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3

An die Gärten des Mäcenas grenzend, versteckt zwischen Zypressen und Lorbeerbäumen, umduftet von den früh blühenden Magnolien, stand auf dem Esquilin eine schöne Villa. Das Vestibulum öffnete sich genau nach Süden und trat ziemlich weit zurück von der Via Merulana. Der vom Hause bis an die Straße reichende freie Platz stellte einen sorgfältig gepflegten Rasenteppich dar, den an vier Seiten breite, mit goldgelbem Kies bestreute Wege umrahmten. Die Ränder der Rasenfläche wurden von langgestreckten Blumenrabatten eingefaßt, auf denen der geschickte Gärtner schon jetzt, gegen Ende März, ein farbentrunkenes Bacchanal von Blüten hervorgezaubert hatte.

Die vorspringenden Flanken des Gebäudes waren durch einen Portikus verbunden. Diese Doppelreihe von Säulen trug einen Giebel, in dessen dreieckige Vorderfläche eine mächtige Marmorplatte eingesetzt war, mit figurenreichem Relief den Raub der Galatea darstellend.

Es war die Villa, die Agrippina bezogen hatte, nachdem Messalina in den Kaiserpalast übergesiedelt war.

Im Schatten des Portikus rasteten vier Sänftenträger und vertrieben sich die Zeit des Wartens auf ihren Herrn mit einem sehr einfachen Spiele. Der eine von ihnen hatte aus dem Kies des Weges eine Anzahl Steinchen aufgesammelt. Er saß mit dem Rücken gegen eine Säule gelehnt, neben sich ein bescheidenes Häufchen kleiner Kupfermünzen. Vor ihm hockten die drei andern Träger und beobachteten seine derben Pratzen, die er gehöhlt aufeinanderlegte. Nun schüttelte er die Hände, die in der Höhlung verborgenen Kieselsteinchen rasselten, dann schloß er plötzlich jede Hand zur Faust. Ein paar Kiesel fielen zu Boden. Es galt zu raten, ob eine gerade oder ungerade Anzahl Steinchen in der rechten oder linken Hand zurückgeblieben sei. Wer richtig erriet, dem warf der Mann eine Kupfermünze, einen Quadranten, zu. Wer falsch geraten hatte, legte seinerseits ein Geldstück zu dem Häufchen.

»Ich bin heute stark im Verlust,« murrte schließlich der Träger Syphax. »Wenn unser Herr Crispus Passienus seinen Besuch bei Domina Agrippina noch lange ausdehnt, werde ich ohne einen einzigen Quadranten heimkehren. Wollen wir das Spiel nicht abbrechen?«

»Mir recht,« brummte der Mann an der Säule – er hieß Gethus – sogleich beistimmend. Er liebäugelte mit dem Münzenhäufchen, das während des Spieles stark angewachsen war und sein Eigentum wurde, wenn auch die beiden andern, Urbicus und Sorus, das Spiel aufgaben. Er beschattete seine Augen und blickte auf zum Himmel.

»Die trübumschleierte Sonne neigt sich schon dem Aventin zu,« erklärte er. »Bei den Göttern! Passienus muß viel mit dieser Agrippina zu reden haben, denn ich schätze, daß wir nun schon an die drei Stunden auf ihn warten. Der Westhimmel färbt sich gelbgrau, und wenn wir nicht rechtzeitig heimkommen, geraten wir wohl noch in den Regen.«

»Du hast uns tüchtig ausgebeutelt,« knurrte Urbicus, scheel zusehend, wie der Gefährte rasch den Münzenvorrat aufsammelte, um dem Widerspruche der beiden andern zuvorzukommen.

Gethus hatte die Summe nachgezählt. »Beim Saturnus, dem Gotte der Armen!« schwur er. »Ich bin nicht so sehr im Gewinn, wie ihr denkt, und wollte ich durch das Spiel soviel zusammenbringen, mich loszukaufen, müßte ich noch über meinen Tod hinaus spielen.«

Er knotete die Münzen in einen Zipfel seiner Tunika und sah höchst zufrieden aus. »Was nur Passienus so lange bei Domina Agrippina zu tun hat?« fragte er, sich räkelnd.

»Wenn den Esel das Fell juckt, schurrt er sich auch am Tempel der Aphrodite,« bemerkte trocken Sorus. »Solltet ihr wirklich nicht entdeckt haben, daß unser täglicher Weg mit der Lektika hierher eine Freiersfahrt ist? Unser guter Herr Passienus wirbt um Domina Agrippina.«

»Das heißt: sie wirbt um ihn,« verbesserte Syphax. »Der Cäsar Caligula hat ihr den Reichtum arg beschnitten, und was der milde Claudius ihr zurückerstattete, soll nur ein kläglicher Rest gewesen sein. Wenn diese Leute nicht gleich Berge von Gold verprassen können, kommen sie sich arm vor.«

»Nun, unser Alter wäre in seiner Freude am Geldverputzen bei dieser Agrippina ja an die richtige gelangt,« meinte Gethus. »Jahre genug hat er auf dem Buckel, lange kann er's nicht mehr treiben. Darauf vermutlich rechnet die schlaue Julierin.«

»Mögen die Götter uns den braven Mann noch lange erhalten,« warf Sorus dazwischen. »Scheidet er von hinnen, nachdem er Domina Agrippina geehlicht hat und setzt er sie zur Erbin ein, so wird die Julierin unsere Herrin. Ich glaube, dann haben wir nichts mehr zu lachen. Darum wiederhole ich: lange lebe Crispus Passienus!«

Syphax sah sich vorsichtig um, bevor er flüsterte: »Daß dieser fromme Wunsch dir nicht in Erfüllung geht, Freund Sorus, dafür wird die geldgierige Domina schon sorgen.«

»Ja, es gibt dergleichen Künste,« mischte sich nun auch Urbicus wieder ins Gespräch. »Man hat mir von einer alten Vettel erzählt, die droben im Norden der Stadt in einem schmutzigen Winkel bei der Porta Salaria wohnt. Die Alte gießt kleine Bleiplatten und ritzt mit dem Stilus allerhand Zeichen darauf. Vergräbt man solch ein Ding am Fuße einer blitzgetroffenen Pappel –«

»Da kannst du lange suchen,« warf Gethus ein. »Der Blitz schlägt niemals in eine Pappel.«

»Na, einerlei – jedenfalls, wenn das Ding vergraben ist, stirbt der, dem man den Tod wünscht.«

»Dummes Zeug!« lachte Sorus. »Wenn das wahr wäre –«

»Es ist wahr,« versicherte Urbicus mit abergläubischem Schauer.

Sorus lachte und fuhr fort: »Ich meine, wenn es hülfe, dann würde ich heute noch nach der Porta Salaria gehen und solch ein Bleiplättchen kaufen. Daß der Zauber nicht für unsern guten Herrn bestimmt wäre, leuchtet euch wohl ein.«

»Es hilft, verlaß dich darauf,« behauptete Urbicus mit beteuernd erhobener Hand. »Aber – – hast du eine Handvoll Sesterzien übrig für die Alte?«

Sorus grunzte irgendeinen Fluch und schüttelte stumm seinen mit straffen Haaren bedeckten Schädel. –

Der Millionär Crispus Passienus, der Herr der Sänftenträger, sah derweil im Tablinum der Herrin des Hauses gegenüber, während sein übliches Gefolge, bestehend aus sogenannten Klienten – Leuten, deren Patron und Beschützer er war – sich wartend im Atrium unterhielt, die kostbaren Wandmalereien des Peristyls kritisierte oder die Goldkarpfen im Fischbecken des Viridariums bewunderte.

Passienus war ein für sein Alter immer noch stattlicher Mann. Die längst ergrauten, aber reichlichen Haare ließ er mit Nußsaft beizen. Das dunkelbraune, künstlich gekräuselte Gelock hob die Frische seines wohlgepflegten Gesichtes.

»Wir sind uns also über die Ziele unserer Verbindung einig, edle Domina,« schloß Passienus die Verhandlung, indem er sich mit behaglicher Miene in den Sessel zurücklehnte. Er legte die Fingerspitzen aneinander und bewegte die Finger in gemütlich zufriedenem Trommelspiel, wobei er verstohlen die schöne Frau musterte, deren rassige Leidenschaft seine ermatteten Kräfte spornte und lockte.

»Ich bin vereinsamt und bedarf für den Abschluß meines Lebens einer Gefährtin, die mir Erheiterung bringt und nach außen meinen Reichtum würdig zu vertreten versteht.«

»Es wäre unaufrichtig, wollte ich dir von lohender Liebe sprechen,« nahm Agrippina herb das Wort. »Doch ich fühle dir gegenüber Besseres und Dauernderes: Verehrung und Freundschaft. Sei versichert, mein Crispus, diese Beteuerung eines der Liebe höchst nahen Gefühles kommt aus beglücktem Herzen.«

Sie tat, als müsse sie aufsteigende Tränen verbergen und murmelte mit geschickt bebender Stimme: »Sprichst du daher vom Abschlusse deines Lebens, so bereitest du mir Schmerz. Warum diesen lichten Augenblick unserer Verbindung verdüstern durch die Mahnung, auch dieses neugewonnene Glück könne enden? Ich bin überzeugt, daß es für mich ein letztes und schönstes Glück ist, das dich zu mir führte. Mögen alle gütigen Götter ihm eine lange, lange Dauer verleihen!«

Passienus war ein kluger Mann. Er erfreute sich an den schönen Worten Agrippinas und hörte aus ihnen die Verheißung, die er von seiner späten Ehe erhoffte. Doch er nahm sie nur zum geringsten Teil für bare Münze. Nach der Art kluger, reicher alter Herren war er sich darüber klar, daß weniger seine Persönlichkeit als seine Millionen diese im Vergleich zu ihm noch junge Frau von fürstlicher Herkunft bestimmten, seine Werbung anzunehmen, immerhin, er konnte sich die Laune gestatten, durch die Heirat mit Agrippina Verwandter des Kaiserhauses zu werden und diesem hohen Range entsprechend aufzutreten. Er wollte das Leben dieser schönen, verführerischen Frau vergolden. Einem anderen Zwecke aber sollte sein bedächtig erworbener Reichtum nicht dienen.

Der gefährliche Ehrgeiz der Cäsarentochter war ihm nicht fremd. Aber für politische Bestrebungen sollten seine Millionen nicht herhalten! – Oh nein! Passienus war kein Freund der Politik. Er wollte mit der glänzenden Agrippina mit vollen Händen vergeuden und seinen glückbegünstigten Lebensweg mit einer prachtstrahlenden Apotheose beschließen. Nur von diesem Gesichtspunkte aus betrachtete er die Einheirat in das fürstliche Geschlecht. Darüber sollte Agrippina sich keinen falschen Hoffnungen hingeben.

Er sagte deshalb ehrlich:

»Um eine abgebrauchte Redensart anzuwenden, meine Teure, was ich besitze, lege ich dir zu Füßen. Magst du das Gold unbedacht verstreuen! Aber eines behalte ich mir vor: zu irgendwelchen anderen Zwecken als denen des Lebensgenusses und des Vergnügens darf mein Geld nicht dienen. Sobald du mich hierin zu hintergehen suchst, müßte ich – bildlich gemeint – ein Schloß vor den Kasten hängen und dir die Summen zumessen, die für den Aufwand einer vornehmen Römerin und kaiserlichen Verwandten ausreichen.«

Die zielbewußte Frau war in der Schule ihres Schicksals eine vollendete Schauspielerin geworden, die nur in sehr seltenen Fällen aus der Rolle fiel. Auch jetzt wußte sie sofort ihre Enttäuschung zu unterdrücken. Mit einem hellklingenden Lachen erhob sie sich und trat berechnend dicht an Passienus heran, daß sie ihn streifte, er ihre Nähe fühlen und ihre erregenden Formen unter dem anschmiegenden Gewande gewahren konnte.

»Du tust recht, mein Freund, wenn du durch Offenheit jedem Mißverständnis vorbeugst,« versicherte sie und ließ ihn den Duft ihres gepflegten Körpers atmen. »Sei überzeugt, du bester der Männer, was ich erstrebe, ist allein dein Schutz. Was ich von deinem Schutz erhoffe, ist allein die Wohltat, nach den Wechselfällen meines Daseins in trauter Ruhe zu leben und sagen zu können: ich bin geborgen. Und ich will dem Edelmut meines Gatten durch zärtliche Treue und beglückte Aufopferung mit allem danken, was an der einsam gewordenen und verbitterten Agrippina noch hingebendes Weib geblieben ist.«

Meisterhaft heuchelte sie Weichheit und Rührung vermöge ihrer genialen Begabung, jede vom Augenblick geforderte Stimmung in sich zu erzeugen. Aufseufzend bog sie sich so weit nieder, daß ihr Gesicht auf des befangenen Passienus Schulter ruhte. Der Alte saß ganz still. Er ließ sich Hals und Kinn umwehen von dem gewollt erregten Odem der ränkevollen Frau, die klüglich über die Achsel des Verlobten spähte, ob das Gefolge des Millionärs auch Zeuge sei dieser intimen Stellung. Sie wollte ihn fangen und festhalten und dem reichen Manne die Zurücknahme der getroffenen Vereinbarung unmöglich machen.

Die von Kaiser Claudius aus der Verbannung befreite Schwester der Agrippina, Julia Livilla, erharrte das Ergebnis der Unterredung mit Passienus in einem Zimmer des Rückgebäudes. Kaum war die Sänfte des Millionärs aus dem Vestibulum der Villa verschwunden, so eilte Livilla in die vorderen Gemächer.

»Du siehst nicht aus wie eine glückliche Braut, die demnächst den Einzug in das Haus des Erwählten zu feiern gedenkt,« lachte die spottlustige Schwester des Caligula.

»Ich habe meinen Wunsch verwirklicht,« verkündete Agrippina ernst. »Vorläufig freilich sitzt Passienus noch auf seinen Goldsäcken. Ich werde alle Klugheit und List aufbieten müssen, diesen goldenen Schatz ganz in meine Gewalt zu bringen.«

»Ah, er ist geizig? Nun ja, wie immer, wenn der Quirit zu Gelde kam.«

»Ein Quirit im spießbürgerlichen Sinne des Wortes ist er nicht,« nahm Agrippina den Verlobten in Schutz. »Ich verstehe ihn schon. Er wünscht einen frohen und freundlichen Lebensabend und will deshalb nicht durch mich in ehrgeizige oder politische Bestrebungen und Beunruhigungen verwickelt werden.«

Die Arme nach Art maskuliner Frauen unter dem Busen kreuzend, schritt sie auf und ab.

»Ach, dieses Warten und immer wieder von neuem warten!« klagte sie. »In meinem zwölften Jahre schon erkannte ich, daß die Olympischen mir ein hohes Los bestimmten. Ein Astrolog hatte es mir verraten. Ich folgte der Lockung. Aber sobald mein Ehrgeiz nahe dem Ziel war, ward ihm noch immer der Weg verlegt. Wann wird er endlich zu seinem Rechte kommen! Ich habe schon gelernt, für mich selbst zu verzichten, und übertrug meine Hoffnungen auf den Sohn mit aller Inbrunst der Mutterliebe. Zwar sagte mir der gleiche Astrolog, mein Sohn werde mich morden.«

Sie lachte bitter und verächtlich. »Auch das will ich tragen, wenn er als Kaiser Roms die Welt beherrscht. Meine Zeit wird und muß kommen, jetzt, nach dem Sturze unseres Bruders Caligula – wer hätte dieses Ende nicht vorausgesehen! – wollte ich meinen Nero auf den Cäsarensessel setzen und als Vertreterin des Kindes die Macht ausüben. Da stellte ein frecher Hohn des Schicksals mir diesen Claudius in den Weg. Dieser Princeps – gerade der!«

»Heirate ihn und laß den Passienus laufen,« riet Livilla bündig.

Agrippina blieb bei der Schwester stehen und sah sie hochmütig an: »Meinst du, ich hätte mich einen Augenblick besonnen, wenn Messalina nicht wäre?«

»Du vergißt, daß die Ehe zwischen Oheim und Nichte als Blutschande verboten ist,« erinnerte Livilla. Sie wandte sich ab, weil sie den scharfen, funkelnden Blick Agrippinas nicht ertragen konnte.

»Ein Gesetz kann der Cäsar Kraft seiner imperatorischen Gewalt aus dem Wege räumen,« entgegnete Agrippina. »Das wäre kein Hindernis für eine Ehe mit ihm.«

»Nun – und?« fragte Livilla. »Was steht dann der Verwirklichung deines Wunsches, Kaiserin zu werden, im Wege?«

»Messalina.«

»Man kann in Rom den Tod eines Menschen ziemlich billig haben,« warf Livilla leise ein.

Agrippina nahm ihre Wanderung wieder auf: »Auch das habe ich bedacht.«

»Kein Wunder – du warst nie kleinlich in der Wahl deiner Mittel.«

»Wahrlich nicht! Doch ein offenes Vergehen gegen Messalina ist unmöglich. Claudius sieht in ihr seinen Glücksstern und liebt sie abgöttisch. Soweit dieser Narr lieben kann. Gewiß, er wäre vielleicht zu lasch nachzuforschen, wer und was Messalina beseitigt hat. Aber seine griechischen Ratgeber halten zu Messalina, namentlich Narzissus. Sie bedienen sich ihrer, um den Kaiser wie einen blinden Gaul zu zügeln. Narzissus vor allem ist zu fürchten als der klügste der Freigelassenen. Er hütet sie wie seinen Augapfel als Mittel seiner Machtstellung. Gewalt kann gegen die junge Frau nichts ausrichten. Nur List kann sie stürzen. Und zur Ursache ihres Sturzes muß sie selbst werden.«

»Wie?« fragte Livilla erstaunt.

Agrippina zog die Schwester in eine Ecke des Gemaches. »Ich muß ihre Sinnlichkeit und ihren erotischen Leichtsinn ausbeuten. Ich tat es schon einmal,« flüsterte sie. »Aber es blieb ein Schlag ins Wasser.«

»Erzähle.«

»Ich schrieb dir vor deiner Heimkehr nach Pontia über den Schauspieler Paris? Gut. Ich wußte, Messalinas erste Tat als Kaiserin würde seine Befreiung aus dem Kerker sein. Ich erwartete ihn vor dem Gefängnistore. Ich erklärte, im Auftrage Messalinas zu handeln, und versicherte, nur schleunige Flucht könne sein Leben retten, da der neue Cäsar ihn, den Liebhaber der Kaiserin, als ersten zu beseitigen gedächte. Messalina fordere, daß er Rom augenblicklich verlasse und nie mehr zurückkehre. Der junge Mensch war durch den kurzen Aufenthalt hinter den Mauern des Tullianums so verängstigt, daß er, ein Weichling, ohne weiteres auf jede Bedingung einging. Nach meinem Diktat schrieb er einen Brief, dessen Anhalt er kaum verstand – und floh. Doch ehe er das Weichbild Roms noch verlassen hatte, ließ ich ihn ermorden und in den Tiber werfen.«

Livilla prallte bei diesem gelassenen Geständnis zurück: »Du bist furchtbar, Schwester!«

»Ich fand Willige, die das Gerücht verbreiteten, Messalina, der Kaiserin, sei der Geliebte unbequem geworden, sie habe den Zeugen des Ehebruchs aus der Welt schaffen lassen.«

»Und dieses Gerücht hast du unserem braven Oheim Claudius zu Ohren gebracht?«

»Darauf lief mein Plan hinaus. Als Mörderin und Ehebrecherin sollte sie vor Claudius stehen. Der Anschlag mißlang.« Agrippina ballte in nachklingendem Zorn die Fäuste, daß die Gelenke der Finger weiß aufglänzten. »Alles war vergeblich,« grollte sie mit verzerrtem Munde. »Denn mittlerweile hatte ein Nordländer, ein Germane namens Abalanda, den Mann ausfindig gemacht, der diesen Paris niederdolchte. Es war ein mir treu ergebener Mann, den ich aus der Sklaverei freiließ, ein Mauritanier Boccar. Er genoß seine Freiheit nicht lange. Er besiegelte seine Treue mit dem Tode. Selbst auf der Folter blieb er standhaft bei der Behauptung, er habe eine persönliche Rache an dem Schauspieler gekühlt. Hinzu kam noch, daß der Grieche Narzissus sich mit besonderem Eifer der Sache annahm. Wahrscheinlich, um den gegen die Kaiserin züngelnden Verdacht zu vernichten. So war es mir unmöglich geworden, meinen Streich zu führen und Messalina bei Claudius zu verdächtigen. Im Gegenteil, ich mußte froh sein, nicht selbst in meinen Schlingen erwürgt zu werden.«

Sie lief wieder erregt durch das Zimmer und schalt: »Alle Götter müssen mich verlassen haben! Denn was ich tat, war Torheit. Ich selbst, ich Närrin, räumte den klassischen Zeugen aus dem Wege, den man Claudius nur zu bringen brauchte, um ihn von der Untreue seines Weibes zu überführen.«

Livilla erhob sich. »Dein Gespinst war allzu fein gesponnen,« tadelte sie. »Daher zerriß es so leicht.«

»Wahrscheinlich hast du recht,« gab Agrippina finster zu. »Der Stein auf meinem Wege – Messalina – scheint härter, als ich dachte. Nicht vorsichtiges Pocheln sprengt ihn, sondern nur gewaltiger Hammerschlag. Dazu gehört Kraft. Ich werde sie sammeln!«

Hier wurden die würdigen Schwestern in ihrer Zwiesprache gestört. Der Admissional des Hauses erschien auf der untersten der zum Tablinum hinaufführenden Stufen.

»Die Sänfte steht bereit, Domina,« verkündete der Zeremonienmeister unterwürfig.

»Wann habe ich sie befohlen, du Hohlkopf?« fuhr Agrippina heftig den Mann an.

»Ich erlaubte mir, deinen Befehl vorauszusetzen, Herrin,« entschuldigte er sich, sich in der Angst vor einer Züchtigung zusammenduckend. »Es ist heute der vierundzwanzigste Tag des Märzmondes – der Tag der Salii, der Springer, die zu Ehren des Mars ihren Kriegsreigen aufführen.«

»Du tatest recht, Gabba,« beruhigte Agrippina den furchtzitternden Mann, der wußte, wie grausam die strenge Herrin die Dienerschaft um ein Nichts zu strafen pflegte. »Laß uns zwei Reisemäntel aus tarentinischem Wollgewebe bringen, denn der Abend wird kühl.«

Sie wandte sich an die Schwester: »Wir dürfen natürlich bei dieser kaiserlichen Veranstaltung auf dem Forum Romanum nicht fehlen.«

Während der Admissional von dannen eilte, fragte Livilla: »Der Tag der Salii – der Springer? Davon habe ich nie gehört. Was ist das?«

»Eine Ausgrabung unseres erhabenen Oheims,« höhnte Agrippina. »Eine gewaltige Herrschertat dieses Trottels. Was darf Claudius, die willenlose Puppe seiner Griechen auf dem Throne, anderes tun als Längstverstaubtes aus seinen Geschichtsbüchern hervorkramen! Mit lächerlicher Wichtigkeit sucht er altem Brauche neues Leben zu geben. In grauen Zeiten Roms war es einmal Sitte, daß am Tage der Heerschau junge Krieger auf dem Forum einen Waffentanz aufführten. Zirkus, Arena und Theater sind der Plebs zu alltäglich, meint der alte Narr und will den Römern etwas Neues bieten. Auch verfolgt er dabei einen Staatszweck. Oder vielmehr der wahre Staatslenker Narzissus. Er will den Alten von Rom entfernen, um völlig unbehindert schalten zu können. Er treibt ihn in den Krieg. Diesen verschrobenen Bücherwurm in den Krieg! Es ist zum Lachen! Doch da sind die Mäntel! Hüllen wir uns gut ein, damit wir uns aus dem zugigen Forum nicht zu der Langeweile auch noch eine Erkältung holen.«

Von Fackelträgern und Leibsklaven umgeben, setzte sich der Oktophorus – eine mächtige, mit Goldbeschlag und Elfenbeinschnitzwerk überreich verzierte Sänfte – getragen von acht stämmigen Sklaven, vom Vestibulum aus in Bewegung. Schon sank der Abend.

Zur Via Merulana hinab, am Fuße des Mons Caelius vorüber, dann durch den engen und düstern Clivis Scauri schwankend, erreichte die Sänfte bei Dunkelheit den Westen der Stadt. In dem schon nachtumschatteten Tale zwischen den Hügeln des Aventins und des Palatins ging es flugs dahin. Bald gelangten die Träger mit ihrer schweren Last in die achte Region der Stadt. Auf dem freien Platze, der die Mündungen dreier Straßen aufnahm, sah man den wolkenbedeckten Himmel gerötet wie von einem mächtigen Brande. Es war der Widerschein der tausend und abertausend Fackeln, mit denen Kaiser Claudius befohlen hatte den Platz des Forums zu erhellen. Bis zum Kapitol hinauf leuchtete der Schein. Der auf der Höhe ragende Jupitertempel sah aus, als wäre er aus glühendem Marmor erbaut.

Den Clivus Kapitolinus entlanghastend, erreichten die Sänftenträger Agrippinas beim sullanischen Tabularium mit seiner titanischen Arkadenfront das Forum Romanum. Auf den Stufen und in der Säulenhalle der Basilika Julia drängten sich die Menschen Kopf an Kopf. Die gleiche Fülle zeigten die Treppen und der Portikus der gegenüberliegenden ämilischen Basilika, während der Argiletumstraße immer noch neue Scharen entquollen, die der Schlund der Subura hervorschleuderte. Ein Volksgewühl füllte das Forum und ließ vor dem Cäsarentempel und vor dem Tempel der Dioskuren nur einen engen Raum frei, den die Truppen der Stadtkohorte rücksichtslos mit Fußtritten und Faustschlägen verteidigten. Dieser Platz war für die Vorführungen der Salii bestimmt.

Die gewaltige Treppe des Dioskurentempels mit ihren mächtigen Seitenflankierungen hatte die Stützpunkte für ein Podium abgegeben. Das umfangreiche Holzgerüst sollte dem Hofe als Zuschauerraum dienen. Mit kostbaren Teppichen bedeckt, mit Purpurstoffen drapiert und mit mannsdicken Rosengirlanden geschmückt, drängte sich die kaiserliche Tribüne in das Forum hinein.

Dort machte der Oktophorus Agrippinas halt. Ein prächtig gekleideter Designator empfing die beiden hohen Damen und wies ihnen Plätze bei der Balustrade an. Nur ein Teil der Sessel war von dem Hofgefolge besetzt, denn der Cäsar war noch nicht erschienen. Man erhob sich achtungsvoll, als die dem Kaiserhause nahe verwandten Schwestern das Podium betraten.

Agrippina erwiderte die Huldigung mit majestätischem Kopfneigen, während die im Wesen heitrere und freundlichere Livilla nach allen Seiten grüßend nickte. Schweigend und übelgelaunt, fröstelnd sich in die Pänula hüllend, nahm Agrippina ihren Sessel ein, der dicht neben dem erhöhten Sitze des Kaiserpaares aufgestellt war.

Livilla musterte neugierig den zweiten Treppenabsatz des Tempels und grüßte auch dort hinauf, wo Militärtribunen, Senatoren, hohe Beamte des Palatiums und Hofschranzen Aufstellung genommen hatten.

»Du läßt deine Mißstimmung allzu deutlich merken,« flüsterte Livilla, nachdem sie sich gesetzt hatte, warnend der Schwester zu. »Zeige der gaffenden Plebs und den neuigkeitslüsternen Blicken der Edeln Roms das strahlende Gesicht der glücklichen Verlobten des Passienus. Zu Anfang des Jahres noch die ärmste, bist du heute die reichste Frau im goldenen Rom. Beherrsche dich – du Meisterin der Verstellung!«

Sie lächelte ermutigend.

»Ich bringe es nicht über mich,« gab Agrippina leise zurück. »Wäre nicht der rötende Fackelschein, so würdest du sehen, daß ich bleich bin vor Wut.«

»Du bist zu ungestüm,« mahnte Livilla, die mit glänzenden Augen das langentbehrte, lebhaft bewegte Bild des lichterfüllten Forums, des wogenden Meeres der festlich in weiße Togen gehüllten Menschenmenge und der blumengeschmückten Tribüne in sich aufnahm.

»Sieh nur,« zischte Agrippina, auf die beiden erhöhten kaiserlichen Sitze deutend. »Man hat uns eine Stufe tiefer gesetzt als die Buhldirne eines Komödianten.«

»Nur dein Groll kann darin eine Zurücksetzung sehen,« suchte Livilla zu beruhigen. »Du bist nicht die Kaiserin.«

»Noch nicht!« stieß Agrippina gehässig hervor.

Sie wollte weitersprechen. Der brausende Jubelschrei der Menge aber schnitt ihr das Wort ab.

Durch den Triumphbogen des Augustus herein marschierten die der kaiserlichen Lektika voraufschreitenden Leibwachen in versilberten Brustharnischen. Auf ihnen, auf dem Metall der Helme und der Speerspitzen funkelte der Fackelschein in rot blitzenden Lichtern. In einer von zwanzig Sklaven getragenen, hohen und offenen Doppelkathedra thronend, erschienen über diesem zuckenden Glimmen Claudius und Messalina. Ein sturmartig aufberstendes Jauchzen des Volkes grüßte sie.

In diesem Augenblicke flammten von den Dächern aller das Forum umsäumenden Gebäude gewaltige griechische Feuer auf und überschütteten den Platz mit grellen Lichtfluten. Selbst von den Zinnen des Kapitols und von den Türmen der Burg, hinter denen der Junotempel purpurn schimmerte, warfen lodernde Feuer jetzt ihren Schein herüber.

Claudius war berauscht und begeistert von diesem Empfange. Er eilte mit wiegenden Schritten auf die Tribüne, trat an die Balustrade und dankte von dort aus mit winkenden Armen ehrlich gerührt dem Volke.

»Vom Scheitel bis zur Zehe ein Imperator,« spottete Agrippina. »Vor Dankbarkeit, daß die Römer ihm den wackelnden Schwachkopf auf den Schultern sitzen lassen, gibt er die Würde des Cäsars preis und schlenkert mit den Armen wie ein komischer Komödiant. Nie wird er lernen, eine Ovation mit der nüchternen Ruhe des wahren Herrschers als Selbstverständlichkeit hinzunehmen.«

»So schweige doch,« verwies sie Livilla. Sie hatte einen beobachtenden Blick Messalinas aufgefangen, die soeben ihren Platz einnahm.

Drommetenstöße geboten Ruhe. Die Averufe der Menschenmassen verebbten, bis endlich tiefes Schweigen den weiten Raum erfüllte und eine Stille, in die nur das Zischen der brennenden Fackeln knisterte. Claudius räusperte sich vernehmlich, eine Rede zu halten.

»Römer!« hob er mit knarrender Stimme an. »In längst verwichenen Zeiten ragte dort, wo Stadtkohorten den Platz freihalten, das erhöhte Comitium. Dicht daneben wuchs der Feigenbaum, den Nävius, der Augur, aus dem Erdreich des palatinischen Hügels ausheben und auf dem Forum einpflanzen ließ mit der Weissagung, dieser Feigenbaum werde der Stadt ewige Dauer verleihen. Starb auch der Baum nach langer, langer Zeit, so liegen, wie ich mit vieler Mühe erforschte, doch seine Wurzeln noch heute tief vergraben in der Erde, die jetzt von Fliesen überdeckt ist. Vielleicht wird niemals ein Menschenauge das Wurzelwerk wieder erblicken. Aber noch immer saugt Rom die Ewigkeit des Bestehens und die Kraft seiner den Erdkreis beherrschenden Macht aus diesen Wurzeln.«

Beifall brandete über das Forum.

Linkisch verbeugte sich der Kaiser und fuhr fort:

»Doch nicht den Feigenbaum, nicht sein Wurzelwerk selbst meine ich. Unser Gedeihen und Bestehen wurzelt in dem unerschütterbaren Glauben an die Größe Roms, liegt tief verwurzelt in der Eintracht zwischen dem Volke und mir, den der Wille der Gottheit zu dem äußeren Bilde Roms erhob. Vertraut mir, wie ich euch vertraue, Römer!«

Donnernd stieg der beistimmende Zuruf der Menge empor zu dem Nachthimmel, über den die Wolken jagten.

»Wenn ich euch heute ein Bild aus schon zur Legende gewordener Zeit vor Augen stelle, den Kriegsreigen der Salii, so wie er voreinst auf dem Comitium aufgeführt wurde, so deswegen, damit ihr erkennen lernt, daß dieser dem Mars geweihte Tanz ein Sinnbild ist der Tapferkeit, doch auch der Beweglichkeit unserer Heere. Roms Krieger waren Weltwanderer von Anbeginn. Hoch im Norden der Erde stehen sie jetzt an den Ufern des Meeres, das Britannia von den Besten der Erde scheidet. Ein britannischer Fürst, aus seiner Heimat vertrieben, weil er den Segen der römischen Kultur seinem Vaterlande zugänglich zu machen suchte, er kam aus der gewaltigen Weite nach Rom, Hilfe und Schutz von mir heischend. Ich habe sie ihm in eurem Namen, Römer, zugesagt. Aulus Plautius, den ihr als einen tapferen Feldherrn kennt, wird die Scharen führen, die das Meer durchschiffen werden, damit Rom endlich auch auf den unbotmäßigen Norden des Erdkreises Hand legen kann. Sobald die Früchte ihrer Tapferkeit gereift sind, werde ich mich nach Gessoriacum am Rande des Nordmeeres begeben, von dort aus britannischen Boden zu erreichen, um diese Frucht zu pflücken und um sie euch mit eigenen Händen nach Rom zu bringen.«

Diesmal nahm der Jubel kein Ende. Die seit fast einem Jahrhundert gewünschte und erhoffte Unterwerfung Britanniens sollte endlich Wahrheit werden! Da, seht diesen Claudius! Wer hätte Heldentaten von ihm erwartet! Das war ein Kerl! Das war ein Mann nach dem Herzen der Römer. Sie schrien sich die Kehlen heiser.

»Wir haben gesiegt!« flüsterte Narzissus seinem Freunde Polybius zu, der neben ihm auf der Treppe des Dioskurentempels stand. »Ein Flickwerk von einer Rede zwar, doch der Erfolg ist erreicht. Doch nun Schluß! Jedes Wort mehr kann nur abschwächen. Wenn er weiter schwabbelt, kann er nur verderben, was er mit Zufallsglück erzielte. Laß das Zeichen zum Reigen geben. Zürnt Claudius, so nehme ich das ›Versehen‹ auf mich.«

Gleich darauf erscholl in das Rufen der Massen hinein das Dröhnen von Tubatönen und das Fanfarengeschmetter der Trompeten, das zusammenschmolz mit dem Jauchzen der Begeisterung froherregter Menschen.

Unwillig wandte Claudius sich um. Wenn er einmal im Fahrwasser war, riß der Redestrom ihn fort. Er hatte noch so viel Wichtiges zu sagen! Doch der strahlende Blick Messalinas begegnete ihm. Sie hatte ihre Weisung von Narzissus. Sie verließ den Thronsitz und eilte mit ausgestreckten Händen, ein eingelerntes Lächeln in den Augen, beglückwünschend dem Kaiser entgegen. Die Komödie verfing. Ausgesöhnt mit der frechen Unterbrechung seiner Rede, geleitete er Messalina voll zärtlicher Dankbarkeit zu ihrem Sessel zurück und nahm wohlgefällig seinen Sitz ein.

Unter dem wilden Lärm eines von Tuben, Hörnern und Drommeten geschmetterten Kriegsmarsches brachen hinter dem Cäsarentempel jetzt hundert Prätorianer hervor, in der altertümlichen Rüstung der Krieger aus den Zeiten des republikanischen Rom. Sie trugen dicklederne Brustkollare, deren Achselstücke aus drei gebogenen Erzplatten sich bei jeder Armbewegung ineinanderschoben. Unter dem Kollar hervor trat der rote Lendenschurz, der mit seinem von blanken Kupferplättchen verzierten Rande den Oberschenkel nur halb verdeckte. Die Leibesmitte umschloß ein Ledergurt, der über und über mit erzenen Buckeln benäht war. Vorn verbreiterte er sich zu einer bis an die Knie herabhängenden Lasche, in deren Außenseite Nieten aus Kupfer, figurenreich angeordnet, eingehämmert waren. Der Helm, bis tief über die Augenbrauen die Stirn schützend, die Ohren und Wangen der Männer hinter erzenen Scharnieren verbergend, war hoch überragt von einem aufbäumenden Bügel, der als Schmuck ein dickes Gekrause roter Schafswolle trug. Die Beine waren mit verzierten Ledergamaschen bekleidet, die Füße bloß. Als Waffen führten die Krieger die Lanze von doppelter Manneslänge. Am linken Arm trugen sie den gewaltigen Rundschild, dessen Rand von einem gewichtigen Erzkreis eingefaßt war.

Der feierliche Aufzug machte vor der Tribüne halt. Dreimal schlugen die Männer mit der Lanze gegen die dumpf dröhnende Schildfläche, den Kaiser zu grüßen. Dann gingen sie sofort zum Reigen über. Es war ein von allen Kriegern gleichmäßig vollführtes Springen, das einen kunstvollen Speerkampf darstellte. Dieses sprunghafte Angreifen, Ausweichen, Vorstürzen und Zurückgleiten hatte dreihundert Söhre zuvor den kriegerischen Reigentänzern den Namen Salii – d.i. Springer – gegeben. Es war ein seltsames wildes Bild. Erst duckten sich die von blutrotem Fackelscheine umloderten, grimmigen, erzklirrenden Gestalten, dann reckten sie sich auf, jetzt verschwanden sie hinter ihren Schilden, plötzlich stürmten sie vor, schwangen die riesigen Lanzen und schnellten in kühnem Sprunge mit mächtigen Sätzen vorwärts.

Messalina folgte dem Reigen mit erregter Aufmerksamkeit. Wie die Massen auf dem Forum, erhitzte auch sie das nächtige Gleiten und Wogen der Mannesleiber, das sich wie ein Spuk aus vergangenen Zeiten vor der Tribüne entfaltete.

Da traf ihr Blick eine einsam ragende Gestalt, die dicht bei der Tribüne auf der Sockelstufe einer Ehrenstatue vor dem Cäsarentempel stand. Mit fassungslosem Staunen erkannte sie Abalanda.

Sie wandte sich hastig an Claudius. »Weißt du, daß der Chatte Abalanda trotz seiner Verabschiedung noch in Rom weilt?«

Der Kaiser war von den gewandten Sprüngen der Salii so gefesselt, daß er nur mit einem flüchtigen Kopfnicken antwortete.

»Was hat ihn zurückgehalten?« fragte Messalina.

Ungeduldig über die Ablenkung, gab Claudius mit zwei Worten Auskunft: »Eigene Angelegenheiten.«

Jetzt sah Abalanda zur Tribüne herauf, als fühle er den Blick der kaiserlichen Freundin. Zugleich vernahm Messalina einen halblauten Ausruf der dicht neben ihr sitzenden Agrippina.

»Dort ist der Nordländer!« hörte sie die Julierin Livilla zuflüstern, »der den Mörder des Paris aufgespürt hat.«

Messalina lauschte in Spannung und Bestürzung. Doch die Stimme neben ihr schwieg.

Erregt schüttelte sie des Kaisers Arm.

»Abalanda muß morgen in den Palast befohlen werden!«

Achselzuckend erwiderte Claudius: »Er lebt als freier Gast in Rom – ich habe ihm nichts mehr zu gebieten.«

»Aber ich muß ihn sprechen!«

In diesem Augenblicke war der Kriegsreigen beendet.

Die Salii verneigten sich vor der Tribüne und marschierten ab unter dem Rasseln ihrer Schilde, auf die sie im Takte der Musik schlugen.

Der brüllende Beifall der Menge schwoll an wie ein Unwetter und brauste lange Zeit über das Forum hin. Claudius eilte wieder an die Brüstung und nahm den Dank, der auch ihm galt, mit vielen Bücklingen entgegen.

Messalina erhob sich und verneigte sich hoheitsvoll vor dem Volke. Dann starrte sie zu der Ehrenstatue hinüber. Sie sah, daß dort ein Centurio den Freund ansprach. Die beiden Männer wechselten einige Worte. Dann schritt Abalanda mit dem Centurio davon. Vier Prätorianer folgten. Die Gruppe verschwand in der dunklen Öffnung des augustinischen Triumphbogens.

Abseits flüsterte Narzissus: »Ein glücklicher Zufall, Polybius, daß ich hinter dem Sessel der Kaiserin stand und das kurze Gespräch hörte. Der Centurio Varillus hat seinen Auftrag rasch und ohne Aufsehen erledigt. Der Chatte ist verhaftet. Sorge, daß man ihn gut behandelt und rasch in seine Heimat abschiebt. Die junge Dame ist in ihren Neigungen gefährlich. Der Fremde hat schon einmal merkwürdiges Interesse an Messalinas Ruf bewiesen. Wir dürfen in ihrer Nähe keinen dulden, der unserm Einfluß schädlich werden könnte.«

»Ist nicht auch ein wenig Eifersucht dabei?« versetzte Polybius mit verschmitztem Schmunzeln.

Der Freund antwortete nicht.

Es war, als hätte der Himmel nur das Ende des nächtlichen Tanzes abgewartet. Die tief hängenden Wolken segelten eiliger über die Glut des Fackelscheines dahin, eine sein rieselnde Nässe versprühend, die nach und nach in einen strömenden, kalten Märzregen überging.

In den Portiken und Arkaden entstand ein gefahrvolles Drängen, als die vor dem Regen flüchtenden Menschenmassen in den schon vollgepfropften Zugängen Schutz suchten. Selbst die Tempeleingänge verteidigten die Priester vergeblich, die geheiligten Räume vor profaner Benutzung zu bewahren. Die Fackeln erloschen. Schwarze Dunkelheit braute über dem von Menschen brodelnden Platze und seiner Umgebung. Nur die Togawalker freuten sich. Sie würden am nächsten Tage ein glänzendes Geschäft machen mit dem Glätten der durchweichten und zerdrückten Gewänder.

Auch das kaiserliche Paar kam durchnäßt zum Palatium, da die unverdeckte Doppelkathedra dem immer stärker niederprasselnden Regen keine Abwehr geboten hatte. Messalina zitterte vor Frost in den triefend an ihrem Körper klebenden Hüllen.

Doch sie fieberte auch vor Aufregung. Wie hatte Agrippina den treuen Abalanda genannt? Den Mann, der den Mörder des Paris aufgespürt hatte! Wenn auch der Rausch dieser ersten tollen, verzehrenden und erlösenden Liebe verflogen war, hatte Messalina doch einen sehr schwerwiegenden Grund, der glückseligen Stunden in den Gärten des Agrippa und dem verschwiegenen Liebesneste der Mutter Rubria zu gedenken. Einen sehr schwerwiegenden Grund, der sie mit Schmerz, Glück und Wehmut erfüllte.

Heftig atmend, mit fest zusammengebissenen Zähnen und zu Fäusten gekrampften Händen, in wollene Decken gehüllt, lag sie auf dem Pulvinarium und antwortete auf keine Frage des Arztes Themison, eines aus Syrien stammenden Freigelassenen. Sklavinnen unter der Leitung Fabullas hatten sie von den regengetränkten Stoffen befreit und ihren Körper mit heißen Tüchern gerieben. Nun lag sie, die tiefeingesunkenen Augen geschlossen. Als schwere Schatten ruhten die langen, schwarzen Wimpern in den Ringen, die in violetten Kreisen die Augenhöhlen umrandeten. Die bläulich verfärbten Lippen bebten unter dem in kurzen Stößen hervorbrechenden Atem.

Themison bemühte sich um die Herrin. Sein dunkles Gesicht war mehr verwundert als besorgt. Er erkannte den Zustand der jungen Frau. Sollte wirklich dieser alte Claudius ...?!

»Weine nicht,« tröstete er freundlich die schluchzende Fabulla, die in Angst um die starr und stumm daliegende Gebieterin verging. »Mit einem heißen Würztrank werden wir sehr bald die Kraft der heranziehenden Erkältung brechen.« –

Er kritzelte etwas in das Wachs seiner Schreibtafel, die er einer der Dienerinnen übergab.

»Hier – laß das sogleich bereiten und beeile dich mit dem Tranke.«

Ermahnend wandte er sich an die erschreckten und aufgeregt summenden Mädchen. »Entfernt euch! Es muß tiefste Ruhe sein um die Domina. Nur Fabulla mag bleiben.«

Während die Sklavinnen auf den Zehen hinausschlichen, trat Themison wieder an das Lager. Er prüfte den Puls und den Herzschlag der Kaiserin und betrachtete mit einem seltsam versonnenen Lächeln ihr Antlitz. Nachdenklich strich er seinen tiefschwarzen Bart. Fabulla sah, wie er sich schließlich über die Kranke beugte und ihr etwas ins Ohr raunte.

Da schlug Messalina die Augen auf – und antwortete unter einem schmerzlichen Lächeln in kurzen, abgebrochenen, nur dem Arzte verständlichen Worten. Themison richtete sich wieder aus und erteilte in heiterem, doch leise geführtem Gespräche Verhaltungsmaßregeln. Dann kam er auf Fabulla zu.

»Wie ich höre, bist du die Vertraute, fast die Freundin unsrer Domina,« redete er sie halblaut an. »Die Kaiserin wünscht, daß du am Altar der Laren den Schutzgöttern des Hauses opferst. Sie verdienen Dank, die Kinder eures Merkur und der Nymphe Lara. Ferner! Da ich hier auf den Würztrank für die Gebieterin warte, den Kaiser aber dann gleich sprechen muß, so sende dem Cäsar einen Boten mit der dringlichen Bitte, er möge die Gnade haben, mich in einer halben Stunde zu empfangen.«

»So steht alles gut?« fragte Fabulla, unter Tränen lächelnd.

Als der syrische Arzt nickte, wollte sie an das Lager der Herrin eilen, ihr die Hände zu küssen. Doch er vertrat der Getreuen den Weg und wiederholte, der Patientin sei jede Aufregung zu ersparen.

Dann brachte man den Trank. Die bleichen Züge der Domina gewannen wieder Farbe, die matten Augen wieder Leben unter der Wirkung des starken Würzweines.

Da verabschiedete sich der Arzt und begab sich zum Kaiser.

Claudius wartete in Gesellschaft seiner griechischen Ratgeber Narzissus und Polybius auf Nachrichten über das Befinden der Gattin. Fürsorglich bemüht, den kaiserlichen Herrn jeder andern Beeinflussung zu entziehen, hatten sich die beiden Freigelassenen nicht entfernt, obwohl die majestätisch in einem Sessel thronende Agrippina sie mit fortweisenden Blicken bedachte.

Die Nachricht von der Erkrankung der Kaiserin hatte sich rasch im Palaste verbreitet, zugleich mit dem Verbote des Arztes, die Fürstin durch Besuche zu stören oder zu erregen. So waren die Gänge belebt von stumm harrenden Schranzen.

Sprungbereit wie immer, war Agrippina beim Cäsar geblieben, als verwehre ihr die Sorge um das Wohlergehen der jungen Verwandten die Heimkehr. Man könne nie wissen, was sich ereigne, hatte sie der Schwester Livilla zugeflüstert und sie genötigt, mit ihr im Gemache des Kaisers zu warten. Mit stillem Grimme musterte Agrippina den schönen, kecken, stattlichen Narzissus, dessen geistvolles Gesicht in der unverhüllten Arroganz des Triumphes selbstsicher lächelte. Agrippina kochte. Wie dieser Mensch dastand und in seiner anmaßenden Haltung verriet, daß er mehr als jeder andere im Palaste berechtigt sei, in Stunden der Sorge dem Cäsar beizustehen! – Und dieser aalglatte Schleicher Polybius! Geschmeidig glitt er neben dem schwerfällig auf und ab tappenden Claudius einher, nichts von Ehrfurcht in seinem Benehmen, die Hände nachlässig behaglich auf dem Rücken gefaltet, als wandle er in größter Vertraulichkeit mit seinesgleichen! – Und die reichen Gewänder, die dieses Sklavengelichter trug, nachdem es sich der durchnäßten Kleider entledigt hatte!

Agrippina konnte sich nicht länger beherrschen.

»Findest du nicht, Oheim,« hob sie mit vergifteter dünner Stimme an, »findest du nicht, daß die traurige Nachricht der Erkrankung unserer geliebten Messalina eine Angelegenheit ist, die zunächst uns Verwandte angeht?«

»Die Erkrankung der nach dem Cäsar höchsten Persönlichkeit im Palatium berührt durchaus die Interessen des Staates, hohe Frau,« nahm mit verbindlicher Miene Narzissus das Wort, ehe der Kaiser antworten konnte.

»Zweifelsohne!« sekundierte sofort Polybius, in unantastbarer Ehrerbietung sich vor der wutbebenden Frau verneigend. »Es wäre im Ernstfalle meines Amtes, als Sekretär des höchsten Herrn, im Reiche Tempeldienst und Bitten an die Götter für die Gesundung unserer Herrin anzuordnen. Magst du, edle Domina, daher nicht zürnen, wenn wir den Entscheid des Arztes hier abwarten.«

Claudius wackelte mit dem Kopfe und fuhr immer wieder mit der Hand über sein speichelfeuchtes Kinn.

»Ich bin weniger wegen Messalinas Krankheit in Aufregung,« erklärte er, müde in einen Sessel sinkend. »Wir alle sind im Palatium angekommen in einem Zustand, als hätte man uns aus dem Tiber gezogen. Ich bin dreimal älter als Messalina und verspüre keinerlei Beschwerden. Sie wird das bißchen Schnupfen schon überwinden. Aber mein schöner Abend – mein schöner, schöner Abend! Daß der elende Regen den wunderbaren Eindruck auf die Massen nun förmlich – förmlich – abwaschen wird, das ist's, was mich so aufregt.«

Er sprang empor und stolperte wieder umher.

»Ich bin außer mir! Es war alles so herrlich in Szene gesetzt, die Salii glänzend einstudiert – dank meinem Freunde Polybius, der ebenso wie ich die Historie Roms kennt und der, wie ich, weiß, wie man sie verlebendigen kann. Ein Meisterwerk das alles, um das Volk für den Krieg mit Britannien geneigt zu stimmen. Meine Rede zündete, obwohl sie durch ein wohlgemeintes Versehen meines Freundes Narzissus leider unterbrochen wurde.«

Er blieb bei dem Griechen stehen und tätschelte ihm in sanftem Vorwurf die Wange. Dann wandte er sich zu Agrippina und Livilla um und versicherte: »Da habt ihr, was mich viel, viel mehr beschwert, als Messalinas Schnupfen.«

Agrippina erhob sich brüsk. »Ich war der Meinung, dein Herz hinge an deiner Gattin. Ein Irrtum also. Altmodische Bräuche, das Gespringe der Salii und der Krieg in Britannien scheinen dir näherzugehen. Ich wenigstens werde mich nach Messalinas Befinden erkundigen.«

Polybius trat wie zufällig an die Tür.

»Der Kaiser ist dir für deine Fürsorge gewiß dankbar, Erhabene,« sagte er mit einem süßlichen Lächeln. »Der Arzt hat jedoch befohlen –«

»Bist du des Kaisers Vormund, Freigelassener?« herrschte die empörte Cäsarentochter den Griechen an, schwere Betonung auf das letzte Wort legend, ihre Verachtung auszudrücken. »Ich staune, Oheim Claudius, daß du andere für dich sprechen läßt.«

»Ich bin nur meines Herrn getreuer Diener,« versetzte Polybius mit unerschütterlich devoter Miene, um darzutun, daß die beabsichtigte Beleidigung, die Erinnerung an seinen früheren Sklavenstand, nicht getroffen hatte. »Wie du hörtest, betrachten Narzissus und ich die Erkrankung der hohen Frau –«

»Schweig!« unterbrach ihn Agrippina abermals. Hochaufgerichtet schritt sie dem Ausgange zu. »Fort von der Tür!«

»Gütige Götter, warum denn solche Szenen?« jammerte Claudius. »Wenn dir so sehr um Bescheid über Messalina zu tun ist – obwohl der Arzt ja gleich hier sein muß – mein lieber, guter Polybius oder Narzissus– vielleicht erkundigt ihr euch. Gehe doch einer.«

Da brach Agrippinas Selbstbeherrschung endgültig nieder.

»Was der nächsten Verwandten und Freundin verwehrt ist, soll Fremden, noch dazu Männern, gestattet sein?« schrie sie außer sich. Mit befehlender Gebärde den Arm gegen Polybius reckend, gebot sie: »Gib den Weg frei, Sklave!«

Jetzt endlich trat Narzissus neben den Freund und sagte gelassen mit seiner dunkeln, tiefen Stimme: »Edle Frau, unsre Treue gilt dem Cäsar als dem Cäsar, doch sie gilt auch dem Freunde und damit der Fürstin, die wir innig lieben. Verzeihe uns zweierlei Bedenken. Du bist erregt, Domina. Wir, als des Kaisers Ratgeber, dürfen nicht gestatten, daß du mit unbeherrschtem Gemüte unsere geliebte Kaiserin besuchst. Das zweite Bedenken –«

»Was scheren mich die Bedenken zweier Sklaven!« knirschte Agrippina, als er eine Sekunde zögerte.

»Es ist ein Einwand rein sachlicher Natur,« belehrte Narzissus mit einem milden, verzeihenden Lächeln. »Das Leben der Kaiserin ist kostbar. Die Anwesenheit des Arztes allein verbürgt dem Staate, daß keine unbefugte Hand einen für die Domina bestimmten Heiltrank berührt.«

Agrippina starrte den Mann einen Augenblick lang mit regungslosem Staunen an. Dann quoll ein unterdrückter Wutschrei über ihre Lippen. Sie hatte die kühne Verdächtigung begriffen. Ächzend vor Empörung taumelte sie zu einem Sitze. Stumm und betroffen, sich so schonungslos behandelt zu sehen, sah sie da und funkelte den hochgewachsenen Griechen an. Unterdessen glitt Polybius zum Kaiser hin.

»Verstehe, daß wir nur das Beste wollen,« flüsterte er ihm zu. »Die Domina mußte einmal darüber belehrt werden, daß die Zeiten ihrer Einmischung im Palaste endgültig für sie vorüber sind. Keine Gelegenheit war besser als diese.«

Claudius, der vor Aufregung noch mehr geiferte und wackelte als vorher, wagte keine Erwiderung. Im Grunde tat ihm die Nichte leid. Mit einem schmerzhaften Dämpfer auf ihr selbstherrliches Gehaben aber war er einverstanden. Denn er fürchtete sie.

Der Admissional unterbrach die unliebsame Szene. Er meldete den Arzt Themison. Der Kaiser machte eine zustimmende Bewegung. Dann trat der Syrer ein, sich nach der Sitte seiner orientalischen Heimat bis zum Boden verneigend.

»Die hohe Kranke schläft friedlich,« sagte er. Nach einem erstaunten Blick auf die bei diesen Worten aus dem Sessel auffahrende Agrippina fuhr er fort: »Ein anregender Trank hat seine Schuldigkeit getan. Morgen wird die Kaiserin wieder wohlauf sein.«

Dann sah er zweifelnd auf die beiden Griechen und die Schwestern. »Doch noch ein anderes, hoher Herr – es ist eigentlich nur für deine Ohren bestimmt –«

»Der Kaiser hat vor uns keine Geheimnisse,« sagte Narzissus, den Arzt befehlend ansehend.

Themison zuckte die Achseln. »Es ist ja auch eine frohe Botschaft,« lächelte er und trat etwas tiefer ins Gemach. »Die Saturnalien dieses Jahres werden im Dezember dem Kaiser und dem Volke ein besonderes frohes Fest sein. Die hohe Frau bedarf schonender Pflege und liebevoller Sorgfalt. Denn noch ehe die Sonne das Zeichen des Schützen erreicht – gegen Ende November – wird die Ehe unseres erhabenen Fürstenpaares gesegnet sein.«

Einige Sekunden herrschte atemloses Schweigen. Keiner begriff sogleich die dunkel gehaltene Verkündung des Syrers.

Polybius war der erste, der sich faßte. Er umarmte den Kaiser und wechselte dabei mit Narzissus einen Blick höchsten Triumphes, der jubelte: Nun ist er ganz unser!

»Mögen alle Gütigen, die unsere Geschicke in Händen tragen, dein wunderbares Glück beschirmen, Herr!« rief er, von Rührung scheinbar überwältigt. »Mögen sie dir den purpurgeborenen, würdigen Nachfolger schenken, der das von dir begonnene Werk der Beglückung Roms vollendet, wenn die Himmlischen – was noch lange nicht geschehen möge! – dich in ihre Mitte rufen.«

Jetzt endlich verstand auch Claudius. Sein altes Gesicht verfärbte sich zu wächserner Blässe. Dann aber siedete ein Glutstrom ihm in die Stirn vor Freude und vor Verlegenheit.

»Ist's wahr – ist's wirklich wahr?!« stammelte er, auf den Arzt zuwankend.

»Herr, ich täusche mich nicht,« versicherte Themison. »Auch die Kaiserin selbst wußte es schon seit einiger Zeit.«

Haltlos aufschluchzend, warf sich der bis in die tiefste Seele erschütterte alte Mann an die Brust des Syrers und weinte vor Glück. Also doch! Also doch! Das Wunder war geschehen! Neulich, als Messalina nachts ihn in seinem Schlafgemach aufgesucht hatte – liebeverlangend – die Süße – Herrliche! Er sah in diesem Augenblicke so rührend aus, daß selbst Polybius und Narzissus die feierliche Stimmung nicht durch eine stumme Verständigung zu stören wagten.

Mit einem verächtlichen Blick auf den in den Armen des Arztes vor Weinen zitternden Oheim rauschte Agrippina wortlos aus dem Gemache. Livilla folgte ihr erst, nachdem sie in aufrichtiger Teilnahme einige freundliche, beglückwünschende Worte an den Kaiser gerichtet hatte. Draußen harrte die Schwester.

»Von allen Enttäuschungen meines Lebens ist diese die bitterste,« stöhnte Agrippina mit kalkweißem Gesicht. »Nun wird es unmöglich sein, den Einfluß Messalinas zu zerstören. Noch immer hat die Mutter des Thronerben den Gatten unerschütterlich beherrscht.«

Sie krallte ihre Finger in den Arm der Schwester.

»Und doch – ich gebe das Spiel nicht auf!« Wilder Triumph eines letzten Hoffens glühte in ihren schwarzen, schönen Augen. »Der letzte Würfel muß doch noch erst fallen. Vielleicht ist es kein Sohn!«

Im Zimmer drinnen legte, vor Entzücken stotternd und stammelnd, der überwältigte Claudius dem geduldigen Arzte die Gesundheit der Kaiserin ans Herz. Er sprach von einem Sommeraufenthalt in Bajä, von einer schleunig zu erbauenden Villa für Mutter und Kind – in den Albanerbergen, am Meeresstrande oder an sonst einem gesunden Orte – er fabelte von einem Palaste für das Kind und seine Erzieher. Er sprach jetzt nicht nur als beglückter Gatte, sondern auch als der strahlende Vater. Und er sprach auch nur von einem künftigen Sohne, der die Herrschaft der Claudier bis in ewige Zeiten forterben würde. Polybius beteiligte sich eifrig an diesen leuchtenden Zukunftsplänen.

Narzissus hielt sich fern. Er stand im Schatten des Kandelabers, dessen Lampen das Gemach erhellten. Nachdenklich strich der schöne Grieche über Mund und Kinn, sein undurchdringliches Lächeln hinter der vorgehaltenen Hand versteckend. Er bezweifelte nicht die Wahrheit der Freudenkunde des syrischen Arztes – seine Zweifel waren anderer Natur.


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