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Einige Worte über die von Herrn Prof. C. G. Schillings in Ostafrika gesammelten Säugetiere nebst einem Mahnruf zum Schutz der afrikanischen Tierwelt.

Von Professor Paul Matschie. Kustos am Zoologischen Museum in Berlin.

Es ist eine sehr betrübende Tatsache, daß in vielen Gegenden Ostafrikas der Wildbestand in bedrohlicher Weise abnimmt. In erster Reihe werden aber davon solche Gebiete betroffen, die der Zivilisation erschlossen werden. In der Nähe derjenigen Orte, wo sich Europäer in größerer Zahl angesiedelt haben, verschwindet selbstverständlich das Schalenwild verhältnismäßig schnell, weil man ihm seine Zufluchtsstätten nimmt und weil es dort zu sehr beunruhigt wird. Auch die von regelmäßig besuchten Karawanenstraßen durchschnittenen Gebiete erleiden eine merkbare Einbuße in ihrem Wildbestande, zumal da, wo die Expeditionsführer so viele Antilopen abschießen lassen, daß mit dem Fleisch ein schwunghafter Tauschhandel zur Erlangung der für die Träger nötigen Vegetabilien getrieben werden kann. Dazu kommt das törichte Vorgehen schießwütiger, auch europäischer, Unholde, die aus dem Verkauf von Elefantenzähnen, von Rhinozeroshörnern, von Gehörnen und Fellen ihren Beutel füllen und in unsinniger Mordlust ganze Herden edlen Wildes vernichten.

Die Engländer haben aus der Geschichte gelernt. Sie wissen, daß Südafrika seine herrlichen Wildbestände durch die Unvernunft der Europäer binnen 50 Jahren fast ganz verloren hat und suchen ein ähnliches Unheil von ihren Besitzungen im Osten des Erdteiles abzuwehren dadurch, daß sie vernünftige Jagdgesetze geschaffen haben.

Man sollte sich überall in Afrika die englischen Wildschutzverordnungen zum Vorbild nehmen. Weshalb sorgt man nicht dafür, daß der Bestand des Wildes geschützt wird?

Wer bestrebt ist, die Naturdenkmäler – und dazu gehört auch das Wild – zu erhalten und die für den Haushalt des Menschen wertvollen Fleischtiere für die wirtschaftliche Verwertung zu bewahren, der muß zunächst einmal sicher wissen, welche Arten er schützen will und wie diese Arten leben, damit er einen möglichst wirksamen Schutz darbieten kann. Dazu ist es nötig, daß Zoologen sich mit der Erforschung der Tierwelt beschäftigen; auf ihren Untersuchungen muß weitergebaut werden, damit die Hege des Wildes in die rechten Bahnen geleitet werden kann. In englischen Kolonien geschieht in diesen Beziehungen bemerkenswertes und Schillings' Bestrebungen haben namentlich auch in England und in Amerika bei dem Präsidenten Theodore Roosevelt sehr warmen Widerhall und Anerkennung gefunden.

Derartige Arbeiten sind nur in großen Museen möglich, wo die Gelegenheit geboten wird, die in fernen Ländern zusammengebrachten Tiere mit vielen ähnlichen in anderen Gegenden gesammelten zu vergleichen und ihre besonderen Merkmale festzustellen.

Erst dann kann man ergründen, wie weit eine jede Art verbreitet ist, ob sie überall in ihrem Verbreitungsgebiet die gleichen Merkmale zeigt oder vielmehr in einer größeren oder geringeren Anzahl von geographischen Rassen vorkommt, wie sie lebt und welche Bedeutung sie vielleicht für den Menschen gewinnen wird; erst dann kann man die nötigen Hinweise für eine planmäßige Fortsetzung der begonnenen Durchforschung des Landes den draußen wirkenden Sammlern geben, um die vorhandenen Lücken unserer Kenntnis auszufüllen.

Prof. Schillings hat seine Ausbeute in großherziger Weise der wissenschaftlichen Bearbeitung zur Verfügung gestellt und dafür gesorgt, daß der beträchtlichste Teil seiner Sammlungen in großen Museen aufbewahrt bleibt. Namentlich das Berliner Zoologische Museum, aber auch die Museen in Stuttgart, München, Wien, Karlsruhe u. a. sind reichlich beschenkt worden, haben eine sehr bedeutende Vermehrung durch diese wertvollen Schätze erfahren und sind um eine ganze Reihe großer afrikanischer Säugetiere bereichert worden.

Wer vor einer ausgestopften Giraffe oder einem ausgestopften Nashorn in einem solchen Museum steht, kann sich nur schwer einen Begriff davon machen, welche Schwierigkeiten besiegt werden mußten, ehe ein solches Riesentier seinen Platz in einer öffentlichen Sammlung einnehmen konnte. Weit im Innern von Ostafrika, zwischen dem Kilimandscharo und den zum Viktoria-Nyanza abwässernden Gebieten gelang es dem Sammler nach mühevoller, oft sehr gefährlicher Jagd das Wild zur Strecke zu bringen. Nun werden die Träger und Präparatoren herbeigeholt; sie mußten mehrere Stunden laufen, um zu dem erlegten Wilde zu gelangen. Zahlreiche Neger waren tätig, um das Fell abzuziehen, um es vom Fett zu reinigen, so dünn zu schneiden, daß es fortgeschafft werden kannte, und mit den jede Fäulnis verhindernden Mitteln zu behandeln. Auch der Schädel und das Knochengerüst müssen von den Fleischteilen möglichst gereinigt werden. Mit diesen Arbeiten ist die ganze Karawane mehrere Tage hindurch beschäftigt. Dann tritt eine ebenso schwere Sorge an den Sammler heran, die Versendung der Beute nach Europa. Die gewaltige Last muß durch Menschenhände auf schlechten Wegen, oft durch Sümpfe und unwegsames Dickicht, über zahlreiche Wasserläufe hinweg zur Küste geschafft werden. Feuchtigkeit und schädliche Kerbtiere bedrohen täglich die kostbare Beute. Mehrere Wochen vergehen unter beständiger Unruhe und Sorge, bis endlich das Ziel erreicht ist. So werden wir begreifen, daß jede große Haut eines Huftieres, ehe sie den kunstfertigen Präparatoren eines Museums überliefert wird, eine gewaltige Menge an Mühen und Gefahren und einen beträchtlichen Kostenaufwand erfordert.

Schillings hat nun nicht nur ein einziges solches großes Tier nach Europa gebracht, sondern es ist ihm gelungen, mehrere Giraffen, Büffel, Nashörner, Elefanten, eine ganze Anzahl großer Antilopen und ein nach vielen Hunderten zählendes Material von Fellen und Bälgen, wie auch Skeletten aller Art, in gut konservierten Stücken den Museen zu übergeben.

Durch seine Tätigkeit ist es möglich geworden, festzustellen, daß diese großen Huftiere im Masailande und am Kilimandscharo wesentlich anders aussehen, als in anderen Gegenden Afrikas, daß alle diese Gattungen nicht in einer einzigen Art vom Kap bis zur Sahara verbreitet sind, sondern daß sie Merkmale zeigen, die nur den in einer bestimmten Gegend lebenden Exemplaren eigentümlich sind.

Ich habe feststellen können, daß sogar innerhalb Deutsch-Ostafrika die Giraffe in mehreren Arten auftritt. Schillings hat zwei verschiedene Formen gesammelt; die eine lebt östlich vom Kilimandscharo, die andere bewohnt das Gebiet des Pangani. Eine von ihnen trägt jetzt den Namen des Entdeckers, Giraffa schillingsi.

Noch immer ist die sorgfältige Durcharbeitung der von Prof. Schillings gemachten Sammlungen nicht ganz vollendet. Es läßt sich aber jetzt schon voraussehen, daß alle im Panganigebiet erbeuteten Tiere von denen des Masaigebietes unterschieden werden können. Zwischen dem Kilimandscharo und der Küste lebt ein anderer Pavian, ein anderer Löwe, ein anderes Zebra, ein anderer Büffel usw. als in den Masailändern. Diese Feststellung ist von großer Wichtigkeit, und Prof. Schillings hat sich dadurch ein erhebliches Verdienst um die Wissenschaft erworben.

Neuere Untersuchungen haben sogar mit Sicherheit erwiesen, daß z. B. die Kuhantilopen, welche Schillings heimgebracht hat, am oberen Pangani wesentlich anders aussehen, als an den Ndjiri-Sümpfen nördlich des Kilimandscharo, und wieder anders am Natron-See und wieder anders am Athi-Flusse. Ähnliches gilt für die Zwerggazelle und die Riesengazelle und wahrscheinlich auch für viele andere Gattungen.

Es hat sich herausgestellt, daß zwischen dem Rowuma und Wami, zwischen der Küste und den größeren Seen eine ganze Anzahl kleinerer Gebiete unterschieden werden muß, deren jedes besondere klimatische Verhältnisse zeigt und eine ihm eigentümliche Tierwelt aufweist. In jedem sind der Büffel, die Giraffe, der Elefant und sämtliche Antilopen durch besondere Merkmale ausgezeichnet. Im Masailande sieht z. B. jede Art von Schalenwild etwas anders aus als im Süden des Schutzgebietes. Man kann aus der Gestalt eines Büffelgehörns mit Sicherheit erkennen, ab der Büffel vom Rowuma, vom Pangani, aus dem Masailande, vom Nyassa oder Nyanza herstammt. Auch von vielen Antilopen kennt man schon solche Rassen, deren Merkmale nicht nur in der Färbung und im Aufbau des Gehörns hervortreten, sondern sich auch in der Gestalt, im Knochenbau, im Schädel und in der Lebensweise ausprägen.

In ähnlicher Weise wie die Menschen sind auch die Säugetiere in zahlreiche Stämme verteilt, die sich durch deutliche Merkmale unterscheiden.

Wenn man die Liste der von dem Reisenden gesammelten Säugetiere betrachtet, ja fällt sofort die ansehnliche Zahl der erbeuteten Arten auf. Prof. Schillings hat mehr verschiedene Formen gesammelt als irgendein anderer Reisender vor ihm. Es ist ihm gelungen, fast drei Viertel derjenigen Arten zu sammeln, die für das Gebiet zu erwarten waren.

Durch seine Forschungen sind mehrere Gattungen in Deutsch-Ostafrika und in seiner nächsten Umgebung festgestellt worden, die bis dahin dort nicht vermutet worden sind. Großes Aufsehen erregte die Erlangung einer gestreiften Hyäne, die zwar schon von mehreren Reisenden vermutet, aber noch niemals gesammelt worden war. Es ist die von mir beschriebene Hyaena schillingsi. Schon im Jahre 1896 in einem einzigen, leider damals nicht konservierten Exemplare von Schillings erbeutet, besitzt das Museum für Naturkunde heute eine ganze Reihe Felle und Schädel dieses Tieres, die der Reisende in den Jahren 1899/1900 in den Masaihochländern einsammelte. Auch eine neue Bergantilope, ein Klippspringer, befindet sich unter den Sammlungen; Prof. Oscar Neumanngab diesem Tiere den Namen Oreotragus schillingsi Neum.Buffelus schillingsi Mtsch. (der Pangani-Büffel), Bubalis schillingsi Mtsch. et Zukowsky (Schillings' Kuhantilope) und die Zwerggazellen: Eudorcas schillingsi, E. ndjiriensis und E. sabakiensis Kottnerus-Meyer sind weitere durch Prof. Schillings neu aufgefundene Arten. So bieten seine Sammlungen eine Fülle der interessantesten Entdeckungen. Ich wünschte nur, daß auch in anderen Ländern Afrikas in ähnlicher Weise gesammelt würde!

 


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