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Der rechte Landwirt

Nichts ist schöner als ein geräumiges bäuerliches Haus, in das durch vier große Einfahrtstore Wagen einziehen, beladen mit allen Erzeugnissen der Felder; eichene Stützsäulen für das Balkengewölbe stehen in gleichmäßigen Abständen auf steinernen Fußgestellen. Lange Ställe ziehen sich rechts und links herum: fünfzig sauber gehaltene Kühe mit ihren Kälbern auf der einen, die Pferde und Ochsen auf der anderen Seite; ihr Futter fällt von ungeheuren Speichern herab in ihre Krippe; in der Mitte sind die Tennen, in denen man das Korn ausdrischt, und die Tiere spüren recht gut, daß das Futter darin ihnen von rechtswegen zusteht. – Gegen Süden sind die Geflügelhöfe und die Schafställe; gegen Norden die Keltern, die Vorratsgewölbe, die Obstkeller; nach Osten zu die Gebäude für den Gutsverwalter und dreißig Dienstboten; nach Westen dehnen sich die großen Futterwiesen, die von allen Tieren gedüngt werden, die den Menschen bei der Arbeit helfen. Die Bäume des Obstgartens mit ihren Stein- und Kernobstfrüchten stellen einen weiteren Reichtum dar. Vier- oder fünfhundert Bienenkörbe, deren Insassen ihrem Besitzer eine schöne Ernte an Honig und Wachs eintragen, stehen an einem kleinen Bach, der den Obstgarten bewässert. – Unabsehbar dehnen sich Alleen von Maulbeerbäumen, deren Blätter jene wertvollen Raupen nähren, die ebenso nützlich sind wie die Bienen. Ein Teil dieses weitgedehnten Anwesens ist durch eine undurchdringliche, sauber geschnittene Weißdornhecke abgeschlossen, die Gesicht und Geruch erquickt; der Hof und die Geflügelhöfe sind hoch ummauert.

So soll eine gute Meierei aussehen, und in dieser Art gibt es manche in dem Grenzland, in dem ich wohne. Ich darf, ohne mich rühmen zu wollen, sagen, daß auch die meinige der eben geschilderten einigermaßen gleicht. Aber, sagen Sie es ehrlich, gibt es viele solche in Frankreich? Sie wissen wohl, daß die Zahl der armen Landwirte und der Kleingrundbesitzer mindestens um zwei Drittel die Zahl der reichen Großgrundbesitzer übersteigt. In meiner Nachbarschaft habe ich Berufsgenossen, die einen unergiebigen Boden mit vier Ochsen bearbeiten und nur zwei Kühe haben; und solche gibt es viele in allen Provinzen. Ihre Häuser und Scheunen sind rechte Hütten der Armutei. Sie können unmöglich auf das Jahresende die Mittel zusammenbringen, um ihr Heim wieder instand zu setzen. Wenn sie alle Steuern entrichtet haben, müssen sie auch noch ihren Pfarrern den Zehnten vom Reinertrag ihrer Felder abliefern; »Zehnten« sollte man eigentlich nicht sagen; denn er beträgt ein ganzes Viertel vom Ertrag der Wirtschaft. Und doch glaubt ein Bauer, wenn er einen Grundherrn findet, der ihn in den Stand setzt, vier Ochsen und zwei Kühe zu haben, er sei höchst vermögend; seine Familie fühlt sich behaglich und singt an schönen Tagen in den Erntezeiten.

Alle wären gewiß besser daran, wenn die Grundherren wie in England neun Monate im Jahr auf ihren Gütern leben wollten. Sie würden dann nicht bloß den Notleidenden hie und da ein Almosen spenden; sie würden ganz von selbst Gutes tun, schon dadurch, daß sie Arbeitsgelegenheit schaffen. Wer immer menschliche Arme nützlich beschäftigt, ist ein Wohltäter des Vaterlands.

Freilich, in Paris gibt es mehr als zweihunderttausend Seelen, denen unsere Landarbeit sehr gleichgültig ist. Junge Damen beim Souper mit ihren Geliebten nach der komischen Oper fragen doch nicht, ob die Landwirtschaft prosperiert. Und viele Bürgersleute, die sich für gute Köpfe in ihrem Stadtbezirk halten, glauben, alles sei wohl bestellt im Weltall, wenn nur die städtischen Renten recht ausbezahlt werden. Daß wir sie ausbezahlen, daß sie uns den Lebensunterhalt verdanken, das bedenken sie nicht.

Der Staat schuldet uns seinen ganzen Schutz. Es ist ein Verbrechen der »Menschheitsbeleidigung«, wenn man unser Werk behindert. Es ist auch eins, wenn man uns zu gewissen Zeiten des Jahres zu einem verderblichen Müßiggang verurteilt. Zwei, drei Tage hintereinander hindert man uns, den Boden so zu pflegen, wie er es braucht, nachdem wir doch morgens dem Himmel seine Ehre erwiesen haben. Und unsere Tagelöhner verführt man dazu, im Wirtshaus ihre Gesundheit und ihren Verstand zu verlieren, statt sich mit ehrlicher Arbeit durchzuschlagen. Dieser Mißbrauch ist ja teilweise abgestellt worden, aber nicht gründlich. Ach! wer alle Mißbräuche abstellen könnte!


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