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An Sibylle.

Impromptu.

Bei der großen Wanderung
All der tausend Götter
Kamen Erd' und Himmel
Öfters in Berührung.
Es entstand Verwirrung
Bald aus dem Getümmel.
Götter wurden menschlich –
Menschen – etwas toll.
Denn die großen Züge
Alle der Titanen,
Und der Uraniden,
Standen diesen Zwergen
Fast wie Riesenlarven
Gräßlich – und kaum schön.
Liebten Götter menschlich –
Litten Menschen göttlich;
Wellen wurden Zeiten
Auf dem ew'gen Meer. –

Und es schien dem Menschen
Alles ohne Grenzen,
Und – Begrenzung suchend
Floh er durch die Welt.
Aber zu den Göttern
Drangen Haß und Laune,
Zorn, und Leidenschaften,
Wuchsen Riesengroß!
– Wenn nun der Titane
Irgend eines Fehlers
Götterkraft erheischend
Mir in's Leben fällt –
Wie soll ich ihn zwingen
Und wie ihn beherrschen?
Er, der Gottgewohnte,
Spottet meiner Kraft! –

Und – wenn mich der Liebe
Ew'ge Gluth ergreifet
Und mein Selbst zerstöret,
Wie soll ich ihr wehren
Die den Zeus beherrscht? –

Aber der Satyren
Und all der Verkehrtheit
Kleinste Zwerg-Gestaltung
Blieb allein auf Erden
Ferne dem Olymp.
Götter können drohen,
Wüthen und vernichten,
Berg' und Meer erschüttern –
Und was thut der Mensch?
Dürfte er nur donnern,
Dürft' in Wehlaut sterben –
Oder wirksam fluchen,
Ruhe sich zu schaffen,
Leicht wär's Mensch zu seyn.
Aber ach! statt deßen –
Ist es nicht erbärmlich!
Wird der Mensch – verdrießlich.
Götter lächeln droben
Seiner kleinen Noth.

Und drum ist's erwiesen,
Daß selbst ew'ge Götter
Ärger als die Hölle,
Styx und ew'ge Qualen
An den dunklen Ufern,
Dieses Elend scheun:
Eifersücht'ges Streben,
Tod, Betrug und Schmerzen
Drangen in die Reihen
Der Olympschen Feste:
Der Verdruß blieb fern!
Sieh nun wie die Götter
Ihre Thore wahrten,
Daß Er, den Atome
Auf den Flügeln tragen,
Der ein Chaos schafft,
Keine ihrer Pforten
Jemahls hat durchbrochen.


An Sibylle. Impromptu

H 2, Seite 25/30. – Signatur Sibyllens: 67. – Vgl. die vorige Anmerkung.


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