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Achtzehntes Kapitel

In diesem Augenblick kam ein Reiter, der vor einigen Minuten aus einem Seitenwege auf den Hauptweg gebogen war, im Galopp an ihnen vorüber. Ein großer Neufundländer, den Oswald zuerst für Melittas Dogge hielt, galoppierte in langen Sprüngen neben dem Pferde her, einem herrlichen rabenschwarzen Vollblut, dessen Brust mit weißen Schaumflocken benetzt war. Der Reiter, soweit man es in der Eile bemerken konnte, war ein Mann von vielleicht dreißig Jahren, lang und dürr, gegen die Gewohnheit der Gutsbesitzer hierzulande in langen Beinkleidern statt der Stulpenstiefeln; seine Haltung zu Pferde durchaus die Haltung der Herren, die man lateinische Reiter zu nennen pflegt. Aber es war das wohl mehr Nachlässigkeit und die Gewohnheit, sich gehenzulassen, als wirkliche Ungeschicklichkeit, denn, als er fast unmittelbar vor den ihm Entgegenkommenden war, die er, in Nachdenken oder Träumereien verloren, jetzt erst bemerkte, warf er seinen Renner mit einer Kraft und Gewandtheit auf die Seite, die den tüchtigen Reiter bekundeten. »Excusez, messieurs!« rief er, flüchtig an den Hut greifend und weiter galoppierend.

»Kennen Sie den Herrn?« sagte Oswald stehenbleibend und dem Manne nachschauend, dessen Züge ihm fremd und bekannt zu gleicher Zeit erschienen waren.

»Tiens!« sagte Herr Bemperlein, ebenfalls stehenbleibend. »Das muß der Baron Oldenburg gewesen sein. Ja, gewiß ist's der Baron !« rief er, als der Reiter jetzt bei den Knaben, die in der Entfernung von ein paar hundert Schritten folgten, angekommen, stillhielt, und ihnen vom Pferde herab die Hand reichte. »Ich hätte ihn kaum wiedererkannt mit seinem schwarzen Bart und seinem gelben Gesicht. Er sieht ja aus wie ein wahrer Kabyle. Seit wann mag er denn wieder im Lande sein?«

»Ist er auf Reisen gewesen?« fragte Oswald mit angenommener Gleichgültigkeit.

»Er ist seit zehn Jahren eigentlich fortwährend auf Reisen«, erwiderte Herr Bemperlein, »vor drei Jahren trafen ihn Frau von Berkow und Herr von Barnewitz und dessen Gemahlin in Rom, und sie sind dann mit ihm durch Süditalien gereist. In Sizilien haben sie sich getrennt. Die Herrschaften traten die Rückkehr an, und der Baron ging weiter nach Ägypten, Nubien, und Gott weiß, wohin ihn sein unruhiger Geist noch sonst getrieben haben mag. Aber wir sind schon wieder von unserm Thema abgekommen.«

Herr Bemperlein fing mit der ihm eigentümlichen Redseligkeit abermals zu erzählen an, aber wenn Oswald schon vorher nur mit halbem Ohr zugehört hatte, so schweiften seine Gedanken jetzt noch viel weiter ab... Das war also der Mann, der einst in Melittas Leben eine so große Rolle gespielt hatte! Eine so große Rolle! Eine wie große Rolle? Sie hatte ihn nie wahrhaft geliebt – vielleicht, – gewiß nie wahrhaft geliebt – aber ist denn wahre Liebe immer der letzte Preis der höchsten Gunst einer Frau? Gibt es nicht so dergleichen wie Begierde ohne Liebe? Oder auch Liebe ohne Begierde, oder der Wunsch, den Geliebten auf jede Weise an sich zu fesseln, auch durch die Lust und die Erinnerung der Lust – – Und so hätte sie doch an der Seite des Mannes, an dessen Wiege die Grazien ausgeblieben waren, geruht; wohl ohne Ruhe, ohne die tiefe Seligkeit zu finden, die sie hoffte, – aber doch geruht? Oh, in dem Gedanken war Höllenqual...

So raunte und flüsterte ihm der Dämon der Eifersucht wilde, schlimme Gedanken ins Ohr, die sein Blut sieden machten und ihm kalte Tropfen auf die Stirn trieben – was Wunder, wenn er so Herrn Bemperleins Erzählung wie im Traume hörte. Nur so viel begriff er, daß der wunderliche brave Mann erst jetzt, nachdem die Not des Lebens für ihn vorbei war und er in der grünen Einsamkeit von Berkow frei von aller Sorge aufatmen durfte, zum erstenmal über seine sogenannte Wissenschaft, die zu prüfen ihm bis dahin die Zeit gefehlt hatte, nachzudenken begann; daß er jetzt zum ersten Male mit den Heroen der neueren Literatur, vor allem mit Shakespeare Bekanntschaft machte, daß er von den Dichtern auf die Philosophen kam, und wie ihm vor allem in Spinoza eine Welt aufging, von der er, der Zögling theologischer Scholastik, keine Ahnung hatte; daß er von Spinoza, später von Schopenhauer angeregt, sich auf das Studium der Natur, auf Botanik, Mineralogie, Physik geworfen, sich mit Hilfe des alten Baumann ein kleines Laboratorium eingerichtet und fleißig experimentiert habe, und daß auf seinen Retorten und Tiegeln der Glaube an die alleinseligmachende Kraft der Professoren-Religion, den ihm die Lektüre der Philosophen noch etwa gelassen hatte, vollkommen verdampft sei.

»Das ging nun so, solange es ging«, sagte Herr Bemperlein, »allein es kam nicht zum Sterben, aber doch zu dem Augenblick, wo ich mich entschließen mußte, ob ich meinen heimlichen Abfall von dem Glauben meiner Väter offen erklären wollte oder nicht.

Eine sehr einträgliche Pfarrstelle in hiesiger Gegend, von der ein Onkel der Frau Berkow, der ältere Herr von Barnewitz, Patron ist, wurde durch den Tod des Inhabers erledigt. Herr von Barnewitz glaubte seiner Nichte einen Gefallen zu erweisen, wenn er mir diese Stelle anbot, ich hatte weiter nichts zu tun, als am nächsten Sonntag eine Predigt in dem Pfarrdorfe zu halten, und die Sache war abgemacht. Nun müssen Sie wissen, daß ich, als mir Herr von Barnewitz die Sache vorstellte, im ersten Schrecken, halb aus Überraschung, halb, um den guten Mann nicht zu kränken, und dann auch, weil wir (das heißt Frau von Berkow und ich) Julius' Übersiedlung nach Grünwald beschlossen hatten, und so meines Bleibens in Berkow doch nicht länger sein konnte, Ja gesagt und mich wirklich hingesetzt habe, eine Predigt auszuarbeiten. Ich hatte mich seit ein paar Jahren glücklich um jede Gelegenheit, wo mein theologisch-deklamatorisches Talent sich hätte zeigen können, herumzudrücken gewußt, und jetzt fühlte ich zu meinem Schrecken, daß ich die Kanzelsprache, und noch mehr als die Sprache, die Kanzellogik vollständig verlernt hatte. Drei Abende hintereinander setzte ich mich zu der Sisyphusarbeit hin; aber nie kam ich auch nur über ›meine andächtigen Zuhörer‹ hinaus. Die contradictio in adjecto peinigte mich, ich wußte aus eigener Erfahrung, wie es mit der Andacht der Zuhörer bestellt ist. Andächtig kommt von denken! Da, in der dritten Nacht, als ich mich voller Verzweiflung zu Bette gelegt hatte und voller Kummer eingeschlafen war, erwägend, was wohl mein guter Vater und mein würdiger Großvater, den ich auch noch gekannt hatte, sagen würden, wenn sie den Unglauben ihres in so trefflichen Grundsätzen erzogenen Sohnes und Enkels sähen, hatte ich folgenden kuriosen Traum, zu dessen Erklärung ich vorher bemerken muß, daß Frau von Berkow mir an jenem Tage viel von dem Museum des Louvre erzählt hatte.

Mir träumte also, ich trat in einen gewaltigen hohen und weiten Saal, an dessen Wänden Skulpturen und Gemälde standen und hingen. Da saß Gott Vater selbst, ein schöner bärtiger alter Mann, und reckte die Hand aus und schuf Himmel und Erde, dann kamen Adam und Eva, in weißem Marmor: Eva, ziemlich wohlerhalten – Adam aber hatte den Kopf verloren; darauf Kains Brudermord, ein großes Ölgemälde, ebenso wie ein darauf folgendes: Adam und Eva finden die Leiche des ermordeten Abel; auf dem die Gestalt des todesblassen Jünglings, der wie eine gebrochene Lilie anzuschauen war, mich fast zu Tränen rührte. So ging es weiter und weiter: Statue an Statue, Gemälde an Gemälde. Ich war nicht allein im Saale, im Gegenteil, viele Menschen bewegten sich an den Wänden und durch den Wald von Statuen hin. Vor einzelnen besonders hervorragenden Werken, zum Beispiel dem Durchzug der Kinder Israel durch das Rote Meer – einer riesengroßen Freske – standen ganze Gruppen – auch vor andern, die sich weniger durch historische Bedeutung, als durch das Pikante der dargestellten Situation auszeichneten. So mußte ich mich über das Betragen einer Schar junger Mädchen ärgern, die vor einem Gemälde, darstellend Lot, von seinen Töchtern trunken gemacht die Köpfe zusammensteckten und kicherten. Überhaupt erschien mir das Benehmen der Gesellschaft in hohem Grade anstößig. Die Frauen lachten und schwatzten und kokettierten, die Herren schwatzten, lachten und lorgnettierten, und einige mit langen Beinen und langen Zähnen – wahrscheinlich Engländer, hatten gar den Hut auf dem Kopf. Fast alle hielten ein Buch in der Hand, in welches die Gewissenhafteren von Zeit zu Zeit hineinsahen, wenn sie sich über eins der Kunstwerke Auskunft holen wollten. Dieses Buch schien mir der Katalog des Museums zu sein, und da ich einen solchen ebenfalls zu haben wünschte, weil ich die Reihenfolge der Propheten vergessen hatte und nun nicht wußte, ob der alte bärtige Mann, Nr. 8, Habakuk, und der Jüngling, Nr. 9, Zephanja, oder umgekehrt sei, so wandte ich mich an einen alten Herrn, den ich mit einem Fliegenwedel an den Statuen beschäftigt gesehen hatte, und den ich infolgedessen für einen der Kustoden hielt. Als ich näher trat, wandte sich der Mann um, und ich erschrak nicht wenig, als ich meinen eigenen Großvater erkannte. ›Was wünschen Sie, junger Mann?‹ sagte er in strengem Ton. Ich wiederholte schüchtern meine Frage. ›Hier haben Sie einen Katalog‹, sagte er, von einem Tische, auf welchem eine große Menge jener Bücher lag, eins nehmend und mir reichend, ›kostet fünfzehn Silbergroschen.‹ – Ich schlug das Buch auf. ›Ich wünschte einen Katalog‹, sagte ich, ›Sie haben mir –‹ ›Ganz richtig‹, sagte der alte Mann mit melancholischer Stimme, ›dies ist der Katalog für das alte Museum; der Eingang in das neue Museum, in dem die Kunstwerke von dem Jahre Eins christlicher Zeitrechnung bis zum Jahre 1793, wo die christliche Religion abgeschafft und die Göttin Vernunft auf den Thron gesetzt wurde, aufgestellt sind – ist dort!‹ Er wies auf eine schöne breite Treppe, die aus dem Saale hinaufführte in andere Räume. ›Sie werden gut tun, sich dort ebenfalls einen Katalog zu kaufen. Er kostet zehn Silbergroschen, und Sie haben sich deshalb an Ihren Vater zu wenden, der in jenem Teile des Gebäudes dasselbe Amt versieht, das ich hier versehe.‹ Und damit wandte mir der alte Mann den Rücken und fing wieder an, mit seinem langen Wedel die Statuen und Bilder abzustauben. ›Entschuldigen Sie, lieber Großvater‹, sagte ich. – ›Ich bin Ihr Großvater nicht‹, antwortete der alte Mann, ruhig in seiner Beschäftigung fortfahrend. ›Nun, Herr Kustos?‹ fragte ich. ›Jawohl, Kustos, nichts weiter, nichts weiter‹, murmelte der Greis. ›Wo haben denn, Herr Kustos‹, fuhr ich fort, ›die Kunstwerke, die seit jener Zeit entstanden sind, ihre Stelle gefunden?‹ ›Seit jenem denkwürdigen Jahre‹, sagte der Alte, ›hat nichts Gescheites mehr zustandekommen wollen. Zwar haben sich noch einige Künstlerschulen gebildet, aber das hat alles kein rechtes Leben, und ihre Produktionen können auf eigentlichen Kunstwert keinen Anspruch machen. Den Künstlern selbst fehlte der rechte Glaube, und ohne den läßt sich nun einmal nichts Ordentliches malen oder meißeln oder schreiben‹, – bei diesen letzten Worten maß er mich mit einem strengen Blicke. – ›Oder schreiben‹, wiederholte ich kleinlaut, an meine umgeschriebene Probepredigt denkend – ›Oder schreiben‹, fuhr er fort, – ›und dann ist das Publikum selbst in neuesten Zeit sehr gleichgültig geworden, und die Kritik sitzt den Künstlern zu unbarmherzig auf dem Nacken, und das verdirbt ihnen die naive Unbefangenheit und nachtwandlerische Sicherheit, ohne die nun ein für allemal, – aber jetzt muß ich Sie ersuchen, sich zu entfernen, die Glocke hat schon lange geläutet, Sie sind der Allerletzte.‹ Er begleitete mich bis zum Ausgang des Saales, öffnete mir die Tür und lud mich mit einer steifen Verbeugung ein, hinauszuspazieren. – Ich tat es – die Tür fiel donnernd hinter mir zu, und – ich erwachte.

Seit jenem Traum« , fuhr Bemperlein fort, »machte ich keinen neuen Versuch mehr. Ohne Glauben läßt sich keine Predigt schreiben, sagte ich zu mir, und wenn sich auch noch zur Not eine schreiben läßt, so läßt sie sich doch nicht halten, wenigstens nicht von einem Manne, der wie du, ein Stück Gewissen und weder Kind noch Kegel hat, die manchen ehrlichen Kerl schon Dinge haben schreiben und sagen machen, die er nur so, und auch kaum so, vor Gott und der Welt verantworten kann. Daß ich nicht mehr Pastor werden könne, stand bei mir fest, und ich schrieb also heute morgen an Herrn von Barnewitz, mich für die mir zugedachte Ehre zu bedanken, von der ich nicht imstande sei, Gebrauch zu machen, – da – ich mich entschlossen hätte, Julius nach Grünwald zu begleiten. Der Einfall kam mir nämlich, wie ich die Phrase schrieb, und ich lief sogleich zu Frau von Berkow und teilte ihr meinen Entschluß mit, worüber sie eine lebhafte Freude zu erkennen gab. – Nun sagen Sie mir, mein vortrefflicher Freund, der Sie die Güte gehabt haben, diese lange Geschichte anzuhören, was würden Sie tun, wenn Sie in meiner Lage wären? Bedenken Sie dabei, daß ich bereits achtundzwanzig Jahre alt bin, aber noch meine sämtlichen achtundzwanzig Zähne habe. – Die Weisheitszähne sind ausgeblieben, sei es aus einer Vergeßlichkeit der Natur, sei es aus einer weisen Vorsicht des Schicksals, das daran dachte, wie ich so manchmal im Leben wenig genug zu beißen haben würde.«

»Was ich tun würde, wenn ich an Ihrer Stelle wäre?« sagte Oswald. »Wenn ich, wie Sie, ein wackrer, gewissenhafter, fleißiger –«

»Bitte, bitte, Herr Kollega«, sagte Bemperlein über und über rot werdend.

»Ich sage, gewissenhafter, fleißiger Mann wäre? Nun, die Frage ist sehr leicht zu beantworten. Ich würde tun, was Sie bereits getan haben; ich würde dem Paradies naiver Gedankenlosigkeit und harmlosen Glaubens wohlgemut den Rücken kehren, nachdem ich einmal vom Baum der Erkenntnis gekostet, und mich, sowenig wie Sie, in den Stall sperren lassen, in dem die Heuchler, die schnöden Hunde im Schafspelz der Demut, so ohrenzerreißend und markerschütternd winseln und heulen.«

»Ganz wohl, ganz wohl!« sagte Herr Bemperlein, sich vergnügt die Hände reibend, »und was würden Sie dann tun, Wertgeschätztester?«

»Dann«, sagte Oswald, »wenn ich Sie wäre, würde ich mich erinnern, welche Mühsal ich schon als schwacher Knabe erduldet, und welchen Fleiß und welche Ausdauer ich bewiesen habe, bloß um mir einen Wust von Kenntnissen anzueignen, den ich jetzt froh bin, wieder vergessen zu können – dessen, sage ich, würde ich mich erinnern, und mir eine Wissenschaft zu eigen machen, die ich nicht wieder vergessen möchte, weil ich ihr Jünger sein darf, ohne vorher die freie Vernunft zu knebeln, und weil diese Wissenschaft fruchtbar für mich und fruchtbar für meine Mitbrüder ist.«

»Vortrefflich, vortrefflich«, sagte Herr Bemperlein, »weiter, weiter!«

»Ich würde also mit einem Wort«, fuhr Oswald fort, »mich mit aller Macht auf die Wissenschaften werfen, in denen Sie sich ja schon versucht haben, und würde mich sobald als möglich nochmals in Grünwald inskribieren lassen, diesmal aber nicht, um Theologie, sondern etwa, um Medizin zu studieren.«

»Die medizinische Fakultät in Grünwald ist ausgezeichnet« sagte Herr Bemperlein.

»Sie ist anerkanntermaßen eine der besten in Deutschland«, fuhr Oswald fort. »Dann würde ich noch ein paar andere Universitäten besuchen, wenn das Geld reicht –«

»Geld wie Heu, Geld wie Heu«, rief Herr Bemperlein, »sechs Jahre lang ein prinzliches Einkommen und freie Station, ich bitte Sie, Teuerster, ich habe für ein halbes Jahrhundert zu leben.«

»Dann würde ich ein berühmter Arzt –«

»Wissen Sie«, sagte Herr Bemperlein, stehenbleibend und sich nach den Knaben umsehend, im Flüsterton: »Ich habe schon ein paar von Julius' Kaninchen heimlich mit Blausäure vergiftet und hernach seziert, und die Frösche in dem Sumpf hinter unserm Park haben keine Ursache, meine Freunde zu sein.«

»Bravo!« rief Oswald lachend. »Und dann heiratete ich.«

»Wirklich?« fragte Bemperlein.

»Nun natürlich, und erzeugte ein halbes Dutzend kleiner Bemperleins, die in der Folge alle große Bemperleins und alle Leuchten und Fackeln der modernen Wissenschaft würden.«

»Auch die Mädchen?« sagte Bemperlein lachend.

»Die Mädchen heiraten wieder tüchtige, wahrheitsliebende Männer, und so hülfe ich theoretisch und praktisch die Zeit herbeiführen, wo die Freiheit erscheinen wird, die wir meinen.«

»Ja, ja«, rief Herr Bemperlein, »so geht's, so geht's. Dank, tausend Dank, mein trefflicher Freund, daß Sie die letzten Wolken des Zweifels durch ihre mutigen Worte zerstreut haben. Morgen reise ich mit Julius nach Grünwald.«

»Ich will Ihnen einen Empfehlungsbrief an Professor Berger mitgeben«, sagte Oswald, »er steht mit allen naturwissenschaftlichen Größen in Verbindung.«

Er riß ein Blatt aus seiner Brieftasche, schrieb ein paar Worte an Berger darauf und übergab es Bemperlein.

»Dank, besten Dank!« sagte dieser, das Blatt einsteckend. »Die Bekanntschaft dieses Mannes kann mir sehr nützlich werden.«

»Auf jeden Fall. Sprechen Sie durchaus offen gegen ihn, ohne allen und jeden Rückhalt, dann dürfen Sie aber auch versichert sein, daß er mit seiner Herzensmeinung nicht hinter dem Berg halten wird. Vielleicht empfiehlt er Ihnen, sogleich auf eine größere Universität, etwa nach Berlin zu gehen. Folgen Sie dann seinem Rat.«

»Nous verrons, nous verrons!« rief Herr Bemperlein. »Aber da sind wir bei unserm Parktor angekommen. Sie treten doch näher!«

»Nein, nein!« sagte Oswald hastig. »Ich möchte nicht gern so spät nach Grenwitz zurückkommen.«

»Nun, dann leben Sie wohl! In ein paar Tagen, wenn ich Julius in Grünwald installiert und mich über mich selbst bei Berger ordentlich informiert habe, bin ich wieder hier, um definitiv Abschied zu nehmen. Leben Sie wohl so lange, mein wertgeschätzter Freund!«

»Adieu! Adieu!« sagte Oswald, hastig Bemperlein und Julius die Hand drückend, und Bruno mit sich zurück in den Wald ziehend, als hielte ein Engel mit dem flammenden Schwerte Wache über dem Parktore von Berkow.


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