Dein Vater – deine Mutter ...«

»Oh, fürchte nichts«, beruhigte er, ihre Hand ergreifend, »sie sind gut, und sie lieben ihren Sohn. Ich werde ihnen sagen, daß ich nicht mehr leben kann ohne dich, und sie werden mir glauben. Sie müßten ja blind sein, wenn sie nicht schon längst gemerkt haben sollten, wie's mit meinem Herzen stand, und sie haben sich nicht zwischen uns gestellt. Was könnten sie auch gegen eine solche Tochter einzuwenden haben? Keine Königin –«

»Nein, nein«, fiel sie ihm ins Wort, »ich weiß jetzt, wie es in der Welt zugeht. Denke an deine Schwester! Damals im Walde wär' mir's unfaßbar gewesen, daß zwei Menschen, die sich so liebhätten, nicht zueinander sollten. Aber jetzt weiß ich, daß es solche Macht gibt, die sie trennt. Du nennst dich zu gering für mich, und daraus erkenne ich, wie du mich liebst und ehrst. Aber mit deinen Augen sieht mich kein anderer.« Sie warf sich wieder an seine Brust. »Ach, Marcus–! wenn auch ich das erfahren müßte ... Und doch! nein, nein – um alles in der Welt wollt' ich nicht, daß du lieber geschwiegen hättest.«

Er sprach ihr freundlich zu, selbst ganz überzeugt, daß sie ohne Grund ein Hindernis ihrer Vereinigung fürchtete. Er wollte mit seinen Eltern sprechen und sie dann von ihrer Mutter erbitten. »Laß mich erst zu ihr zurückkehren«, sagte sie; »jetzt ist's ja nicht so arg betrüblich, wenn ich für kurze Zeit Abschied nehme. Und war's auch für ein Jahr und länger, das dürft' uns nicht grämen, wenn ich hinterher doch als deine Frau in Marienburg einziehe. Wir wollen's heimlich halten, bis ich abgereist bin.«

Das wollte ihm anfangs nicht gefallen, aber er fügte sich ihren Gründen und Wünschen. »Bestimme denn den Tag«, sagte er, »und ich will zur Reise bereit sein. Aber eile damit nicht zu sehr, Liebste.«

»So ist's nicht gemeint«, antwortete sie, seine Wange streichelnd. »Diesmal darfst du mich nicht begleiten.«

Er sah sie ganz erschreckt an. »Nicht begleiten? Aber wie willst du ...«

»Ich werde beim Herrn Hochmeister anfragen, ob er vielleicht nächstens nach Heilsberg schickt, und ihn um Erlaubnis bitten, mich seinen Boten anzuschließen. So bin ich in gutem Schutz.«

»In besserem bei mir.«

Sie küßte die Narbe auf seiner Stirn. »Es kann doch so nicht sein. Wenn's nur meinetwegen wäre, da macht' ich mir aus der Leute Gerede wenig. Soll ich aber des Marcus Blume Eheweib werden, der des Herrn Bürgermeisters von Marienburg ältester und einziger Sohn ist, so muß es gar ehrbar unter uns zugehen nach der ehrbaren Leute Meinung.« Sie sagte das mit schalkhaftem Ausdruck und fuhr ebenso fort: »Hätt' ich gewußt, daß es so kommen sollt', hätt' ich auch nicht eingewilligt, mit dir allein über Land und in den Wald zu reiten. Das ist nun geschehen. Aber um so mehr müssen wir uns beeilen, bei hoher Sonne nach Hause zu kommen. Laß uns also gleich wieder zu Pferde.«

Er wollte sie noch ein Weilchen zurückhalten. Aber sie blickte ihn bittend an und sagte in munterem Ton: »Ich fürchte, wir haben ohnedies schon zu viel von unseren Geheimnissen ausgeplaudert. Da über uns im Baum ist die ganze Zeit ein Rotkehlchen von Ast zu Ast gehüpft, uns neugierig zu beobachten; und jetzt schmettert es laut durch den Wald, was es gehört hat. Horch nur, horch! Ich wollte nicht, daß es ein alter Uhu erführe oder eine Spottdrossel. Dann ging' es uns schlecht.«

Marcus lachte und fügte sich. Er zäumte die Pferde auf und hob sie in den Sattel. »Warte noch ein wenig«, bat er, trat an den Buchenstamm und schnitt mit seinem Messer ein Kreuz in die Rinde. Dann stieg er gleichfalls auf und nahm nach dem Sonnenstand die Richtung.

Er ritt an ihrer Seite und lenkte oft seinen Gaul so dicht an ihren Grauschimmel heran, daß er sie um die Schulter fassen, ihren Kopf zurückbiegen und sie küssen konnte. Das geschah zuletzt am Damerausee. Als sie auf die Landstraße gelangt waren, litt sie's nicht mehr. »Reiten wir einmal um die Wette«, rief sie, »damit wir auf andere Gedanken kommen.«

»Warum sollen wir das?« sagte er.

Sie antwortete aber nicht, sondern trieb den Gotländer an, daß er in wilden Sprüngen voransauste.

Nun mußte er wohl folgen.


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