Ernst Wichert
Der Bürgermeister von Thorn
Ernst Wichert

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Drittes Kapitel

Marcus Blume und Ursula

Es war in den letzten Tagen des Dezember, als sich in Elbing die Abgesandten der Länder und Städte wieder einstellten, dem Herrn Legaten die geforderte Antwort auf Ja oder Nein zu geben. Sie waren weit entfernt davon, jetzt zu Kreuz zu kriechen. Nur wollten sie den offenen Bruch vermeiden, so gut es geschehen könnte.

Hans von Baisen, immer der Rührigsten einer, so sehr ihn auch sein Fußleiden hinderte, suchte die Hitzköpfe zurückzuziehen, und es gelang ihm diesmal über Erwarten leicht, da Tileman vom Wege auf seine Seite trat. Den tieferen Grund kannte er nicht, aber was obenauf lag, schien sein mäßiges Verhalten genügend zu erklären. Wer nicht blind sein wollte, mußte sehen, daß sich im Bunde zwei Parteien gebildet hatten, von denen die eine die Hauptforderung des Legaten schroff abweisen, die andere eine Untersuchung zulassen wollte. Es kam nun darauf an, die Sache so schlau zu wenden, daß womöglich die eigentliche Frage gar nicht zum Austrag gebracht zu werden brauchte. Gelang es, den Hochmeister und seine Gebietiger zu versöhnen, so gab es keinen Streit mehr, den der Legat zu schlichten gehabt hätte. Sicher war's dann beider Teile Wunsch, »ihm heimzuleuchten«. Darauf gründete sich der geheime Plan der Wortführer.

Die drei Städte, die vom Bund geschieden waren, blieben diesmal unvertreten. Tileman vom Wege wartete den einen Tag und den andern, daß der Marienburger Bürgermeister bei ihm anklopfen solle, aber der erschien nicht. Zu seinem Kumpan Johann von Loë, dem's ebenfalls leid war, wie vielen andern, sagte er: »Wir wollen ihm eine Brücke bauen, auf die er mit gutem Gewissen treten mag, täte er das nicht, so mag er sich selbst zuschreiben, was daraus für ihn und seine unklugen Genossen folgt, und wollen es nicht vergessen.«

Nachdem nun auf dem Rathaus zwei Tage lang eifrig verhandelt und eine gute Einigkeit erzielt war, schickten Länder und Städte am Neujahrstag zwölf von den Ihren, voran den Bannerführer des Kulmischen Gebietes Ritter Hans von Czegenberg, zum Herrn Hochmeister aufs Haus und ließen sich eine gerade Erklärung erbitten, ob Seine Gnade mit ihren Prälaten und Gebietigern dem Herrn Legaten Hilfe, Rat und Beistand zu gewähren gedenke gegen der Länder und Städte Antwort. Er wich ihnen aus und entgegnete: »Lieben Ritter und Knechte und lieben Getreuen, ihr seid unsere gehuldigten und geschworenen Mannen, und wir sind euer Herr. Was wir mit Recht euch zu euer Wohlfahrt und Besten können raten, das sind wir pflichtig und wollen es gern tun, aber auf die Frage, die ihr an uns gerichtet habt, ist uns und unsern Herrn Prälaten schwer zu antworten, da wir nicht wissen noch vernehmen, was eure Antwort sein wird.« Er könne nicht wider des Papstes Macht und rate zur Gefügigkeit. Das geschah aber mit gar freundlichen Worten, so daß sie wohl merkten, er wünsche den Frieden.

Darauf schickten nun Länder und Städte vier von den Ihren zum Herrn Legaten, eine Vorbesprechung mit ihm zu halten. Sie seien bereit, ihm eine gütliche Antwort zu geben. Darüber war er sehr erfreut, lobte sie und versprach, daß er ihnen alles halten wollte, wie er es ihnen zugesagt hätte. Er schickte auch sogleich zum Hochmeister und zu den Prälaten und ließ sie zu einer Versammlung mit den Ländern und Städten gesamt entbieten.

Hier im Remter nahm für alle Hans von Czegenberg das Wort, also sprechend: »Ehrwürdiger Vater, wenn wir nach der Bulle, die wir gehört, bei unserm Heiligen Vater dem Papste wegen der Verminderung und Verkürzung der Dienste Gottes im Lande zu Preußen schwer gerügt sind, so hoffen und bezeugen wir mit der Wahrheit, daß uns darin großes Unrecht geschehen ist, wiewohl wir bekennen, daß Gottes Dienst sehr gekränkt und geschwächt ist im Lande. Das ist geschehen vor allerlei großer Gewalt unserer Feinde, der Krone zu Polen, der Litauer, Tartaren, Russen, Samaiten, Walachen und Ketzer, die dieses arme Land viel und oft überzogen, verheert und verbrannt und großen Mord begangen haben, Kirchen und Klöster beraubt und zerstört, viel Volk aus dem Lande getrieben haben. Daraus mag Eure Väterlichkeit erkennen, daß wir keine Schuld hieran haben, sondern wir wohl beweisen wollen, daß wir nach diesem großen Schaden Gottes Dienst nach unserm Vermögen gemehrt haben und noch täglich mehren mit Stiftung ewiger Messen, Erbauung von Kirchen und Klöstern, Almosenspenden aller Art. Auch ist in diesem gnadenreichen Jahr eine große Menge Volkes aus diesen Landen gen Rom gezogen, die manch' tausend Gulden dorthin getragen haben. Nun nennt uns Seine Heiligkeit in seiner Bulle Frevler wegen unserer Verschreibung, da wir doch allezeit der Hoffnung gewesen und auch heute noch sind, große Gnade von der heiligen römischen Kirche zu verdienen für die von unsern Ältervätern, Eltern und uns selbst dem Christenglauben geleisteten fleißigen und getreuen Dienste, die da unverzweifelt ihr Blut vergossen haben im Dienste Gottes und unserer Herrschaft, damit dieses Land bezwungen, genommen und besetzt werde, und an hundert Meilen Land von Litauen, Samaiten und Rußland zum Christenglauben gebracht haben. Hoffen deshalb, die heilige Kirche von Rom werde uns eine Belohnung tun an Seele und Leib um unserer christlichen Werke willen.«

Darauf winkte ihm Herr Ludwig de Silves, dem sein Kaplan Bruno Wort für Wort übertragen hatte, mit der Hand, zu schweigen, verzog spöttisch den Mund und sagte: »Dies kann ich für eine genügende Entschuldigung nicht annehmen. Wie wollet ihr euch loben für das, was ihr aus Gehorsam für die heilige Kirche getan und gelitten. Andere Könige und Herren haben viel größere Dinge getan. Aus anderen Landen und Königreichen sind im letzten Jubeljahr viel mehrere nach Rom gepilgert: wo hier einer ausgezogen ist, dort wohl zehn und mehr. Deshalb rühmt ihr euch zur Ungebühr.«

»Zum andern«, fuhr Czegenberg fort, ohne sich beirren zu lassen, »sollen wir uns verantworten unseres Bundes wegen. In dem Brief steht voran geschrieben, daß wir unserem Herrn Hochmeister und seinem Orden, und ein jeder den Herren Prälaten, unter denen er gesessen, alles tun sollen, was wir ihnen von Ehren und Rechts wegen zu tun pflichtig sind. Und weiter: wenn einer mit Gewalt überfallen und an seinem Leibe geledigt oder unschuldig zum Tode gebracht würde, daß wir das unserm Herrn klagen wollen; ließe er's aber ungerichtet, daß wir es an ihm und seinen Helfern nicht ungerochen lassen werden. Was wir doch also verstehen und erklären, daß wir nicht Gewalt zu vertreiben gedenken in Befleckung der Rache, sondern daß wir den Vergewaltiger, er sei geistlich oder weltlich, ergreifen und zu Recht seinem rechten Richter stellen wollen, einen Priester seinem Bischof, einen Bischof seinem Erzbischof oder dem Heiligen Vater, einen Laien unserm Herrn Hochmeister oder dem Kaiser. Nicht anders ist dieser Artikel gemeint.«

Der Legat aber antwortete darauf hochfahrend: »Ihr seid übel gelehrt von dem, der Euch also gelehrt hat. Euer Fundament ist böse; wie kann die Glosse gut sein? Denn das Recht sagt, daß man eine geistliche Person nicht solle halten über drei Stunden im Gefängnis; täte das ein Laie, so wäre er im Banne. Wie könnte das nun geschehen, daß ein Bischof in so kurzer Zeit seinem Erzbischof könnte ausgeantwortet werden, der über hundert Meilen weit gesessen ist? Darin find ich Eure Sache unrecht, denn der Prophet spricht: Nolite tangere christos meos! Ihr wollt die richten, die Macht haben, den Sohn des einigen Gottes mit fünf Worten aus seiner Majestät hernieder zu bringen!«

Dazu nickte der Bischof Franziskus von Ermland recht sichtlich zwei- oder dreimal, wendete sich zum Legaten und flüsterte ihm ins Ohr. Das merkte Herr Hans von Czegenberg mit Verdruß, trat vor und sprach: »Herr Bischof von Heilsberg, diese Mühe haben wir von Euch, denn das ganze Land schreit über Euch und ist darüber erbittert.«

Da sprang Franziskus feuerrot auf und rief: »Das vergebe Euch Gott, daß Ihr mir dies zuleget.«

Der Ritter aber entgegnete: »Was ich sage, ist mir befohlen zu sagen«, wendete sich um zu Ländern und Städten und fragte: »Ist das euer Wille?« Da sprachen sie gesamt: »Ja!«

Nun legte sich Herr Ludwig de Silves ins Mittel, gebot Ruhe und sagte: »Ihr irret, er hat es nicht getan. Wenn es aber geschehen wäre, so hätte er recht getan, denn der Prälat handelt sträflich, der solche Dinge dem Heiligen Vater vorenthält.«

»Ehrwürdiger Vater«, schloß Czegenberg, die Hände über der Brust kreuzend, »wir bitten demütiglich Eure Väterlichkeit, daß Ihr diese unsere Antwort geruhet gütlich aufzunehmen und uns zu verantworten bei unserm Heiligen Vater dem Papste, da wir uns nimmer anders wollen finden lassen denn als gehorsame Söhne der heiligen Kirche und getreue Mannen unseres Herrn.«

»Wie soll ich euch entschuldigen?« rief der Legat. »Ich finde eure Dinge nicht recht, und ich finde euch im Irrtum und nicht als Söhne des Gehorsams. Ich habe euch drei Wege angezeigt, zu denen ich vollkommen Macht habe – ihr habt keinen aufnehmen wollen. Wie ziemt mir, unserm Heiligen Vater anders zu sagen als die Wahrheit? Wenn er mich fragte: Hast du auch der Bulle genuggetan? und ich müßte sprechen: Nein! Wie bestände ich dann?«

Da trat Hans von Baisen vor und sagte: »Ehrwürdiger Vater, wollt Ihr verhören und richten und vielleicht Interdikte legen in diesen Ländern, so werdet Ihr dem Heiligen Vater und der Kirche keinen großen Dienst damit tun. Eure Väterlichkeit mag wohl selbst erkennen, wie viel Arges daraus entstehen möchte. Darum dünkt mich geraten, den Weg der Freundschaft aufzunehmen.«

Der Legat meinte freundlich, damit wolle er gern einverstanden sein. Es gefiel ihm aber augenscheinlich recht wenig, daß der Hochmeister gleich das Wort nahm und Ländern und Städten für ihre gütliche Antwort dankte, die ihm doch gar nicht so gütlich schien, und Hans von Baisen, daran anknüpfend, sagte: »Gnädiger Herr, haben wir irgendwelche Schälung mit Ew. Gnaden, wir wollen uns darum wohl lieblich und freundlich vertragen.« Der Legat vervollständigte deshalb seine Meinung dahin: »Das ist mein Begehr und Wille auch wohl, daß ihr euch gütlich einigt und untereinander vertragt und solche Einigung vor mich bringt, damit ich dem Heiligen Vater, der mich ausgesandt hat, eine vollkommene und gute Antwort einbringen möge.«

Da hierauf alles still war, verneigte sich der Legat nach allen Seiten und sagte: »Wir erbieten uns gegen euch alle: wer älter ist als wir, den wollen wir halten für unsern Vater; wer uns gleich alt ist, den wollen wir halten für unseren Bruder; die aber jünger sind als wir, die wollen wir halten für unsere Söhne. So nahe seid ihr unserm Herzen.« Dann schlug er dreimal das Kreuz.

Damit sind Länder und Städte vom Legaten geschieden.

Tileman vom Wege, obgleich die Seele aller geheimen Beratungen, hatte sich bei dieser öffentlichen Verhandlung durchaus zurückgehalten. Auch jetzt wünschte er nicht vortreten zu dürfen. Aber er sagte: »Wir wissen nun klärlich, wie uns der Herr Legat gesinnt ist und wie er uns in Rom zu verantworten gedenkt. Von da her darf uns keine Entscheidung kommen. Besser ist's, daß die Sache einen Aufschub leide: kommen wir jetzt nicht zum Recht, so lassen wir doch auch das Recht nicht kränken. Es bleibe stehen, wie es steht.«

So wurden nun am heiligen Dreikönigsabend die zwölf wieder zum Herrn Hochmeister aufs Schloß geschickt, ihm zu sagen, daß Länder und Städte auf Anraten des Herrn Legaten den Weg der Freundlichkeit gewählt hätten. »Gnädiger, lieber Herre«, sagte der Sprecher, »wir wissen von keiner Ungnade und Unfreundschaft. Wir wollen uns allezeit erfinden lassen gegen Euer Gnaden als Eure getreue Leute und Untersassen. Dergleichen die Mannschaft und Untersassen der Herren Prälaten sich auch erbieten. Bitten Euch also demütiglich als unsern rechten Herrn und hoffen, Eure Gnade tue es mit Rechte, daß Ihr diese unsere rechtliche Erbietung geruhet aufzunehmen und Eure armen Untersassen von Ländern und Städten von diesen Beschwerungen des Herrn Legaten wollet befreien und entledigen, auf daß Eure Gnade und wir alle zu Ruhe und Frieden kommen.«

Herr Ludwig von Erlichshausen hieß sie für eine Weile abtreten, da er mit seinen Prälaten und Gebietigern eine kurze Beratung nehmen wolle. Die verstanden wohl der Bündischen Meinung, daß alles in der Schwebe bleiben solle, versprachen sich aber von des Legaten Spruch zu ihren Gunsten keinen Gewinn und nahmen deshalb den Waffenstillstand an. Als die Deputation wieder hereingerufen war, antwortete daher der Hochmeister sehr gütig: »Liebe Getreue, euer Vorgeben deucht uns gar eine aufrichtige Antwort zu sein, die wir mit ganzer Dankbarkeit mit unsern Herrn Prälaten und den Gebietigern und für unsern ganzen Orden aufnehmen. Wir sagen euch in guter Treue: läge es an uns, wie es an uns mitnichten liegt, ihr sollet jetzund gefreiet sein.« Er versprach, sofort eine »treffliche Botschaft« an den Herrn Legaten zu senden und so getreulich für sie zu arbeiten, »gleich als ob die Sache unser eigen wäre«.

Als er sich voll frohen Mutes in sein Zimmer zurückgezogen hatte, wurde ihm vom Hauskomtur ein Brief abgegeben, den eben ein Junge vom Lande gebracht hätte. Woher er sei, wolle er nicht sagen, auch sonst keinen anderen Auftrag haben als zu warten. Es stehe alles in dem Briefe. Man habe ihn in die Küche genommen und auf den warmen Herd gesetzt, da er nach seiner Erzählung im tiefen Waldschnee steckengeblieben und jämmerlich erfroren sei. »Der Brief sieht beschmutzt und auch sonst nicht sonderlich vertrausam aus, gnädiger Herr«, schloß der Komtur, »aber er ist, wie mir scheinen will, mit einem Ringe gesiegelt, den ich einmal an Ew. Gnaden Finger gesehen zu haben meine. Darum hab ich nicht gezögert, ihn Euch zu überbringen.«

»Gebt, gebt!« sagte der Hochmeister, der einen Blick auf das Siegel geworfen hatte. Er winkte dem Komtur, sich zu entfernen. Der Brief bestand aus einem kleinen, zweimal gefalteten Pergamentblatt, um das über Kreuz ein Garnfaden gelegt war, der aus einem alten Kleidungsstück ausgezogen sein mochte. Über dem Knoten war ein Stück Wachs geklebt, das den Siegelabdruck enthielt. Die Aufschrift: »An den ehrwürdigsten Herrn Hochmeister Deutschen Ordens, wo er getroffen wird« zeigte eine rötliche, sehr blasse Farbe. Ludwig von Erlichshausen wiegte nachdenklich den Kopf und murmelte: »Von Ursula –? Wie käme mir das?« Er durchschnitt den Faden auf der Seite mit seinem Dolch und zog das Blatt heraus. Dann trat er ans Fenster und las:

»Hochwürdigster Herr Hochmeister, gnädigster Herr! Dieses schreibe ich in großer Sorge auf das letzte Blatt eines alten Gebetbuchs, statt der Tinte mit meinem Blut, und mit des treuen Raben Feder, der sein Leben unter den Händen eines schlechten Wichtes hat lassen müssen. Nur allzu knappen Raum hab ich, Ew. Gnaden zu berichten, wie wir nach Preußisch-Holland gekommen und abends beim Krüger an der Mühle abgestiegen sind, die Nacht zu bleiben. Allda sich noch spät, dieweil wir speisten, ein Mann eingefunden hat, den wir schon vorher auf der Straße unfern der Ordensmühle gesehen, und schien uns vom Hause zu sein. Der hat sich zu uns gesetzt, ganz in einen Mantel eingeschlagen und das Gesicht halb verdeckt, einen Krug Bier verlangt und mit dem Fräulein ein Gespräch angefangen, auf das sie doch wenig geachtet, sondern sich alsbald mit der alten Frau nach ihrer Kammer zurückgezogen. Der Wirt hat ihn gar höflich und demütig behandelt, auch auf mein Fragen heimlich angezeigt, daß er ein Ritter vom Schlosse oben sei und mit Namen Boppo von Ostra heiße, auch gern einmal bei ihm einen Trunk tue. Dieser selbige Mann, als wir am andern Morgen früh ausfuhren und schon eine halbe Stunde unterwegs waren, ist uns im Walde nachgeritten gekommen, ganz in Harnisch, und hat uns unter schrecklichen Drohungen gezwungen, seitab zu lenken, und in das einsame Haus eines Waldwarts gebracht, wo er uns nun gefangen hält. Denn er schwört, daß das Fräulein ihm angehören müsse mit Gutem oder Bösem und hätte sich wohl schon mehr erdreistet, wenn ihm der Rabe nicht das eine Auge ausgehackt hätte, wofür er ihn dann erwürgt. Auch meines Lebens bin ich nicht sicher, das ich doch zur Verteidigung des Fräuleins gern hingeben würde. Schreibe also Ew. Gnaden in höchster Not mit Bitte zu helfen und hoffend, den Buben des Waldwarts als Boten zu gewinnen. Er kann den Weg anzeigen. Marcus Blume.«

Dies war mit ganz kleiner Schrift und engen Zeilen kaum leserlich geschrieben. Der Hochmeister hatte Mühe, den Inhalt zu enträtseln. Dann sank ihm die Hand nieder. »Ist's so weit gekommen im Orden«, rief er schmerzlich, »Wegelagerei – Jungfrauenraub! Hilf, Maria, du reine Gottesmagd!«

Er schlug mit dem Klöppel an die runde Metallscheibe, die an einem auf dem Tische stehenden Gestell hing. Gleich darauf erschien der Hauskomtur wieder und fragte nach seinem Befehl. Er hieß ihn die Großgebietiger eiligst in sein Gemach berufen.

Sie ließen nicht auf sich warten, da sie an eine wichtige Nachricht in betreff der Verhandlungen mit dem Legaten dachten.

Die Enttäuschung war deshalb von allen Gesichtern abzulesen, als Ludwig von Erlichshausen den Inhalt des Briefes vorgetragen hatte und nun mit ganz ungewohnter Lebhaftigkeit die strengsten Maßregeln gegen den pflichtvergessenen Bruder forderte. Nur Plauen bewahrte seine Haltung. »Der Fall scheint schwer zu liegen«, sagte er. »Wie konnte Ostra auch nur wagen, tagelang ohne Urlaub seines Komturs auszubleiben? Alle Zucht in den Häusern des Ordens ist vergessen: ein jeder tut, was er mag, und die Ehrbarkeit schwindet mehr und mehr. Weh uns, wenn wir mit solchen Streitern in einen ernstlichen Kampf ziehen müssen!«

»Hier ist nicht nur die Ordensregel verletzt, sondern ein schweres Verbrechen begangen«, rief der Hochmeister. »Ich will den Wicht, der die Landstraßen unsicher macht, in die Ketten legen.«

»Eure Gnade wolle sich vorsehen«, bemerkte Richtenberg, »und bedächtig Maß halten. Es ist Euch sicher erinnerlich, gnädiger Herr, daß Ihr vor der Wahl zugesichert habt, keinen von den Brüdern mit den Eisen zu beschweren oder ohne Gericht gefangenzuhalten, sondern dem Generalkapitel die Bestrafung zu überlassen.«

Der Hochmeister senkte die Augenlider und biß die Lippe. Es war ihm sehr ärgerlich, das zu hören, aber er konnte nicht widersprechen, denn der Großkomtur sagte die Wahrheit. »Seine Buße soll ihm vom Kapitel gesetzt werden«, murmelte er in den Bart, »darum handelt es sich jetzt nicht, sondern daß wir ihn auf frischer Tat betreffen und festnehmen. Wahrlich, die Klagen über Gewalt sind schon groß genug im Lande. Erhebt sich ein neues Geschrei über diese Tat, so möchten wir vor dem Herrn Legaten schlecht bestehen und das Friedenswerk schwerlich zum guten Ende bringen.«

»Wir dürfen deshalb nicht selbst Lärm schlagen«, meinte Exdorf. »Der von Ostra ist mein Neffe und auch einigen im Orden verwandt. Ich kenn ihn, er hat heißes Blut und eine rasche Hand. Sein Vater ist ein mährischer Edelmann aus altem eingeborenem Geschlecht; man fragt dort nicht so ängstlich nach dem, was erlaubt oder verboten ist, und greift zu, wenn's der Mühe lohnt. Ich will Boppo nicht verteidigen, bevor er sich selbst verantwortet hat. Aber daß irgendeiner von der Straße ihn soll anklagen dürfen, geht mir noch weniger in den Sinn.«

»Es ist nicht irgendeiner von der Straße«, antwortete der Hochmeister sehr ernst, »sondern Marcus Blume, wie ich Euch gelesen habe, des Bürgermeisters Bartholomäus Sohn. Er wird uns sicher nichts Unrechtes zu berichten wagen.«

»Aber wer weiß, wie garstig er übertreibt«, wendete Exdorf lächelnd ein. »Kann sich der Ritter nicht einen Spaß mit dem Burschen gemacht haben, den er mit einer hübschen Dirne über Land fahren und im Wirtshause nächtigen sah? Und wenn es wirklich seine Absicht war, sie ihm abzujagen –«

»Ihr sprecht für Eure Jahre sehr leichtfertig, Herr Marschall«, fiel ihm Erlichshausen ins Wort. »Daß der Wegelagerer und Räuber Euer Neffe ist, tut mir wahrlich leid, aber solche Rücksicht darf ich nicht kennen. Das Fräulein, von dem der Brief spricht, ist keine leichte Dirne, wie Ihr meint, sondern...«

Er stockte und schaute im Kreise herum, ob ihm einer zu Hilfe kommen wolle. Statt dessen sagte Helfenstein, der den Brief aufgenommen und das Siegel betrachtet hatte, ein wenig spöttisch: »Ew. Gnaden scheint die Reise des jungen Mannes nicht unbekannt gewesen zu sein. Jedenfalls habt Ihr ihn – oder das Fräulein in den Stand gesetzt, ein gar vornehmes Siegel benutzen zu dürfen.«

»Die Zeit drängt«, fiel der Hochmeister in großer Unruhe ein. »Wahrend wir hier her und hin sprechen über Dinge, die seitab liegen, kann eine schwere Gewalttat geschehen sein. Auch ich will über niemand Urteil sprechen, bevor ich ihn gehört habe. Verhält sich's aber in Wahrheit so, daß einer von den Brüdern den Raub vollführt hat – wer der auch sei, man soll sein Verbrechen nicht bemänteln und ihn der Verantwortung entziehen. Herr Spittler, ich bin in Eurem Hause, und an Euch zunächst richte ich meinen Befehl. Rüstet sofort eine ausreichende Mannschaft aus, den Übeltäter zu überwinden und dingfest zu machen. Ihr selbst begleitet sie.«

Plauen stand auf und verneigte sich. »Es soll auf der Stelle geschehen, gnädiger Herr«, sagte er. »Ich segne Euren mannhaften Entschluß.«

Die andern steckten die Köpfe zusammen und zischelten miteinander. »Unser Rat gilt wenig«, bemerkte der Großkomtur unzufrieden und so laut, daß der Hochmeister ihn verstehen mußte.

»Ich hab ihn angehört«, antwortete derselbe. »Wie soll er mir gefallen? Es ist des Meisters gelobte Pflicht, die Zuchtlosen in der Brüderschaft zu züchtigen, und eure üble Nachsicht soll mich nicht hindern, fortan meines Amtes mit aller Strenge zu walten.«

»Seht zu, wie weit Ihr damit kommt«, bemerkte Richtenberg trotzig. »Allzu scharf macht schartig. Es ist noch nicht lange her, daß drei Konvente sich mit den Ländern und Städten verbündeten und ihnen Beistand zusagten. Was Ew. Gnaden üble Nachsicht nennt, scheint uns kluge Vorsicht. Man darf den Mißmut im Orden nicht nähren. Schlagt einen von den Brüdern, und jeder empfindet es am eigenen Leibe.«

»So wünscht ich, es wäre so«, entgegnete Erlichshausen, »denn wahrlich, die Verderbnis ist allgemein. Es soll nach der Gerechtigkeit verfahren werden.«

»Wir sind auch einmal jung gewesen«, knurrte Exdorf mit einem anzüglichen Blick von unten her.

Der Hochmeister sah ihn darauf scharf an, schien dann aber doch nicht den Mut zu haben, eine deutlichere Erklärung zu fordern. Seufzend wendete er sich an den Spittler: »Tut, wie ich Euch geheißen habe, und bringt mir schnellen Bericht.« Den andern winkte er mit der Hand abzutreten. Das geschah.

Plauen traf sofort seine Anordnungen. Vier Knechte sollten aufsitzen, einer von ihnen den Jungen als Wegweiser vor sich nehmen. Für ihn selbst sollte ein Pferd gesattelt werden. Indessen ging er in sein Gemach, Waffen anzulegen und einen Mantel von dichtem Tuch umzuhängen.

Als ihm nach einer halben Stunde gemeldet wurde, daß die Mannschaft bereit sei, schickte er nach der Küche, den Jungen herbeizurufen. Zu seiner nicht geringen Verwunderung wurde ihm angezeigt, der sei bereits abgeholt worden. Es habe geheißen: auf des Herrn Hochmeisters Befehl. »Das ist Exdorfs Vorkehr«, knirschte der Spittler, »er ist uns zuvorgekommen.«

Der Torwart bestätigte, daß vor einer guten Weile ein Mann auf kräftigem Ritterpferde hinausgeritten sei; der Junge wäre nebenher getrabt, draußen aber aufs Pferd genommen. Auf der Landstraße ließen sich denn auch die frischen Schneespuren eines galoppierenden Pferdes erkennen. Der Reiter kam nicht mehr in Sicht; er hatte einen zu weiten Vorsprung und war offenbar angewiesen, lieber den Gaul zuschanden zu reiten als zu verspäten. So kam es nun darauf an, wenigstens nicht an der Stelle vorüberzueilen, wo er links ab in den Wald eingebogen sein mußte. Plauen fand sie glücklich auf. Auch das Schlittengleise von der andern Seite her war noch nicht ganz verweht. Auf dem Waldwege konnte man nur im Schritt weiter. »Hier holen wir ihn vielleicht doch noch ein«, meinte Planen, seinen Leuten Mut zu machen, »er hat die halbe Last mehr als wir,« Aber der Reiter war klug gewesen und hatte sie abgeworfen, sobald er des Weges sicher sein konnte; dort schaufelte ja der Junge durch den Schnee! Er wurde bald eingeholt und zeigte ein sehr verwundertes Gesicht, als er erfuhr, daß er an den Unrechten gekommen sei. Der müsse jetzt die Waldhütte schon erreicht haben.

Die Pferde keuchten, aber Plauen trieb zur Eile. Schon wurde auf einer Waldblöße der hohe Strauchzaun sichtbar, der das Blockhaus umschloß. In wenigen Minuten mußte es zu erreichen sein. Da aber sprengten durch das offene Gatter zwei Reiter, wendeten seitab und verschwanden hinter den Tannen in entgegengesetzter Richtung. Einen Augenblick dachte Plauen an Verfolgung; die Knechte hielten doch ihre Gäule selbst für zu müde. So ritt er denn in die Umzäunung ein.

In der Tür des Hauses stand die alte Frau, rang die Hände und wehklagte laut. Sie schien eine neue Anfechtung zu befürchten. »Ach, gnädige Herren, erbarmt euch unser«, bat sie, »wir haben schon so viel gelitten.«

»Wo ist Euer Fräulein?« fragte der Spittler. »Habt keine Furcht; wir kommen zu eurer Befreiung.«

»Ursula ist drinnen bei meinem armen jungen Herrn«, berichtete sie nun ein wenig beruhigt, »den der Unmensch halb tot geschlagen hat. Heilige Mutter Gottes, hilf ihm, daß er's überwindet! Der Waldwart ist fortgelaufen, als es herauskam, daß sein Junge sich zum Botendienst hat bestechen lassen. Da ist es zum Kampf gekommen mit so schlimmem Ende für Marcus. Aber das Fräulein ist unversehrt.«

Plauen trat ein. Auf der niedrigen Bettlade des Waldwarts lag Marcus Blume lang hingestreckt. Ursula kniete an seiner Seite. Sie hatte ihren Rock zerrissen und aus den langen Fetzen einen Verband für seine Stirn hergestellt. Unter demselben rieselte aber das Blut vor. Sie tupfte es mit einem in Wasser getauchten Tuch fort. Er hatte die Augen nur halb geschlossen und sah sie unverwandt an. Ihre Hände waren voll Blut. »Ach, nur wenige Tropfen von deinem Wundbalsam, Mutter!« jammerte sie.

Marcus erkannte den Spittler. »Laßt mich hier liegen, gnädiger Herr«, bat er mit schwacher Stimme, »und bringt Ursula in Sicherheit. Ich hoffe, dazu schickt Euch der Herr Hochmeister.«

»Das Fräulein hat nichts mehr zu befürchten«, versicherte Plauen, nahe herantretend. »Leider kam ich zu spät, den frechen Buben abzufangen. Er war gewarnt worden und entfloh. Aber ich werde ihn zu finden wissen. Hier ist zur Zeit nur noch Gefahr für Euch.«

Ursula streichelte die Hand des Verwundeten. »Ich verlaß Euch nicht«, sagte sie zuversichtlich.

»Marcus muß sogleich nach Elbing geschafft werden«, fuhr Plauen fort, »er bedarf ärztlicher Pflege. Wo ist der Schlitten, der euch hergebracht hat?«

»Hinter dem Hause«, sagte die alte Frau, »und die Pferde stehen halb verhungert unter dem Vordach. Ich will sogleich ein möglichst bequemes Lager zurechtmachen.«

»Tut das«, mahnte der Spittler. Den Knechten befahl er, das Anschirren der Pferde zu besorgen und den Verwundeten sodann auf den Schlitten zu tragen. Er zog den Verband fester zusammen, um das Blut zu stillen, erkundigte sich bei Ursula nach dem Geschehenen und forderte eine Beschreibung des räuberischen Gesellen. Sie wurde ihm gegeben; rötlichblondes, tief in die Stirn gewachsenes Haar, stechende graue Augen, Schnauzbart mit gekräuselten Spitzen, Narbe über dem Kinn. »Die Verletzung am Auge, die ihm der Rabe mit seinem scharfen Schnabel beigebracht, wird er nicht verleugnen können«, meinte Marcus.

Der Spittler ließ zwei Knechte zur Begleitung des Schlittens zurück; dem einen trug er auf, dem Herrn Hochmeister zu melden, wie sie's gefunden hätten, und daß er selbst nach dem Hause Preußisch-Holland geritten sei, eine ernstliche Untersuchung in die Wege zu leiten. Er ritt dann auch ab, während noch der Schlitten gerüstet wurde; nicht hinter den Flüchtlingen her, sondern seitab, um sie von der Landstraße abzuschneiden. Den Jungen des Waldwarts mußte der eine von seinen Knechten aufs Pferd nehmen. Er hatte gesagt: »sie müssen weit um den Sumpf herum.«

Marcus wurde auf den Schlitten gelegt. Ursula setzte sich neben ihn und nahm seinen Kopf in den Arm. Die alte Frau kutschierte, immer bemüht, den Stubben und Steinen auszuweichen. So gelangten sie noch bei guter Tageszeit nach Elbing. Die Knechte ließen gleich beim Spittel vorfahren und sorgten für Aufnahme des Kranken. Der städtische Spittelherr, ein Mitglied des Rates, war bald zur Stelle und erwies dem Sohne des Marienburger Bürgermeisters alle Freundlichkeit. Der Stadtchirurgus untersuchte und verband kunstgerecht seine Stirnwunde.

Nach einer Stunde kam unangemeldet kein Geringerer als der Hochmeister selbst, sich nach seinem Befinden zu erkundigen. Er hatte sich nur von einem Diener des Hauskomturs begleiten lassen und trug nur das einfache Kleid des Deutschordensritters ohne jedes Abzeichen seiner Würde. Man erkannte ihn deshalb im Spittel auch nicht. Ursula aber kniete vor ihm nieder und dankte ihm mit bewegten Worten für die Hilfe, die er ihnen gesendet. Er hob sie auf und küßte sie auf die Stirn. »Ich glaubte Euch schon längst in Marienburg«, sagte er. »Wie ist es gekommen, daß Ihr Euch erst jetzt auf die Reise machtet?«

»Die Mutter wollte mich anfangs nicht fortlassen, gnädigster Herr«, antwortete sie, »trotz Eures Briefes, den sie mit Tränen in den Augen wohl zehnmal las und wieder in ihrer Tasche verbarg. Marcus sollte nur gleich zurückkehren. Er blieb aber bei dem Kaplan und kam am andern und nächsten Tag wieder, seine Bitte zu wiederholen. Da gab sie endlich nach, da es doch zu meinem Glück sei, wie sie meinen müßte – und sie könnte auch nicht gegen Ew. Gnaden Befehl, sagte sie. Ich sollte aber noch das Weihnachtsfest mit ihr verleben wie alle die Jahre. Und dann erbat sie sich von Marcus wieder einen Tag und noch einen. Es ist ihr schwer, mich zu missen, und auch mir ward die Trennung nicht leicht. Endlich, nachdem schon mehr als eine Woche bei so zögerndem Abschiednehmen vergangen war, fürchtete Marcus doch mit Recht, die Eltern könnten in Sorge um ihn sein. So beeilten wir dann die Reise, bis uns gestern begegnete, was Ew. Gnaden weiß.«

»Ich will sogleich einen Eilboten nach Marienburg schicken«, sagte der Hochmeister zu Marcus, »Euren Vater zu benachrichtigen. In der Nacht oder spätestens morgen in der Frühe kann er dann selbst hier sein.«

»Tut das nicht, gnädigster Herr«, bat Ursula. »Es ist geratener, wir schaffen Marcus, sobald die Pferde notdürftig ausgeruht sind, noch heute zu Schlitten nach Marienburg. Ich weiß von meiner Mutter, daß dies für den Wundkranken am ersten Tage keine sonderliche Gefahr hat. Am zweiten aber stellt sich das Fieber ein, und dann ist ihm die bessere Pflege im Elternhause zu gönnen. Sehen die Seinigen ihn lebend, so wird auch nicht der Schreck so groß sein.«

»Das Spittel wäre kein rechter Aufenthalt für Ursula«, setzte Marcus hinzu, »und sie hat versprochen, mich nicht zu verlassen.«

»Ihr habt recht«, sagte der Hochmeister nach kurzem Bedenken. »Ich will vom Schloß noch einige Pelze schicken, den Kranken und seine barmherzige Begleiterin warm einzuhüllen.« Er drückte Marcus die Hand. »Lebt wohl und empfanget meinen herzlichen Dank, daß Ihr Ursula so mannhaft verteidigt und ihre Ehre über Euer Leben gesetzt habt. Das soll Euch auch von meiner Seite unvergessen sein.«

»Oh, gnädiger Herr«, rief Marcus, »dessen bedarf es wahrlich keines Dankes. Hab ich doch im ganzen Leben keine größere Freude gehabt, als da ich mit meiner geringen Kraft für das Fräulein einstehen durfte. Gott aber hat das Schlimmste abgewendet durch Eure Hand. Denn wahrlich, kaum eine Minute später hätte die Hilfe eintreffen dürfen.«

»Wir sehen einander in Marienburg wieder«, versicherte der Hochmeister, sich verabschiedend. Mit einem Blick auf Ursula setzte er hinzu: »In besserer Pflege könnt' ich Euch nicht wissen.« Dann ging er nach dem Schloß zurück.

Bald langten die versprochenen Pelze und Decken an. Die Fahrt auf der wie ein Tisch ebenen Landstraße legte Marcus keine besondere Anstrengung auf. Öfter nur äußerte er die Besorgnis, daß seine Mutter erschrecken werde, wenn sie ihn ganz unvorbereitet in solchem Zustande sehe. Deshalb wurde unter dem Tor ein wenig haltgemacht und die alte Frau vorausgeschickt. Als dann langsam der Schlitten vorfuhr, standen unter der Laube schon Bartholomäus Blume und Christine. Magdalene aber war bis auf die Straße hinausgelaufen und auf die Schlittenkufe gestiegen, den so lange schmerzlich Vermißten zuerst zu begrüßen und Ursula die Hand zu drücken.

Kurze Zeit darauf lag Marcus in seinem gut durchwärmten Stübchen auf weichem Lager. Er war in tiefen Schlaf verfallen. Die beiden Mädchen wollten sich die Nachtwache nicht nehmen lassen. Aber Frau Christine behauptete ihr Mutterrecht.


 << zurück weiter >>