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16

Seit den Erfahrungen mit Lateranus und Mnester war eine gespenstig dumpfe Ruhe über Messalina gekommen. Sie konnte lange Stunden auf einem Pulvinarium ruhend zubringen, regungslos auf den Polstern liegend, als wäre sie von einer großen Müdigkeit überwältigt. Ihr Cubiculum mußte dann tagsüber vollständig verdunkelt werden. Wenn ein Luftzug eine Ritze zwischen den Vorhängen öffnete und auch nur der geringste Lichtschimmer hindurchbrach, wirkte dieser unbedeutende Vorgang derart aufreizend auf die sonderbare Frau, daß sie in Rasereien verfallen, mit unflätigen Scheltworten nach ihren Dienerinnen schreien und die gehetzten Geschöpfe wegen grober Nachlässigkeit grausamen Züchtigungen überliefern konnte.

War solch ein Wutanfall vorübergewettert, so trat oft unvermittelt ein jäher Wandel in ihrer Gemütsverfassung ein.

Die Furcht vor Helligkeit ward zu einem wahren Lichthunger. Sogar des Nachts mußten lampenbeladene Kandelaber im Schlafgemache jetzt blendende Beleuchtung spenden. Das gedankenstumpfe Faulenzen wurde durch überreizte Tätigkeit ersetzt, und die Kaiserin, die sich sonst um nichts als ihr Privatleben bekümmerte, zeigte plötzlich ein erstaunliches Interesse für fernliegende Dinge und Angelegenheiten des Hofhaltes.

Auch dem Sohne Britannicus und dem Töchterchen Octavia widmete sie sich dann mit wahrer Affenliebe. Die Kinder mußten ständig um die Mutter sein, die ihre Zerstreuungen mit ihnen teilte, neue Spiele ersann und selbst wie ein Kind tollend durch die Räume des Palastes mit den Kleinen lärmte. Kam danach die körperliche Ermüdung, so hatte auch Claudius gute Zeiten. Er durfte sich in den Gemächern der Gattin einfinden und ihr zu seiner größten Freude stundenlang aus seinen Manuskripten vorlesen.

Die nächtlichen Streifzüge durch Rom, Besuche auf dem Platze an der Marsyassäule oder an sonst verrufenen Stätten der Stadt schienen endgültig der Vergangenheit anzugehören. Wenn die durch das Beispiel der Herrin verdorbene, lebensfreudige Fabulla sacht andeutende Vorschläge wagte, war Messalinas einzige Antwort ein stumm abweisender Blick.

Doch gerade nach solcher Versuchung der vertrauten Freigelassenen steigerten sich die Reizzustände der Kaiserin, als hätte die Erinnerung an das Gewesene sie seelisch stark erschüttert. Auch dann schloß sie sich vom Lichte ab, wurde aber in ihren verdunkelten Räumen von einer geisterhaften Unruhe umhergetrieben, als wäre sie auf der Suche nach einem Geheimnis, das ihr Befreiung und Erlösung aus der bohrenden Qual ihres Gemütes bringen könnte.

Während einer dieser Perioden wollte Claudius der offenbar gemütskranken Kaiserin eine Ablenkung und eine Freude bereiten.

Er stürzte in ihr Schlafgemach und sprudelte mit vielem Speichel hervor:

»Wie recht du hattest, du Kluge – Fürsorgliche! Was wäre ich ohne dich, meine Retterin!«

Messalina blinzelte verständnislos in das dämmrige Licht des Gemaches.

Übereifrig berichtete der Kaiser, die Nachforschungen über das ehebrecherische Verhalten des Valerius Asiaticus hätten kaum wirklich zuverlässige Ergebnisse gezeitigt, doch sei immerhin genügend Material gefunden, gegen den Besitzer der lucullischen Gärten einen Prozeß anhängig zu machen.

Messalina hörte den langatmigen Auseinandersetzungen des Kaisers mit gespannter Neugier zu. Ein Zug neu erwachender Lebendigkeit huschte über ihr schlaff und leer gewordenes Gesicht.

»Ich hatte diesen Asiaticus schon halb vergessen,« gestand sie. »Um was handelte es sich doch bei dem Manne?«

Claudius sah sie betroffen an. »Aber du selbst hattest ihn doch des Ehebruches mit Poppäa Sabina bezichtigt.«

»Fand man Beweise?«

»Suillius erschien in deinem Auftrage vor mir und berichtete über Vorgänge, die man allerdings als Beweise gelten lassen könnte.«

»Suillius!« sagte Messalina nachdenklich.

Erst jetzt fiel ihr wieder ein, daß sie damals diesen Mann, der von Claudius ein käuflicher Denunziant genannt worden war, für ihre Pläne gedungen hatte. Suillius hatte zugesagt. Und nicht nur das. Er hatte ihr auch weitestgehende Versprechungen gemacht. Er wollte Persönlichkeiten gewinnen, die von Einfluß bei Claudius wären und die den Asiaticus zugleich von einer andern Seite her dem Kaiser verdächtig machen würden, falls mit einer Anklage wegen Ehebruchs nicht durchzudringen sei. Bis in den Nacken errötend, erinnerte Messalina sich, den Callistus beauftragt zu haben, jenem Suillius einen beträchtlichen Geldbetrag auszuhändigen. Das also war geschehen, und der Denunziant hatte Wort gehalten und gehandelt.

Wie weit lag das alles heute zurück!

Ein Grauen überlief sie. Wo war ihr Geist gewesen, daß dieses Projekt ihr völlig entfallen konnte! – Wie hatte die Enttäuschung und Beleidigung durch Lateranus und Mnester sie so tief erschöpfen können, daß sie die Welt vergaß und mit der Welt die nächsten greifbaren Ziele!

Sie schüttelte den Bann ab und entflammte sich aufs neue an dem Gedanken, die Wundergärten des Lucullus auf einem Wege an sich zu bringen, der abseits vom Gewöhnlichen lag, abenteuerlich und aufpeitschend war.

»Dir scheinen nun doch Bedenken über diese Sache zu kommen,« schreckte Claudius sie aus ihrem Grübeln auf.

»Keineswegs,« erwiderte sie kurz, um nicht mehr sagen zu müssen. Sie wollte zunächst vom Kaiser hören, wie weit der Prozeß gegen Asiaticus gediehen war.

»Es ist dir gewiß erinnerlich, daß ich der Zeugenschaft eines Mannes wie Suillius kein rechtes Vertrauen schenkte,« fuhr Claudius fort. »Allein ein besonderer Umstand bewog mich, ihn ernster zu nehmen, als ich ursprünglich vorhatte. – Langweile ich dich?« unterbrach er sich, weil Messalina sonderbar abwesend lächelte.

Sie nahm sich zusammen. »Durchaus nicht,« versicherte sie, jetzt wirklich gespannt zu hören, was dieser schlaue Suillius unternommen hatte.

Der Kaiser erzählte: »Suillius war kaum vor mir erschienen, als auch Sosibius, der Erzieher unsres Sohnes Britannicus, das Gemach betrat. Er kam, um sich bei mir über eine unbedeutende Ungezogenheit des Knaben zu beklagen. Ich hörte ihn an, damit ich nachher ungestört mit Suillius verhandeln könne. Doch als der Erzieher sich entfernen wollte, bat Suillius mich, die Anwesenheit des Sosibius zu gestatten, der, wie dein Beauftragter mir versicherte, unser Gespräch über den Asiaticus mit anhören müsse.«

»Welch sonderbarer Zufall!« sagte Messalina mit gespielter Verwunderung. Ihr war sofort klar, daß Suillius und der Erzieher infolge einer Verabredung vor dem Kaiser zusammentrafen.

»Kein Zufall, sondern eine Fügung,« versicherte der ahnungslose Claudius. »Kaum vernahm nämlich Sosibius, unsre Unterredung gelte dem Valerius Asiaticus, als er sich mit Eifer in das Gespräch mischte. Zu meinem Entsetzen vernahm ich, Asiaticus sei bei der Ermordung des Cäsars Caligula die treibende Kraft gewesen. Der Consular hatte sich sogar öffentlich gerühmt, meinem Neffen das Todesurteil gesprochen zu haben. Ja, noch mehr! Er hat sogar laut verkündet, er bedauere, nicht selbst den Todesstreich geführt zu haben.«

»Das ist allerdings furchtbar,« gab Messalina in ehrlichem Erschrecken zu. Doch ihr Entsetzen galt der politischen Wendung, die jetzt die durch sie angeregte Sache genommen hatte. Daß frech erlogene Behauptungen über den in stiller Zurückgezogenheit lebenden und zuverlässigen Consular von Suillius aufgestellt worden seien, bezweifelte sie keinen Augenblick.

»Furchtbar allerdings, wenn auch nicht verwunderlich,« griff der Kaiser ihre Worte auf. »Es kam mir sogleich in Erinnerung, daß Asiaticus oftmals seiner Entrüstung und Empörung über das greuliche Wüten Caligulas Luft gemacht hat. Namentlich damals, als mein Vorgänger die Wunderbrücke zwischen Bajä und Puteoli schlagen und dann einen großen Teil der Menschen, die diese Brücke bei ihrer Vollendung besichtigten, ganz ohne jeden Anlaß ins Meer treiben und ersäufen ließ. Kurz, ich vernahm jetzt, nach so langen Jahren folgendes: Als sich an jenem blutigen Tage die Kunde von der Ermordung Caligulas im Theater verbreitete, war es der damalige Consular Valerius Asiaticus, der die Aufregung der Volksmenge und die Wut der nach den Kaisermördern fahndenden Prätorianer bändigte, indem er mit laut hinhallender Stimme erklärte, der Mord sei auf sein Anstiften vollzogen und Volk wie Reich dadurch von der Tyrannei der Cäsaren befreit worden. Asiaticus war es denn auch, der den Senat aufhetzte – oder doch wenigstens aufhetzen ließ, sich auf dem Kapitol zu versammeln, um über die Beseitigung der Cäsarenherrschaft und die Wiederaufrichtung der Republik Beschlüsse zu fassen.«

»Es geht also – wenn ich recht verstehe – auf Cäsarenmord und Hochverrat hinaus,« begriff Messalina in bang aufsteigender Sorge.

»Ja, ein Kaisermörder und Hochverräter! Noch dazu einer, der überall großen Anhang besitzt, namentlich bei den Truppen in Germanien. Davon wußte nicht nur dein Suillius zu erzählen, sondern vor allem bestätigte es auch Sosibius, dem ich am meisten Glauben schenke. Sosibius ist der freilich nur sehr vorsichtig geäußerten Meinung, es wäre dem ehemaligen Consular ein leichtes, die Heere gegen mich aufzuhetzen, ebenso das Volk, um mich entweder zu stürzen oder gar ermorden zu lassen.«

»Ach, dein altes Bangen vor Schatten!« bemerkte die Kaiserin wegwerfend.

»Diesmal sind es nicht Schatten, o nein, sogar recht handgreifliche Gestalten,« behauptete Claudius in winselndem Tone.

»Und nun wirst du gegen den Asiaticus vorgehen?« fragte Messalina.

»Ich habe schon gehandelt,« verkündete er. »Erkundigungen des Suillius haben ergeben, daß Valerius Asiaticus sich in Bajä aufhält. So sandte ich den Befehlshaber meiner Leibwache mit einer großen Anzahl Prätorianer ab, den Asiaticus gefangenzunehmen.«

»Ein ganzes Aufgebot von Männern gegen einen einzelnen Mann!« warf Messalina mit tiefer Verachtung hin.

»Aber ein überaus gefährlicher Mann! Ein zu allem fähiger Mann! Wahrscheinlich heute nacht noch wird er in Rom eingeliefert werden. Doch nicht vor dem Senate, sondern vor mir selbst als dem Oberhaupte der Gesetzgebung wird gegen ihn verhandelt werden. Das geht ohne lange Umschweife und Verzögerungen. Ein Kaisermörder und Republikaner, der die Beseitigung der Cäsarenherrschaft anstrebt! Da muß rasch gehandelt werden, wenn man dem Unheil vorbeugen will!«

»Und es bedrängt dich und deinen sonst so gerechten Sinn nicht im mindesten, daß du Partei und zugleich Richter sein wirst?« mahnte sie.

Er wurde verlegen und stotterte: »In diesem besonderen Falle – in diesem Falle – ich – du mußt begreifen –«

»Ich begreife nur eines, daß ich der Verhandlung beiwohnen möchte,« unterbrach sie sein Gestammel.

Claudius sah ein wenig bedenklich drein.

»Der Verhandlung beiwohnen? Obwohl die eigentliche Anklage, wenn auch in anderm Sinne, von dir ausging! Das wird nicht gehen. Alles soll ja in möglichster Beschleunigung abgetan werden. Deshalb wird die Verhandlung nicht in breiter Öffentlichkeit vor sich gehen. Auch meine ich –«

Sie schrie ihn heftig an: »Ich werde der Verhandlung beiwohnen! Basta!«

Er wagte keinen weiteren Widerspruch. Wie er vor ihren Liebenswürdigkeiten sofort dahinschmolz, fürchtete er sich vor ihren rabiaten Zornesausbrüchen.

»Nun gut, meine Teure – gut,« beeilte er sich zu gewähren. »Man wird das hoffentlich einrichten können.«

»Man wird müssen!« verbesserte sie ihn.

Er hielt es für geraten, sich weiteren Auseinandersetzungen über das gefährliche Thema zu entziehen, indem er sich rasch verabschiedete.

In aufgewühlter Stimmung blieb Messalina allein.

Sie suchte sich vergeblich des Ansturmes der Selbstanklagen zu erwehren. Durch eine Laune, durch das Gelüst nach dem Besitz der lucullischen Gärten – hatte sie über einen Menschen Schicksals heraufbeschworen, die nicht in ihrer Absicht gelegen hatten. Ein Ehebruch – was hätte mehr daraus werden können als die Ausweisung des Asiaticus aus Rom und der Verzicht auf seine Besitzung in der Stadt? Er war reich und besaß anderwärts noch schöne Güter. – Was konnte ihm, dem Vielgereisten, daran gelegen sein, gerade in Rom seine Tage zu beschließen! So wäre der Ausklang der gegen ihn erhobenen Beschuldigung zwar bitter, doch keineswegs gefährlich gewesen.

Sie fühlte plötzlich Reue über ihre Gemeinheit und tiefes Mitleid mit ihrem Opfer.

Denn ganz anders und auf das äußerste gefahrdrohend mußte der Verlauf eines überhastet durchgeführten Prozesses werden, nachdem der übereifrige Suillius, in der Vergangenheit des unglücklichen Mannes wie ein Gassenhund nach stinkenden Abfällen stöbernd, den Consular zum Mörder und Hochverräter gebrandmarkt hatte. Hier würde der feige Claudius ohne allen Zweifel auf ein Todesurteil dringen. So dumm war der Alte denn doch nicht, daß er die bedrohlichen Schwächen seiner Regierung nicht erkannt hätte. Denn wenn sie auch im ganzen milder war und tausendfach weniger blutbefleckt als die Wahnsinnsära eines Caligula, so barg sie doch einen schwärenden Krankheitskeim, der eines Tages in tätlichen Unwillen des Volkes und offene Empörung der Geschröpften und Betrogenen ausbrechen konnte: die allgemeine Bestechlichkeit.

Narzissus und seine Freunde hatten in ihrer Bereicherungswut diese vergiftete Atmosphäre geschaffen. Es gab kaum einen Menschen in Rom, der einer Versuchung widerstanden, kaum eine unehrenhafte und gewissenlose Handlung, die man nicht für Geld hätte erkaufen können.

Und sie selbst? War nicht auch sie den Einflüssen eines Narzissus, Polybius und Callistus schmählich erlegen? Wie eine plötzlich vom Blitz erhellte Landschaft raste die Vergangenheit vor ihren Augen vorüber, alle Scham und alle Schande rasch entblößend und ebenso schnell wieder verhüllend ...

Von dieser Stunde an sah Messalina dem Tage der Verhandlung gegen Asiaticus mit Bangen entgegen. Sie zermarterte ihr schlaues Gehirn nach einem Auswege, der ihr ermöglichen würde, in den Prozeß so einzugreifen, daß man den Consular nur wegen der Ehebruchsanschuldigung verurteilte, die Hochverratsklage aber vollkommen fallen ließ.

Sie vertraute sich unter geheimem Ekel sogar dem Callistus an, der den Denunzianten Suillius für diese Ausflucht gewinnen und zu einer verborgenen Unterredung mit der Kaiserin bestellen sollte.

Doch der Grieche brachte den Bescheid, Suillius sei nirgends in Rom zu finden. Vermutlich sei er mit der Verfolgung einer andern Spur beschäftigt, um dem Kaiser zu nützen und sich den furchtzitternden Greis ferner zu verpflichten.

»Du hättest mir dein Vertrauen rechtzeitig schenken sollen, erhabene Domina,« verwies Callistus achselzuckend. »Für die Summe, die ich dem Suillius in deinem Auftrage aushändigen mußte, wäre auch ich selbst zu jedem Dienste bereit gewesen, wie damals, als es sich um die Besitzung des Lateranus handelte. Ich gab dem Manne das Geld, nicht ahnend, welchem Zwecke es dienen sollte. Hättest du mich eingeweiht, so hätte ich dir sogleich sagen können: hüte dich vor Suillius! Er gleicht einem bösartigen Köter, der zwar seinen Herrn beschützt, doch unbequem dadurch wird, daß er nicht nur den, auf den er gehetzt wird, sondern auch noch Unbeteiligte anfällt. – Nun, du wirst es erleben, Domina! Dein unkluges Vorgehen in dieser Angelegenheit wird noch viel Staub aufwirbeln. Aus der Ehebruchsanklage ist gegen deine Absicht ein Hochverratsprozeß geworden, aus dem Hochverratsprozeß wird –«

»Genug, genug!« unterbrach Messalina nervös den Redefluß des Griechen.

Sie erkannte nur zu deutlich, daß sie auf keinerlei Beistand des Callistus und seiner Freunde mehr zu hoffen hatte. Sie durchschaute sehr wohl, daß Callistus die willkommene Gelegenheit benutzte, sie durch seine Vorwürfe zu demütigen und zu foltern und ihre Besorgnisse zu steigern.

Nachdem sie verzweifelt und in peinvoller Qual einige Male hin und her geschritten war, bat sie den Griechen, ihr den Sosibius zu senden. Er zuckte auch diesmal nur die Achseln, als wolle er sagen: was hätte das für einen Zweck!

Dann entfernte er sich ohne die übliche höfliche Verabschiedung von der Gebieterin. Zum ersten Male zeigte auch er ihr sein wahres Gesicht.

Bald darauf stellte sich der Erzieher des Britannicus ein, ein ruhiger und sachlicher Mann, dem sie niemals zugetraut hätte, daß er sich von Suillius gewinnen ließe. Er hörte in steinerner Ruhe die lebhaften Vorstellungen der Kaiserin an, als wäre er eine Mauer, die den Schall einer Menschenstimme empfängt, doch nicht zurücktönt.

Als Messalina endlich keine Gegengründe mehr fand und nur noch in Sosibius drang, doch wenigstens seine Ansicht zu äußern, als sie erschöpft in einen Lehnstuhl sank, ließ der Erzieher sich zu einer ehrlichen Antwort herbei.

»Domina, dein Einfluß im Palatium hat zu sinken begonnen,« sagte er kühn, doch aufrichtig. »Es haben Stärkere als du die Oberhand errungen. Wollte ich mich denen widersetzen, so brächte ich mein Leben in Gefahr. Siehe, Herrin, als ich mich von Suillius überreden ließ – die Annahme des mir gebotenen Geldes habe ich übrigens verweigert! – als ich ihm zusagte, ihm in seinen Anschuldigungen gegen den Asiaticus beizustehen, da glaubte ich nicht nur dem Kaiser, meinem gütigen Herrn, sondern auch dir zu nützen, die allezeit freundlich zu mir war.«

Mit feuchten Augen warf Messalina ein: »Und jetzt lohnst du mir die Freundlichkeit mit einer Weigerung!«

Die Hände ineinanderkrampfend, preßte er hervor: »O Domina, wie unrecht tust du mir! Wer wüßte nicht, daß der angebliche Ehebruch des Asiaticus und der keuschen und reinen Poppäa Sabina nur eine haltlose Beschuldigung ist. Daß er sich hingegen zur Teilnahme an der Verschwörung gegen den Imperator Caligula öffentlich bekannte, das behaupte nicht nur ich allein – ganz Rom war dessen Zeuge. Ich habe darin nicht die geringste Unwahrheit gesagt. Und nur weil ich eine Wahrheit vertreten konnte, nur deshalb ließ ich mich auf die Vorschläge des Suillius ein. Narzissus, Pallas und auch Callistus – sie ergreifen jede Gelegenheit, sich dem Kaiser nützlich zu erweisen. In dieser Prozeßsache gegen Asiaticus wollen sie nicht dir nützen, sie hegen keine Feindschaft gegen den Beschuldigten, das einzige, das sie wollen ist: der Kaiser soll überzeugt werden, daß sie stündlich über sein Leben und seine Sicherheit wachen, fortgesetzt bemüht sind, ihm den Sitz auf dem Cäsarensessel zu bewahren. Sie sind es, die in der Sache des Asiaticus nunmehr den Ausschlag geben. Darum legen sie auf mein Zeugnis so viel Wert als auf das eines dem Kaiser glaubwürdigen Mannes. Wie sie ja überhaupt äußerst geschickt sind in der Ausbeutung jeder Geringfügigkeit, aus der sie Nutzen schlagen und ihren Einfluß auf den Kaiser verstärken können. Ihr Bemühen galt von jeher, sich zunächst deines Einflusses auf den Gatten zu bedienen, doch dabei zugleich diesen Einfluß nach Kräften lahmzulegen, um ihn zu gegebener Zeit mit der Wurzel auszurotten. Diese Zeit ist gekommen, Herrin ... für die drei Griechen, aber auch für dich.«

»Der erste Mensch, der mir die Wahrheit sagt,« dachte Messalina erschüttert.

Sosibius sprach weiter: »Da es Tausende von Zeugen gibt, die das Bekenntnis des Asiaticus mit anhörten, was hätte es für einen Wert, meine Aussage zu widerrufen?«

»Du hast recht,« gab sie zu. »Die Wirkung wäre geringer als ein ruhender Windhauch, der kein Staubkörnchen in Bewegung zu setzen vermag.«

»Und selbst wenn ich widerrufen wollte, nur um dir meine Treue und meinen guten Willen zu beweisen, was käme dabei heraus? Nichts, als daß die Ratgeber des Kaisers argwöhnten, ich wäre ein Mann, der ihre Kreise zu stören beabsichtigt. Entscheide nun selbst, hohe Gebieterin, ob ich um einer Nutzlosigkeit willen mein Leben in Gefahr bringen soll. Es geschehe, wie du befiehlst!« fügte er tief aufseufzend hinzu und neigte das Haupt.

Messalina erhob sich und reichte ihm in schweigendem Danke die Hand. Dann gab sie ihm ein Zeichen, sich zu entfernen. Er hatte nur allzu recht: ein Stein war in einen Teich geworfen worden. – Wo gäbe es auf der Welt einen Menschenwillen, der das Wunder vollbrächte, das Wasser zu verhindern, seine Kreise zu ziehen!

Sie ergab sich in die Lage, die sie und andere nun einmal geschaffen hatten, und hoffte nur noch inbrünstig, es möge dem Asiaticus doch noch gelingen, den Kopf aus der verderblichen Schlinge zu ziehen.

Doch noch ein Letztes versuchte sie. Sie drang in Claudius, dem Consular einen Verteidiger zu gewähren. Sie hatte von einem Manne mit Namen Silius gehört, der nicht nur ein glänzender und beredter Anwalt, sondern auch ein gerechter und auf keinen Zoll käuflicher junger Rechtsgelehrter war. Diesen Silius schlug sie dem Kaiser vor.

Doch Claudius blieb unzugänglich. Die Macht seiner griechischen Freunde hatte den Einfluß der Gattin gebrochen. Sosibius sprach wahr. Messalina mußte erkennen, daß die Rolle, die sie im Leben des charakterschwachen Princeps gespielt hatte, zu Ende ging.

Im Palatium hatte man ein abseits liegendes Gemach für die Verhandlung eingerichtet. Claudius, graubleich vor verheimlichter Angst, thronte aus einem kleinen Tribunal. An der gegenüberliegenden Wand waren nur wenige Sessel aufgestellt, in denen, außer Messalina als der einzigen Frau, der Präfekt der Leibwache und vier höhere Hofbeamte platznahmen. Die drei Griechen hatten ihre Sitze in der Nähe des Kaisers. Suillius und Sosibius als Hauptzeugen standen neben der von Prätorianern bewachten Tür. Zeugen, die Suillius irgendwo und irgendwie aufgetrieben, harrten auf dem Flur ihres Aufrufes.

Auf ein Zeichen des Kaisers wurde Asiaticus hereingeführt.

Die Verhandlung begann mit einer wetternden und wirbelnden Anklagerede des Suillius. Er warf dabei ab und zu einen Blick auf Messalina, die bleich und leblos in ihrem Sessel kauerte, als suche er ihre Anerkennung für die Beredtsamkeit und Kühnheit, mit der er sein ihr verpfändetes Wort einlöse.

Asiaticus ließ den Denunzianten sich ruhig austoben. Nicht die geringste Bewegung des Protestes machte er, in seinem charaktervollen Antlitz bewegte sich keine Muskel.

Als dann Claudius ihm erlaubte, sich zu äußern, widerlegte er zunächst die Anschuldigung des Ehebruches mit Poppäa Sabina. Er führte seinen Gegenbeweis in so ruhigen und einfachen Worten, mit so selbstsicherem Maßhalten und so überzeugender Wahrhaftigkeit, daß Claudius nur durch die streng warnenden Blicke des Narzissus gebändigt und zurückgehalten wurde, seiner lebhaften Beistimmung und seinem Glauben an die Schuldlosigkeit des Redners regen Ausdruck zu verleihen.

»Man wird hierüber die Zeugen hören müssen,« schrie Suillius, dem das Schwanken des Kaisers keineswegs entging.

Und um in dem Princeps die Furcht vor Verschwörungen und vor Anschlägen auf sein Leben ungestüm aufzurütteln, begann er noch eindringlicher zu wiederholen – was seiner Verabredung mit Narzissus und dessen Freunden entsprach – daß Asiaticus während seines Oberbefehls sich bei allen Truppenteilen des nordischen Heereslagers durch Bestechung, durch Einführung und Duldung von Zuchtlosigkeit und Nachlässigkeit im Dienste, kurz, durch alle erdenklichen Mittel der Verführung die Sympathien der Kohorten erkauft habe. Und warum? Weil der Consular seit der Ermordung des Kaisers Caligula, deren geistiger Urheber er ja nach seinem in breitester Öffentlichkeit abgelegten Bekenntnis gewesen sei, mit dem Gedanken umginge, die Cäsarenherrschaft zu beseitigen und an deren Stelle die republikanische Verfassung zu setzen.

»Schon damals hat nur der Umstand, daß unser gütiger Gebieter in Erfüllung seiner natürlichen Anrechte den Cäsarenthron bestieg und dem so grausam im Blutrausche mit vertierter Rohheit Hingemordeten in der Regierung folgte, dem Treiben des Hochverräters einstweilen eine Grenze gezogen!« donnerte schwülstig Suillius.

»Der gesamte, damals von dem Consular verhetzte Senat könnte dafür als Zeuge auftreten. Aber wir begnügen uns hinsichtlich der Verfehlungen des Hochverräters mit dem Zeugnis eines narbenbedeckten Kriegers, eines kaisertreuen Mannes, der für seinen rechtmäßigen Herrn, den Cäsar, tausendmal sein Leben in die Schanze schlug, eines Soldaten, der um so glaubwürdiger, als er ein einfacher unbestechlicher Mann ist.«

Suillius ließ diesen Soldaten hereinrufen.

Der Mann sah martialisch-bieder drein, beantwortete mit fester Stimme und im Tone der Treuherzigkeit alle an ihn gerichteten Fragen. Er belastete aufs schwerste das angebliche Schuldkonto seines früheren Oberbefehlshabers, unter dessen Heeresführung er – wie er behauptete – gedient hatte.

Er berichtete, daß Asiaticus persönlich ihm eine größere Bestechungssumme aufzudrängen suchte, mit der er eine Anzahl seiner Kameraden dem Kaiser abwendig und dem Senate gefügig machen sollte.

Nun war aber der Kaiserin aufgefallen, daß der Veteran während seiner im Brusttone der ehrlichsten Empörung vorgebrachten Anwürfe nicht ein einziges Mal auf Asiaticus, hingegen öfter auf Sosibius, den Erzieher, blickte. Sie ahnte klug einen Vorteil für den Beklagten.

»Kennst du den Consular Asiaticus überhaupt?« rief sie dem Krieger plötzlich zu.

Der Mann war einen Augenblick verdutzt über diese unvermittelte Frauenstimme. Aber er faßte sich sofort und beteuerte mit pfiffigem Schmunzeln, seine mündlichen Verhandlungen mit Asiaticus machten doch wohl eine persönliche Bekanntschaft selbstverständlich.

»Wie sieht er aus?« kam eine neue rasche Frage Messalinas. »Woran würdest du ihn erkennen?«

»Erkennen?« erwiderte der Soldat. »Aber ich kenne ihn doch! Ein Mann mit einer Glatze ist leicht zu erkennen, noch dazu, wo ich doch oft genug heimlich mit dem Consular gesprochen habe.«

»Welcher von den hier anwesenden Männern ist es?« rief Messalina ihm zu. Ihre Augen glühten jetzt vor Gewißheit.

»Das da ist der Schurke!« brüllte der Söldner im Zorne des Gerechten und schlug dem vor Schreck in die Knie knickenden kahlköpfigen Sosibius die Faust schwer auf die Schulter.

Das Freudenlachen der Kaiserin läutete triumphierend über das Gelächter der Unbefangenen hinweg. Selbst Claudius, den niemals jemand herzlich lachen gesehen hatte, erwehrte sich nicht der lauten Heiterkeit. Nur die Verschwörer blickten ernst, bedenklich und zornig drein.

In dieser befreienden Stimmung schlug der Kaiser vor, die Anklage wegen Hochverrats fallen zu lassen und den Freispruch zu verkünden. Sein redlicher Sinn hatte den Sieg davongetragen. Frohbewegt gab er seiner Überzeugung dahin Ausdruck, die Zeugenschaft des Soldaten habe hinlänglich erwiesen, was von den übrigen Zeugen zu erwarten sei.

Suillius und die Griechen wagten vor den tatenlustig blinkenden Augen der Kaiserin keinen Widerspruch.

Asiaticus nahm in seiner Dankbarkeit für die Errettung nochmals das Wort.

In flammender Rede legte er sein ganzes, allezeit ehrenhaft verlaufenes Leben dar. Er schilderte, was ihn am Tage der Ermordung Caligulas bewogen hätte, sich zu den Verschwörern zu bekennen, obwohl er in keiner Weise mit ihnen verbunden gewesen sei. Er beschrieb die Angst und den Jammer der Frauen, als die tobenden Prätorianer ins Theater einbrachen, um durch ein Blutbad Rache zu nehmen für den Mord an ihrem Herrn. Er schilderte eindringlich seine Überzeugung, daß ein furchtbares Chaos nur zu verhüten war, wenn in der allgemeinen Kopflosigkeit ein einziger Wille die Macht an sich riß. Daß er hierin recht behalten, bewiese der Erfolg. Die eben noch wutschnaubende, sinnlos wilde Leibgarde habe ihm sofort gehorcht. Man solle sich vorstellen, was in Rom geschehen wäre, wenn die Soldaten sich auf die Bürger gestürzt, wenn ein gegenseitiges Morden losgebrochen wäre, dem unbedingt ein allgemeiner Aufstand des Volkes hätte folgen müssen. Daß nämlich die in der blutstarrenden Herrschaft des irrsinnigen Caligula erstandenen Cäsarenfeinde die Maske abgeworfen und die günstige Gelegenheit zur Aufrichtung der Republik benützt hätten, daran sei doch wohl nicht zu zweifeln. Welche Folgen dies für das Kaiserhaus gezeitigt hätte, brauche er nicht erst zu schildern.

»Nicht geschadet habe ich dem Hause der Cäsaren, nein, nur genützt, wenn ich auch zunächst keinen andern Ausweg aus dem Wirrsal sah als den, durch das falsche Eingeständnis des Cäsarenmordes den Eindruck zu erwecken, ich sei der gebietende Mann in Rom. Man erkannte mich an, vertraute meiner Kraft und bewahrte die Ruhe. Ist hier Schuld? Wäre es mir nicht ein leichtes gewesen, bei dieser Stimmung des Volkes wirklich die Macht an mich zu reißen, mich zum Herrn Roms aufzuschwingen? Tat ich auch nur einen Schritt auf dieses Ziel zu?! Wie fern lag mir der Gedanke an eine Beseitigung des Cäsarentumes! Das beweisen gewiß die Worte, die ebenso von Tausenden gehört wurden, wie mein erlogenes, doch wohlgemeintes Bekenntnis. Ich rief den Prätorianern zu: Wollt ihr eure Treue gegen das Kaiserhaus beweisen, so eilt zurück in den Palast und schützt das Leben der Angehörigen des Erschlagenen, denn sie halten schließlich nicht mehr mit ihm gemein, als daß sie nun einmal zu seiner Verwandtschaft zählen.«

Damit schloß Asiaticus seine Dankesrede.

In Messalina löste sich die furchtbare Spannung. Sie fühlte, daß sie die Tränen nicht zurückhalten konnte. Eilte in ein Nebengemach und überließ sich dort einem haltlosen Schluchzen der Freude. Asiaticus war gerettet!

Ein Mann, wirklich ein Mann! Und ein liebenswerter Mensch! Wie gut, daß Blut und Leben dieses ersten wahren Mannes, den sie bis jetzt in Rom gefunden hatte, nun nicht auf ihrem Gewissen lasten würden! Mochte er seine Gärten behalten!

Sie warf sich in einen Prunkstuhl und ließ den erlösenden Tränen freien Lauf.

Doch aus den Tränen der Freude wurden Tränen bitteren Leides.

Warum war es ihr nie beschieden gewesen, einem solchen Manne auf ihrem Lebenswege zu begegnen, ihn zu fesseln, zu gewinnen?! Mit solchem Manne eins zu werden in Treue, Liebe und Leidenschaft! Immer hatte sie sich in die Hände von Feiglingen und Verrätern geben müssen, die nicht nur an andern, nein, auch an ihr selbst schmählichsten Verrat übten!

Diese Erkenntnis zerfleischte ihr Herz und Seele. Leidenschaftliche Reue über die Vergangenheit senkte sich wie ein Bahrtuch über ihr aufgestörtes Gemüt.

Die Vergangenheit war tot. Sie war bereit zur Umkehr. Ihr Leben sollte von heute an neu beginnen. Ein junger Morgen dämmerte über ihrem Dasein.

Sie wußte, keiner würde an ihren Wandel glauben, jederzeit konnten Narzissus und seine Freunde die Stimmen erheben und alle Welt erinnern an die Verbrechen, deren sie sich in Gemeinschaft mit ihnen schuldig gemacht hatte. – Mochten sie! Sie würde mutig das neue Leben beginnen.

Doch das Gespenst der Vergangenheit ging um.

Schon begann es zu wandeln. Einer der Griechen, Callistus, trat auf die Schwelle. Messalina starrte ihn an. Was wollte der Schuft?

Er kam mit seinem süßlichen Lächeln näher, frech vertraulich. Er hatte die Kaiserin ja fest in seinen Klauen, war von Narzissus und Pallas ihr nachgeschickt worden, sie daran zu mahnen, daß sie den Pakt gebrochen, und ihr begreiflich zu machen, daß sie schleunigst zum Gehorsam zurückzukehren habe.

»Die Hochverratsklage ist erledigt,« fügte er flüsternd hinzu. »Dennoch sind die Gärten des Lucullus dir sicher, Domina. Meine Freunde und ich rechneten immerhin mit der Möglichkeit eines Mißlingen. So sorgten wir dafür, daß es wenigstens in der Ehebruchsklage eine rechtzeitige überraschende Wendung gab. Auch Suillius verdient hier Anerkennung. Er war es, der der unseligen Poppäa Sabina schilderte, welche Folgen die Anklage auch für sie haben müsse. Seine Vorstellungen hatten den gewünschten Erfolg. Soeben ließen wir die Nachricht eintreffen, daß – was denn ja auch wirklich geschehen ist – die unkeusche Gattin des Scipio durch einen Selbstmord vor einem Geständnis ihres Vergehens geflüchtet ist. Der Sieg ist also auf deiner Seite, Herrin. Die heutige Verhandlung ist nun freilich beendet. Doch der Kaiser ließ sich überzeugen, daß die Ehebruchsanklage nunmehr vor einem andern Forum aufgerollt werden muß. Über den Ausgang braucht man nicht im Zweifel zu sein. So werde ich einstweilen dafür sorgen, daß gleich nach dem Urteil die Gärten des Asiaticus in deinen Besitz übergehen. Als Dank dafür, daß du es warst, die zur Entlarvung dieses Wüstlings führte.«

Messalina rang, würgte, bis endlich gellend aus ihrer Kehle gurgelte: »Nein, nein!« Laute, die wie der Verzweiflungsschrei eines bis zur Todesangst gequälten Tieres durch das Gemach hallten.

»Was soll das bedeuten?« zischte Callistus ihr zu, dicht an sie herantretend und sie mit starren, befehlenden Augen musternd.

Mühselig gelang es Messalina, die Herrschaft über ihre vergehenden Sinne zurückzugewinnen. Sie krallte die Finger in das Gewand, griff dann wieder irr ins Leere und suchte, wie in einer Lähmung, vergeblich Worte zu formen. Dabei arbeitete ihr Bewußtsein so klar, daß sie sich entsetzte über die vorher nie gekannte Schwäche und Kraftlosigkeit ihres Körpers, der dem Willen nicht gehorchte. Endlich gab die Stimme wieder Laut, mißtönend klingend wie ein zerbrochenes Erzgefäß.

Ein Lallen nur: »Ich will nicht – will nicht – erbarme dich – nimm alles –«

Callistus schlug eine höhnische Lache an.

»Daß du jetzt nicht willst, wiegt wenig. Die Laune einer schönen Frau! Brachtest du nicht selbst den Stein ins Rollen? Oder wer sonst?«

»Ich – Callistus – nein – nein – ich bereue –«

Er grinste. »Reue ist eine lobenswerte Seelenregung. Doch für diesmal kommt sie zu spät. Du mußt nun zu deiner Anklage stehen. Man kann nicht Bezichtigungen erheben, Zeugen heraufbeschwören, Beweise schaffen und dann einfach die Augen schließen und glauben, nun werde die Welt dunkel, und von all den Vorbereitungen sei nichts mehr zu sehen. So einfach ist das denn doch nicht. Oder kannst du die schuldlose Poppäa Sabina wieder zum Leben erwecken? Es sind noch andere in diesen Prozeß verwickelt worden. Die Lawine wälzt sich weiter, und ein Suillius ist nicht der Mann, sie aufzuhalten. Er hat sich selbst zu tief verstrickt und er hat vom Senate den Todesspruch zu gewärtigen, wenn er sich noch einmal so bloßstellt als verleumderischer Ankläger wie in der Hochverratsklage gegen den Asiaticus.«

»Ich will – ich werde –«, begann sie erzitternd.

»Nichts wirst du!« schnitt er ihr schroff das Wort ab. »Diesmal wird die Verhandlung vor dem Tribunal stattfinden. Soll das in der Basilika versammelte Rom erleben, daß die Kaiserin vor aller Welt als falsche Anklägerin dasteht?! Meinst du, dein Suillius werde dich schonen, wenn er die Faust des Todes im Nacken fühlt?! Meinst du, er wird verschweigen, er habe dir seinen Beistand nur verkauft, weil dich nach den Gärten des Lucullus gelüstete, die nur eine meineidige Anklage der Kaiserin dem Consular entreißen konnte?!«

»Callistus, Callistus!« stöhnte sie in tiefster Verzweiflung. Sie fand keine Worte mehr, ihre Pein zu äußern. Vermochte nur diesen Namen zu ächzen. Vielleicht weil er ihr im Augenblick als die Inkarnation allen Verrätertumes, aller feigen Hinterhältigkeit, als der wahre Name der Bestie Mensch durchs Hirn spukte. Vielleicht weil er ihr die einzige Bezeichnung war für ein Schicksal, das sie schon damals ereilt hatte, als sie sich dem Haupte der griechischen Kamarilla, dem Narzissus, zu eigen gab.

Weinen konnte sie nicht mehr. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Ihre Augen blieben trocken. Die Fäuste ballend, mit den Zähnen knirschend, bezwang sie die Ohnmachtsanwandlung. Den Anblick der letzten Schwäche einer Frau gönnte sie dem Griechen nicht. Noch weniger durfte sie den Römern gönnen, die Kaiserin vor dem Senat ins Unrecht gesetzt und entlarvt zu sehen. Hierin hatte Callistus recht.

Sie biß die Zähne tief in die Lippen und ohne den lauernden Menschen noch eines Blickes zu würdigen, verließ sie schweigend das Gemach.

Ein Tropfen Blut fiel von ihrem Munde. Er bildete einen purpurroten Flecken auf ihrem Gewande – gerade dort, wo ihr Herz, sich wieder belebend, rasend hämmerte. –


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