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10

Die gigantischen Pläne der Wasserleitung und des Hafenbaues zu Ostia brachten enorme Summen in Umlauf. Messalina merkte bald, daß von diesem Gelde Unsummen durch die Hände der Freigelassenen Narzissus, Pallas und Callistus liefen und an ihnen haften blieben. Ihre Vermögen wuchsen schnell. Das war unschwer zu erkennen an dem Luxus, mit dem die drei Griechen sich umgaben. Selbst der kaiserliche Hof konnte kaum noch mit ihren Haushaltungen wetteifern.

Namentlich Narzissus tat sich unklug hervor, erwarb Gärten, Villen und Paläste und stattete sie mit einem künstlerischem Pomp aus, der bisher in Rom nicht geschaut worden war. Narzissus galt jetzt für den reichsten Mann in Rom. Man sagte von seinem Vermögen, es sei so gewaltig, daß es nicht mehr abzuschätzen sei.

Auch Pallas hatte einiges hinter sich gebracht, wenn er auch nicht die unzählbaren Millionen seines Landsmannes besaß. Er war weniger geschäftstüchtig als Narzissus, vielleicht aber hatte er auch weniger Glück in seinen Spekulationen. So schlug er andere Wege ein, seinen Reichtum in die Höhe zu treiben. Bisweilen griff er dabei zu recht bedenklichen Mitteln, ließ aber jeder unsauberen Manipulation sofort irgendeine Großtat folgen, um derentwillen man ihm rasch verzieh.

So hatte er jetzt ein Gesetz entworfen, das der Hebung der Sittlichkeit dienen und den üppig blühenden Umgang vornehmer Frauen mit ihren Sklaven unterbinden sollte.

Das war Wasser auf die Mühle der Plebs! Ein Angriff gegen diese noblen Weiber, die glaubten, sich alles gestatten zu dürfen! Bravo! Das war einmal eine Tat! Und die armen Volksklassen priesen jubelnd den griechischen Ratgeber des Kaisers.

Claudius, dessen Interesse an Rechtsfragen stets naiv rege war, begeisterte sich für den Gesetzentwurf. Er war mühelos dahin zu bringen, den Antrag in einer formvollendeten Rede vor dem Senate zu vertreten. Was Pallas erwartet hatte, traf ein: der Senat war im Handumdrehen gewonnen und billigte dem Griechen hohe Ehren zu für den Dienst, den er dem Staate abermals erwiesen hatte.

Der Kaiser jedoch ging noch weiter – genau so weit, als Callistus und Narzissus es ihm vorschrieben. Beide nahmen sich des Gefährten Pallas freilich nur so fürsorglich an, weil sie dem Neide des weniger begüterten Kollegen vorbeugen wollten. So stellte denn Claudius, nicht ahnend, daß er nur fremder Einflüsterung Worte und Leben verlieh, mit wichtiger Miene den Antrag: der Senat möge Pallas als weitere Belohnung seiner Rechtlichkeit ein Geldgeschenk von fünf Millionen Sesterzien zusprechen.

Auch das wurde bewilligt.

Ganz Rom hallte wider von diesen großartigen Senatsbeschlüssen. Und nur die Einsichtigen durchschauten die Bereicherungswut dieser gefährlichen Hofkamarilla. Doch weil sie einsichtig waren, schwiegen sie. Denn kluge Leute wissen das kurze, einmalige Leben zu schätzen.

Das niedere Volk aber ließ sich täuschen. Man verstand ihm vorzuspiegeln, daß die leitenden Staatsmänner den größten Teil der erworbenen Reichtümer der Menge zufließen liehen. Zunächst erinnerte man die Plebs klüglich an die perverse Gepflogenheit des irrsinnigen Caligula, Geldstücke und tödlich spitze Pfeile in die Menschenmassen zu werfen. Als diese Erinnerung genügend aufgerüttelt war, bereitete man Umzüge vor und gab bekannt, diese Veranstaltungen würden den Römern beweisen, welch gütiger Cäsar die Würde des Principates jetzt vertrete und von welchen wohltätigen Ratgebern des Imperators die Geschicke des Staates zum Heile der Welt und des römischen Volkes nun geleitet würden.

Den Plan hatte diesmal Callistus entworfen. Freilich ahmte er mit ihm nur eine Idee jenes furchtbaren Protogenes nach, der, eine Kreatur Caligulas, der Erfinder der grausamen Wurfpfeile des wahnwitzigen Kaisers gewesen war. Wurfgeschosse anderer Art – so ließ man im Volke verbreiten – würden diesmal herniederregnen.

Kaiser Claudius, die Kaiserin Messalina, Narzissus, Pallas und Callistus, ferner zwei hohe Würdenträger des Palatiums würden in je zwei der vierzehn Regionen Roms bestimmte Straßen in triumphartigen Umzügen durchfahren und Geschenke unter die Menge werfen.

Tausende und Abertausende drängten und schoben sich in den an den Anschlagsäulen bekannt gegebenen Gassen. Doch wenn man Wagen voller Gaben erwartet hatte, sah man sich zunächst herb enttäuscht. Allerdings, das höfische Gepränge ließ der Schaulust der Römer nichts zu wünschen übrig. Doch man war nicht gekommen, nur zu sehen. Man war erschienen, zu empfangen. Mit geringer Freude und wenig Festesstimmung sah man von den kaiserlichen Wagen kleine leichte Holzkugeln aus die Köpfe der Harrenden niederrieseln – aus den eifrig spendenden Händen der jungen Kaiserin und der andern Vornehmen. Doch bald wurde aus dem dumpfen Grollen der Enttäuschung ein Sturm der Dankbarkeit. In die Holzkugeln eingebrannt entdeckte man kurze Anweisungen auf alle erdenklichen nützlichen Geschenke, die zur Verteilung aufgestapelt waren in gewaltigen, in den Kornhäusern untergebrachten Lagern.

Das Volk war wiederum für lange Zeit beruhigt und zerbrach sich nicht länger den Kopf darüber, wohin der unermeßliche Goldstrom floß, der in wenige Hände rauschte. Man sah ja nun, wozu der Reichtum des Staates verwendet wurde!

Dieser zufriedenen Stimmung gegenüber mußten vollends jene Tieferdenkenden verstummen, die in wort- und tatenlosem Unwillen den größten Teil der für die Staatsbauten der Wasserleitung und des Hafens bestimmten Gelder in die Taschen des griechischen Trifoliums verschwinden sahen.

Zu diesen Erkenntnisreichen gehörte auch Messalina. Freilich blieb ihr das Wohl der Römer dabei gleichgültig. Sie ärgerte sich, daß ihr nur eine bestimmte, genau festgesetzte Summe zur Bestreitung ihres Aufwandes zur Verfügung stand. Was bedeutete diese Apanage gegen die Vermögen eines Pallas, Callistus oder gar eines Narzissus! Welcher Hohn war diese kümmerliche Abfindung gegen die Schätze, die Agrippina von Crispus Passienus geerbt hatte! Die Julierin lebte äußerlich weit kaiserlicher als die Gattin des Imperators. Wollte Messalina in verletzter Eitelkeit nicht hinter ihr zurückstehen, so mußte sie verschwenden. Verschwenden aber bedeutete Schulden machen. Sie tat es mit Talent.

Dabei erwies es sich überraschend schnell, daß die Maßlosigkeit ihrer Ausgaben auch ihre Schulden lawinenartig anschwellen ließ. Sie mußte sich nach Einnahmequellen umsehen. Deshalb beschied sie eines Tages den wiedergewonnenen Freund Narzissus zu sich. Er, der mühelos Millionen auf Millionen häufte, dieses Kaufmannsgenie, mußte Rat wissen.

Auf diesen Augenblick hatte das griechische Dreigestirn nur gewartet. Scharfäugig hatten sie dem sinnlosen Vergeuden der Kaiserin zugesehen. Sie lauerten auf eine neue Gelegenheit, die Gattin des Cäsars von einer anderen Seite her unter den Einfluß der wahren Regenten des römischen Reiches zu beugen.

Narzissus hörte zunächst schweigend die Klagen Messalinas an, die sich in lebhaften Vorstellungen über den unhaltbaren Zustand erging, daß eine Verwandte des kaiserlichen Hauses, Agrippina, weit mehr Prunk entfalten könne als die höchste Frau im Staate.

»Ich fühle, nein, ich sehe vielmehr, wie ich nach und nach an Ansehen verliere,« schalt Messalina aufgebracht. »Man blickt über die zur Bescheidenheit gezwungene Kaiserin hinweg und erweist der Nichte des Imperators Aufmerksamkeiten, weil sie mit einem Pomp auftritt, gegen den ich vergeblich kämpfte. Ich bin in diesem Kampfe unterlegen! Ist es nicht ein Schimpf ohnegleichen, wenn mein Hofmeister mir heute eröffnet, daß ich in einem Zeitraum von nur vier Monaten schon den mir für dieses Jahr ausgesetzten Betrag erschöpft habe?! Was soll ich anfangen?! Soll ich zwei Drittel des Jahres betteln gehen?!«

Sie schritt erregt auf und nieder. Ihr Gewand rauschte.

»Ich hörte zu meinem Staunen, du wärest grausam geworden, Gebieterin,« warf Narzissus gleichmütig ein. »Du ließest deinen Hofmeister für seine üble Nachricht mit dem Leben büßen.«

Messalina blieb stehen, wandte sich dem Griechen zu und warf heftig den Kopf zurück. Eine Hitze strömte von ihr aus.

»Das tat ich,« rief sie trotzig, »inmitten vieler Greuel blieb ich lange genug geduldig. Nun habe ich gelernt, Furcht zu verbreiten. Ich hoffe, man merkt sich die Lehre allerseits.«

Etwas ruhiger fragte sie dann: »Was habe ich von dir zu erwarten?«

Narzissus lächelte. »Werde auch ich mit dem Leben zu büßen haben, wenn mein Bescheid ungünstig ausfällt?«

Da hing sie an seinem Halse und bedeckte sein Gesicht mit brennenden Küssen. »Dich liebe ich – das schützt dich. Aber du mußt mir helfen! Du mußt! Ich ertrage diese Kleinkrämerei nicht länger! Dieses ewige Sparen und Bedenken und Knausern. Und diese beschämende Zurücksetzung hinter der protzigen Julierin!«

»Ich begreife deinen Zorn, süße Freundin,« nahm er zögernd das Wort. »Leider fehlt mir die Macht, dir behilflich zu sein, über die Finanzen des Kaisers, und damit auch über die deinen, entscheidet allein Pallas. Deine wohlberechtigten Vorwürfe berühren mein Amt leider nicht. Die Ämter aber müssen streng geschieden sein, wenn in der Maschinerie des Staatswesens nicht Hemmungen oder Reibungen entstehen sollen. Wollte der Kaiser oder wolltest du hier nach Belieben eingreifen, wollte ich mich in die Geschäfte meines Freundes oder wollte er sich in die meinen mischen, so würde sehr bald unlösliche Unordnung entstehen. Nur eine einzige Hand kann einen bestimmten Hebel bedienen.«

Messalina unterbrach ihn unwillig. »Ich habe dich nicht zu mir gebeten, um einen Vortrag über Staatskunst zu hören. Ich wollte –«

»Verzeih,« fiel er ihr ins Wort. »Ich will dir doch nur erläutern, daß Pallas die Instanz ist, mit der du verhandeln mußt, wenn es sich um außerordentliche Geldbewilligungen handelt.«

»Mit Pallas habe ich bereits verhandelt,« bekannte Messalina bitter. »Er rechnete mir langweilig vor, daß der Etat eine stärkere Belastung nicht ertrage. Zahlen, nichts als Zahlen, Summen, nichts als Summen! Doch was nützen mir Summen, wenn ich nicht über sie verfügen kann!? Unsere Unterhaltung glich dem Versuche, in einer Kornmühle Wasser zu mahlen.«

»Pallas wird wissen, wie weit er gehen darf,« entschuldigte Narzissus den Freund. »Wenn Bewilligungen über die verfügbaren Mittel hinausgehen, muß er sie als kluger Verwalter der verfügbaren Mittel verweigern.«

»Hier ist nicht von Bewilligungen die Rede!« schrie sie ergrimmt. »Ich stelle als Kaiserin Forderungen. Ich bettele nicht um gnädige ›Bewilligungen‹!«

Narzissus zuckte geschmeidig die Schultern.

»Staatsgelder – und nur solche stehen der Kaiserin zu Gebote – dürfen nicht zur Erfüllung von Forderungen dienen, die du als Privatperson stellst,« belehrte er mit einem nachsichtigen Lächeln. »Es gäbe aber vielleicht einen Ausweg, dir zu helfen. Du müßtest deine letzten Mittel – natürlich nicht als Kaiserin – zu Spekulationen verwenden.«

»Ich besitze nichts mehr,« gestand sie voll Zorn. »Nichts. Mein Ehegut wurde vollständig aufgezehrt durch die Dotationen, die Claudius den Prätorianern zusagte, als sie ihn zum Imperator erhoben.«

»Bedauerlich,« meinte der Grieche kurz und kalt.

»Ich hätte mir in einem Ehevertrage die Zurückerstattung meines Vermögens ausbedingen sollen. Aber wer konnte ahnen, daß die Kaiserin der Erde eine Bettlerin sein würde!«

»Na – na!« sänftigte Narzissus.

»Eine Bettlerin!« erhärtete Messalina erbost. »Kann ich nicht nachträglich noch die Staatskassen für mein Geld haftbar machen? Was gehen mich die Prätorianer an?!«

»Kaum. Denn der Staat wollte ja eigentlich von einem neuen Imperator nichts wissen. Der Plan der Ermordung Caligulas strebte eine grundlegende Umwälzung, die Rückkehr zur republikanischen Verfassung, an.«

Messalina nagte überlegend die Unterlippe. Dann begann sie:

»Wir wollen einmal ganz offen miteinander reden, mein lieber Narzissus. Wenn ich ein wenig deutlich werde, halte es meiner Zwangslage zugute.«

Er verbeugte sich gewährend, erstaunt.

»Mir, wie ganz Rom, ist bekannt, daß du und deine Freunde Unsummen verdienen an dem Bau des Aquädukts und der Hafenbauten in Ostia. Ich habe die Absicht, mich als Partnerin bei euch zu beteiligen.«

»Das geht leider nicht,« gab er ohne jede Beunruhigung Auskunft. »An solchen Unternehmungen kann man sich materiell nur beteiligen, solange ihre Finanzierung noch nicht abgeschlossen ist. Das ist nun natürlich längst geschehen, und die Arbeiten befinden sich in einem Stadium, in dem sich die Einlagen bereits verzinsen.«

»Schufte!« knirschte Messalina.

»Du hast heute keinen liebenswürdigen Tag,« tadelte sanft der Geliebte. »Aber es gibt in Rom noch allerlei Gelegenheit zur Geldvermehrung. Freilich – ich weiß nicht recht, ob ich sie dir nennen darf.«

»Mir ist jedes Mittel recht,« warf sie hastig ein.

»Es handelt sich dabei um deinen Einfluß auf den Cäsar.«

Die Kaiserin unterbrach mit einer abweisenden Gebärde. »Ein längst verbrauchtes Mittel. Aus diesem Einflusse möchtest selbstverständlich du samt deinen Getreuen den Hauptnutzen schlagen. Laßt mich damit endlich zufrieden.«

»Diesmal dürfte dein Einfluß dir selbst am nützlichsten werden. Vorausgesetzt, du hast den Mut, ihn auszubeuten.«

»Erkläre dich deutlicher,« drängte Messalina.

Geduldig fuhr Narzissus in beabsichtigt leichtem Plaudertone fort:

»Es gibt in Rom vermögende Junggesellen die Fülle. Sie scheuen die Ehe, weil der Lebensunterhalt der römischen Frau heute Unsummen verschlingt, die diese Herren lieber allein genießen wollen.«

Er zögerte eine Sekunde und blickte zu Boden. Dann sprach er weiter:

»Was ist im kaiserlichen Rom leichter, als eine Anklage gegen irgend jemand zu erheben? Der Kaiser hat stets ein offenes Ohr, wenn man ihn auf Anschläge gegen seine Würde als Princeps oder gegen sein Leben aufmerksam macht. Doch was brauche ich dir das zu beteuern! Zürne mir nicht, wenn ich an Polybius erinnere. Ich weiß nicht, ob dir bekannt ist, daß Claudius vor kurzem in seiner Angst vor Verschwörungen ein Gesetz durchgebracht hat, das dem Entdecker oder Ankläger einen Teil des staatlich eingezogenen Vermögens solcher – – Verschwörer zuspricht. Ein gefährliches, unmoralisches, verführerisches Gesetz, ohne Frage. Doch es besteht nun einmal. Wenn die Kaiserin selbst nun zum Ankläger würde, so dürfte niemand wagen, sie mit einem geringen Anteil an der Beute abzuspeisen. Wem aber würde nach dem Vorkommnis mit Polybius der Kaiser mehr Glauben schenken als dir? Zeugen sind leicht zu erkaufen. Denn wer sich gegen die Zeugenschaft wehrt, muß gewärtig sein, selbst verdächtigt zu werden.«

Messalina blickte den Versucher sprachlos an. Sie fühlte sich von diesem abgefeimten Vorschlage so tief verletzt, daß Beschämung ihr die Worte raubte. Sie starrte staunend in das männlich schöne Antlitz des Geliebten. Wie konnten hinter dieser edlen Stirn des in der Liebe so zärtlichen und zarten Mannes solch schurkische Entwürfe entstehen?!

Sie ahnte freilich nicht, daß der Vater dieses Planes der in Caligulas Freundschaft verderbte Callistus war. Sie wußte nicht, wie vieler Überredung es bedurft hatte, Narzissus zum Vollstrecker dieses Planes zu bestellen. Die Geldverlegenheiten der Kaiserin waren durch Pallas künstlich herbeigeführt worden. Ihm wäre es ein leichtes gewesen, die Forderungen Messalinas zu erfüllen, jedoch seit dem Todesurteil über den verschwundenen Polybius fürchteten er und Callistus den Einfluß, den die junge Frau auf den Gatten übte. Sie mußte ihrer Macht wieder unterworfen werden. Sie mußten sie zu Verbrechen verleiten, die im Notfalle zu einer bezwingenden Drohung gegen die Kaiserin werden konnten.

Narzissus, der wieder zum Geliebten Messalinas erkorene, ward vorgeschickt. Und da auch er in mehr als einer Beziehung auf Gedeih und Verderb an seine Landsleute gefesselt war, hatte er sich dem ihm erteilten Auftrage nicht gut entziehen können.

»Könntest du mir jemand vorschlagen, der bei diesem sauberen Plane in Betracht käme?« fragte Messalina, nachdem sie ihr stummes Staunen überwunden hatte. Es trieb sie, diese Verworfenheit bis aufs letzte auszukosten.

Narzissus errötete und rang mit seinem besseren Ich. Er fühlte schmerzhaft die Verachtung der Geliebten.

Auch die Möglichkeit dieser Frage war von Pallas und Callistus erwogen, die Antwort vorbereitet worden.

Doch der noch schattenhaft redliche Sinn des geistvollen Griechen sträubte sich gegen die Nennung eines Namens. Es ging bei dem Plane unzweifelhaft um ein Menschenleben. Man hatte ihn beauftragt, auf einen Mann hinzuweisen, der den beiden Freunden im Wege stand, weil er als einziger noch ein offenes, redliches Wort und manch eine Warnung bei Claudius vorzubringen wagte.

Narzissus zögerte. Wenn auch als Folge des kaiserlichen Schwachsinnes übelste Machenschaften im Palatium an der Tagesordnung waren, hatte doch er selbst das ideale Ziel des verschollenen Polybius hochgehalten, selbst wenn er sich an diesen Machenschaften beteiligte. Ihm bedeutete seine Herrschaft nach wie vor den stillen Sieg griechischen Geistes über Rom, den Unterdrücker Griechenlands und den Dieb der edelsten Kunstwerke des geknechteten Volkes der Griechen.

Das war das stolze Ziel, dem er zustrebte. Daß er daneben seinen Vorteil verfolgte, manche schmählichen Nebenwege ging und den griechischen Geist erniedrigte, war in Stunden der Einkehr seine Scham und nagende Reue.

»Ich kann dir keine Namen nennen,« beantwortete er daher nach kurzem Schweigen die Frage der Kaiserin. »Es ist nur zu natürlich, daß der Kaiser wirkliche Feinde hat. Du brauchst also nur die Augen offen zu halten.«

Messalina hatte seinen inneren Kampf wahrgenommen, auch erraten, daß er vor einer gemeinen Handlung zurückschreckte. Eine Freude erfüllte sie. Der Mann, den sie liebte, war kein elender mörderischer Verleumder. Doch ihre leere Kasse forderte dringend neuen Zufluß. So drang sie noch einmal in ihn: »Willst du nicht doch den Pallas bestimmen, meine Geldwünsche zu erfüllen?«

»Ich darf es nicht,« entgegnete er finster und gequält.

»Weil du zu feige bist, dich gegen die Befehle deiner Freunde aufzulehnen,« brauste sie jähzornig auf. »Das erklärt auch manches andere in deinem Verhalten mir gegenüber. Erst heute fange ich an, dich richtig zu würdigen. Wer dich und deine Gefährten nur als die Ratgeber des Cäsars kennt, bewundert vielleicht mit Recht die Weisheit, mit der ihr dem Staate nützt. Hierin mögt ihr Großes leisten. Wer euch aber – wie ich – als Menschen kennt, kann nur die Zwerghaftigkeit eures Menschentums bestaunen. In Kleinem wohnt Großes! – Die Götter haben ihren Spott mit euch getrieben, indem sie Doppelwesen aus euch schufen. Geh!«

Narzissus wollte sich verteidigen. Doch die zornflammenden Augen der Kaiserin belehrten ihn, daß Gefahr drohe. Er grüßte stumm und ging. Und wußte, daß ihr Liebesbund für immer zerrissen war.

Eine halbe Stunde später hatte er mit Pallas und Callistus eine Auseinandersetzung, die einen äußerst herben Verlauf nahm. Auf das schärfste tadelten die beiden seine Schwäche, und wie die Kaiserin, so machten auch sie ihm den Vorwurf der Feigheit.

»Wir dürfen niemand schonen,« behauptete Pallas. »Als Polybius uns berief, konnten wir nicht wissen, welche Rolle im Staate wir zu spielen erkoren waren. Jetzt gleichen wir Männern, die auf dem Querbalken einer Wage sitzen. Nur ständiges Ausgleichen des Gewichtes kann uns vor dem jähen Sturze bewahren. Sobald eine der Wagschalen so belastet wird, daß wir auf der schiefen Ebene des Querbalkens ins Abgleiten geraten, müssen wir der hochsteigenden Seite zuklettern, um die Gerade wiederherzustellen. Die Belastung der einen Schale hat sich aber nun vollzogen. Das gefahrdrohende Gewicht ist die Kaiserin. Wagte sie sich erfolgreich an Polybius, gerade an den Mann, der vom ersten Augenblicke an dem neugeschaffenen Imperator willkommener Ratgeber war, so sind auch wir nicht länger sicher vor ihrer Verdächtigung. Was aber können wir in die steigende Wagschale werfen? Doch nur ein Verschulden der Kaiserin! Dieses Verschulden muß ein Verbrechen sein. Daß sie sich gegen die eheliche Treue vergeht, wiegt nicht mehr schwer genug. Es bedarf anderer schwererer Verschuldung. Es war ein kaum wieder gutzumachender Fehler, Narzissus, daß du den Namen unterdrücktest. Der Mann ist im geheimen unser Feind. Er muß fort. Aber das allein wäre kein Grund, ihn zu vernichten. Wir müssen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ihn treffen und die Kaiserin ins Netz locken. Er muß von ihrer Hand fallen. Dann wird das Gleichgewicht wiederhergestellt sein. Wir sind den Feind los, wir halten sie wieder fest in der Hand, sie kommt zu Gelde, da es sich um einen der reichsten Junggesellen in Rom handelt. Ferner hat er keinen Familienanhang und niemand wird ihn vermissen. Je länger ich darüber nachdenke, um so genialer finde ich diesen Streich.«

»Willst du der Kaiserin nicht noch nachträglich den Namen nennen?« wandte Callistus sich an Narzissus, als Pallas schwieg.

Er senkte den Blick. »Selbst wenn ich es wollte, wäre ich hierzu nicht mehr der geeignete Mann. Was mich mit Messalina verband, ist seit heute endgültig zerstört. Ich kenne diese Frau!«

»Wohl uns, daß es so kam,« frohlockte Pallas. »Keiner von uns war entzückt, als die längst abgetane Liebelei nochmals aufflackerte. Du bist nicht der Mann, der die Gefühle seines Herzens zu trennen versteht von dem Nutzen, den deine Verbindung mit der Kaiserin für uns bedeutet.«

»Ich habe Messalina geliebt,« sagte Narzissus leise.

»Liebende sind stets Toren,« spottete Pallas.

»Machen wir dem Zwist ein Ende,« schlug Callistus ungeduldig vor. »Es geht hier nicht um Herzensneigungen, sondern darum, wie wir den Einfluß der Kaiserin, den wir erst großgezüchtet haben, wieder in Bahnen lenken, in denen er uns nicht bedroht, sondern weiterhin nützt.«

»Sehr weise gesprochen, mein Freund,« stimmte Pallas bei. »Wozu entschließt du dich, Narzissus?«

»Ich bin augenblicklich keines Entschlusses fähig,« murmelte Narzissus verstimmt.

»So scheidest du vorläufig aus dem Spiele?«

»Denkt, was ihr wollt. Handelt, wie ihr wollt.«

»Ich werde handeln!« verhieß Callistus und tauschte einen Blick des Einverständnisses mit Pallas. –

Gegen Abend betrat eine noch sehr jugendliche äthiopische Sklavin die Gemächer Messalinas. Sie blieb stumm an der Tür stehen und hielt eine gut verschnürte und versiegelte Notiztafel vor sich hin, mit den großen, dunkeln Tieraugen auf die Kaiserin starrend, die sie zum ersten Male so nahe sah.

Auf Scheltworte ob des verwegenen Eindringens und auf Fragen gab sie keine klare Antwort, gurgelte nur wirre, fremdartige Worte einer Sprache, die niemand kannte. Verständlich war nur ihre Gebärde, die bekundete, daß die von ihr gebrachte Botschaft an die Kaiserin gerichtet sei.

Als Fabulla ihr die Notiztafel abnahm und sie der Herrin überreichte, nickte die Schwarze und huschte, lautlos wie sie gekommen war, aus dem Gemache.

Das Äußere der Botschaft verriet nicht den Sender. Auch das Siegel der Verschnürung gab keinen Aufschluß. Verwundert öffnete Messalina die Täfelchen. Doch auf dem rötlichen Wachs der Schreibfläche standen nur zwei Worte: Catonius Justus.

Es war der Name des Obersten der kaiserlichen Leibwache. –


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