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Redouten-Späße.

Als Pilger abgegeben an einige Masken.

1.
An Undine (Minchen Münchhausen).

Seh' ich im Tanz so feenleicht Dich schweben,
Glaub' ich, Du seyst der leichten Welle Kind,
Begrüße froh Dein zephyrleichtes Leben,
Unstät, wie sie, glaub' ich Dich leicht gesinnt.

Seh' ich dann ernst in Deiner Augen Sterne,
Fühl' ich die Seel', die nicht Undinen fehlt,
Besinne mich, daß grüßend aus der Ferne
Vielleicht ein Herz zum Boten mich erwählt.

Denn meine Fahrt, mein luftig Pilgerleben
Dreht um ein Ziel, das reizend, sich herum,
Von Fernen soll ich Fernen Kunde geben.
Daß sie sich grüßen, bleibt der Mund gleich stumm.

So wandl' ich denn von Einem zu dem Nächsten,
Und grüße hier, und wandle grüßend fort –
Erfreue All', die Kleinsten, wie die Höchsten,
Denn jeder denkt sich, was er liebte, dort.

2.
An eine schwarze Dame.

Von dunkeln Schatten tief umgeben,
Begrüß' ich Dich als lichten Stern!
Wo ich Dich seh, wird Licht das Leben,
Und dunkel wird es nur – Dir fern.

3.
An eine Flora, die mit lauter Rosen geschmückt auf dem Balle erschien.

Floren sucht' ich, und fand Auroren!
In Rosen sich kündet der Frühling durch Floren,
Ist's nicht einerlei, obs der Frühling oder die Sonne sei?
Wo sie erscheint, wird's Frühling und Licht!
Weil der Morgenstern der Lieb' aus dem Aug' ihr spricht.

4.
An Libussas stolze Jungfrauen.

Jungfrau'n, vergebens steckt Ihr im Panzer!
Glaubt mir: das Herz wird Euch darum nicht ganzer.

*

Ei, ei! Libussas weise Frauen!
So nöthig ist Euch Panzer und Helm?
Ist Eurem Kopf so wenig zu trauen,
Und das Herz gegen Euch selbst der Schelm?

5.
An die schönste Frau auf dem Ball.

Die Fasten, sagt man, gehen an?
Wie soll man das verstehen?
Wer, holde Frau, Dich sehen kann,
Wird alles Irdische verschmähen.
Er wird nicht Nacht, nicht Fasten spüren,
Und jeden Lag als Festtag veneriren.


Redouten-Späße. Als Pilger abgegeben an einige Masken

H 1, Seite 33/38. Im letzten Vers verbessert Adele »Festtag« aus »Fasttag«, wie die Abschreiberin sinnloserweise geschrieben hatte. – Sibyllens Signatur: 46.

Von Redouten, »Mummereien«, Bällen und ähnlichen Vergnügen ist in Adelens Tagebuch und in Ottiliens Briefwechsel natürlich sehr oft die Rede, es ergaben sich aber keine Anhaltspunkte zu einer sicheren Datierung dieses Gedichtes. »Die Mummerei ist erst in acht Tagen«, schreibt Ottilie im Februar 1816 (Nachlaß I 193); im selben Jahre erwähnt der Briefwechsel zweimal den Namen Mienchen, worunter wohl Minchen Münchhausen gemeint ist. Bei dem »Maskenzug bei Allerhöchster Anwesenheit Ihro Majestät der Kaiserin Mutter Maria Feodorowna in Weimar. Den 18. Dezember 1818«, bei dem Adele als »Tragödie« Goethes Verse sprach (vgl. Einleitung. S. 17), machte »Frl. von Münchhausen, die jüngere« das Marketenderkind, wohl auch eines der »Weihnachtskinder«, die ältere Schwester eine Marketenderin und Frau von Münchhausen die »Fürstin Mutter«. Der »pilgernde Genius« am Schluß legte das Maskenmotiv des Pilgrims bei weniger feierlichen Gelegenheiten nahe. Am 12. März 1819 (siehe Tagebuch vom 13.) ging Adele mit Ottilie »als Jenaische Botenfrau auf die Redoute«, wobei sie ähnliche versifizierte Botschaften ausgeteilt haben dürfte. – Nach dem Jahre 1819, das Adelen und ihrer Mutter den Verlust eines Teils ihres Vermögens brachte, lebte sie wohl zunächst etwas eingezogener, doch schwärmte sie im Februar 1822 mit Ottilie »von Ball zu Ball«; »auch die Redoute ward besucht«. Im Juni 1824 geht Adele nach ihrem handschriftlichen Tagebuch »nach Steinburg zu Münchhausens auf 3 Tage«; 1825 sieht sie die Oper »Libussa« von Spohr in Kassel; 1830 meldet ihr »Mienchen Münchhausen« den Tod ihres Sohnes (Ottiliens Nachlaß II 286), und zu den Freundinnen, denen Adelens Testament ein Andenken sicherte, gehörte ein Fräulein Münchhausen. Der sorglos fröhlichen Stimmung wegen dürften die Verse der Zeit angehören, die in gesellschaftlicher Beziehung für Adele den Höhepunkt ihres Weimarer Lebens bildete, also etwa dem Winter 1818/19.


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