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Der Dogmenzwist dramatisiert

Ein Jesuit, der den Chinesen predigt: Ich sage es euch, meine lieben Brüder, unser Herr will aus allen Menschen Gefäße der Erwählung machen; es hängt nur von euch ab, Gefäße zu werden. Ihr braucht nur auf der Stelle alles zu glauben, was ich euch predige. Ihr habt euern Geist, euer Herz, eure Gedanken, eure Gefühle in eurer Gewalt. Jesus Christus ist bekanntlich für alle gestorben; die Gnade ist allen gegeben. Wenn ihr nicht die Reue habt, so habt ihr wenigstens die Zerknirschung; und wenn es bei euch auch an der Zerknirschung fehlt, so habt ihr ja eure eigene Kraft und die meinige.

Ein Jansenist (kommt herzu): Das lügt Ihr, Kind Escobars Escobar – Antonio de Escobar y Mendoza, Jesuit, Moraltheologe, †1669 und der Verdammnis! Ihr predigt hier Irrtum und Lüge. Nein, Jesus ist nur für einige gestorben; die Gnade ist nur wenigen gegeben; die Zerknirschung ist dummes Zeug; mit der Kraft der Chinesen ist es nichts; Eure Gebete sind Lästerungen; denn Augustin und Paulus ...

Der Jesuit: Schweige, Ketzer! Hebe dich weg, Feind des heiligen Petrus! Meine Brüder, hört nicht auf diesen Neuerer, der Augustin und Paulus zitiert! Kommt alle, daß ich euch taufe!

Der Jansenist: Nehmt euch wohl in acht, meine Brüder! Lasst euch nicht von der Hand eines Molinisten Molinismus – von Luis de Molina, jesuitischer Theologe, begründete Gnadenlehre, † 1600 taufen; ihr würdet in die unterste Hölle verdammt. Ich werde euch frühestens in einem Jahr taufen, wenn ich euch gelehrt habe, was die Gnade ist.

Der Quäker: Ach, meine Brüder, lasst euch nicht taufen weder von der Tatze jenes Fuchses, noch von der Kralle dieses Tigers. Glaubt mir, es ist besser, sich überhaupt nicht taufen zu lassen; so halten wir es. Das Taufen mag sein Gutes haben; aber man kann es auch ganz wohl bleiben lassen. Das einzig Notwendige ist, daß man vom Heiligen Geist beseelt ist; ihr braucht nur zu warten, er wird kommen, und dann versteht ihr in einem Augenblick mehr als diese Schwätzer euch in ihrem ganzen Leben sagen können.

Der Anglikaner: Ach, meine geistlichen Schäflein; was für Ungeheuer wollen euch da verschlingen! Meine lieben Schäfchen, wißt ihr nicht, daß die anglikanische Kirche die einzig reine ist? Haben unsere Schiffskaplane, die in Kanton ihren Punsch trinken, euch das noch nicht gesagt?

Der Jesuit: Die Anglikaner sind Abtrünnige. Sie haben unserem Papst abgesagt, und unser Papst ist unfehlbar.

Der Lutheraner: Euer Papst ist ein Esel; das hat unser Luther gesagt. Meine lieben Chinesen, pfeift auf den Papst und auf die Anglikaner und auf die Molinisten und auf die Jansenisten und auf die Quäker, und glaubt nur den Lutheranern; sprecht bloß die Worte aus in, cum, sub; in, cum, sub – die Formeln des Abendmahlstreits und trinkt vom besten.

Der Puritaner: Wir beklagen, meine Brüder, die Verblendung aller dieser Leute und die eure. Aber Gott sei Lob und Dank, der Ewige hat verordnet, daß ich nach Peking kommen sollte und an dem von ihm bestimmten Tag diesen Schwätzern das Maul stopfen; daß ihr auf mich hören sollt und daß wir alle miteinander das Nachtmahl morgens einnehmen; denn ihr sollt wissen, daß im vierten Jahrhundert der Zeitrechnung Dionysius des Kleinen ... Dionysius der Kleine – Dionysius Exiguus oder auch Denys der Kleine bzw. der Geringe, frühmittelalterlicher Komputist, auf ihn geht die Zeitrechnung »nach bzw. vor Christi Geburt« zurück, † 540 ...

Der Muselmann: Ha! beim Tod Muhammeds! Was schwatzt ihr da alles! Wenn einer dieser Hunde sich noch einmal einfallen läßt zu bellen, so schneide ich ihnen allen die Ohren ab. Eure Vorhaut schenke ich euch; aber euch, meine lieben Chinesen, werde ich beschneiden; ich gebe euch acht Tage zur Vorbereitung. Wenn nachher sich noch einer von euch einfallen läßt, Wein zu trinken, so bekommt er es mit mir zu tun.

Der Jude: Ach, liebe Kinder, wenn ihr beschnitten sein wollt, so haltet euch lieber zuerst an mich; ich lasse euch Wein trinken soviel ihr wollt; aber wenn ihr so gottvergessen seid, etwas vom Hasen zu essen, der, wie ihr wißt, wiederkäut und keine gespaltenen Klauen hat, Hase – 3. Mose Kap. 11: Und der HERR redete mit Mose und Aaron und sprach zu ihnen: Redet mit den Israeliten und sprecht: Dies sind die Tiere, die ihr essen dürft unter allen Tieren auf dem Lande. Alles, was gespaltene Klauen hat, ganz durchgespalten, und wiederkäut unter den Tieren, das dürft ihr essen. Nur diese dürft ihr nicht essen von dem, was wiederkäut und gespaltene Klauen hat: das Kamel, denn es ist zwar ein Wiederkäuer, hat aber keine durchgespaltenen Klauen, darum soll es euch unrein sein; den Klippdachs [Klippschiefer], denn er ist zwar ein Wiederkäuer, hat aber keine durchgespaltenen Klauen; darum soll er euch unrein sein; den Hasen, denn er ist auch ein Wiederkäuer, hat aber keine durchgespaltenen Klauen; darum soll er euch unrein sein; das Schwein, denn es hat wohl durchgespaltene Klauen, ist aber kein Wiederkäuer; darum soll es euch unrein sein. Vom Fleisch dieser Tiere dürft ihr weder essen noch ihr Aas anrühren; denn sie sind euch unrein. dann werde ich euch strafen mit der Schärfe des Schwertes, wenn ich der Stärkere bin, oder wenn ihr das vorzieht, werde ich euch steinigen, denn ...

Die Chinesen: Ah! bei Konfuzius und den fünf Königen! Haben diese Leute alle den Verstand verloren? Kommen Sie, Herr Verwalter des kaiserlich chinesischen Staats-Narrenhauses und sperren Sie diese armen Narren ein, jeden in eine besondere Zelle.

Im Dreißigjährige Krieg unterstellte Ludwig XIII. auf den Rat des Jesuiten Caussin Frankreich dem Schutz der Mutter Gottes. Da auch das Haus Österreich Maria als Schutzpatronin hatte, so wäre die heilige Jungfrau ohne die Waffen der Schweden und des Herzogs von Weimar Herzog von Weimar – Bernhard Herzog von Sachsen-Weimar, bedeutender Feldherr des Dreißigjährigen Krieges auf protestantischer Seite, † 1639 in große Verlegenheit gekommen.


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