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11

Bedrückte Stimmung lastete auf den Menschen, die das in der nächsten Nähe des Palastes gelegene Amphitheater füllten. Man hatte sich daran gewöhnt, dort nur Aufführungen zu sehen, in denen die Liebe Triumphe feierte. Jede üppige Szene, jede der vielen blühenden, nackten Tänzerinnen hatte den Zuschauern die Parole der Zeit zugerufen: »Freuet euch! Nehmt das Dasein als Rausch und Wonne! Nur der Genuß macht das Leben lebenswert!« Und nun saßen die Gaffer gelangweilt vor dem finstern, traurigen Stücke, dessen Aufführung der Kaiser befohlen hatte, mißmutig, weil man ihnen beweisen wollte, wie rasch aus der lustigen atellanischen Komödie des Lebens die finstere Tragödie entstehen könne.

Man schalt leise und heimlich auf den Cäsar. Was fiel ihm ein, seine Römer, die lachen und sich freuen wollten, heute zu Tränen zu rühren! Wenn man wenigstens Felix Bulba, den Räuber, wirklich kreuzigen wollte, wie man das schon einmal mit einem zum Tode Verurteilten in dem gleichen Stücke getan hatte! Dann wäre noch ein Spaß bei der Aufführung. Aber so – nur ein Schauspieler, der den edlen Banditen mimte, und den man nur mit Stricken an ein Theaterkreuz band! Wenn er auch noch so vortrefflich die Pein des Gemarterten spielte – noch so natürlich seine Schmerzensschreie brüllte – – im Zirkus sah man dergleichen viel besser. Denn die dort verblutenden Menschen bedurften keiner Kunst, ihr Entsetzen zu markieren, und das dort fließende Blut war wirklicher, echter warmer Lebenssaft, keine rote Tünche, mit der man hier diesen albernen Sterbenden anstrich, bis alle Weiber im Theater von Tränen überflossen ob dem Tode des edlen Räubers.

Ja, der Cäsar – der hatte gut eine Tragödie befehlen! Er selbst blieb klüglich dem langweiligen Stücke fern! Vergeblich sah die murrende Menge mißlaunig nach der Tribüne. – Dort waren alle Sitze leer.

Doch nein, jetzt kamen Kaiserliche. Ein raunendes Lachen flatterte durch die Sitzreihen. Es war nur der biedere Claudius, der in Begleitung einiger seiner Freunde angstvoll hastig hereingewankt kam, verworrener dreinsehend als je zuvor. Aber es war doch der drollige Claudius, den die meisten aus den Garküchen kannten, wo er seine gelehrten Vorträge zum besten gegeben hatte, ohne zu merken, daß man über ihn lachte.

Jetzt gestikulierte er mit den unbeholfen schlenkernden Armen. Mit seinem verstrubbelten Graukopf sah er aus, als wäre er eben aus dem Bette geholt und gewaltsam in die Tragödie geschleppt worden. Wirklich schien er verschlafen. Denn scheinbar ohne zu entdecken, daß der Sessel des Cäsars leer war, begrüßte er den Stuhl untertänig, als erblicke er dort den kaiserlichen Neffen in Person.

Und wo hatte er die schöne, junge Gattin gelassen, die ihn neuerdings so vortrefflich hörnte? Statt ihrer erschien Agrippina auf der Tribüne.

»Seht nur, wie sie schon wieder herrisch und hochmütig und verächtlich auf uns blickt! Auf uns, die wir sie vor kaum drei Wochen, beladen mit der Aschenurne ihres Galans, in armseligem Trauergewande durch die Gassen Roms haben wanken sehen!«

Viel später kam auch der Kaiser. Er gebot durch eine Gebärde, das Schauspiel nicht durch den üblichen Gruß zu unterbrechen. Vereinzelte Rufer verstummten rasch. Aha, er hatte sich heute der Tragödie entsprechend einfach und ernst gekleidet und nicht wie sonst mit weibischen Seidengewändern und klimpernden Zieraten behangen.

Er blieb lange an der Brüstung stehen und sah mit geneigter Stirn und zusammengepreßten Lippen der Todesszene auf der Bühne zu. Eine seltsame Tragik strömte aus von der einsamen, hoch aufragenden Gestalt im Vordergrunde der kaiserlichen Tribüne. Jetzt zog er die dunkelfarbige Lacerna enger um sich, als fröstle ihn. Oder als wehten ihn die Schauer des Todes an, von der Bühne her, auf der finstere Gestalten mit feierlichen Gebärden den dumpfen Sprechgesang der Totenklage begleiteten.

Der Cäsar strich in unsicherer Ergriffenheit über die Stirn. Dann schritt er wie ermüdet seinem Sessel zu. Schwer sank die plumpe Gestalt in die purpurseidenen Kissen. Er wandte sich um nach einem Herrn aus seiner Begleitung. Es war der Tribun Cornelius Sabinus, der Freund des Cassius Chärea.

»Ich habe einen üblen Tag heute,« klagte der Kaiser. »Böse Träume – schlaflose Nacht – Beschwerden im ganzen Körper. Ich hätte nicht ins Theater gehen sollen.«

Cornelius Sabinus hatte heimliche Botschaft von dem Freunde erhalten und hielt sich deshalb in der Nähe Caligulas, um, wenn alles versagen sollte, zur entschlossenen Handlung bereit zu sein. Er beugte sich vor und ergriff rasch die Gelegenheit. »Ist es nicht besser, du verläßt ohne Aufsehen das Theater, Herr.«

Vielleicht trennte dieser Vorschlag den Kaiser von dem Gefolge.

»Das Theater verlassen?« fragte der Imperator verwundert.

»Vielleicht erfrischt dich ein Bad oder ein heißer Trank oder eine anreizende Speise?«

»Ich habe heute noch keinen Bissen über die Lippen bringen können,« gab der Kaiser traurig und seufzend zurück. Er lehnte schwer und kraftlos in seinem Sessel. Plötzlich straffte er seine Glieder. »Ich bin heute wahrlich nicht die Gottheit, sondern der leidende Mensch Caligula,« murmelte er bitter, sich höher reckend. »Das Volk braucht das nicht zu merken. Du hast recht, Sabinus, ich werde das Theater verlassen.«

Als er sich erhob, stand auch der Tribun auf, ebenso der etwas weiter entfernt sitzende Centurio Minucianus. Das fiel dem Kaiser auf.

»Warum erhebt sich Minucianus – warum du?« fragte er mißtrauisch.

»Wer dürfte außer deinen Verwandten sitzenbleiben, wenn du stehst?« bedeutete der Tribun, rasch gefaßt. »Und dann, Herr, du scheinst krank. Deine Leibwache verläßt ihren kranken Kaiser nicht!«

Beruhigt nickte Caligula. »Aber – bleiben wir lieber sitzen, bis zu einem gelegeneren Augenblick. Man starrt von allen Plätzen zu uns herüber. Man soll meine Schwäche nicht gewahren. Vielleicht verscheucht auch der Verlauf des Stückes meine trübe Laune.«

Enttäuscht fügte sich der Tribun.

Caligula stützte einen Arm auf die Elfenbeinlehne des Sessels und legte die Stirn in die Handfläche. Er schwieg lange, hielt die Lider geschlossen und seufzte mehrmals tief und zitternd.

»Schmerzen plagen mich,« stöhnte er endlich. »Ach, daß auch ein Gott leiden muß!« Er wandte sich abermals an Sabinus: »Sprich mit mir, damit mein erbärmlicher Zustand nicht auffällt.« Er schüttelte unter einem mitleiderregenden, verzerrten Lächeln den Kopf. »Wo bleibt Chärea?« fragte er plötzlich heftig. »Ich habe ihn herbefohlen!«

Ein Struktor überhob den verlegenen Sabinus der Antwort. Er überreichte dem Kaiser eine Schreibtafel, die Caligula gleichgültig öffnete. Doch plötzlich ward der Herrscher ganz Leben.

»Das ist, was mir Gesundheit und Laune zurückgeben wird,« frohlockte er. »Ich nehme diese Botschaft als gutes Omen. Eine Frau verlangt nach mir! Eros ruft! Liebe ist Glück. Ja, mein Bester,« prahlte er in jähem Umschwung seiner Stimmung, »ein Weib, das ich einmal beseligt habe, kann mich nie wieder vergessen. Da lies!«

Mit einem spöttischen Blick auf Claudius reichte er dem Tribun die Schreibtafel.

Cornelius Sabinus überflog die wenigen, in das rotleuchtende Wachs eingeritzten Zeichen.

»Eine, die erst jetzt den Unterschied zwischen einem Gotte und einem Manne erkannt hat, ruft nach dir. Begnade sie noch einmal! Diesmal keine törichte, spröde Valeria, harrt sie im Palaste.«

Der Tribun erkannte sofort das Signal zur Tat. Chärea hatte ihm alles gemeldet. Doch klug und gefaßt schüttelte er den Kopf, als verstehe er die Botschaft nicht.

Der Kaiser lachte unterdrückt. »Du kannst den Sinn nur verstehen, wenn du den braven Claudius einsam auf seinem Platze thronen siehst,« flüsterte er heimlich. »Das heißeste, blühendste Leben wartet auf mich!«

Mit zurückkehrender Lebendigkeit sprang er auf, als eben die Menge stürmisch einer wohlgelungenen Szene Beifall spendete. »Laß uns eilen, Sabinus – hitzige Damen soll man nicht warten lassen. Die Gelegenheit zum Entschlüpfen ist günstig.«

»Das ist sie!« knurrte der Tribun grimmig, alle Kraft zusammennehmend, seine Freude nicht zu verraten.

Als der Kaiser hastig einen halbdunkeln Gang durchschritt, der vom Theater geradeswegs in das Innere des Palastes führte, sah er sich plötzlich einer Schar jugendlicher Gestalten gegenüber. Er blieb stehen und betrachtete sie verwundert.

»Wohin?« fragte er.

Ein hübscher Knabe nahm das Wort.

»Warum brichst du gerade vor unserm Auftritte auf, o Cäsar?« entgegnete er, die schönen, klugen Augen seines fremdartigen Gesichtes zum Antlitz Caligulas erhebend. »Wir sind Sänger und sollen in der nächsten Szene im Chore singen.«

Auch Cornelius Sabinus war stehengeblieben. Er verständigte sich durch einen Blick mit dem Centurio Minucianus, der heimlich ihm und dem Kaiser gefolgt war und sich dicht an die im Dunkel liegende Wand des Ganges hielt. Minucianus machte eine bezeichnende Gebärde, indem er an sein Kurzschwert griff. Der Tribun nickte und machte sich bereit, rasch auch seine Waffe zu zücken. So schlichen sie auf den Kaiser zu, ihn geschwind niederzustoßen.

Doch da umringten die Knaben jubelnd den Herrscher, der in seiner frohen Laune freundliche, vertröstende Worte zu ihnen gesprochen hatte.

»Man hat uns den weiten Weg aus Nicephorium nach Rom gebracht, denn unser Heimatland ist Asien.« hatte der Sprecher der Knaben vorwurfsvoll erläutert. »Wir stammen aus vornehmem Hause, und der Adel unseres Landes pflegt Göttergesänge, die nur von Edelknaben gesungen werden dürfen. Du, Herr, solltest es sein, dem wir heute zum erstenmal unsere Kunst darbringen wollten. Und nun gehst du schon.«

Ein würdiger Priester trat vor.

»Verarge meinen Zöglingen die Kühnheit nicht, daß sie dich hier aufhalten, mein hoher Gebieter,« bat er. »Aber es war ihr größter Ehrgeiz und ihr höchster Stolz, vor dem Angesichte des Herrn der Welt zu singen.«

»Ich fühle mich nicht wohl,« entschuldigte sich Caligula artig, der jetzt wieder fahl und verfallen aussah.

»Ach, Cäsar, wenigstens nur ein einziges Lied!« bettelte der hübsche Knabe, sich kindlich arglos an den Kaiser drängend.

Die andern folgten seinem Beispiele.

Wenn Sabinus und Minucianus nicht brutal die Söhne fremder, dem Reiche verbündeter Fürsten zu Zeugen des Kaisermordes machen wollten, mußten sie noch von ihrem Vorhaben abstehen.

Caligula, oft seltsam milde gegen die Jugend, sah keine Möglichkeit, sich der ihn bestürmenden Knaben zu erwehren. So gab er denn seine Zustimmung, eines ihrer Lieder anzuhören, und ließ sich auf einem armseligen, plumpen Holzschemel nieder, den der Priester rasch herbeitrug.

»Des Cäsars letzter Thron,« dachte Sabinus und umklammerte den Schwertknauf.

In leisen, klaren Tönen schwebte eine einzelne Knabenstimme widerhallend durch den Gang hin, eine seltsame, getragene Weise, ein inniges Anbeten fremder Gottheit. Sie stieg auf wie ein einsamer Vogel, der in der Ferne, der Höhe das ewige Licht sucht. Dann wuchs wie ein leises Summen der Sehnsucht der Chor der Knaben über die Einzelstimme empor, bald sie umschmiegend, bald sie übertönend, jetzt sie freudevoll umfassend, dann wieder sie freigebend, daß sie jauchzend klang, als steige sie sieghaft auf zu dem göttlichen Ziele. Und nun, als leuchte der überirdische Glanz schon ganz nahe, jubilierte die Einzelstimme. Wieder der Chor: warnende Stimmen, die den Himmelsstürmer an die ihn umdrohenden Gefahren mahnen. Leises Klagen des Dahinschwirrenden jetzt, der erkennt, daß die letzte Höhe unerreichbar bleibt. Der immer wieder steil aufflatternde Gesang des Knaben. Vergeblich sucht er hinaufzugelangen – höher – höher ... das Licht lockt und lockt ... Ein klirrender Aufschrei vor dem grauenvollen Sturz in die finstere Unendlichkeit des Todes. Sekundenlanges Schweigen tiefsten Erschauerns. Dann rang sich durch das Halbdunkel des Ganges die dumpfe Totenklage um den an seinem Schicksal Zerschellten in schauerlich ernsten, furchtbaren Tönen des Leides.

Die Laute kehrten zurück, entflohen wieder und verhallten ersterbend, als schlösse der schwere Stein einer Gruft sich über den Sängern ...

Caligula hatte dagesessen, die Ellbogen auf die Knie gestützt, das Gesicht in den Händen vergraben. Nun erhob er sich wankend, als wolle er dem unheimlichen Verschweben der Töne entfliehen.

»Fort,« stöhnte er, »fort – ich bin krank – bringt mich aufs Lager!«

Verwirrt scheuchte der Priester seine betroffene, verständnislose Knabenschar.

Der Kaiser war so verstört, daß ihm die plötzliche Gegenwart des Centurio Minucianus nicht auffiel. Sich auf die Schultern der beiden Männer stützend, taumelte er der Treppe des Ganges zu, die zu einem Flur im Palast hinaufführte. Dort oben im lichten Tage angelangt, kehrte ihm das Bewußtsein zurück. Er löste sich von seinen Begleitern. Im Flur standen Centurionen, vor ihnen der Tribun Cassius Chärea. Keiner sollte sehen, daß ein kranker Caligula kein Gott sei. Er gewahrte nicht, daß Sabinus und Minucianus hinter ihm die Schwerter entblößten.

Finster trat Cassius Chärea näher, dicht zum Kaiser hin.

»Du hast mich rufen lassen, Cäsar. Hier bin ich,« schnaubte er.

»Was willst du?« fragte Caligula, endlich bemerkend, daß ihm hier absichtlich der Weg verstellt wurde. Er wich zurück – seine Augen quollen aus den Höhlen – die Todesangst verfärbte sein krankes Gesicht zur Leichenblässe – er krallte die Hand an die Stelle, unter der sein hämmerndes Herz in der Qual der Todesfurcht raste.

»Bestimme die Parole für diesen Tag, Cäsar,« antwortete Cassius Chärea. Seine tiefe, rachedunkle Stimme dröhnte wie das Knurren eines Löwen unter der Wölbung des Ganges in dem atemlosen Schweigen der Umstehenden.

Die Blicke des Kaisers irrten über die finsteren Gesichter ringsum. Er sah nirgends Gnade. Fassungslos murmelte er: »Jupiter!«

»So treffe dich sein Zorn!« donnerte der Tribun, das Schwert aus der Scheide reißend, blindlings auf den Imperator einhauend. » Hoc age!« schrie er, wie der Opferschlächter tut, wenn er das ihm preisgegebene Tier trifft.

Es war das verabredete Losungswort. Gajus Cäsar Caligula fiel unter den Streichen der Männer, deren langgenährter Haß sich nun in einer bluttrunkenen Mordorgie austobte.

Dann plötzlich war der Flur leer und einsam, die Mörder entflohen. Nur der aus zahllosen Wunden blutende Tote lag da auf seinem seitwärts geneigten Angesicht. Aus dem Munde, der noch von einem im Waffenlärme verröchelten Schrei offenstand, verrieselte der Strom des Lebens, purpurn den Marmor der Fliesen überschwemmend.

In allen Gängen des Palastes widerhallte das Geschrei: »Der Cäsar ist ermordet!«

Das trieb die zitternde Gattin Cäsonia auf die Suche nach dem Leichnam. Ihr Töchterchen an der Hand führend, das der Erschlagene nach der einst so heiß geliebten Schwester Julia Drusilla genannt hatte, schlich die Verlassene mit angststarren Augen durch den Palast. Sie fand endlich an der von allen gemiedenen Mordstätte die zerfetzten Reste des Mannes, den sie – das einzige einsame Geschöpf auf einer weiten Welt – wahrhaft geliebt hatte.

Sie brach bei dem Toten hart auf die Knie nieder und schrie in ihrem haltlosen Schmerze immer wieder irr: »Warum hast du nicht auf mich gehört! Warum hast du nicht auf mich gehört!«

Vergeblich hatte sie oft versucht, in Liebe ihn zu milderem Walten zu bekehren.

In dumpfem Staunen stand das Kind.

Da scholl hinter ihr der erzrasselnde Schritt eines Soldaten. Ihr Mädchen schützend in die Arme schließend, richtete Cäsonia sich auf. Sie fühlte, dort nahte auch ihr der Tod. Er war ihr willkommen. Denn ohne den Mann, dessen Blut ihre Füße umsickerte, war ihr das Leben nichts. Sie betrachtete den bleichen Menschen mit den blutunterlaufenen Augen, der, das Schwert in der Faust, vom Anblick der schmerzentstellten Frau gebannt, in einiger Entfernung stehenblieb. Es war der Tribun Julius Lupus.

»Ein Wolf, der ein Lamm und seine Mutter würgen will,« stieß Cäsonia verächtlich hervor, mit einer Anspielung auf den Namen ihres Henkers.

»Domina,« flüsterte er. »Mein Auftrag –«

»Sprich nicht. Jedes Wort von dir beleidigt eine Sterbende,« rief sie ihm entgegen. »Wenn du darfst, schone das Kind!«

Sie öffnete ihr Gewand am Halse und forderte kurz: »Stich zu!«

Zwei Soldaten, die im letzten Augenblick noch als Helfer hinzugekommen waren, mit sich führend, ließ Julius Lupus drei Tote hinter sich.

Doch rasch erreichte ihn das Schicksal des Mörders einer schuldlosen Frau und eines unschuldigen Kindes. Er geriet in die Hände der germanischen Palastwachen, die auf der Suche nach den Mördern des Kaisers alle Gänge und Gemächer des Schlosses durchtobten und jeden niederstießen, auf den sie trafen. –

In den Straßen Roms hatte sich die Kunde von der Ermordung Caligulas in raschen Sekunden verbreitet. Geballte Menschenmassen füllten die öffentlichen Plätze. Doch überall herrschte angstvoll erstarrtes Schweigen. Niemand wagte über den Tod des Tyrannen zu jubeln. Denn keiner getraute sich, an diesen Tod zu glauben. Vielleicht setzte der Cäsar selbst das schauerliche Gerücht in Umlauf, um Anlaß zu neuem Wüten zu gewinnen.

Aber endlich stieg ein wildbrausender Aufschrei der Befreiung zum Himmel empor. Das gierig Erhoffte, bang nicht Geglaubte fand seine Bestätigung. Die Freudennachricht kam aus dem Lager der Prätorianer.

Dort – so erzählte man – stehe eine junge Frau auf schnell aus Rasenstücken aufgeschichtetem Tribunale und begeistere mit aufzüngelnden Worten die Soldaten und reiße sie fort durch ihre Schönheit, die sie ihnen preisgab. Es sei Messalina, die Gattin des Claudius, die bei der Nachricht vom Tode Caligulas, bekleidet nur mit einer dünnen, von einer Goldschnur zusammengehaltenen Tunika, sich schutzsuchend zu den Prätorianern geflüchtet habe.

Diese Nachricht war verbürgt. Sie war wahr.

Messalina hatte von dem Pantomimen Paris viel gelernt. Sie wußte von ihm, was eine reizvolle Körperlinie über ein Publikum vermag. Sie entzündete sich selbst an der Macht, den ihr Weibtum auf diese rohen Soldaten übte. Dieser Tag wurde der Tag ihres Triumphes über den Mann, der ihr die bitterste Schande angetan hatte. Sie berauschte sich an ihrem Kaiserinnentraume. Sie sprach verführerisch von der ihr gewordenen Prophezeiung.

»Macht mich zu eurer Kaiserin!« rief sie und zeigte ihre nackte Herrlichkeit.

Da wallte das Lager auf. Trunken jubelte die Leibwache ihr zu, im Sinnentaumel schworen ihr die Kohorten, den von allen Kreaturen Caligulas verspotteten Claudius zum Imperator auszurufen.


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