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Kopfleiste

13. Weitere Erlebnisse mit Löwen.

Das im ersten Kapitel geschilderte Ereignis habe ich mit Absicht so erzählt, wie ich es seinerzeit im »Weidmann« veröffentlicht habe.

Ich hielt es für richtig, meiner damaligen Schilderung nichts hinzuzufügen, da sie unter dem noch frischen Eindruck der Ereignisse niedergeschrieben war.

Im Laufe der nächsten Jahre haben andere Reisende ähnliches Weidmannsheil in den Grassteppen des Hochplateaus von Kikuyu erleben können, ja in einem Falle bin ich in der Zahl der an einem Tage von einem einzigen Schützen erlegten Löwen noch übertroffen worden.

Es handelte sich in allen diesen Fällen um höchst erfahrene, gute österreichische und englische Jäger, denen ausgezeichnete Waffen zur Verfügung standen. Hätte ich solche an jenem Tage besessen, und wäre ich nicht auf meine einschüssige Büchse, der unpraktischen damaligen Konstruktion, angewiesen gewesen, so würde ich wohl eine noch größere Strecke erzielt haben. Unter so schwierigen Umständen, behindert durch die ungünstigen Verhältnisse, die unzureichende Waffe und meine fiebergeschwächte Gesundheit habe ich aber wohl Grund, meine Beute als eine in jeder Beziehung zufriedenstellende zu betrachten.

Ähnliches Jagdglück ist mir, wie gesagt, nie wieder zuteil geworden.

Höchst spannend aber gestaltete sich ein Erlebnis mit einem alten Mähnenlöwen, das ich im Herbste des Jahres 1899 auf dem rechten Ufer des Pangani-Flusses hatte.

Seit einigen Tagen hatten sich Löwen in unmittelbarer Nähe des Lagers gezeigt; fast jede Nacht hörte ich ihr Gebrüll, meist an einer bestimmten Stelle am Flusse. Mir war daran gelegen, eine Anzahl der von mir neu entdeckten gestreiften Hyänen zu fangen, ich hatte daher einige Fallen aufgestellt, um »Kingúguas« ( Hyaena schillingsi Mtsch.) und Schakale zu erbeuten. Durch Zufall hatte ein alter Löwe das Eisen abgetreten; er hatte sich an einer Zehe seines linken Vorderlaufes gefangen und selbstverständlich die Kette des Eisens sofort zerrissen. Offenbar hatte er das Eisen deshalb nicht vom Laufe entfernt, weil jeder Versuch dieser Art ihn zu sehr schmerzte. So war er mit dem Eisen flüchtig geworden, um sich Schritt für Schritt zwei Stunden weit in das Dornenpori zurückzuziehen, das am Rande des Steilabfalles der Nyika sich hinzog. Nach und nach hatte er die Falle fast vollkommen mit den Zähnen zertrümmert; Feder aber und Bügel umklammerten nach wie vor seine Zehe.

Früh am Morgen nahm ich die Fährte auf und folgte ihr, wenn auch höchst mühsam, durch den Dornenbusch, jeden Augenblick erwartend, die abgestreifte Falle zu finden ...

Plötzlich vernahm ich dicht vor mir das tiefe Knurren des gereizten Löwen; klirrend wurde er im selben Augenblicke mit der Falle flüchtig! Ich war höchlichst erstaunt, daß das gewaltige Tier das so kleine Eisen nicht abzustreifen vermochte. Im dichtesten Dornengestrüpp kam ich, mit äußerster Vorsicht und mit stets schußbereiter Büchse folgend, noch fünf- oder sechsmal in unmittelbare Nähe des Löwen, der jedesmal wieder flüchtig wurde, ohne mir Gelegenheit zu einem Schusse zu geben!

Einige Male wurde ich – undeutlich, aber dicht vor mir – seiner ansichtig, konnte jedoch einen sicheren Schuß nicht abgeben. Aufs Geratewohl aber schießen, wäre unter solchen Umständen fast Selbstmord gewesen.

Wieder höre ich das unwillige Knurren des Flüchtlings. Jeder Nerv ist angespannt; im flimmernden Lichte des blendend vom hellen Sande der Steppe reflektierenden Sonnenlichtes verschwimmen die Konturen; die Dornen, immer dichter werdend, hindern mich aufs äußerste. Da, – ein neues wütendes und gereiztes Geknurr, – das Eisen schlägt klirrend einige Male auf den Boden auf, und mit schwerem Gepolter wird das mächtige Tier von neuem flüchtig. Aber ach! Diesmal hat der Löwe sich des Eisens mit einem Prankenschlag auf den sandigen Felsboden entledigt, und wir haben das Nachsehen!

Aber meine geschickten Wandorobbo vermögen noch immer der Fährte des im Anfang zwar in weiten Sätzen flüchtigen, dann aber in ein Trollen verfallenden Tieres zu folgen; augenblicklich nehme ich die Verfolgung von neuem auf.

Schweißtriefend eile ich so eine Viertelstunde vorwärts; es folgt eine zweite, und so geht es fort, bis endlich der Löwe, dessen Tatze offenbar sehr schmerzt, dicht vor mir wieder polternd und knurrend die Flucht ergreift.

Man muß es erfahren haben, um glauben zu können, mit welch dröhnender Wucht sich die Flucht eines alten Löwen über harten Steppenboden vollzieht!

So schnell wie möglich folge ich ihm mit fliegenden Pulsen; mehrmals wäre ich seiner beinahe ansichtig geworden. Da – endlich habe ich ihn frei auf einer kleinen Lichtung; er wendet den Kopf nach mir um; meine Büchse knallt, und der Löwe fällt zusammen, wie vom Blitz getroffen, mit dumpfem Gepolter und ersterbendem Knurren. Eine zweite Kugel, aus Vorsicht abgegeben, versichert mich der begehrten Beute, – meine Freude und Genugtuung über die königliche, so hart erworbene Trophäe ist ohne Grenzen!

Jetzt erst kommt es uns zum Bewußtsein, daß wir gegen sechs Stunden dem Tiere gefolgt sind, und quälender Durst macht sich bemerkbar. Aber mit Freuden wird er ertragen; die kaum mehr erwartete herrliche Beute läßt uns die übergroße Anstrengung, den Durst und die zahlreichen blutenden schrammen und Risse der Dornen an Händen und Gesicht mit Freude vergessen.

So hatte ich abermals einen starken Löwen erlegt, wenn auch unter eigenartigen Umständen.

Leider allzu oft bin ich eines oder mehrerer Löwen nur ansichtig geworden: entweder nur auf einen Augenblick und außer Schußweite, oder im hohen Grase auf nächste Entfernung, ohne schußbereit zu sein, oder in Augenblicken, in denen ich die Tiere blitzschnell in der Deckung verschwinden sah. So fand ich eine Löwin in der Nähe eines von ihr gerissenen Zebras. Zahlreiche Geier, die durch die Beute der Löwin angelockt waren und sich auf in der Nähe stehenden Akazien niedergelassen hatten, führten mich zu dem Orte hin, wo die Löwin im Schatten eines Strauches frühmorgens sich gelagert hatte. Aber auf zweihundert Schritte bereits nahm sie, durch Gesträuch gedeckt, die Flucht, um über eine Berglehne hinüber sofort zu verschwinden.

Wiederum fand ich unter nämlichen Umständen einen Löwen und zwei Löwinnen im hohen Grase, ebenfalls ohne einen Schuß auf sie abgeben zu können.

Bei einer anderen Gelegenheit folgte ich einer Schleifspur. Ein Löwe hatte in der Nacht ein halbwüchsiges Zebra gerissen und das Tier weit durch die Steppe in eines jener periodischen Regenstrombetten geschleppt, um es dort in Ruhe zu verzehren. Eine Weile war ich der Fährte gefolgt und suchte einen Abstieg in die steile Schlucht, als ich bereits die Löwin, – eine solche war es, – fern von mir, einen Augenblick verhoffend, dann flüchtig werdend, verschwinden sah. –

Spät am Nachmittage, von einer vergeblichen Suche nach Elefanten zurückkehrend, bemerkte ich im Dezember 1900 eine größere Ansammlung von Geiern in den Ästen eines kahlen Baumes. Leider mit schlechtem Winde auf sie zugehend, sah ich einen starken Mähnenlöwen in schweren gewaltigen Fluchten über eine Lichtung verschwinden. Die Entfernung betrug annähernd vierhundert Schritte. Ein schnell abgegebener Schuß verfehlte sein Ziel; seine einzige Wirkung war eine Beschleunigung der Flucht des Gewaltigen!

Man kann sich schwer vorstellen, welch einen wuchtigen, imposanten und massigen Eindruck ein in voller Flucht befindlicher Mähnenlöwe auf den Jäger macht!

Ich war an diesem Tage von meinem getreuen Präparator Orgeich begleitet und beschloß, obgleich wir von einem zehnstündigen Marsch bereits sehr ermüdet waren, dem Tiere zu folgen. –

Augenblicklich nahmen wir die Verfolgung auf und vermochten diesmal die Fährte gut zu halten. Bemerkenswerterweise führte uns nun der Löwe in einem verhältnismäßig kleinen Revier zwei Stunden lang fast immer im Kreise herum! Oft kam ich in seine unmittelbare Nähe; stets aber wurde er wieder flüchtig, um nach kurzer Zeit wieder in Schritt zu verfallen. So sah ich mich schließlich gezwungen, die Verfolgung aufzugeben, da die Fährte infolge der vielen Kreuz- und Quergänge nicht mehr zu halten war. Mit ein wenig mehr Glück hätte ich hier zu Schuß kommen können, da der Löwe uns mehrere Male im dichten Dornenpori sehr nahe herankommen ließ. Zum Unterschiede von jenem andern von mir erlegten Löwen gab dieser jedoch während der gesamten Verfolgung keinen Ton von sich. Jener knurrte also wohl, weil er in hohem Grade durch den Schmerz gereizt war.

Außerordentlich glücklich lief dann wieder ein Abenteuer mit Löwen für mich ab, das ich am 10. November des Jahres 1903 zwischen Meruberg und Kilimandscharo erlebte.

Ohne Wasser hatten wir in der Steppe lagern müssen, und am nächsten Morgen strebte meine Karawane der nächsten Wasserstelle zu, um sie nach etwa siebenstündigem Marsche zu erreichen. Kurz vor Erreichung des wasserspendenden Sümpfchens bemerkte ich eine größere Ansammlung von Wild aller Art, auf das ich jedoch keine Jagd machte. Rudel von Oryxantilopen, Zebras und Grantgazellen standen in nächster Entfernung rechts und links von unserm pfadlosen Wege, und ein großes Rudel Giraffen hatte mich auf allernächste Entfernung herankommen lassen, ehe die herrlichen Tiere polternd flüchtig wurden.

Ich marschierte wie gewöhnlich an der Spitze meiner Karawane, wie stets dicht gefolgt von meinen Führern und Gewehrträgern.

Plötzlich deutete ein mich begleitender Ndorobbo auf eine mit trockenem, hohem Grase und stacheligen Sansevieren bewachsene Stelle links vom Wege, mit dem halblauten Ausrufe: »Lungatún!«

Ich riß meine Büchse aus den Händen des Gewehrträgers. Im selben Augenblicke fuhr es mir durch den Kopf, daß sie mit Ganzmantelgeschossen geladen sei, da ich ja keine Absicht hatte, an diesem Tage zu jagen, und ich seit meinem nächtlichen Überfalle durch die Masai den Eingeborenen gegenüber in dieser Gegend vorsichtiger geworden war. –

Doch hier galt es kein Zögern. Der Schwarze und ich eilten zu der Stelle, wo die Löwen verschwunden waren; starren Blickes deutete der Ndorobbo mit hocherhobenem Arme auf die Stelle hin, wo er zwei Löwen gesichtet hatte! Alles dies ging so blitzschnell, daß an einen Patronenwechsel nicht zu denken war; ich hoffte höchstens noch auf die Möglichkeit eines Schnappschusses auf weite Entfernung.

Links vor uns zogen sich einige Felsenkuppen hin; davor starrte dichter undurchdringlicher Sansevierenwuchs und Dornenbüsche. Atemlos und dornenzerkratzt auf den ersteren angelangt, gewahrte ich plötzlich vor mir auf kaum fünfzehn Schritte eine kapitale Löwin im Dickicht, den ausdrucksvollen Kopf mir zugewandt und die funkelnden Lichter auf mich gerichtet! Ein herrlicher Anblick! So unbeschreiblich kurz er ist, sucht mein Auge doch mit Blitzesschnelle instinktiv in der nächsten Umgebung während des Bruchteils einer Sekunde nach weiteren Löwen – dann reiße ich die gestochene Büchse an den Kopf. Doch ehe dies geschehen, macht die Löwin eine riesige Lançade mit weitausgestreckten Tatzen vorwärts hoch in die Luft und verschwindet in der Dickung.

Doch ich hatte Zeit gefunden, mit der Büchse mitgehend vor dem Blatte abzukommen, und mit dem Knalle zeichnet sie in der Luft!

Es war ein Augenblick höchster Spannung für mich, denn groß war die Wahrscheinlichkeit, daß das Tier, wenn nicht tödlich getroffen, mich annehmen würde. Nur schnelltötende Geschosse mit Bleispitzen sind in solchen Situationen angebracht, Ganzmantelgeschosse aber höchst bedenklich.

Aber diesmal war ich vom Glücke begünstigt. Fünfzig Schritte weiter lag die Löwin verendet, mit dem gezirkeltsten Blattschusse, den ich je im Leben abgegeben.

Der männliche Löwe, welchen der Ndorobbo gleichzeitig wahrgenommen, war leider mittlerweile verschwunden.

Mein Präparator, der bald darauf mit den Karawanenleuten erschien und dem ich zu raten gab, was ich wohl erlegt habe, riet mehrfach vergeblich hin und her. Seine Freude war gleich der meinen groß, als er die prächtige Löwin verendet vor sich sah. –

Im Gegensatze zu meinen Erlebnissen füge ich hier die Schilderung einer »Löwenjagd« ein, wie sie aus dem Jahre 1813 Johann Campbell uns hinterlassen hat.

Das waren Zeiten, in denen auch in den heute Deutsch-Südwestafrika genannten Ländern noch Elefanten, Nashörner und Giraffen vorkamen, alles andere Großwild noch nicht in seinen Beständen verringert war, wo noch den Wachen auf den Bastionen von Capetown allnächtlich die Löwen ein Konzert zum besten gaben ... ...

In Südafrika waren zu dieser Zeit Löwen also noch häufig, und in der Nähe von Graaf Reynet traf der im Auftrage der englischen Missionsgesellschaft reisende Pfarrer Campbell mit seiner Reisegesellschaft zwei Löwen an, uns in folgenden Worten, an deren Ursprünglichkeit der Übersetzung ich nichts ändern möchte, die »Abschlachtung« eines derselben schildernd:

»Als wir uns der Quelle naheten, zu deren Untersuchung, ob sie für eine Missions-Station passe, wir gekommen waren, so jagten zwei von unseren Leuten eiligst zu unseren Wägen, worauf der Fuhrmann unseres Wagens sagte, sie hätten einen Löwen gesehen. Sie selbst berichteten uns nun, daß zwei Löwen unten in dem Rohre wären. – Alle Wägen fuhren sogleich auf eine Anhöhe dem Platze gegenüber, wo sie lagen und die Räder wurden eingehemmt, damit das Brüllen oder die Erscheinung der Löwen die Ochsen nicht erschrecke, und mache, daß sie davon laufen, was bei dergleichen Vorfällen häufig geschieht. Hierauf näherten sich 13 Männer gegen 50 Ellen den Löwen mit ihren geladenen Musketen und wir Zuschauer stellten uns auf eine Felsenklippe gegen 50 Ellen hinter ihnen, von 3 bewaffneten Menschen beschützet, wenn die Löwen nicht oder nur schwach verwundet, sich auf uns stürzen sollten. Nachdem alles gehörig bereitet war, so gaben die Leute unten allgemein Feuer auf die Löwen, worauf der eine, das Männchen, sich davon machte, wie es schien, schwach verwundet; allein der andere war so getroffen, daß er nicht davon konnte. Die Hunde liefen nun herbei und machten einen großen Lärmen, wagten sich aber nicht näher als fünf bis sechs Ellen. Beim zweiten Feuern wurde er totgeschossen. Es war eine große und fette Löwin, mit einer fürchterlichen Miene. Sie wurde sogleich aus dem Rohr hervorgezogen und abgebalgt. Einige Zolle vom Schwanz fand man eine Flintenkugel unter der Haut, die sie schon vor langer Zeit haben mußte, weil die Wunde ganz geheilt war. Von unseren Leuten hatte sie viele Wunden erhalten, besonders eine tödliche in ihrem inneren Rachen.« –

So spielte sich vor etwa hundert Jahren eine Löwenjagd in Südafrika ab. An anderer Stelle verbreitet sich der Missionar noch häufiger über die Lebensweise des Löwen, selbstredend nach Hörensagen, und erzählt unter anderem, daß der Löwe einen Ochsen auf dem Rücken forttrage, ein Schaf aber in seinem » Munde«. Er begründete dies mit der so verschiedenen Schwere der Tiere!

Wenn auch zugegeben werden muß, daß in jenen Tagen die Erlegung von Löwen mit den damaligen primitiven Schießgeräten sehr viel bedenklicher war, als es heute mit vollendeten Waffen der Fall ist, so kann es doch nicht erstaunen, daß in verhältnismäßig kurzer Zeit diese Raubtiere überall vernichtet worden sind, wo der Mensch dauernd festen Fuß faßte. Wir sehen hier Europäer mit »gegen 13 Musketen« vorsichtig den Kampf aufnehmen; wieviel weniger Mut gehört dazu, als der starken Katze mit Schwert und Speer entgegenzutreten, wie dies der Eingeborene seit grauen Tagen zu tun pflegt!

Meine fünfte Löwin. "Fünfzig Schritte weiter lag die Löwin verendet, mit dem gezirkeltsten Blattschusse, den ich je im Leben abgegeben."

Im Jahre 1900 hatte ich ein Zusammentreffen mit drei Löwen, das leicht für mich hätte verhängnisvoll werden können. Nach fast zehnstündigem Marsche war meine Karawane in der trockensten Zeit am Fuße eines Berges eingetroffen, und die ermüdeten Leute hatten das Lager aufgeschlagen. Ich unternahm, dem Laufe eines Baches folgend, eine kleine Exkursion unterhalb des Lagers, gegen meine Gewohnheit nur mit einer Schrotflinte bewaffnet. Schöne grüne Fruchttauben, jene so eigenartig gefärbten Geschöpfe unter den afrikanischen Tauben, lenkten bald meine Aufmerksamkeit auf sich, und ich folgte mehreren, die im dichten Buschwerk des Baches einer größeren Gruppe von Fruchtbäumen zugestrichen waren. So hatte ich mich etwa tausend Schritte vom Lager entfernt, es außer Sicht verlierend. Die Tauben zeigten sich äußerst scheu; plötzlich stieß ich bei ihrer Verfolgung auf die Fährten mehrerer Löwen ...

Sorgfältig brachte Orgeich den jungen gefangenen Löwen lebend und geknebelt ins Lager ...

Unwillkürlich folgte ich diesen, neugierig und in der sicheren Annahme, daß die Löwen nicht mehr in der Nähe seien, noch etwa zweihundert Schritte, und war gerade im Begriffe, das Bett eines Wildbaches hinabzusteigen, welcher zur Regenzeit dem Bache Wasser zuzuführen pflegte, als ich plötzlich links neben mir einen Schatten wahrzunehmen glaubte. Mich umwenden und auf eine Entfernung von etwa fünfundzwanzig Schritte eine Löwin wahrnehmen, die in ruhiger Gelassenheit mich anäugte, war das Werk einer Sekunde. Die Löwin stand auf einer kleinen Lichtung im Dornbusche; sie hatte offenbar ihr Lager dicht am Bache inmitten dichter grüner Grasbüsche gehabt. Fast im selben Augenblicke sah ich in der Nähe der Löwin, etwa sechs oder acht Schritte von ihr entfernt, und halb von Gräsern verdeckt, zwei andere Löwen sich fortbewegen. Auf so nahe Entfernung wirkten alle drei Tiere unbeschreiblich imposant und überwältigend auf mich ein.

Wie gebannt verharrte ich bewegungslos an meinem Platze. Meine Schrotflinte war mit Patronen Nr. 8 geladen; andere Geschosse führte ich nicht bei mir!

Einige Sekunden standen sich so Katzen und Mensch gegenüber, und in meiner kritischen Situation empfand ich den lebhaftesten Ärger, so gegen meine Gewohnheit unzureichend bewaffnet das Lager verlassen zu haben.

Aber ruhig und gleichmütig wendete sich die Löwin von mir ab, machte einige Schritte am Rande der Schlucht und verschwand dann plötzlich mit einigen weiten Fluchten in den Büschen. Ihre Genossen waren schon vor ihr unsichtbar geworden.

Immer noch bewegungslos wartete ich noch eine Minute auf derselben Stelle und suchte dann begreiflicherweise eiligst das Lager auf, um mich nunmehr gut zu bewaffnen. Aber die sofort unternommene Verfolgung war vergeblich, da die Fährten der Löwen nicht zu halten waren.

In größter Eile errichtete ich eine Fangstelle; die Falle wurde mit einem weißen Stier geködert.

Nach zehn Uhr erscholl denn auch das zornige Gebrüll des Wüstenkönigs, und am nächsten Morgen früh fand ich einen starken, gut gemähnten Löwen in der Falle, die er mehrere hundert Meter weit in die Dornen mitgeschleppt hatte. Er hatte sich nicht im geringsten mit der Kette und dem Eisen am Strauchwerk verhangen. Eine photographische Aufnahme Wiedergegeben in meinem zurzeit vergriffenen Buch »Der Zauber des Eleléscho«. Leipzig, R. Voigtländers Verlag. erwiderte er durch einen, trotz seines schweren eisernen Anhängsels, überraschend schnell und entschlossen ausgeführten Angriff; erst dicht zu meinen Füßen brachte ich ihn durch einen guten Blattschuß zur Strecke. Die nächste Nacht ergab in den Fallen zwei Löwinnen. Nach diesem gut gelungenen Fange machten sich in den nächsten Nächten keine Löwen mehr am Bache bemerkbar, so daß ich mit Bestimmtheit annehmen darf, die drei mir so nah Begegneten gefangen zu haben.

Bemerkenswert war es, daß eine Löwin, bevor sie den aufgestellten Stier angriff, einen Servalluchs aus einer anderen kleinen Falle herausgeholt und verzehrt hatte.

Es sei hier bemerkt, daß die Löwen, wie auch alle andern Katzen, ihre in den Fangeisen festgeklemmten Läufe wenig oder gar nicht beschädigen, im Gegensatz zu Hyänen, Schakalen, Füchsen und andern Tieren. – Den Grund hierfür sehe ich in dem verhältnismäßig ruhigen Verhalten der Katzenarten, das sie in allen schwierigen Situationen an den Tag zu legen pflegen. –

Wenn ja auch der Leser meine Ansicht über die »relative« Ungefährlichkeit des Löwen in wildreichen Gegenden zur Tageszeit kennt, so muß ich doch gestehen, daß mir nach Jahren noch in ruhigen Stunden die schaffende Phantasie wieder und wieder Bilder solch spannender und kritischer Situationen hervorzaubert, ähnlich den eben beschriebenen Ereignissen. Inmitten sonnverbrannter, fahler Dornwildnis malt die Erinnerung deutlich zwei gelblich schimmernde Raubtieraugen und ihre Trägerin in unbeschreiblicher, ruhiger, kraftbewußter Gelassenheit.

Inmitten ihres dornigen Reiches zeichnet sich so die Löwin, in Sprungweite vor mir, vom fahlen Hintergrunde plastisch und fast mit Händen greifbar ab! Derartige Bilder erscheinen mir besonders in Zoologischen Gärten. ...

Aber leider muß der Reisende und der Weidmann, um solches in Wirklichkeit erblicken zu können, meist Jahre und Jahre drüben wandern! Auch dann noch ist es ein seltenes Glück, Ähnliches zu erleben.

Selbstredend ereignen sich zuweilen Ausnahmen von dieser Regel. So erlegte der Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg auf einem seiner ersten Pürschgänge in Deutsch-Ostafrika einen kapitalen Löwen, in der Tat ein Weidmannsheil sondergleichen!

Unvergeßliche Stunden größter Anspannung aller Nerven habe ich im Jahre 1899 verbracht, angesichts der Fährten von vierzehn Löwen, welchen ich fünf Stunden lang in einer mit dichtem Dornbusch und Sansevierendickichten bewachsenen Gegend folgte.

Eine so bedeutende Anzahl von Löwen in einem Rudel hatte ich vorher niemals angetroffen. Die Eindrücke der mächtigen Pranken, welche, namentlich wenn die Tiere auseinander gingen, in größter Klarheit in dem mit feinem Staube bedeckten Boden der Steppe abgeprägt waren, wirkten auf das geschulte Jägerauge in einer ganz unbeschreiblich ausdrucksvollen und imposanten Weise ein, als Schriftsprache von markantester Deutlichkeit!

Wie ich schon an anderer Stelle erwähnt habe, hat es etwas Faszinierendes, sich so von den Fährten verfolgten Wildes aufs Geratewohl in die weite Steppe führen zu lassen, wenn es sich aber, wie hier, um eines der stärksten Raubtiere des Erdballs handelt, packt den Jäger ein seltsam kompliziertes Gefühl von Erwartung und Spannung, – gemischt mit einem gewissen ganz leisen Bangen!

Aber leider – oder vielleicht diesmal zu meinem Glücke – bemerkten mich die zahlreichen Löwen, im Schatten mehrerer Akazien ruhend, als ich im Begriff war, einen Hügel zu erklettern, und plötzlich wurde mir zwischen den Felsen der Anblick des ganzen Rudels für nur wenige Sekunden: dann waren die Tiere auch schon unsichtbar!

Während eine Löwin den Stier durch einen furchtbaren Biß ins Genick tötete, stürzte ein Mähnenlöwe von hinten auf die Beute ... Einen kurzen Augenblick beleuchtete das Blitzlicht in der rabenschwarzen Nacht diese Szene aus dem Kampfe ums Dasein ...

Als ich atemlos die Stelle erreichte, wo die Löwen gelagert hatten, kam ich gerade noch zur rechten Zeit, um sie tief unter mir am Fuße des Hügels im Dickicht verschwinden zu sehen.

Ein intensiver Löwengeruch bewies mir neben den vielen Fährten, daß keine Halluzination mich getäuscht hatte!

Solche Augenblicke sind hart für den Jäger, aber immerhin wenigstens für den Beobachter unbezahlbar, denn ganz gewiß wurde nicht allzu vielen Europäern jemals ein solch gewaltiger Anblick zuteil, und ganz gewiß war ich der einzige Mensch auf der ganzen weiten Welt, der zu dieser Zeit und in dieser Stunde den Fährten von vierzehn Löwen folgen konnte ... ...

Ähnlich erging es mir, allerdings mit einer geringeren Anzahl von Löwen oder auch mit einzelnen Exemplaren, noch häufig während meines afrikanischen Aufenthaltes.

Ganz besonders unglücklich aber war ich in jagdlicher Beziehung, als ich auf den allerstärksten und ältesten Mähnenlöwen stieß, den ich jemals in der Freiheit angetroffen habe.

Auf Wasserböcke pürschend, gewahrte ich ein verhoffendes, von mir seltsamerweise im Augenblicke nicht richtig angesprochenes Stück Wild in der schrägen Beleuchtung der Sonne, halb vom Gebüsch verdeckt.

Doch eine Sekunde darauf wußte ich, daß ein kapitaler Mähnenlöwe dort vor mir stand, der leider im selben Augenblicke sich wuchtig polternd herumwarf und flüchtig wurde.

Meine Kugel kam zu spät, und nur wenig Schweiß zeigte mir, daß ich nicht ganz gefehlt hatte.

Groß waren meine Enttäuschung und mein Ärger, als etwa vierzehn Tage später die Überreste eines ganz außergewöhnlich mächtigen, männlichen Löwen dicht bei jener Stelle gefunden wurden. Diese Überreste lagen in so undurchdringlichem Dornendickicht, daß sogar die Geier sie nicht aufzufinden vermocht hatten. Das Fleisch war von Maden vollkommen verzehrt, aber aus der außergewöhnlich großen Anzahl langer Mähnenhaare ersah ich, daß das Tier eine wundervolle, schwärzliche Mähne gehabt hatte. Nur der Schädel wurde mir auf solche Weise gerettet: Es ist der mächtigste Löwenschädel, den ich je erbeutet, allerdings mit einigermaßen defekten Zähnen, die mir verkündeten, daß ich es mit einem sehr bejahrten Löwen zu tun gehabt hatte.

Wenn ich auch nicht mit absoluter Sicherheit annehmen darf, daß diese Reste von dem Löwen herrührten, auf den ich geschossen hatte, so ist es immerhin doch im allerhöchsten Grade wahrscheinlich.

Unter den von mir gefangenen Löwen waren einige alte, starke Exemplare, die sich mit der Falle auf weiter als eine Stunde vom Fangplatze entfernt hatten. Ihre Erlegung erforderte manche schwierige und sehr gefährliche Nachsuche, da sie unter solchen Umstanden ja schließlich so viel wie möglich dichte Deckung aufsuchen.

Leider standen mir zum Löwenfang unter den von mir mitgeführten Eseln und Rindern stets Exemplare zur Verfügung, die ohnehin einem qualvollen Tode durch Erstickung verfallen waren. Der Stich der Tsetsefliege ließ immer wieder neue Todeskandidaten erstehen, für die der schnelle Tod durch einen einzigen Biß der machtvollen Katzen eine Erlösung bedeutete.

Oft hatten sich die gefangenen Löwen derartig in Schilf und Gras hineingearbeitet, daß ich sie selbst auf zehn Schritte Entfernung nicht ausmachen, vielmehr die Tiere erst nach Erklettern eines in der Nähe stehenden Baumes von oben her erlegen konnte.

Wohl mein interessantester Löwenfang war die Erbeutung einer ganzen Löwenfamilie von neun Stück, bestehend aus drei alten Löwinnen und sechs zu mehr als zwei Drittel ausgewachsenen, jüngeren Löwen.

In der ersten Nacht fingen sich drei, in der zweiten vier Löwen und in der dritten Nacht die beiden letzten Mitglieder des Rudels; dies ist der einzige Fall, in dem eine der alten Löwinnen eine Ziege annahm. Ich hatte die Falle jedoch so gestellt und die Ziege derartig mit Dornen verbaut, daß das Tier vollkommen unbeschädigt blieb, namentlich da die Löwin nach erfolgtem Fange sich weit in den nahe gelegenen, schilfigen Sumpf zurückgezogen hatte.

Dort verhielt sie sich so still, daß einer meiner Leute mit einem Stock in der Hand, ohne jede Ahnung der gefährlichen Nachbarschaft, fast mit der Löwin zusammenprallte! Glücklicherweise ging dies Ereignis aber durch einen merkwürdigen Zufall ohne Schaden für den Träger ab. Von heftigstem Schrecken ergriffen, suchte der Mann jedoch das Weite, und trotz aller unserer Zurufe nahm er, wie vom bösen Geist besessen, Reißaus, um erst im Lager Halt zu machen!

Man muß es freilich gesehen haben, mit welcher Schnelligkeit sich Löwen und sogar Leoparden und gefleckte Hyänen, trotz der gegen dreißig Kilo schweren Falle, deren Anker sich noch dazu überall ins Erdreich einbohrt, fortzubewegen verstehen! – – –

Einige Stämme der Wanyamwesi verspeisen Löwenwildpret mit Vorliebe. Sie glauben durch den Genuß des Fleisches stark und mutig zu werden; auch schätzen sie außerordentlich das bei alten Löwen zuweilen in ansehnlicher Menge vorhandene Fett.

Jene neun von mir in drei Nächten gefangenen Löwen fanden denn auch sämtlich ihr Grab in den Mägen meiner Wanyamwesi, obwohl mir ihr Obmann nach dem siebenten Löwen erklärte, daß er sich nunmehr wiederum für eine Weile anderes Wildpret wünsche!

Das in Kürbisflaschen mitgeführte, ausgelassene Fett der Löwen bildete aber noch tagelang eine viel gewünschte Delikatesse meiner braven Wanyamwesi.

Mannigfache Erlebnisse mit Löwen wurden mir noch zuteil. Seit dem Jahre 1896, dem Jahre meiner ersten Reisen in Ostafrika, ist ihre Zahl namentlich auch dort vermindert worden, wo ich so glücklich war, drei Löwen an einem Tage in Kikuyu, in Britisch-Ostafrika, zu erlegen.

Damals führte noch kein eiserner Schienenweg ins Innere des Landes; der stählerne Gürtel der Eisenbahnschienen erzitterte noch ebensowenig, wie die ihn begleitenden Telegraphendrähte, allnächtlich in leiser Resonanz, wenn die Stimme des Wüstenkönigs ertönte. Wenig später bot der weiße Mann alltäglich und allnächtlich dem König der afrikanischen Tierwelt ein Paroli auf dem langen Wege vom Ozean bis zum größten zentralafrikanischen Seenbecken ...

Eine in der Nähe meiner damaligen Reiseroute gelegene Station aber hat man später »Simba-Station« getauft. Und »Löwenstation« wurde jener Haltepunkt der Bahn mit gutem Recht genannt, weil allein unfern dieses Ortes über hundert indische Arbeiter von Löwen geraubt worden waren. Für mich nicht erstaunlich, der ich den Wildreichtum jener Gegenden schon Jahre vorher beschrieben und ein beglaubigendes Siegel der Natur unter meine Schilderungen gedrückt hatte, wie es beweiskräftiger nicht geschehen konnte. Aber trotz alledem erregte es ein gewisses Aufsehen, daß ein alter Mähnenlöwe einen Europäer zur Nachtzeit aus einem Schlafwagen raubte. In Gesellschaft zweier anderer Herren übernachtete er in einem Salonwagen, den man abends auf ein Nebengeleise geschoben hatte. Einer der Europäer schlief auf dem Boden; er hatte sich zum Schutz gegen Moskitos mit einem Tuch zugedeckt; ein zweiter ruhte auf einem erhöhten Bette. Der Löwe packte den dritten, zwischen beiden auf einem Klappbett schlafenden, tötete ihn und trug ihn von dannen. Einer der Überlebenden, Herr Hübner, dessen Jagdheim »Kibwezi« in Britisch-Ostafrika manchem Jäger Gelegenheit gegeben hat, die afrikanische Jagd kennen zu lernen, teilte mir als Zeuge des Vorganges unter anderem folgendes mit: »Die Situation war eine kritische. Die Tür, durch welche der Löwe den Salon des Wagens betreten hatte, war zugerollt. Ich sah die Bestie in Armeslänge vor mir, mit den Vorderpranken auf dem Bett meines schlafenden Freundes stehend. Dann ein plötzliches energisches Zugreifen, und ein kurzer Aufschrei meines Freundes belehrte mich, daß es mit ihm vorbei war! Die rechte Pranke traf die linke Schläfe, und die Zähne gruben sich tief in die linke Brust in die Nähe der Achselhöhle ein. Darauf herrschte für die nächsten paar Minuten Todesstille. Alsdann zog der Löwe den Körper meines Freundes von dem Bette herunter und legte ihn auf den Boden.«

Das Raubtier verschwand mit dem Leichnam im Dunkel der Nacht; es wurde einige Zeit darauf, wie man annehmen darf, gefangen und erschossen.

Wenngleich ich den Löwen – in wildreichen Gegenden wenigstens – nicht für so gefährlich erachte, als es vielfach hingestellt worden ist, möchte ich mich doch dem Ausspruche H. A. Breyden's anschließen, daß eine Löwenjagd, zu Fuß ausgeübt, zu den gefährlichsten Jagdhandwerken gerechnet werden muß! Auch die Erfahrung einer Autorität, wie des bekannten englischen Jägers Selous, der sogar zur Nachtzeit in der Dornboma von Löwen angegriffen worden ist, bestätigt das.

In der Gegend meiner erfolgreichen Löwenjagd im Jahre 1897 hat sich im Laufe der Zeit ein Abenteuer nach dem anderen mit Löwen abgespielt und mein einstiger Gastfreund, der Kommandant des Fort Smith im Kikuyu-Lande, hat in dem Schicksal, schwer von wehrkräftigem Wilde verletzt zu werden, mehr wie einen Nachfolger gefunden.

Kapt. Chauncy Hugh-Stegand erlebte gleich Mr. Hall und so manchen andern Jägern der verschiedensten Nationen unlängst kurz nacheinander mehrere Unfälle mit Nashörnern und wurde dann um ein Haar von einem Löwen getötet, den er nachts auf dem Anstande angeschossen und dann verfolgt hatte. Schwer verwundet, wie durch ein Wunder wiederum gerettet, mußte er in England Heilung suchen. »Such are the casualities of sportmen in Central and Eastafrika« (»So ergeht es den Jägern in Zentral- und Ostafrika!«), bemerkt dazu trocken Sir Harry Johnston, der einstige Gouverneur von Uganda und Verfasser der Vorrede der englischen Übersetzung der ersten großen Ausgabe dieses Werkes.

Ähnliche Unglücksfälle ließen sich aus der letzten Zeit in nicht geringer Zahl anführen.

Viel lag mir auch daran, ein oder mehrere alte Exemplare des Wüstenkönigs einzufangen, um sie lebend nach Europa zu bringen. Zunächst galt es, möglichst leichte und bequem tragbare eiserne Käfige herzustellen, stark genug, den verzweifeltsten Befreiungsversuchen der gewaltigen Tiere standzuhalten. Diese Aufgabe wurde in unserem Berliner Zoologischen Garten unter der Leitung Professor Hecks aufs beste gelöst. Immerhin erwies es sich als unmöglich, solche Käfige unter einhundertfünfzig Kilo Gesamtgewicht herzustellen. Zum Transport jedes einzelnen Käfigs, auseinandergenommen, bedurfte ich also der Dienste von sechs Trägern. Ich ließ denn auch mehrere solcher eisernen Kästen über See nach Tanga schaffen und nahm sie von dort aus ins Innere mit. – So hatte ich die Möglichkeit, die Gefangenen in sicheres Gewahrsam zu bringen, – Gefangene, die freilich erst gesund und unverletzt in der Wildnis überwältigt werden mußten! Durch eine etwas veränderte Anwendung gewaltiger Tellereisen vermochte ich auch diese schwierige mir gestellte Aufgabe zu lösen. Wer die Schwierigkeiten des Transports in Ländern, in denen man ausschließlich auf menschliche Schultern angewiesen ist, nicht kennt, kann sich schwerlich ein Bild davon machen, in wie große Notlagen man dabei geraten kann! So brachte mich denn auch gleich der erste gefangene, mit Ausnahme einiger Hautschürfungen, fast unverletzte Löwe in große Verlegenheit, weil mir wegen der großen Hungersnot und anderer Ursachen halber Träger fehlten.

Der geknebelte Löwe, den ich lebend nach Europa zu bringen hoffte, wurde ins Lager geschafft ... meine Leute improvisierten während dieses ungewöhnlichen Transportes allerhand Gesänge ...

Seit Römerzeiten ist es wohl nicht mehr gelungen, alte, wild gefangene Löwen nach Europa zu schaffen. Alle importierten Löwen sind vielmehr jung gefangen und in Gefangenschaft aufgezogen, auch die sogenannten »forest bred lions« (»im Urwald geborenen«) in England oder die als »Aufmerksamkeiten« verschenkten Löwen exotischer Machthaber. Auf welche Weise sich die Alten jener großen Anzahl von Löwen zu bemächtigen wußten, die in ihren Arenen der Schaulust dienten, ist, soviel ich weiß, nicht bekannt. Sie müssen aber in dieser Beziehung eine außerordentliche Geschicklichkeit besessen haben, denn viele Hunderte von Löwen auf einmal sind gelegentlich in der Arena getötet worden, wobei jedoch nicht ausgeschlossen ist, daß es sich teilweise auch um jung aufgezogene Tiere handelte, die bei dem damaligen noch so großen Löwenreichtum aus den weiten Provinzen des römischen Reiches zu diesem Zwecke zusammengebracht wurden.

Ich hatte also einen für die dortigen Verhältnisse gut gemähnten alten männlichen Löwen in meiner Gewalt! Grimmig brüllend kündigte er sich schon bei meinem Herannahen von weitem als mein Gefangener an. Nun galt es zunächst, den Löwen aus der Falle zu befreien und in das Lager zu schaffen. Freilich, meine Transportkasten konnte ich erst in etwa einer Woche herbeischaffen! Aber ich beschloß, das Tier vorläufig mittels ausgeprobt starker Kette und mit einem eigens zu solchen Zwecken in Europa verfertigten dreifachen mächtigen Halsbande zu fesseln.

Aber auch die kühnsten meiner Leute weigerten sich zunächst energisch, meinen Befehlen zu gehorchen. Es bedurfte der größten Energie, um endlich einige der mutigsten zu bewegen, mir und meinem Begleiter Orgeich hilfreiche Hand zu leisten. Wie stets, galt es, den Schwarzen mit gutem Beispiele voranzugehen.

Das unheimlich dumpfe, in höchster Wut ertönende Brüllen und Knurren des Tieres, noch dazu eines alten herrlichen männlichen Löwen, muß man in solcher Lage vernommen, nur ein einziges Mal vernommen haben, um es nie wieder zu vergessen. Ohne Unterlaß grollt das mächtige Organ in unserer unmittelbaren Nähe, bald dumpf röchelnd, bald plötzlich wieder anschwellend. Der Gesichtsausdruck, der ausdrucksvolle Kopf zeigen höchste Wut und warnen zu größter Vorsicht! Splitternd zermalmt das furchtbare Gebiß das erreichbare Geäst oder droht mir halb geöffnet entgegen!

Nunmehr wurden in der Nähe einige armdicke, junge Bäume gefällt, mittels deren wir versuchten, den Löwen zunächst niederzudrücken, um ihn dann zu fesseln. Anfangs gelang das nicht. Ich nahm daher meine Zuflucht zu starken Stricken, die ich ähnlich einem Lasso anzuwenden suchte. Es war ein wundervoller Anblick, wie der Gefangene, als ich glücklich seinen Kopf in der Schlinge hatte, es fertig brachte, sie mit den Zähnen zu fassen, und wie das dicke Tau nach kurzem wütenden Kauen wie mit einer Schere zerschnitten rechts und links vom Rachen herabfiel. Bei diesen Versuchen tat ich auf dem jedem »Afrikaner« bekannten glatten grasbedeckten Boden der Steppe einen Fehltritt, und wäre um eines Haares Breite in die Umarmung des wütenden Gewaltigen gefallen, wenn mich mein braver Präparator nicht noch glücklich zurückgerissen hätte. – Nach verschiedenen weiteren Bemühungen, während deren meine Leute zuweilen erschreckt Reißaus nahmen, gelang es mir endlich, sowohl Kopf wie Tatzen des Tieres zu fesseln. Mittels der Bäume wurde der Körper auf den Boden niedergedrückt, ein Knebel im Rachen angebracht, der Gefangene von der Falle befreit und an einen Baumstamm gebunden ins Lager geschafft.

Alles hier mit wenigen Worten geschilderte bedurfte der Arbeit mehrerer Stunden. Es war ein seltsamer Transport, und in der Tat kein ganz alltäglicher!

Einige der anschaulichsten Aufnahmen des durch meine Träger fortgeschafften ausgewachsenen Löwen habe ich leider nebst manchen anderen bei der Übersetzung eines durch Hochwasser in der Regenzeit angeschwollenen Flusses eingebüßt.

Schon freute ich mich auf das Schauspiel des im Lager angefesselten Königs der Tiere. Aber zu meinem größten Leidwesen verendete der Löwe urplötzlich, wahrscheinlich am Herzschlage. Bei der Sektion wurde wenigstens keine Verletzung irgend welcher Art gefunden.

Das war ein Bild von wildestem Reize, ein herrliches Ringen mit dem edlen Wild, das ich – List gegen Kraft – bereits in menschliche Gewalt gebracht hatte, das nun endgültig dem Menschen Untertan werden sollte, dessen Herz aber darob brach ...

Furchtbar schön war das Brüllen und Röcheln des sich gewaltig Sträubenden anzuhören. Desto größer meine Enttäuschung, als der Tod plötzlich eintrat. Ich fürchtete, daß auf diese Weise es kaum je gelingen wird, den König der Tiere in die Gewalt des Menschen zu bringen. Richtiger scheint es mir, ihn – wie in Indien die Tiger – in großen Gitterfallen zu fangen, in denen man ihn allmählich während mehrerer Tage an den gewaltsamen Verlust der Freiheit gewöhnen kann. Solches aber bedarf umfangreicher Vorrichtungen und liegt außerhalb des Bereiches eines mit beschränkten Hilfsmitteln reisenden Privatmannes. Meine Versuche, Löwen mit Benutzung der von Eingeborenen gegrabenen Fallgruben zu fangen, sind mißlungen, weil die in die Grube Gestürzten sich stets zu befreien vermochten.

Von großem Interesse war mir in diesem Falle, wie in vielen ähnlichen, auch das Verhalten der angebundenen Stiere. In den meisten Fällen benutzte ich, wie schon gesagt, zu diesen Löwenfängen krankes Vieh, meist an dem Stich der Tsetsefliege tödlich erkranktes. Die Tsetsefliege, deren nah verwandte Art dem Menschen die schreckliche Schlafkrankheit bringt, ist ja die Ursache, daß in vielen Gebieten Deutsch-Ostafrikas Vieh nur unter ganz bestimmten Bedingungen oder gar nicht gehalten werden kann. – Wenn mein Vieh, das ich zum Löwenfang verwandte, in der Regel schon einem peinvollen Tode durch die unheimliche Tsetsekrankheit verfallen war, so erschien dagegen der Tod durch die machtvolle Umarmung eines Löwen ein gnädiger. Der Löwe tötet sein Opfer durch einen einzigen gewaltigen Biß. Aber ich fand auch, daß die angebundenen Tiere stets ruhig ihr Futter zu sich nahmen und keinerlei besondere Unruhe zeigten, wenn sie in der Steppe allein ihrem Schicksal überlassen wurden. Die Tiere wußten ja nicht, was ihnen bevorstand!

Ein einzelner Schütze konnte vor einigen Jahrzehnten noch im Oranje-Freistaat fünfundzwanzig Löwen erlegen, selbst noch ums Jahr 1863, als beispielsweise im Betschuanalande die Impallah- oder Schwarzfersenantilope ( Aepyceros suara) schon sehr selten geworden war, und als in Natal längst eine scharfe Gewehrkontrolle ausgeübt wurde! Die Zeiten haben sich geändert: Im Jahre 1899 erregte es allgemeines Aufsehen, daß bei Johannisburg noch ein Löwe erlegt ward, und schon im Jahre 1883 wurde es viel besprochen, daß bei Upington am Orangefluß sich noch ein Löwe gezeigt hatte und getötet worden sei. Was Oswald und Vardon, bekannte englische Jäger, im Anfang vorigen Jahrhunderts alltäglich erlebten, was Moffat damals aus dem Betschuanalande berichten konnte, daß er nämlich bis zu neun Trupps Löwen an einem Tage umherschweifend begegnet sei, das hat sich durch meine Beobachtungen schon im Jahre 1896 als damals noch für Deutsch- und Britisch-Ostafrika zutreffend erwiesen. Die späteren Erfahrungen der englisch-deutschen Grenzkommission in Ostafrika, die Beobachtungen des Herzogs Adolf Friedrich zu Mecklenburg in letzter Zeit und die Zeugnisse vieler anderer glaubwürdiger Beobachter haben diese Tatsachen bestätigt.

Noch aber hatte die Stunde des Wüstenkönigs nicht geschlagen – heute aber verschwindet auch er mit reißender Schnelligkeit. Berichtete mir doch Le père Guillemé, ein Missionar, der lange Jahre am Tanganyika tätig gewesen, daß die »Weißen Väter« dort im Laufe von vier Jahren allein siebenunddreißig Löwen getötet haben – größtenteils durch Strychnin, mit dem sie die Reste vom Löwen gerissenen Wildes vergifteten –, und sollen doch die Jagdexpeditionen in Britisch-Ostafrika im Jahre 1909 allein über 300 Löwen erlegt haben! – – –

Wie ich dies auch an anderer Stelle schon angeführt, habe ich in afrikanischer Wildnis den Sinn des Goetheschen Ausspruchs: »Mein Gemüt neigt zur Devotion«, besonders oft verstehen lernen, und ich stehe nicht an zu erklären, daß mir Aug' in Aug' mit den großen gewaltigen Raubtieren und gewaltigen Dickhäutern dieser Ausspruch ebenso häufig vorgeschwebt hat, wie angesichts des Kampfes wildentfesselter Elemente, sei es gewaltiger Seestürme, sei es jener unsagbar großartigen, mit betäubendem Krachen das Lager zur Nachtzeit überflutenden, tropischen Gewitter.

Es ist tatsächlich etwas Königliches, Herrliches um den wilden, freien, souveränen Löwen da draußen in der afrikanischen Steppe.

Das Gefühl des Jubels und des Sieges über einen so wehrkräftigen Gegner, das des Jägers Brust unwillkürlich empfindet, wurde mir stets getrübt durch die Empfindung, daß wir heutigentags mit allzu furchtbaren, überlegenen, fernwirkenden Waffen den Gegner aus der Tierwelt bekämpfen. Dieses Gefühl stimmte mir den Triumph und die Freude des Jägers erheblich herab. –

 


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