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Als ich nach langer Ungewißheit die erste Nachricht bekam.

Du lebst! obschon mir unerreichbar ferne!
Du lebst! wenn auch nicht mir Dein Auge lacht,
Dem Glück der Näh' entsag' ich schweigend gerne –
Dein Lebensglanz erleuchtet meine Nacht!

Dein Name klang in den verwöhnten Ohren,
Und licht und schön ward plötzlich mir die Welt.
Du lebst! und so bist Du mir unverloren,
Wenn auch sonst nichts uns aneinander hält.

In meiner Seele tiefsten Lebensquellen
Da spiegelt klar sich Deines Herzens Bild,
Mag uns die Welt mit Klippen rings umstellen,
Kein Schatten hat je seinen Glanz umhüllt.

Weil ich es weiß im tief geheimsten Leben,
Daß mein Du bist, wie ferne Du auch gehst –
Drum laß ich Dich, mir bist Du doch gegeben,
Weil Du allein mein ganzes Seyn verstehst.

21. März 1824.


Als ich nach langer Ungewißheit die erste Nachricht bekam

H 1 Seite 59. – Signatur Sibyllens: 53.

Osann, dessen Briefe nur sehr spärlich einliefen, kam im Juni 1824 nach Weimar, bemühte sich aber in seiner Heimat vergeblich um eine Anstellung. Am 4. August reiste er wieder nach Dorpat zurück, Adele zur selben Zeit an den Rhein. Sie betrachtete sich jetzt als seine Braut, jeder Zweifel war von ihr gewichen, wie sie selbst sagt. Das hinderte sie übrigens nicht, in Schlangenbad mit einem Grafen Luckner zu kokettieren und in Wiesbaden ein Verhältnis mit einem einundzwanzigjährigen Göttinger Studenten namens G. F. Ludwig Stromeyer anzuknüpfen, den ihr ihr Vetter Eduard Gnuschke zuführte; vgl. darüber die Anmerkung zum nächsten Gedicht. Erst als Adele wieder daheim in Weimar war, kam ihr manchmal der Gedanke, ob ihre Verlobung mit Osann nicht lediglich ein Produkt ihrer Einbildung sei, und begann sie zu ahnen, daß ihre Hoffnungen ihm nach wie vor fremd waren.


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