Ernst Wichert
Der Bürgermeister von Thorn
Ernst Wichert

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Neuntes Kapitel

Tagfahrt wegen der Huldigung

Am St. Jürgentage wollte Tileman vom Wege nicht fehlen. Er machte sich rechtzeitig mit seinem Kumpan Rutger von Birken auf, nach Elbing zu reiten. Sie stießen mit vielen der Edelsten aus der Kulmer Ritterschaft zusammen: dem Bannerführer Hans von Czegenberg, Conitz von Swante, Augustin von der Schewe, Jon von Eichholz und anderen; auch die Abgesandten aus den kleinen Städten gesellten sich zu ihnen, nur die von Neustadt Thorn, Andreas und Jacob Schünemann, hielten sich abseits, um dem Orden nicht Verdacht zu geben.

Tileman ritt neben dem einen und andern, holte seine Meinung aus und befestigte ihn in der seinigen. Auf diesem Tage schon sollte sich's beweisen, wessen der Bund mächtig sei.

Je mehr man sich der Stadt näherte, desto größer wurde der Haufe. Aus jedem Gebiet zogen einige Ritter und Knechte, Bürgermeister und Ratmannen an. In Elbing selbst traf man mit den Danzigern Albert Huxer und Meyenhard vom Stein, den Königsbergern und Braunsbergern zusammen. Es war da viel buntes Leben auf den Straßen am Markt und abends im Artushof, wo die Georgsbrüderschaft die Gäste feierlich aufnahm. Auch das Elbinger Schloß war mit Zureisenden aus allen Richtungen gefüllt. Denn die Komture der benachbarten Ordensburgen wollten den Herrn Hochmeister begrüßen, der mit Jobst von Venningen und dem Großkomtur nebst ihrem Gefolge von der Marienburg angelangt war. Der Spittler, Herr Reuß von Plauen, hatte Mühe, sie alle in seinem Schloß unterzubringen. Im großen Remter zeigte sich die Abendtafel bis auf den letzten Platz gefüllt. Nachdem das Essen der Ordensregel gemäß schweigend eingenommen war, blieben die Herren noch lange in desto lebhafterem Gespräch zusammen auf. Die Stimmung war kriegerisch. Jetzt sollten Land und Städten gezeigt werden, daß man sich keine Vorschrift machen lasse.

Am andern Morgen, einem Montag, erschienen Land und Städte vor dem Herrn Hochmeister auf dem Schloß, seine Proposition entgegenzunehmen. Er ließ ihnen durch den Marschall und die Komture von Christburg und Danzig sein Begehren kundgeben, daß sie ihm huldigen sollten, wie sie seinem Vorfahren Konrad von Erlichshausen gehuldigt hätten. Dies haben Land und Städte zu sich genommen, um darüber zu verhandeln.

Sie begaben sich aufs Rathaus und nahmen im Saal Platz, die von der Ritterschaft gesondert und die von den großen Städten wieder gesondert. Sie wählten Hans von Czegenberg zu ihrem Obmann. Darauf erbat Tileman vom Wege das Wort und sagte: »Liebe Herren, es ist uns allen merklich gewesen, daß unser Herr Hochmeister einige gelehrte Doktoren und Sekretarien hinter sich gehabt hat, die nicht Glieder des Ordens und nicht geschworene Räte von den Ländern sind. Und scheint seine Meinung zu sein, daß sie alles wissen sollen, was zwischen Seiner Gnade und uns verhandelt wird in Landesangelegenheiten, damit sie ihn beraten, was er zu bewilligen und zu verweigern habe. Solches ist uns einfachen Leuten aber sehr beschwerlich und setzt uns ungleich gegen die Herrschaft. Deshalb ist mein Rat, wir bekämpfen solche Neuerung gleich am ersten Tage, damit wir am letzten nicht bereuen, zu kurz gekommen zu sein.«

Dagegen erhub sich kein Widerspruch.

Nun fragte Hans von Czegenberg, ob man wegen der Huldigung des Herrn Hochmeisters Begehren erfüllen wolle. Und wieder stand Tileman auf und sprach: »Liebe Herren, das ist bei euch. Aber sehet wohl zu, wie es gemeint ist. Man verlangt von euch den Eid, wie er auch laute, ohne Bedingung. Es ist aber recht und billig, daß wir bedenken, was jeder Teil dem andern schuldig ist, nicht nur das Land dem Herrn Hochmeister, sondern auch der Herr Hochmeister mit seinem ganzen Orden dem Lande. Nun weiß jedermann, daß viel Beschwerden unerledigt sind, vornehmlich auch wegen des Richttages, der uns zugesagt und nicht gehalten worden, und könnte es gar leicht hintennach uns so ausgelegt werden, daß wir ihrer entsagt hätten, wenn wir ohne Einspruch huldigen. Deshalb ist mein Rat, daß wir zunächst unsere Klagen in Artikel bringen und Abstellung vor der Huldigung begehren. Ist uns hierin unser Recht geworden, so mögen wir danach uns über die Formel des Eides einigen.«

Er sprach damit nur aus, worüber man unter der Hand längst eines Sinnes geworden war. Deshalb erfolgte auch von allen Seiten laute Zustimmung bei den Rittern und Knechten und bei den Abgesandten der großen Städte. Nur bei den Vertretern der kleinen schien Meinungsverschiedenheit zu sein, denn sie steckten die Köpfe zusammen und zischelten. Die einen riefen: »Ja, ja!«, die andern: »Nein, nein!« Zu den letzteren gehörte Herr Bartholomäus Blume. Er wurde aber von den Jarufern überschrien. Da sie sich nun nicht schienen einigen zu können, fragte der Obmann, was sie zu erinnern hätten. Auf dies stand Blume von der Bank auf und sagte mit Bescheidenheit: »Es sind einige unter uns, denen es nicht gefällt, daß wir dem Herrn Hochmeister zusagen sollen, bedingungsweise zu huldigen, denn es ist nie ein Zweifel darüber gewesen, daß der unser Herr ist, den der Orden sich zum Oberhaupt wählt, und daß wir pflichtig sind, ihm zu huldigen. Deshalb geziemt es sich nicht, daß wir sprechen: Gnädiger Herr, wir wollen Euch huldigen, wenn Ihr uns diese Artikel zu halten versprecht. Sondern wenn wir Beschwerden haben, die wollen wir bei unserm gehuldigten Herrn nach Gebühr vorbringen. So ist es von alters gewesen.«

Darüber entstand viel Lärm und Drohung, da die Worte den wenigsten gefielen. Endlich schaffte der Thorner Bürgermeister sich Ruhe, zog einige Briefe vor und rief: »Die so feige ducken wollen, sind wohl dieselben, die hier dem Bunde abgesagt und ihre Siegel zurückgefordert haben! Die von Marienburg, Neustadt Thorn und Konitz. Sie meinen, ihre Schäflein ins Trockne gebracht zu haben, mögen sich aber vorsehen, daß der Wolf nicht sie zuerst fresse. Was ist euch für euren Verrat verheißen worden?«

Den so Herausgeforderten ging man von allen Seiten mit höhnischen Worten und Scheltreden zu Leibe, so daß sie nichts weiter zu entgegnen wagten. Darauf beriet man den ganzen Tag eifrig wegen der Artikel und ließ sie durch den Schreiber aufsetzen, den die Danziger mitgebracht hatten.

Am Dienstag gingen sie wieder aufs Schloß und ließen durch Hans von Czegenberg also werben: »Gnädiger Herr, Eure Lande und Städte haben mit Euch zu reden von der Huldigung und anderer Sachen wegen. Also bitten sie Eure Gnade, damit das ohne Verfang sein möge, daß Ihr Eure gelehrten Doktoren und Sekretarien von Euch entweichen lasset.«

Dagegen sträubte sich der Hochmeister ernstlich und stellte ihnen vor: »Ihr nehmt zu Euch, wen ihr wollet, aus fremden Herrschaften, darin wir Euch nicht reden mögen; so dünket es uns unbillig, daß wir unsere geschworenen Räte nicht bei uns haben sollen.«

Czegenberg antwortete, es solle ihm unbenommen sein, hinterher mit denen zu beraten. Sie möchten mit ihm aber gern unverhohlen reden und derweilen möchte er die Leute ausgehen lassen.

»Was sprecht ihr von der Huldigung«, fragte der Hochmeister ungeduldig.

Ihm wurde geantwortet: »Da wir unverhohlen unsere Gebrechen vorzuhalten haben, wollen wir davon handeln und getrauen uns darum wohl mit Euch zu vertragen.«

Nun wurde die Bitte durch den Marschall abgeschlagen. »Gehen wir zur Sache der Huldigung. Sind wir damit fertig, so mögen die Gebrechen gebührlich vorgebracht werden.«

Das war aber der Länder und Städte Meinung nicht. Sie schlugen nun ihrerseits jede Verhandlung ab. Um ihre Ungebärdigkeit zu stillen und ihre Gestrengigkeit zu sänftigen, blieb dem Hochmeister nichts übrig, als so gedrängt seine geheimen Räte abtreten zu heißen. Es geschah mit ganzer Bitterkeit. Darauf ging er mit dem Deutschmeister und seinen Gebietigern allein zur Sitzung im Remter.

Hier überreichte Czegenberg nun die Artikel. Der Hochmeister wollte sie nicht annehmen, drängte immer wegen der Huldigung und sagte endlich unwillig: »Ihr habt mir zu Marienburg feierlich versprochen, daß dieses Tages Bewilligung mir und dem Orden unverfänglich sein solle. Nun haltet ihr euer Wort schlecht. Das will ich euch nicht vergessen, und wenn ich zehn Jahre oder noch länger lebe!«

Er merkte sogleich, daß er unbedacht geredet, denn die Abgesandten zogen sich mit finsteren Gesichtern zurück. Am andern Tage stellten sie ihn gar zur Rede. Sie hätten sich die ernsten, schweren Drohworte sehr zu Herzen genommen und könnten mit ihm nicht verhandeln, bevor sie dieselben an die Ihrigen gebracht hätten. Nun lenkte er freundlich ein und sagte entschuldigend: »Liebe Getreuen, die Worte, die ich geredet habe und die ihr so ernstlich aufgenommen, die habe ich doch nicht anders gemeint, als diejenigen zu ermahnen, die mir in Marienburg Zusage gemacht haben, nicht aber Rache an irgend jemand zu nehmen. Ihr wisset wohl, daß ich mancherlei Ämter getragen habe von meines Ordens wegen, und hoffe, ihr habt nicht vernommen, daß ich mich an jemand gerächt oder ihm Arges zugefügt habe. Im Gegenteil ist mir in allen Gebieten gedankt, in denen ich gewesen bin und im Amt gestanden habe.«

War hierdurch, nicht zur Mehrung des hochmeisterlichen Ansehens, dieser Zwischenfall beseitigt, so kam man in der Sache selbst doch nicht von der Stelle. Nachdem Herr Ludwig zuerst so eifrig darauf gedrungen hatte, daß nur über die Huldigung gehandelt würde, ließ er sich dann doch herbei, die Beschwerdeartikel zu beantworten. Darüber traten Länder und Städte von neuem in Beratung. Einige wollten sich zufriedengeben, da der Herr Hochmeister ja doch die Hand gereicht. Aber Tileman fuhr auf: »Eine halbe Antwort ist wahrlich schlimmer als gar keine. Wollet ihr hier stehenbleiben, so wär's geratener gewesen, den Tanz gar nicht anzufangen. Zeigt mir den Artikel, auf den klipp und klar mit Ja oder Nein geantwortet ist. Das sind gewundene Worte, die man auslegen mag, wie man will. Gehen wir ihm herzhaft zu Leibe, auf daß er bekennt, was er uns schuldig zu sein erachtet, und hinterher keine Schalung ist. So viel unser Herr uns schuldig ist, so viel sind wir unserm Herrn schuldig.«

Er gewann sie leicht für seine Meinung. So trat denn auf ihr Geheiß Herr Otto von Plenchau mit andern wieder vor den Hochmeister und erklärte, sie hätten an seiner Antwort kein Genüge und bäten um besseren Bescheid, zumal des Richttages wegen. Der Hochmeister ließ sie hinausgehen und wieder hineinkommen und sagte: »Liebe Getreue, uns dünket, daß wir euch voll ausreichend und bequemlich geantwortet haben, wie wir euch bei euren Briefen, Privilegien und Freiheiten lassen und behalten wollen, und daß ihr auch solche unsere Antwort billig solltet aufnehmen.«

Die Deputierten traten zurück und steckten die Köpfe zusammen, worauf Herr Otto entgegnete: »Gnädiger Herr, wir tun unsere Werbung, wie uns befohlen worden, und haben keine weitere Macht, auf die Sachen weiter zu antworten oder zu reden. Wir wollen morgen gern von hinnen ziehen.«

Der Hochmeister ließ sie gehen, schickte ihnen aber alsbald den Komtur von Danzig nach und machte ihnen den Vorschlag, jeder Teil solle etliche zu einer Beratung im engeren Kreise deputieren, damit man sich besser verständige. Bei ihm war Hans von Baisen, sein geschworener Rat von den Landen; der sprach zum Frieden und vermaß sich, in der Sache zu vermitteln. Der Deutschmeister, der schroff abbrechen wollte, drang nicht durch.

Darauf gingen Länder und Städte ein und schickten zwölf aus ihrer Mitte ab, darunter die Herren Sander und Gabriel von Baisen, einige Eidechsenritter und die Bürgermeister der großen Städte. Auch Tileman vom Wege war dabei. Sie gingen mit dem Marschall und den deputierten Komturen in des Hauskomturs von Elbing Gemach zur Beratung. Hans von Baisen war mit den Herren.

Der Komtur von Elbing fing gleich Streit an. »Was bringt ihr immer die alten Klagen vor«, rief er, »die Toten können sich nicht verantworten. Unbillig beschuldigt ihr eure toten Herren. Warum tatet ihr das nicht, als sie lebten? Aber derzeit waren's eure gnädigen, gütigen Herrn. Wenn ihr nichts Besseres von euren toten Herrn sagen wollt, so schweigt lieber auch darüber.«

»Solchen Vorwurf wollen wir nicht hören«, antwortete Tileman scharf abweisend. »Sind unsere Klagen alt, um so schlimmer, wenn sie unerledigt geblieben bis heut. Sie sind zu rechter Zeit vorgebracht, und darauf ist der Bund gestiftet. Kommen wir zur Sache. Uns ist zugestanden worden, daß jährlich ein Richttag gehalten werden soll, bei dem ein jeder Recht nehmen könne in solchen Sachen, die seine Briefe, Privilegien und Freiheiten angehen. Und sollen darin als Richter sitzen gleich viel von den Ordensgebietigern und von den Ländern und Städten. Denn die uns verletzen, können nicht Richter sein in eigener Sache, sondern es muß ein oberstes Gericht geben im Lande, dem die Höchsten und die Niedersten Gehorsam schulden. Wollet ihr uns bei diesem Punkt zufriedenstellen?«

Die Gebietiger erwiderten darauf, es sei ihnen von einem früheren Hochmeister nur zugesagt worden, daß er's auf die Weise ein Jahr versuchen wolle. »Meinet ihr denn«, fragte der Komtur von Danzig spitz, »daß der Hochmeister, die Gebietiger und Brüder des Ordens unter solchem Gericht stehen sollen?«

»Ja, ja«, riefen die von Ländern und Städten einstimmig. »Es ist vordem unter Paul von Rußdorf auch so gehalten worden.«

»Nimmermehr!« schrie der Oberst Spittler sie an, und die andern traten ihm bei. »Der Orden ist von Papst und Kaiser gefreiet, daß er vor keinem andern Gericht stehen solle als vor dem päpstlichen Stuhl, und hat nie einen anderen Richter, Kaiser, römischen König, Kardinal oder sonst weltlich und geistlich anerkannt. Das ist ganz ein fremd Ding, daß wir uns nun geben sollten in Gerichte unserer Untersassen, der Städte Kulm und Thorn und anderer.«

»So versagt Ihr uns die Gerechtigkeit«, entgegnete Tileman, »und gebt uns in Eure Willkür, wie vordem. Solche Antwort können wir nicht annehmen.«

»So ist wohl auch Eure Meinung«, fragte der Marschall, Herr Kilian von Exdorf, spöttisch, »daß die Herren Prälaten und Domherren vor solchem Gerichte stehen sollen?«

»Ja«, sagte Tileman unbeirrt. »Denn es wäre gut, daß solche Sachen hier im Lande geahndet und des Landes Kinder nicht nach Rom außer Landes geladen würden, wie die Geistlichen zu unserer großen Beschwerung wollen.« Seine Genossen stimmten zu.

»Hoho!« rief der Marschall entrüstet. »Die Geistlichkeit ist von Gott zum ersten und danach vom Papst und der heiligen Kirche von jedem weltlichen Gericht gefreiet. Wer dawider tut, der tut gegen die Satzung der heiligen Kirche. Sonderlich kann's der Herr Hochmeister nicht dahin bringen, daß die Herren Prälaten sich in solch Gericht geben.«

Der Thorner Bürgermeister ließ sich so nicht auf den Mund schlagen. »Will oder kann der Herr Hochmeister sie zu solchem Gericht nicht vermögen«, entgegnete er, »so mag er ihnen nur nicht beistehen oder sie beschirmen; wir wollen sie wohl dazu anhalten, daß uns von ihnen Recht widerfahre und geschehe!«

So ging die Rede noch eine Weile her und hin. Hans von Baisen hatte nur Not, daß er auf beiden Seiten den allzu heftigen Ton mäßigte. Er mochte Ländern und Städten nicht entgegensprechen, deren Forderung ihm doch gerecht schien, und auch nicht seinen gnädigen Herrn im Stich lassen. So kam über diesen Hauptpunkt wieder keine Einigung zustande. Die Gemüter verbitterten sich mehr und mehr, und auch viel andere Artikel waren unerledigt geblieben, als sie spät voneinander gingen.

Auf Baisens Vorschlag wurde nun eine noch engere Kommission eingesetzt. Die brachte wohl eine Schrift heraus, mit der aber niemand recht zufrieden war. Indessen breiteten die Doktoren Rezesse und Klagen bei Papst und Kaiser vor, die doch nicht einmal zur Vorlesung kamen. Endlich sah der Hochmeister ein, daß er so schwerlich die Huldigung erreichte, ließ wieder Länder und Städte gesamt vor sich kommen, sprach sie freundlich an, bestätigte ihnen alle ihre Privilegien und sagte zu, daß er jährlich einen Richttag halten wolle über die Brüder seines Ordens.

Das war freilich etwas anderes, als seine Untersassen begehrten. Aber auch sie wünschten zum Ende zu kommen, da die Woche fast abgelaufen war. Sie nahmen also dankbar an, was zugestanden wurde, und Hans von Czegenberg fügte nur in ihrem Namen die Bedingung zu, daß niemand, der Schalung und Gebrechen habe, behindert werde, zum Richttag zu kommen, und daß auch andere von Ländern und Städten aus dem Bunde hinkommen mögen, zu verhören, daß einem jeden Gerechtigkeit widerfahre. Darauf schwieg der Hochmeister. Aber man drang nicht auf Antwort und begnügte sich mit der Drohung: »Würde solcheins nicht geschehen, so mag Eure Gnade erkennen, was daraus entstehen möchte.«

Nun erst konnte die eigentliche Verhandlung wegen des Huldigungseides beginnen. Da aber stellte sich's gar bald scharf heraus, daß im Hauptpunkt die Meinungen beider Teile weit auseinander gingen. Länder und Städte wollten dem Hochmeister schwören, aber nicht seinem Orden, und darauf gerade legten der Deutschmeister und die Gebietiger das größte Gewicht. Tileman vom Wege mahnte die Seinigen festzustehen und sich um keines Vorteils wegen abdrängen zu lassen. »Erkennt ihr jetzt den Orden als euren Herrn an, dem ihr Treue schuldet«, sprach er eindringlich, »so sehet zu, an wen ihr euch haltet. Morgen ist der ein anderer als heut', und ihr möget ebenso leicht die Luft fassen, als so ein geistiges Ding, das ist und nicht ist, wie es sich gerade geben will. Der Deutsche Orden – das ist nicht der Orden in Preußen, sondern der Orden überall. Wie sollen wir dem Treue und Gehorsam geloben, da er doch außer Landes ist und viel begehren mag zu seinem Nutzen, das dem Lande schädlich wird. Nein! Den Meister, den er sich setzt, den wollen wir als unsern Herrn annehmen, und mag er sich dann mit seinem Orden abfinden. An einen Herrn von Fleisch und Blut wollen wir uns halten!«

Damit waren alle zufrieden und beschlossen, darauf zu bestehen. Nun gab der Hochmeister wohl so weit nach, wollte aber auch den Fall bedacht haben, daß das Amt erledigt werde durch Tod oder Absetzung; dann sollten sie dem Orden gehorsam zu sein versprechen bis nach des neuen Hochmeisters Huldigung.

Aber auch dem widersetzten sie sich. Es sollte nicht in des Ordens Belieben stehen, den gehuldigten Herrn wieder zu beseitigen, vielleicht gerade wegen der Gunst, die er dem Lande zuwandte, wie vor vierzig Jahren bei Heinrich von Plauen geschehen. Und nicht dem Orden wollten sie nach Abgang des Hochmeisters pflichtig sein, sondern nur dem, den er an seine Stelle bis zur Huldigung des neuen Herrn für einen Obersten halten werde binnen Landes, nicht außerhalb. Solchen Eid zuzulassen hielt Jobst von Venningen für ein Verbrechen am Orden, hob die Hand und rief: »Lieber treiben wir's zum Äußersten, als daß wir uns solche Schmach antun!« Ludwig von Erlichshausen mochte ihm nicht ohne die größte Not entgegen sein. Da nun Länder und Städte nicht einen Schritt wichen, entließ er sie gar unwillig und setzte ihnen einen neuen Tag über zwei Wochen. Inzwischen nehme er alles zurück, was er schon zugesagt.

Er hatte gehofft, sie würden sich doch noch eines anderen besinnen, wenn sie so seinen Ernst sähen. Weil sich dies nun aber als eitel Täuschung erwies, schlug noch denselben Abend die Stimmung um, und so schickte er mit seiner Gebietiger Einverständnis denn am nächsten Morgen aufs Rathaus, wo Länder und Städte zur Verabschiedung beisammen waren, und ließ ihnen neue Verhandlung auf ihr letztes Erbieten antragen. Darüber waren sie froh und einigten sich auf die Formel, die sie vorgeschlagen hatten mit ihrem gnädigen Herrn. Nur der Deutschmeister protestierte.

So war nun der Elbinger Tag doch nicht fruchtlos gewesen und bald überall Jubel im Lande, denn die Abgesandten gaben ihren Gemeinen Rechenschaft von des ganzen Tages Verlauf und brachten ihre Standhaftigkeit in das hellste Licht. Auch sollte nun gegen den Frühling hin der Herr Hochmeister seinen großen Umzug tun im Lande und in jeder Stadt die Huldigung entgegennehmen, wozu Festlichkeiten aller Art gerüstet werden konnten.

Und so geschah's denn auch. Herr Ludwig von Erlichshausen ritt mit stattlichem Gefolge seiner Gebietiger und Ritter, wohl versehen mit Zeltgerät, Mundvorrat und Wein, von der Marienburg aus von Schloß zu Schloß und von Stadt zu Stadt, sich huldigen zu lassen. In allen Dörfern, durch die ihn sein Weg führte, waren die Häuser mit Maien geschmückt. Die Bauern – Deutsche, Stammpreußen und Polen, wie sie hier und dort durcheinander oder gesondert gesessen waren, Freie und Untertänige – drängten heran, den Herrn Hochmeister in seinem herrlichen Waffenschmuck zu schauen und sich eines huldvollen Wortes oder Grußes zu erfreuen. Viele küßten ihm nach polnischer Sitte den Bügel oder des Mantels Saum. Nun, hofften sie, sollte es für lange Zeit Friede bleiben im Ordenslande.


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