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Die Sterne.

Über die Sterne soll ich Dir etwas sagen? weil Du sie liebst, wie ich? Wie wenig, Freund, weiß der Mensch von Allem, was er liebt, zu reden, wie wenig über ein Gefühl, das an sich unaussprechlich! Dennoch, denn Du und ich, wir sind Eins, im Scherz und Ernste des ganzen Lebens folge ich Deinem Willen, der mein Stern! Treulich will ich versuchen, Dir zu schildern, wie jene dort mich meine stille Bahn geleitet, bis ich Dich, mein Heil und Glück, gefunden. Wie der Stern einst die Hirten zu ihrem Herrn, führte der meine mich endlich zu Dir, und alle Nebel schwanden vor dem Glanze der beglückenden Gegenwart. – Du mußt Dich mit mir weit zurückwenden, bis zu meinen Kinderträumen und Spielen, mein Freund, und gleicht nicht das ganze Leben eines glücklichen Kindes einem Traume, der mit Sternen und Blüthen auf gleiche Weise spielt? Dennoch werde ich Dir nie ausdrücken können, wie die goldnen Himmelszierden mir nach und nach lieb und lieber wurden, wie ich als kleines Kind so fest geglaubt habe, daß mein Schutzgeist auf einem der schönen Sterne wohne, wie ich jede Nacht im Gebet zu ihm und seinem lichten Wohnort so fromm und still entschlafen. Daß man bei Tage die Strahlen nicht sehe, deutete ich mir leicht durch das Herabsteigen der Schutzgeister zur Erde, ja oft vergaß ich ganz, daß die Sonne, und nicht die Gegenwart meiner lieben Engel, die Erde erleuchte. – Ich ward älter und kälter, wie's das Leben lehrt. Doch die Phantasie, die freundlich tändelnde Wärterin, die das kranke Herz mit tausend goldnen Träumen vertröstet, brachte mir nächtlich die lieben Zauberbilder zurück. Ich lernte nun die Hieroglyphen mir deuten und fand oft am Himmel Trost, wenn mich die Erde hart verstieß. Die gleiche, immerwährende Bahn der Gestirne lieh meinem Gefühl einen höhern Maaßstab, ich fand den Muth wieder, die ungleich kleinere gefaßt zu wandeln. Die Menschen nennen Euch stumm und kalt, weil eine unermeßliche Weite Euch von uns scheidet; schimmernde, helle Gestirne, mir ward Ihr's nimmer! Scheint Ihr doch oft in Eurer lichten Pracht so fröhlich und fest wie das Vertrauen zu Gott auf uns niederzublicken, und wieder zu andern Zeiten wie ein reines, theilnehmendes Kindesauge in meinen Thränen zu schimmern. Die Sterne sind die Blüthen des Himmels, sagt ein Dichter; wie habe ich die Wahrheit dieser Worte so klar empfunden! Glaube mir, das Schönste unsers Lebens danken wir diesen holden Himmelsblüthen, denn nur, wenn sie unserer Seele recht nahen, wenn wir aus ihren Strahlen die goldne Himmelsbrücke bauen, die uns zu bessern Welten führt, dann steigt das Herrlichste zu uns hernieder und der Himmel erblüht uns auf Erden. – Mir schwand manch liebes Glück, manch Freundesauge hörte auf, mir zu leuchten – mein Weg führte mich durch viele nächtige Tiefen, und ich kann sagen, mein kurzes Leben war ein langer Schmerz. Und sieh, wie mir die Sterne der geliebten Augen schwanden, trat mir wieder der Himmel mit seinen tausend Liebesaugen näher, sie durften meine Thränen sehen, wie einst mein Glück, und der Schmerz des zu kalten Abschieds, bei zu heißer Liebe, den mir die Welt aufzwang, milderte sich in ihrem Anschauen. Wie auf den goldnen Blättern eines Buches zeigte mir Erinnerung und Traum jede Nacht das Entschwundene, denn jedes Gestirn hatte eine Bedeutung für mich erhalten, und ich weissagte mir selbst eine bessere Zukunft aus ihrem Glanz, der mir so hell mein ganzes Leben zurückspiegelte. Oft bildete ich mir spielend Deinen Namen aus jenen klaren Himmelsdiamanten, und sieh, mit ewig unerschütterlichen Zügen stand er am Himmel, wie in meinem Herzen! – Endlich, als die grelle Wirklichkeit mit furchtbarer Helle die ewige Trennung mir zeigte, die uns Gott und Welt geboten, da gaben mir die freundlichen Begleiter tröstend Dein Bild. – Hesperus, der armen Erde Abend- und Morgenbote, in seinem Gruß den lichten Tag verkündend – wie Deine Liebe in meiner Seele die Helle und Sicherheit, mit der ich jetzt die Gegenwart ergreife und auf die Zukunft bauen gelernt. Doch auch die Nacht folgt dem Abendschimmer des schönsten Sterns – Hesperus bist Du auch in diesem Bilde mir, denn es wird nie ein Glückstag mir leuchten, da Du nicht mehr mein Leben erhellst! – Und weil das seyn muß, mein treuer, muthiger Freund, so laß uns mit ruhigem Blick die angewiesene Bahn durchwandern, wie die Sterne das Bild einer Sonne, sei unser Leben das treue Bild des ewig leuchtenden! Nie wirst Du meinem Herzen schwinden, in allen Wellen meines kleinen Lebens, so rasch sie auch vorübereilen mögen, spiegelt sich Dein Bild. Wie der tiefblaue Strom dort unten, trage ich meinen Himmel und seine Sterne all in meinem Innern. Es sind nur Bilder, aber sie erneuen sich stets; es ist nur Schatten, aber es ist mein Glück. Wir sind für diese Welt geschieden, aber ein festes Band hält Dich, wie mich, und wie am Himmel die Gestirne, wandeln alle unsere Gefühle im ewigen Kreise, ohne sich zu berühren; aber dennoch eng verbunden durch ein Gesetz, neben einander hin. Und so – lebe wohl! was giebt es außer diesem Wort noch für uns zu sagen? – ach, armer Freund! dieß Blatt bringt Dir ein neues Sternbild, fröhlich begann ich's, wie sie ihre Bahn, in Träumen stiller Nacht, der Tag bricht an – und sie und meine Worte verlöschen langsam – zitternd vor der Sonne.


Die Sterne

H 1, Seite 66/69. – Signatur Sibyllens: O.


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