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Vom Gewissen

Locke Locke – John Locke, englischer Philosoph, Vertreter der englischen Aufklärung, gilt als Begründer des Empirismus, Hauptwerk »Über den menschlichen Verstand«. Noch vor Montesquieu trat er für die Trennung von Legislative und Exekutive ein, seine Staatsrechtslehre beeinflußte die amerikanische Unabhängigkeitserklärung und wirkt bis in unsere Zeit nach, † 1704 hat bewiesen, wenn man diesen Ausdruck in der Moral und in der Metaphysik anwenden darf, daß wir keine angeborenen Ideen und Prinzipien haben. Daraus folgt, daß wir es höchst nötig haben, unsern Kopf mit guten Gedanken und Prinzipien auszustatten, sobald wir unsern Verstand brauchen können.

Locke führt als Beispiel die Wilden an, die ihren Nächsten ohne alle Gewissensbisse umbringen und verspeisen und wohl erzogene christliche Soldaten, die in einer gestürmten Stadt plündern, würgen, notzüchtigen, nicht bloß ohne Gewissensbisse, sondern mit Lust und Liebe, mit Ruhm und Ehre, unter den Beifallsrufen aller Kameraden.

Beim Gemetzel der Bartholomäusnacht, Bartholomäusnacht – das Massaker an den französischen Hugenotten, das in der Nacht zum 24. August 1572 begann bei den Autodafés, Autodafés – Verbrennung von Ketzern als eine festliche Veranstaltung den heiligen Glaubensakten der Inquisition hat sich kein Mörder ein Gewissen daraus gemacht, Männer, Frauen und Kinder scheußlich zu Tode zu martern, die nichts anderes verbrochen hatten, als daß sie das Abendmahl anders feierten als ihre Inquisitoren.

Daraus folgt, daß wir eben das Gewissen haben, das uns von der Zeit, vom Beispiel, von unserem Temperament und unserem Nachdenken angebildet worden ist.

Der Mensch ist mit keinem Prinzip geboren, aber mit der Fähigkeit, jedes Prinzip anzunehmen. Sein Temperament mag ihn zur Grausamkeit oder zur Milde neigen; sein Verstand wird ihm eines Tags beibringen, daß 12² = 144 ist, daß man anderen nicht tun soll, was man nicht will, daß uns geschehe. Aber er wird auf diese Wahrheiten in seiner Kindheit nicht von selbst kommen; die erste wird er nicht verstehen und die zweite wird er nicht fühlen.

Ein kleiner hungriger Wilder, dem sein Vater ein Stück von einem anderen Wilden zu essen gibt, wird am andern Tag wieder eins verlangen, ohne darauf zu kommen, daß man seinen Nächsten nicht anders behandeln soll als man selbst behandelt sein möchte. Er tut instinktmäßig das Gegenteil von dem, was diese ewige Wahrheit lehrt.

Die Natur aber hat ein Einsehen. Sie hat dem Menschen die Anlage zum Mitleid gegeben und die Fähigkeit, die Wahrheit zu verstehen. Diese beiden Gaben Gottes sind die Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft. Darum hat es immer wenig Menschenfresser gegeben; das macht das Leben ganz erträglich bei den Kulturnationen. Die Eltern geben ihren Kindern eine Erziehung, so daß sie bald gesellig werden, und diese Erziehung gibt ihnen ein Gewissen.

Eine reine Religion und Moral, die man den Kindern frühe einflößt, modeln die menschliche Natur dermaßen, daß man vom siebenten bis zum sechzehnten oder siebzehnten Jahre nichts Böses tut ohne Gewissensbisse. Dann kommen die heftigen Leidenschaften, die das Gewissen bekämpfen und manchmal ersticken. Die vom Gewissenskampf gequälten Menschen befragen dann manchmal andere, wie sie in ihren Krankheiten diejenigen befragen, die ihnen gesund zu sein scheinen. So kamen die Kasuisten Kasuistik – Teil der Sittenlehre, der Gebote für richtiges Verhalten im Leben festlegt auf, d. h. Leute, die über Gewissensfragen entscheiden.

Man soll Gott nicht der Ungerechtigkeit anklagen, weil die drei Schnauzen des Cerberus, Cerberus – Kerberos (lat. Cerberus, auch Zerberus – »Dämon der Grube«) ist in der griechischen Mythologie der Höllenhund und Torhüter, der den Eingang zur Unterwelt bewacht. die drei Furien Furien – die römischen Rachegöttinnen, die drei Parzen, Parzen – die römischen Schicksalsgöttinnen das Rad Ixions Ixion – ermordete seinen Schwiegervater und wurde von Zeus in den Olymp versetzt. Als er sich dort an Hera ranmachte, wurde er auf ein Feuerad gebunden. und der Geier des Promotheus Prometheus – der Geier frißt ihm täglich ein Stück seiner Leber weg dumme Wahngebilde sind. Die heiligen Quacksalber, die diese Albernheiten erfanden, um Furcht einzuflößen, und die ihre Religion nur durch Henker aufrecht hielten, werden heute von den Weisen als die Hefe der Menschheit angesehen. Es gibt eine sichere, unentrinnbare Strafe auf dieser Welt für den Schurken. Welche? Die Gewissensbisse, die nie ausbleiben, und die Rache der Menschen, die selten ausbleibt. Ich habe viel bösartige, verruchte Menschen kennengelernt, keinen unter ihnen, der glücklich gewesen wäre. Ich brauche nicht lange von ihren qualvollen Rückerinnerungen zu reden, ihrer ständigen Angst, ihrem Mißtrauen gegen ihre Dienstboten, ihre Frauen, ihre Kinder. Mit Recht sagt Cicero: das sind die wahren Cerberusse, die wahren Furien, ihre Geißeln und Brandfackeln. Wenn das Verbrechen so bestraft wird, so wird die Tugend belohnt, nicht in elysäischen Feldern, elysäische Felder – das Paradies der griech. Mytrhologie wo der Leib so abgeschmackt herumspaziert, wenn er gar nicht mehr da ist, nein, im Leben, im innerlichen Gefühl der erfüllten Pflicht, im Frieden des Herzens, im Lob der Völker, in der Freundschaft der Edlen. Das ist die Überzeugung von Cicero, Cato, Mark Aurel, Mark Aurel – röm. Kaiser und stoischer Philosoph. Hauptwerk »Selbstbetrachtungen«, hier formulierte er die Einheit von Denken und Handeln, von Wort und Tat (»Kann mir jemand überzeugend dartun, dass ich nicht richtig urteile oder verfahre, so will ich's mit Freuden anders machen. Suche ich ja nur die Wahrheit, sie, von der niemand je Schaden erlitten hat. Wohl aber erleidet derjenige Schaden, der auf seinem Irrtum und auf seiner Unwissenheit beharrt.«, † 180 es ist auch die meinige. Nicht als ob diese Männer behaupten, die Tugend mache vollkommen glücklich. Auch ein solches Glück kann nicht immer ganz rein sein, weil nichts ganz rein sein kann auf Erden. Aber danken wir dem Herrn der Natur, daß er der Tugend das Maß von Glückseligkeit beigegeben hat, dessen die menschliche Natur fähig ist.


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