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Viertes Kapitel

Der Hofrat von Hauke in Spandau war noch ein jüngerer Mann, aber streng protestantischen Glaubens wie er war, prägte sich das auch seinem Wesen auf. Er hätte statt eines Hofrats gut einen Hofprediger vorstellen können, seine Sprache war gemessen, sein Ton mild, aus einer gewissen würdigen Ruhe kam er heraus. Er war auch ein gut aussehender Mann, die Frauen fanden ihn schön. Jeden Morgen las er den Seinen einen längeren Morgensegen vor; die Dienstboten durften mit zuhören, sie mußten das sogar, er hielt darauf.

Charlotte mußte auch mit zuhören. Wenn es ihr anfänglich auch etwas komisch vorkam. Die Hofrätin versicherte der jungen Schwester, daß der Protestantismus die viel richtigere und vornehmere Religion sei – das Königliche Haus gehörte ja auch diesem Bekenntnis an.

Henriette von Weiß war, als sie mit noch nicht sechzehn Jahren heiratete, zur protestantischen Kirche übergetreten, denn nie würde Hauke zugegeben haben, daß seine Kinder katholisch wurden. Und sie, erschrocken darüber, daß dann aus der Heirat nichts werden sollte, zog ihr Katholischsein aus, wie man ein Kleid auszieht.

In der Tat, Jettchen hatte recht, es war angenehmer, nicht katholisch zu sein. Man konnte morgens länger im Bett liegen, weil man nicht so früh in die Messe brauchte.

Der Hofrat von Hauke war sehr angenehm berührt, daß seine junge Schwägerin so wenig von ihrem Katholizismus Gebrauch machte.

Der Glaubenseifrige nahm es sich vor, die junge Schwägerin dem Protestantismus zu gewinnen. »Liebes Kind, möchtest du nicht mit deiner Schwester und mit mir, der dich wie ein Bruder liebt, einer Konfession sein?«

Warum denn nicht? Zéphire war ja auch von der anderen Konfession gewesen, und so ein liebes, herzensgutes Ding – warum sollte sie nicht auch zu Zéphires Kirche gehören? Sie nickte bereitwillig.

Der Hofrat schrieb an seine Schwiegereltern, daß er es für richtig gehalten habe, neben den Tanz- und Musikstunden, dem Französisch und der Anstandslehre Lotten auch noch Religionsunterricht geben zu lassen. Diese Ausgabe, da sie im Stundenplan nicht vorgesehen war, würde er selber begleichen und sie nicht zu Lasten der Tante Witte in Charlottenburg buchen. Dem Vater freilich würde es nicht genehm sein, aber auf Weiß kam es ja weiter nicht an.

*

»Hast du es dir auch reiflich überlegt, geliebtes Kind?« fragte Tante Christiane die Schwestertochter, als diese bei ihr auf der Fußbank hockte und den blonden Kopf in ihren Schoß legte. Dabei strich ihre Hand ganz weich über die Haare Lottens. Sie liebte dieses schmiegsame Kind, sie hatte es gleich beim ersten Besuch, als die Frau Hofrätin es ihr überbrachte, in ihr Herz geschlossen. Dieses Lächeln entzückte sie, diese Augen, die so zärtlich blickten. Ein Hauch von der eigenen Jugend wehte sie in der Schwestertochter wieder an. Ach ja, auch sie war einst hübsch und hold gewesen, wenn auch nicht so hold wie diese liebliche Knospe.

Mit der ganzen Hingabe nie gestillter Sehnsucht und einer erst nach und nach in der Einsamkeit verkümmerten Herzenswärme hatte Christiane Witte Charlotte bei sich aufgenommen. Lotte wurde der Inhalt ihrer Tage: kam Lotte heute? Warum schrieb Lotte ab? Würde Lotte dann aber nächste Woche auch sicher kommen? Sie wartete immer auf Lotte. Und da Charlotte zu Hause die Weisung erhalten hatte, die ihr auch in der Mutter Briefen ständig wiederholt wurde, sich bei der Tante gut einzuführen und deren Neigung zu gewinnen, so kam sie häufig nach Charlottenburg. Sie fühlte sich auch behaglich in den angenehmen Räumen mit den blanken Fußböden und den alten Ölgemälden an den Wänden. Da war der Vater von Tante und Mutter – ihr Großvater – da die Großmutter – und dort das Bild eines jungen Mannes, der ihr wohl gefiel. Es war der einstmalige heimlich Verlobte. Die Tante sprach nie anders als mit Tränen der Rührung von ihm. Aus den Schränken duftete es nach Lavendel, an den Fenstern blühten Blumen selbst zur Winterszeit. Der Schloßgärtner bezog die kostbaren Tulpen aus Holland für die königlichen Treibhäuser, und die Tante kaufte welche von ihm. Ach ja, wenn man Geld hat, dann kann man schon rote und gelbe Wunderblumen mit leuchtenden Köpfchen hinter den beeisten Scheiben haben!

Es roch bei Christiane Witte nach Wohlbehagen und Ordnung, Charlotte empfand das, sie war nicht verwöhnt von Stendal her, und auch der Hausstand der Schwester ließ manches zu wünschen übrig. Die kleinen Kinder machten viel schmutzig, es roch nach Windeln und ewig nach Wäschelauge – oh, und wie die Bälge quarrten, vom frühen Morgen an, selbst in der Nacht! Das arme Jettchen! Charlotte empfand etwas wie Mitleid mit der Schwester: vier Kinder in fünf Jahren, und jetzt sollte schon bald wieder ein neues kommen! Das Mädchen schüttelte sich: wenn sie sich verheiratete, so viele Kinder würde sie nicht haben. »Ich danke dafür«, würde sie gleich dem Ehegemahl sagen, und wenn es ihm nicht paßte, nun dann – sie warf den Kopf auf und rümpfte die Nase: oh, sie würde schon fertig werden mit ihm! Vorderhand war es ja auch noch Zeit bis dahin. Mit Vierzehn sollte sie erst einmal konfirmiert werden, das Bekenntnis ihres evangelischen Glaubens vorm Altar ablegen.

Das war es, was sie heute mit der Tante besprach. Christiane Witte war bekümmert: ihren guten katholischen Glauben wollte Lotte ablegen? Ach, der Schwager, die Schwester hatten sie nur verleitet dazu. Den Hofrat kannte Christiane gar nicht, aber er war ihr schon von vornherein unsympathisch, und Jettchen, nun, Jettchen – das fand selbst sie bei ihrer milden, gern alles entschuldigenden Gesinnung – Jettchen war eine Pute. Dieses Kind hier war ja noch so jung, wußte es denn überhaupt, was es tat?

»Ich weiß es«, sagte Charlotte bestimmt. Sie hob ihren Kopf aus der Tante Schoß. »Aber nicht traurig sein darüber, Tantchen«, schmeichelte sie dann, und ihre Hände liebkosten das bekümmerte Gesicht, »Sie sind und bleiben ja doch mein geliebtestes Tantchen, auch wenn ich nicht mehr katholisch bin. Meinen Sie, ich kann nicht ebensogut noch für Ihr Wohl beten? Ich flehe täglich für Sie den Himmel an.«

»Du gutes Kind!« Die Tante küßte sie zärtlich. Ihre Seele war bedrängt. Und daß Lottchens Eltern sich so gleichgültig bei dieser Sache verhielten, das war doch auch gar nicht schön. Zugleich wallte es jedoch in ihr auf vor Freude: Lotte schenkte ihr, ihr allein volles Vertrauen, sprach sich bei ihr über alles aus! Sie ging an den aus dem Nachlaß des Geliebten stammenden, auf vergoldeten Füßen stehenden Schreibtisch, der in verschiedenen Hölzern kostbar ausgelegt war, zog einen Schlüssel, den sie unter ihrem Busentuch an einer Kette, aus seinem Haar gefertigt, um den Hals trug, und schloß umständlich die gebauchte Schublade auf. Einem Kästchen entnahm sie einen Ring und steckte ihn der Nichte an den Finger. »Den habe ich früher einmal getragen, er schenkte ihn mir. Nun ist er mir schon lange zu eng geworden. Trage du ihn! Möge er dir ein Talisman sein in deinem ferneren Leben!«

Charlotte errötete vor Freude: ein Ring, ein goldener Ring mit weißer Perle! Sie hatte noch niemals einen besessen. Und mit tiefem Knicks der Tante die Hand küssend, bedankte sie sich.

»Wer steht mir näher als du?« sagte diese. »Alles, was ich besitze, wird ja einmal dein sein.« –

War das ein Versprechen, eine Zusicherung für die Zukunft? Charlotte konnte lange nicht einschlafen, als sie heute im Bette lag. Sie blieb stets über Nacht bei der Tante und tat das gern, denn es lag sich so schön in dem weichen Bett, das einen Himmel von weißem Mull über sich hatte und ein mit breitem Volant verziertes Kopfkissen. Das war etwas anderes als das schmale Bettchen daheim, das sie dazu noch oft mit Zéphire geteilt hatte; auch etwas anderes als das Lager, auf dem sie in Spandau lag. Jettchen brauchte, was sie an Betten besaß, für den Gast war nicht viel Weiches mehr übrig. Der Schwager hatte ihr Lager einmal besichtigt, als sie geklagt hatte, der Rücken tue ihr davon weh, er betastete den steinharten Pfühl, lüpfte ihn und sagte dann mit einem seltsamen Lächeln: »Weich liegen ist ungesund, es gibt wollüstige Gedanken.«

Nun lag Charlotte hier im weichen, bequemen Bett, aber wollüstige Gedanken kamen ihr nicht, die ihren gingen auf ganz anderen Wegen. ›Alles, was ich besitze, wird einmal dein sein‹ – also sie sollte erben, die Tante beerben?! Sie wünschte Tante Christiane ein noch recht langes Leben, sie hatte sie wirklich lieb. Aber es war doch wundervoll, daß sie einmal erben sollte. Ob es viel war, was sie dann erbte? Schöne Sachen? Sie sah sich im Geist in der Wohnung um: o ja, da war manches – Möbel, Bilder, Wäsche, Porzellan – das sie gern besitzen würde. Viel Geld? Ja, ob dann noch viel übrig sein würde? Die Tante lebte nicht geizig, sie gab reichlich an Arme – wieviel blieb dann wohl noch? Charlotte warf sich unruhig.

»Schläfst du nicht, meine Lotte?« fragte die Tante vom anderen Bett herüber.

Der Ton war sanft, aber er traf die Grübelnde wie ein Donnerschlag. Sie verkroch sich unter die Decke und gab keine Antwort.

*

Charlotte von Weiß war ehrgeizig, sie wollte lernen; man konnte nicht über geringe Fortschritte klagen. »Sie tanzt wie eine der Grazien selber«, so versicherte der Tanzmeister, ein alter Franzose, der die Woche zweimal von Berlin herüberkam, um der besseren Jugend von Spandau Pavanen, Couranten, Menuetts zu lehren und sie in Anstand zu unterrichten. Das Französische sprach sie jetzt so geläufig wie Deutsch – und in der Religion? Nur in dem Bekenntnis, so wie der Hofrat es verlangte, schien sie noch nicht so vorbereitet, wie es zu wünschen war, obgleich sie den besten Lehrer hatte.

Der Kandidat Gotthold Bange war ein noch junger Mann, vorläufig hier dem Garnisonprediger beigegeben, aber aus dem Hilfsgeistlichen würde sich ganz gewiß etwas Bedeutendes entwickeln, eine Leuchte der theologischen Wissenschaft. Es war dem Hofrat ein Genuß, mit Bange seine beliebten Dispute zu führen. Welche Beredsamkeit entwickelte dann der sonst stille, zurückhaltende, fast scheue Mensch, wenn er sich für eine religiöse Frage erwärmte! Dann erglühte sein bleiches Gesicht, in seinen Augen, die er sonst meist zu Boden gesenkt hielt, fing etwas an zu brennen, sie zeigten, daß sie groß und leuchtend sein konnten und von einem intensiven schönen Blau. Des Kandidaten Organ, das für gewöhnlich leise und etwas belegt war, gewann an Klang, es steigerte sich dann zu einer bis ins Innerste dringenden, merkwürdigen Fülle; dieser Ton berührte fast körperlich, er ging an die Nerven. Dabei war Bange so bescheiden, er hatte keine Ahnung davon, daß er faszinierend wirken konnte in solchen Augenblicken. Hauke, der ihn in seinen näheren Umgang gezogen hatte, zögerte keinen Augenblick, diesem wahren Mann Gottes die junge Schwägerin zur Vorbereitung in der evangelischen Lehre anzuvertrauen.

Charlotte, die so viel von dem jungen Kandidaten gehört hatte, der einzig nur seiner ›Sendung‹, wie er das Amt des Predigers auffaßte, leben sollte, war enttäuscht. Der war ja nur junger Mann, genau so wie andere junge Männer auch, sogar weniger hübsch und nicht einmal sonderlich beredet. Stockend trug er ihr die Grundlehren der protestantischen Kirche vor, so schüchtern und geniert, daß sie sich auch fast genierte. Seine Zurückhaltung machte sie es fühlen, daß sie mit einem jungen Mann allein im Zimmer war, zum erstenmal mit einem ganz allein.

Er sah sie nicht an, mit niedergeschlagenen Augen sprach er zu ihr. So war es in der ganzen ersten Stunde. Konnte er sie denn nicht wenigstens ansehen?

Als Charlotte das zweitemal in den Konfirmandensaal des Pfarrhauses kam, in dem auch ihr Einzelunterricht stattfand, war Kandidat Bange schon da. Er stand am Fenster, mit dem Rücken gegen die Tür, und sah wie in Gedanken verloren hinaus. Sein Gesicht war erhoben, seine Augen auch, so daß sie sah, daß diese sehr schön blau und sogar feurig waren. So sollte er auch sie ansehen, nicht bloß den Himmel! Und sie brachte das fertig. Erst mit kleinen Manövern, aber als die nichts nützten, sagte sie es ihm eines Tages ganz gerade heraus: »Warum sehen Sie mich nicht an, Herr Kandidat? Wenn ich mich von jemandem belehren lassen soll, ihm das glauben soll, was er lehrt, dann muß er mich doch auch ansehen dabei. Oder bin ich eine so schlechte Schülerin, daß Sie mich Ihres Blickes nicht für wert halten?« Sie sagte es ein wenig vorwurfsvoll und wie gekränkt.

»Eine schlechte Schülerin? Bewahre, bewahre!« Er stotterte ein wenig, sein Blaß wurde rot, er murmelte etwas von ausgezeichneter Fassungsgabe und viel Verständnis. Und dann sah er sie an.

Und sie sah ihn auch an. Ganz voll, ganz lange. Es stahl sich ein Lächeln dabei um ihren gewölbten Mund: aha, nun hatte sie es doch erreicht!

Auch er fing ein wenig zu lächeln an – auch er war noch jung – –.

Von jetzt an war der Unterricht für Charlotte viel interessanter, sie merkte, daß sie Kandidat Bange gefiel. Sie fühlte Unruhe in seiner Hand, wenn sie ihm die ihre reichte beim Kommen und beim Fortgehen; dann drückten ihre Fingerchen leicht. Es machte ihr Spaß, mehr als Spaß: Freude. Und in ihrer Freude war Genugtuung: also man hat so viel Macht, daß man selbst einen Heiligen zwingen kann.

Der Schwager belobte Charlotte für ihren Eifer. Anfänglich war sie lässig gewesen in ihrem Gehen zum Unterricht, jetzt ging sie schon früher, als die Uhr vom Turm die Stunde schlug, sie eilte, um nichts zu versäumen. Es war etwas in ihrem Blut, das das prickelnd umtrieb – Neugier? Verlangen? Sie hatte Träume, in denen der Lehrer sie küßte.

Kandidat Bange zuliebe kämmte Charlotte von Weiß ihr Lockenhaar schlichter, trug es gescheitelt wie die Madonna in der alten Kirche zu Stendal. Vorm Spiegel versuchte sie wieder den frommen Blick, und siehe, er gelang vorzüglich. Sie gewöhnte sich so an diesen Blick, daß sie gar nicht anders mehr konnte: langsam schlug sich ihr Augenlid auf und schüchtern, das schöne Auge schwamm feucht verklärt und suchte gern den Himmel.

*

Es schickte sich zur Zeit nicht, daß junge Mädchen allein promenierten, das taten nur Ladenmamsells und Frauenzimmer niederer Stände. Der Hofrat von Hauke selber führte Charlotte spazieren auf der Promenade über die inneren Wälle, die von Rasen grün und im Frühling von Veilchen besät waren. Es war der einzige Spaziergang, den die Spandauer hatten, denn draußen vor dem Tor war es nicht sicher, da trieb sich immer Gesindel herum: Zigeuner, Soldaten und dergleichen mehr. Es war auch moorig rundum, keine hochgelegenen schönen Chausseen; langsam schleppten sich trübe Kanäle zur Havel hin. Einzig die Straße nach Berlin, die über Charlottenburg führte, war in besserem Stande, über sie fuhr täglich die Post, und Soldaten marschierten auf ihr heran, wenn vor Spandau das Lager bezogen wurde. Viel Abwechselung bot die Festung nicht, und doch fühlte Charlotte sich glücklich hier. Sie spürte Anbetung, und die zu ahnen, zu wittern, das versüßte auch Tage und Stunden, die an sich sonst langweilig gewesen wären. Noch durfte sie keine Gesellschaften besuchen. Daß man sie noch immer wie ein Kind hielt, lächerlich! Der Schwager war wohl gar eifersüchtig? Wenn die Offiziere auf der Wallpromenade an ihnen vorbeistrichen und sich ihr bemerklich zu machen suchten durch Sporenklirren und absichtlich lautes Sprechen, dann regte er sich sehr erbost auf: »Faule Friedenszeit! Unnütze Brotfresser, die unserm Herrgott den Tag abstehlen und uns Zivilisten das Geld aus dem Beutel!« Sie amüsierte sich über ihn. Als sie noch mit Schwester Jettchen spazierengegangen war, war es netter gewesen, Jettchen hatte nichts von den Blicken gemerkt, die hin und her flogen. Eine gute Seele! Aber mit der konnte sie jetzt nicht mehr ausgehen, das fünfte Kind war zu offenbar schon, und eine Frau in der Lage und ein junges Mädchen sich zusammen sehen lassen, das war unmöglich in der guten Gesellschaft.

Die Hofrätin weinte jetzt oft. Als sie eines Tages auf dem steiflehnigen Sofa saß und ihr ungeschickter Körper vergebens nach Bequemlichkeit suchte, ließ sie ihren Kopf mit einem Seufzer an die Schulter der jungen Schwester sinken: »Ach, ach!«

»Ist dir nicht wohl?« fragte Charlotte; sie sah es, wie die Schwester sich quälte.

»Wohl, wie kann mir wohl sein?« Die Hofrätin schluchzte laut auf: »Ach, Lotte!«

Charlottes Hand tätschelte die bleiche Wange der Schwester – das arme Jettchen! Zugleich glomm es wie Ungeduld in ihr auf: »Warum bist du so dumm, meine Liebe? Du bist wirklich dumm!«

»Aber ich kann doch nichts dafür«, jammerte kläglich die beladene Frau, »wenn er es doch will!«

»Kriegt er die Kinder, oder kriegst du sie?!«

»Das verstehst du nicht«, sagte die Frau, »er soll dein Herr sein, so heißt es doch.«

Das Mädchen zuckte die Achseln: der war nicht zu helfen. »Das sag' ich dir, Jettchen, ich mach's mal nicht so. Herr, Herr –?! Ha, da muß ich lachen!« Sie lachte hell.


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