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18

Es war dem griechischen Trifolium nicht verborgen geblieben, daß die Kaiserin mit unverhohlener Absicht allen Verkehr mit ihm mied, daß sie auch Callistus aus dem Wege ging, obwohl ihre Geldnöte sie kurz zuvor immer wieder gerade ihm zugetrieben hatten.

Eine Zeitlang nahmen die drei die zur Schau getragene Verachtung Messalinas ruhig hin, denn sie hielten diese Wandlung im Verhalten der Domina für eine Laune, der sie keine besondere Bedeutung beimaßen. Als aber wider alles Erwarten die abweisend feindliche Haltung der Kaiserin anhielt, packte sie Unruhe und Sorge.

Sie traten zusammen, um Mahnahmen gegen einen Verrat Messalinas zu treffen.

»Von euch bin ich es, der sie am besten kennt,« eröffnete Narzissus die Beratung. »Diese Frau sucht nach dauernder Abwechslung in der Liebe. Ich bin überzeugt, sie übt jetzt bewußt und raffiniert Entsagung, um ihre Leidenschaft auf den Siedepunkt zu treiben und dann um so toller loszustürmen auf das, was sie ›leben‹ nennt. Denn Erotik und Leben sind für diese sinnliche Frau gleiche Begriffe. Ich rate daher: laßt sie in Ruhe. Es wird sich alles von selbst wieder einrenken.«

Callistus schüttelte den Kopf.

»Ich kenne sie nicht, wie du als Weib,« entgegnete er dem Freunde. »So bin ich wahrscheinlich der unparteiischste Beurteiler von uns dreien. Wenn eine zügellose Frau urplötzlich sich zügelt, so muß mehr dahinter sein als eine Laune. Ich bin dafür, daß wir uns vor allem Klarheit verschaffen über die Ursache dieses Sinneswechsels einer Frau, die bis jetzt doch wahrhaftig keine Rücksicht kannte, wenn ihre nymphomanen Begierden Befriedigung forderten.«

»Wozu?« fragte Pallas verächtlich. »Seien wir zufrieden, daß wir uns ihrer vollkommen entäußern können. Sie gibt uns die Gelegenheit dazu an die Hand dadurch, daß sie sich dem persönlichen Verkehr mit uns entzieht. Nichts darf uns willkommener sein! Was hat sie heute noch für uns für einen Wert?! Solange sie auf wilde Abenteuer ging, mußte sie uns fürchten, uns ein willfähriges Werkzeug sein, wenn es galt, Claudius gefügig zu machen. Das entfällt jetzt. Sie lebt wie eine Vestalin. Damit ist sie für uns nutzlos geworden. Denn gegen die alten Sünden kann sie stets ihre neu getätigte Reue ins Feld führen und den weichmütigen Claudius trefflich rühren. Im übrigen verlor sie ihren Wert für uns schon lange. Denkt an den Prozeß gegen Asiaticus. Da schon löckte sie gegen den Stachel und hätte die Sache beinahe zum Scheitern gebracht.«

»Sie hat die ihr zugesprochenen herrlichen Gärten des Lucullus noch nicht ein einziges Mal betreten,« flocht Callistus nachdenklich ein. »Und vorher war ihr jedes Mittel recht, das ihr den Besitz der Wundergärten sichern konnte.«

»Erst recht ein Beweis vollkommener Sinnesänderung,« beharrte Pallas. »Glaubt mir, Freunde, diese Frau ist eine lodernde Gefahr für uns geworden! Und wenn ich vorhin sagte, wir sollten uns ihrer entäußern, so meine ich das nicht nur im bildlichen, vielmehr in handgreiflichstem Sinne.«

Nach dieser grausamen Offenheit des Pallas herrschte geraume Weile Schweigen.

Narzissus schüttelte zuerst das Grauen ab.

»Zur Gewalttat biete ich nicht meine Hand. Es gab eine Zeit, in der ich diese Frau liebte,« sagte er fest.

Sogar Callistus bekannte: »Dem schließe auch ich mich an. So feige bin ich denn doch nicht, den Mord an einem Weibe zu befürworten, im Grunde verdanken wir ihr doch alles, was uns zu erreichen glückte. Nein, keinen Mord!«

»Wer spricht denn davon, daß wir selbst – handeln sollen?« rief Pallas scharf.

»Ob wir selbst es vollbringen, ob jemand in unserem Auftrage handelt oder durch uns veranlaßt wird zu handeln, macht nicht den geringsten Unterschied,« trotzte Narzissus. »Ich warne dich, Pallas! In dem Augenblicke solch höchster Gefahr würde ich meine Hand schützend über die Kaiserin halten. Wehe dem, der diese Hand beiseitezustoßen wagte!«

Callistus suchte zu vermitteln.

»Uns ihrer entäußern – meinetwegen. Das kann aber auch auf unblutigem Wege geschehen. Sie glaubt unser nicht länger zu bedürfen. Wir hingegen müssen ihr beweisen, daß in unsern Plänen längst eine andere ihre Stellung eingenommen hat.«

»Das wäre?« Pallas und Narzissus sprachen zugleich.

»Agrippina,« rief Callistus kurz und fest.

Auf ein bedächtig zustimmendes Kopfnicken des Pallas hin fuhr er fort: »Agrippina hat ihre feindliche Haltung niemals aufgegeben. Noch immer liegt sie wie eine Tigerin zum Ansprunge gegen die gehaßte Messalina geduckt. Unser armer Freund Polybius suchte zu seinem Unheil daraus Nutzen zu ziehen. Damals lagen die Verhältnisse denkbar ungünstig. Heute ist das anders. Polybius schoß am Ziele vorüber, denn als er den Bogen anlegte, war sein Blick getrübt. Diesen Fehler werden wir zu vermeiden wissen. Agrippinas Ehrgeiz wird nicht rasten, ehe er nicht befriedigt und sie nicht Kaiserin ist. Dabei interessiert es uns wenig, ob sie den glühenden Wunsch nur aus Haß gegen Messalina hegt, ob für sich selbst oder für ihren Sohn Nero.«

Die anderen nickten stumm.

Callistus fuhr eifrig fort:

»Zweifelt nicht, Freunde, lassen wir sie nur leise ahnen, daß wir bereit wären, ihr jetzt beizuspringen, so haben wir diese kluge und zähe Frau für uns gewonnen. Freilich werden wir der Löwin die Krallen beschneiden müssen, wenn wir uns ihrer bedienen wollen.«

Wieder nickten die beiden Gefährten schweigend.

»Die Rede des Cajus Silius im Senat«, sprach Callistus weiter, »hat den Boden unter unsern Füßen unterhöhlt. Wir werden sein Wanken bald spüren. Abertausend Mäuler plärren dem Silius seine rührsamen Banalitäten nach. Der Kaiser ist gepackt. Er hört nicht aus uns, der Schwachkopf hört stets nur auf ein Weib, das seine Sinne kitzelt. Messalina hat ihren Einfluß auf ihn durch die Asiaticusaffäre verloren. Also, Freunde, laßt uns das unbrauchbar gewordene Werkzeug durch ein brauchbares ersetzen! Ich wüßte keine Frau, die hierzu besser geeignet wäre als Agrippina. Sie bedarf unser ebensosehr wie wir ihrer. Das wird sie bei klug geübter Vorsicht in unsre Hände liefern, ohne daß wir uns ihren Händen auszuliefern brauchen.«

Als Callistus schwieg, nahm Pallas das Wort: »Wenn ich deine Ausführungen zusammenfasse, so meinst du, wir sollten Messalina als Kaiserin verdrängen und Agrippina zur Kaiserin machen.«

»Bloß verdrängen, nicht beseitigen!« rief Narzissus eindringlich.

»Ja doch, ja doch!« gab Pallas ärgerlich zu. »Aber was stellst du dir unter diesem Verdrängen eigentlich vor, Callistus? Etwa die Scheidung? Dann müßten Beweise zur Stelle geschafft werden. Dieser Weg ist außerordentlich gefährlich. Er würde uns selbst in die Angelegenheit verwickeln. Denn die Kaiserin würde uns Duldung und Zustimmung und« – er blickte Narzissus eindeutig an – »mehr noch nachweisen. So können wir aus Anklägern zu Angeklagten werden.«

Da lachte Callistus zynisch auf: »Freunde, die Dame, von der wir reden, hat zum Schaden anderer oft genug mit falschen Zeugen und Meineiden erfolgreich gearbeitet. Jetzt wird sich der Spieß einmal umkehren. Es sollte uns doch nicht allzu schwer fallen, die angeschuldigte Kaiserin als erbärmliche Lügnerin hinzustellen, die nur an uns, ihren Anklägern, Rache nehmen will!«

»Bravo!« rief Pallas.

Narzissus wandte sich ab, sein zuckendes Gesicht zu verbergen.

»Und jetzt noch etwas,« hob Callistus wieder geheimnisvoll an. »Wir klagen die Kaiserin eines Ehebruches an, an dem wir wirklich unschuldig sind.«

Die beiden Komplizen blickten erwartungsvoll neugierig auf.

»Mnester!« rief er triumphierend.

»Du lügst!« schrie Narzissus und hob die Faust.

»Ich habe bündige Beweise,« lächelte Callistus mitleidig ironisch.

Pallas triumphierte: »Dann allerdings bedarf es der Handgreiflichkeiten gegen Messalina nicht. Wenn der brave Claudius erfährt, ein geschminkter Fratzenschneider und Bühnenhopser habe ihm das Ehebett geschändet, wird der Blitz einschlagen und zünden. In Claudius ist das Gefühl, ein Plebejer zu sein, absichtlich großgezogen worden. Und wie Plebejer sind: wenn sie zu Ansehen gelangen, verabscheuen sie nichts so sehr als das Plebejertum.«

»Dann wären wir uns also einig und können die Sitzung aufheben,« vollendete Callistus.

Narzissus äußerte nichts. In ihm bohrte die Eifersucht auf Mnester. Er hatte ja auf seine Beziehungen zu Messalina nicht verzichtet, weil er ihrer überdrüssig geworden wäre, sondern nur auf das Drängen der Freunde. Sie drangen unaufhörlich in ihn, der unter die Hörigkeit der leidenschaftlichen Frau geraten war, sich aus Gründen der Klugheit und des Wohles seiner Freunde von ihr zu lösen.

Er biß die Zähne zusammen, daß sie laut knirschten. Dieser Mnester sollte es büßen! –

Pallas begab sich sogleich zu Agrippina. In der langwährenden Unterredung lehnte sie seine Vorschläge zunächst ab. Sie betonte, es sei ihr Ehrgeiz, selbstständig und ohne fremde Hilfe zu dem Ziele zu gelangen, das sie sich gesetzt habe. Sie hatte die Schmach nicht vergessen, die ihr die Griechen einst im Gemache des Kaisers angetan hatten.

Erst als Pallas sie an ihre Mißerfolge erinnerte und mit überzeugender Redekunst nachwies, diese Mißerfolge beruhten lediglich auf fehlender Hilfe und mangelhafter Vorbereitung, ließ sich die herrschsüchtige und willenseitle Frau auf Verhandlungen ein. Ihr erstes Nachgeben schmiedete Pallas klug zu einer bindenden Vorbesprechung. Ganz unmerklich leitete er die in ihrem Hasse unvorsichtige Frau zu unwiderruflichen Verpflichtungen hinüber. –


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