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7

Als Katafa Le Moan küßte und fortführte, wußte Le Moan noch nicht, daß Katafa Taori angehörte. Sie wußte nicht, daß er nur von Katafa träumte, daß sie die Sehnsucht und Erfüllung seines Lebens war, daß neben ihr alle anderen Lebewesen zu Schatten verblaßten.

Und Katafa wußte nicht, daß Taori für Le Moan der Auserwählte war, daß sie ganz in ihm aufging. Le Moan hatte sich so tief in ihre Vision versenkt, daß Taoris Bild ein Teil von ihr geworden war, den man nicht mehr von ihr trennen konnte.

Katafa führte sie zum Hause Uta Matus. Der gute Gott Nan grinste noch immer auf seinem Pfahl zu dem Schoner hinüber, aber heute wackelte er nicht, vielleicht weil der Wind nicht wehte, der sonst an ihm rüttelte.

Katafa breitete die Schlafmatte, die sie und Taori brauchten, auf dem Boden aus, dann bot sie dem Gast zu essen an. Aber Le Moan weigerte sich. Sie hatte nur den einen Wunsch, zu schlafen. Seit vielen Nächten hatte sie nicht geruht, und als sie sich niederlegte, schloß sie sofort die Augen. Die Welt um sie her versank, während sie auf dem Lager Taoris ruhte, der nichts von ihrer Liebe wußte.

Draußen strahlte der helle Tropenmorgen.

Die Leute von Karolin gingen ihrer Beschäftigung nach, besserten die Wände der einen Hütte aus, bereiteten Speise für die Neuangekommenen und freuten sich an dem Leben, das ihnen wiedergeschenkt worden war. Der Schoner drehte sich an seiner Ankerkette; niemand war an Bord, das Deck lag tot und still. Dick hatte bestimmt, daß sich niemand dem Schiff nähern durfte. Er und Aioma wollten zuerst zu dem Schoner hinüberrudern, und zwar am nächsten Morgen, denn für den heutigen Tag gab es zuviel anderes zu tun.

Le Moan hatte ihnen nicht nur ein Schiff gebracht, sondern auch sechs ausgewachsene, starke Männer. Das war ein großer Machtzuwachs und ein großes Geschenk, wenn man diesen Männern trauen durfte.

Aioma hatte sich von der allgemeinen Verbrüderung ferngehalten und betrachtete die Kanakas mit kritischen Blicken. Auch er glaubte, daß sie nichts Böses vorhatten. »Aber warte«, sagte er zu Taori, »bis sie gegessen und unter uns geschlafen haben. Eine Kokosnuß, die von außen gut aussieht, mag doch vielleicht einen schlechten Kern haben. Ich glaube, daß diese Leute gut sind, wie Le Moan gesagt hat. Aber die Nacht wird uns ihre Herzen enthüllen.«

Als die Dunkelheit hereingebrochen war, kam er glückstrahlend zu Taori. Jeder der Ankömmlinge hatte eine Frau genommen. (In den nächsten Tagen nahm jeder vier bis sechs Frauen, nur einer schloß sich aus.)

»Da sie nun Frauen haben, sind wir sicher, daß sie zu uns halten. Sie schlafen schon alle zwischen den Gebüschen, nur der eine hat sich zurückgehalten. Er ist noch sehr jung und hat mir gesagt, daß er kein Herz für Frauen hätte.«

Er sprach von Kanoa, der allein am Ufer saß, vor sich hinbrütete und von Liebessehnsucht verzehrt wurde. Seine Liebe war größer als seine Leidenschaft, denn die Tat Le Moans hatte in ihm den Geist seiner Vorfahren geweckt, seine Seele hatte sich über die Begierde erhoben, die ihn bis dahin blind beherrschte.

Und währenddessen schlief Le Moan. Sie schlief noch immer, als es dunkel wurde und die Sterne am Himmel aufgingen. Sie schlief, als der Mond erstrahlte und sein Licht auf Uta Matus Haus warf.

Dann wich der Schlaf allmählich von ihr. Sie stützte sich auf den Ellbogen und sah, wie der Mond durch die Ritzen in der Wand schien. Dort hinten standen die kleinen Schiffsmodelle auf einem Seitenbrett. Und durch die Türe konnte sie das silbern glänzende Riff und das Meer sehen.

Die Brandung schäumte leise am Ufer, der Wind raunte in den großen Palmen, und im Gebüsch umarmten sich Männer und Frauen, die in der vergangenen Nacht noch nichts voneinander gewußt hatten.

Vor der Türe, nur durch den Schatten eines Baumes vor den Mondstrahlen geschützt, lagen Taori und Katafa auf einer Matte. Sie hatten für die Nacht ihr Haus Le Moan überlassen, die Karolin gerettet hatte, und sich eine Matte aus einem der anderen Häuser geholt. Le Moan erkannte sie nicht gleich. Schlaftrunken erhob sie sich, ging zur Tür und schaute auf sie nieder.

Und dann wußte sie alles.

Taoris Kopf war auf Katafas Schulter gebettet, sie hatte den Arm um seinen Hals gelegt, und er hielt sie umschlungen.


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