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Kopfleiste

21. Von ostafrikanischen Affen.

Die anthropomorphen Affen, die mächtigen und noch wenig erforschten Gorillas und die Schimpansen, bis vor kurzem nur von der Küste im Westen Afrikas bekannt, wurden neuerdings auch in Deutsch-Ostafrika vereinzelt in den Wäldern seiner westlichen Grenze aufgefunden.

Der Missionar Pater Guillemé, der lange Jahre am Tanganyika gelebt, alle seine Gefährten unter den Missionaren dem tückischen Klima hatte erliegen sehen und nun wiederum mit gegen zwanzig »weißen Vätern« hinauszog, teilte mir schon 1899 mit, daß am urwaldbedeckten Mzauaberge im Westen des Tanganyika in einer Höhe von gegen 1700 Meter der dort »Sóko« genannte Schimpanse vorkomme. –

Ein kleines Kind spielte alltäglich mit dem großen Pavian viele Stunden lang.

Auch in dem Grenzgebiete Deutsch-Ostafrikas wurde später dieser Menschenaffe aufgefunden, ein deutsch-ostafrikanischer Gorilla aber ( Gorilla berengei Mtsch.), ist erst kürzlich vom Kivusee durch Hauptmann von Beringe bekannt geworden und von Professor Matschie zu Ehren seines Entdeckers benannt worden. Diese Art unterscheidet sich, wie mir Herr Professor von Hansemann bestätigt, auch im Schädelbau wesentlich von den bisher untersuchten Gorillas der westafrikanischen Küstenländer.

Unvergeßlich wird allen Besuchern der allgemeinen deutschen Geweihausstellung im Jahre 1900 der in einer westafrikanischen Pflanzung zufällig erlegte kolossale Gorilla bleiben, welcher dort in einem riesigen Exemplare ausgestellt, höchstwahrscheinlich nicht einmal die volle Größe zeigte, die dieser riesige Menschenaffe, »der Schrecken des Urwaldes«, in sehr alten Männchen zu erreichen vermag. ... Phantastische und ausgeschmückte Berichte über diesen riesigsten heute lebenden Affen besitzen wir in der Afrikaliteratur früherer Zeit zur Genüge. Einem Deutschen aber, von Koppenfels, haben wir dann wieder Nachrichten über das Tier zu verdanken, und wüßten vielleicht noch mehr über seine Lebensweise und seine Gewohnheiten, wenn der obengenannte Berichterstatter nicht, von Büffeln schwer verwundet, in die Heimat zurückgekehrt und den Folgen seiner Verletzungen erlegen wäre. Kürzlich erst aber wurde uns wiederum durch Zenkers diesbezügliche Forschungen erfreuliche Kunde über diesen Urwaldbewohner, dessen Lebensweise inmitten seiner Urwälder zu ergründen mir stets als lockendes Ziel vor Augen schwebt. ... Leider wurde in den letzten Jahren mit erlegten Menschenaffen in Kamerun ein schwungvoller Handel getrieben, der bedauerlicherweise noch fortbesteht ...

Im größten Teile von Deutsch-Ostafrika und im besonderen in den von mir bereisten Gebieten, den Masaihochländern, sind weder Schimpanse noch Gorilla zu finden. Dahingegen bergen sie einige Arten einer hochinteressanten, eigentümlich gestalteten Affenart, die, einsam und zurückgezogen auf hohen Bäumen im Walde lebend, sich fast ausschließlich von Blättern ernährt.

Es sind die Seidenaffen ( Colobus), große, lang und seidenartig behaarte, mit buschigen Schwänzen gezierte, schwarz-weiße Tiere mit ernsten bärtigen Gesichtern, deren wohl zweifellos schönste Art, der »Mbega« der Eingeborenen ( Colobus caudatus Thos.), in den Bergwäldern des Kilimandscharo und des Meruberges heimisch ist. Die »Mbegas« sind daumenlos, und mit hastigen, ungestümen Bewegungen rupfen sie ihnen erwünschte Blätter von den Zweigen und führen sie zum Munde. Gefangene Exemplare pflegen niemals Beißversuche zu machen, bevor sie nicht mit den Händen ihren Gegner umklammert und dem Munde möglichst nahe gebracht haben.

In kleineren und größeren Gesellschaften finden sich diese wundervoll ihren Aufenthaltsorten angepaßten, melancholischen Tiere in den Kronen der Urwaldriesen. Wo diese im Schmucke lang herabwallender, grauweißer Bartflechten dunkle Wälder bilden, heimatet der »Mbega«, in gewaltigen Sprüngen von Ast zu Ast, von Baumkrone zu Baumkrone sich fortbewegend. Lang weht sein buschiger, weißer Schwanz, und die Behaarung seines Körpers, im Sprunge sich ausbreitend, gibt dem Tiere etwas höchst Eigenartiges und ruft den Eindruck hervor, als wenn jene, ihm so ähnlichen Bartflechten plötzlich Leben gewönnen, um in Tiere verwandelt, in das Dunkel des Urwaldes zu entfliehen. ...

Auf den Erdboden kommt der »Mbega« wohl nur höchst ausnahmsweise. Trinkwasser findet er genügend in den Höhlungen der alten Bäume, und infolge seiner langen Beine kann er sich auf dem Erdboden nur schwer vorwärts bewegen, dabei den Eindruck eines recht hilflosen Wesens hervorrufend.

Fern von menschlichen Ansiedlungen, die keinen Reiz für ihn haben, fand ich den »Mbega« manchmal nicht besonders scheu, sogar neugierig. Leider unterliegt er, wie so viele andere Tiere, beim Eindringen der Zivilisation des Europäers einer nachdrücklichen Verfolgung, da sein Pelzwerk sehr begehrt ist. Diese Verfolgung, die mit dem Feuergewehr, von manchen Eingeborenen aber auch mittelst der lautlos ihr Ziel erreichenden Giftpfeile ausgeübt wird, hat seine Scharen schon erheblich gelichtet.

Dies ist um so mehr zu bedauern, da der Mbega ein dem Menschen in keiner Weise schädliches Tier ist, – sehr im Gegensatz zu den oft empfindlichen schaden anrichtenden Pavianen und Meerkatzen.

Der schöne Seidenaffe hat manches gemein mit den Stämmen wilder Völker, die dahinschmelzen vor der Berührung mit der Kultur und lieber untergehen, als ihr irgendwelche Konzessionen zu machen. Ein freier, unabhängiger Bewohner des tropischen Urwaldes, in dem Laube seiner Wohnbäume mühelos reich gedeckten Tisch findend, hat er sich gleich manchen anderen Tierarten, gleich dem Elchhirsch des nordischen Waldes, einer so bestimmten Lebensweise angepaßt und verlangt in gewisser Beziehung Lebensbedingungen so bestimmter Art, daß er nicht imstande ist, auch nur um eine Kleinigkeit von diesen abzuweichen.

Sein sehr großer, fast wiederkäuerartiger Magen bedarf unglaublicher Mengen von aromatisch duftenden Blättern verschiedener Art; nur ab und zu verzehrt der »Mbega« auch Baumfrüchte. Irgendwelche andere Nahrung scheint er zu verschmähen, wenngleich hier und da Vogeleier oder junge Vögel, vielleicht auch gewisse Insekten ihm zur Beute fallen werden. Namentlich gegen Morgen, jedoch auch während des Tages läßt dieser Affe einen eigentümlichen Chorgesang hören, bestehend aus einem schwer zu beschreibenden Summen und Surren, das der Neuling niemals für die Stimme eines Affen halten würde!

Wenn gegen Morgen dichte Nebel über dem feuchtigkeitsgesättigten Urwald liegen, ein alles durchdringender Tau in schweren Tropfen an Blättern und Zweigen hängt, und tiefe Stille über den Wäldern lastet, schwillt dieser Gesang, leise beginnend, zu erheblicher Stärke an, um, verstummend, plötzlich wieder von neuem zu erklingen. So vermag der Jäger, der Beobachter, den »ol goroĩ« der Masai leicht aufzufinden, und hoch oben in den gewaltigen Baumkronen der Juniperus procera und anderer Urwaldriesen sieht er dann wohl die merkwürdigen Sänger, die in alten Exemplaren von der Schnauze bis zur Schwanzspitze eine Länge von über 5 Fuß erreichend, in gigantischen Sprüngen im Schmuck ihres wallenden Haarkleides in überraschender Schnelligkeit die Flucht ergreifen und verschwinden.

Außer diesem Gesang gibt der »Mbega« häufig einen kurzen, grunzenden Laut von sich. Im Herbste des Jahres 1899 konnte ich zum ersten Male feststellen, daß die Colobusaffen schneeweiß geboren werden, um sich dann allmählich umzufärben. Sie werden von einer ebenfalls damals von mir aufgefundenen Zeckenart ( Ixodes schillingsi Neum.) in manchen Wäldern außerordentlich gepeinigt. Diese Zecken saugen sich ausschließlich an den Augenlidern der Affen fest, und so entstehen sehr schlimme, eiternde Entzündungen der Augen.

In den Oasen Kahe und Arusha-Chini, die durch mit hohem Baumwuchs bestandene Wasserläufe mit dem Hochwald des Kilimandscharo in Verbindung stehen, fand ich vor längeren Jahren ebenfalls eine große Anzahl von »Mbegas«, die sich aber, wie Professor Hans Meyer schon bemerkt hat, durch kürzeres Haar von den Seidenaffen der Bergmassive unterscheiden.

Hier wurden diese Affen von den Eingeborenen nicht verfolgt, vielmehr, wie mir berichtet worden ist, als heilig geschützt. Den Nachstellungen der mit Hinterladern jagenden Askari (farbigen Soldaten) der Station Moschi haben diese Bestände des harmlosen Tieres nicht lange standhalten können. Die Soldaten kamen um das Jahr 1900 mit zahlreichen Patronen, öfters auf mehrere Tage, lediglich zur Affenjagd in die Oasen, und heute gehört das Tier – wenn es überhaupt in ihrem Bereiche noch zu finden ist – zu den Seltenheiten.

Schon im Jahre 1900 habe ich drei Tage gebraucht, um die dem königlichen Museum für Naturkunde in Berlin sehr erwünschten »Mbegas« der Kahe-Oase in drei Exemplaren zu erlegen.

Aber nicht nur hier, sondern auch überall am Berge hat neuerdings wieder eine intensive Verfolgung eingesetzt. Bei den einzelnen Händlern, sowohl Griechen wie Indern, fand ich häufig viele Hunderte von Fellen dieses Affen auf einmal, bereit zur Versendung nach Europa. Ein Missionar beschäftigte sich in seinen Mußestunden so erfolgreich – zum Verkaufen – mit der Erlegung dieses in guten Exemplaren immerhin an Ort und Stelle vier bis sieben Mark wertenden Affen, daß er, wie ich aus seinem Munde vernommen habe, in einem Monat bis zu achtzig Stück und mehr erbeutete! – – –

An der Westküste Afrikas kommt eine dem Seidenaffen des Kilimandscharo sehr ähnliche Art vor, die vor Jahren bereits einmal zum »Modetier« erhoben und nach amtlichen Angaben in vielen Hunderttausenden von Exemplaren exportiert worden ist, bis endlich die englischen Autoritäten ein Ausfuhrverbot erließen. Es dürfte ohne ein solches nicht lange währen, bis die Bestände an Mbegas in den isolierten und verhältnismäßig nicht umfangreichen Wäldern des Kilimandscharo und des Meruberges vernichtet worden sind.

Bei meinen Streifereien in den Bergwäldern fand ich häufig dünne, nicht viel mehr denn stricknadeldicke, eigens zur Erlegung des »Mbega« angefertigte Giftpfeile. Sie waren von den Eingeborenen vergeblich auf die Beute abgeschossen und so verloren worden. Gerade die Felle dieser Affenart, die einem ganz bestimmten Geldwerte entsprechen, werden den Händlern auf Bestellung von den Eingeborenen mit Vorliebe geliefert.

Vor der europäischen Invasion aber erlegten die Eingeborenen den »Mbega« nur, um sein Fell als Fußschmuck der Masai-Moran zu verwenden.

Oft hat man in früheren Jahren versucht, junge Tiere dieser schönen Affenart großzuziehen und nach Europa zu bringen. Alle diese Unternehmungen schlugen fehl; die empfindliche Natur und der delikate Charakter dieser einsiedlerischen Affen boten immer wieder neue Schwierigkeiten. Die Jungen blieben im Wachstum zurück, erreichten kaum das Meer oder bestenfalls die europäische Küste, um dort zu sterben.

Auf Grund dieser Erfahrungen beschloß ich, mich in den Besitz eines alt eingefangenen Tieres zu setzen. Nach vielfältigen Schwierigkeiten und vergeblichen Bemühungen gelang es mir, ein altes Männchen durch einen Streifschuß am Kopf in meine Gewalt zu bringen. Nun aber begannen erst die Schwierigkeiten. Der Affe verweigerte aufs entschiedenste die Aufnahm irgendwelcher Nahrung. Die Pflege seiner Kopfwunde war zudem nicht angenehm. Das Tier versuchte stets, mit den Armen die Hände seines Pflegers erfassend, ihn zu sich heranzuziehen und unter unwilligem Grunzen von seinem starken Gebiß Gebrauch zu machen. Bei der Pflege der Kopfwunde wurde ich später in liebenswürdiger Weise von dem Arzte der Station in Moschi unterstützt, dessen Kunst ihre Heilung denn auch gelang.

Vorher aber war es mir endlich, nach tagelangen, vergeblichen Bemühungen gelungen, den Affen dahin zu bringen, die Blätter und Triebe einer Fagara, die ich als Hauptfutter des »Mbega« erkundet hatte, anzunehmen und zu verzehren. Waren diese Blätter im geringsten welk, so verweigerte sie mein Mbegaaffe aufs energischste; oftmals am Tage mußten daher frische Fagarazweige beschafft werden, was nicht selten mit großen Schwierigkeiten verknüpft war. Die Anpassung an eine ganz bestimmte Lebensweise ist beim Colobus so sehr in bestimmte starre Bahnen gelenkt, daß das Tier ihm dargereichte Zweige stets mit hastig reißendem Griff ihrer Blätter zu entkleiden versucht, wie er das im Freileben zu tun gewöhnt ist. Langsam und bedächtig einen Gegenstand aufzunehmen, wird zudem diesem Affen schon durch die Daumenlosigkeit seiner Hände erschwert.

Nur sehr langsam gelang es mir allmählich, ihn auch an Bananen zu gewöhnen. Der herkulischste und bewährteste Schwarze meiner gesamten Karawane wurde sowohl zum Pfleger als auch zum Träger des Tieres während des Marsches ernannt. Dieser Mann, ein Angehöriger des Stammes der Wadigo (Bewohner des Hinterlandes der Küstenstadt Tanga), war in seiner Jugend von den Masai in die Steppe entführt worden, zur Zeit, als diese, noch nicht durch die Rinderpest verarmt, ihre Streifzüge behufs Viehraub selbst bis nach Tanga an die Meeresküste ausdehnten. Inmitten der Masai aufgewachsen, eignete er sich besonders zur Pflege von Vieh und Tieren aller Art.

Der sechs Fuß hohe Schwarze mit dem gutmütigen Kindergesicht, in der Hand einen mächtigen primitiven Sonnenschirm und unter dessen Schutz der sorglich mittelst eines Lederriemens mit ihm verbundene und in eine Decke gehüllte Mbega, der immer wieder grimmig versuchte, seinen Pfleger zu beißen – bot namentlich dann einen Anblick von erschütternder Komik, wenn Mensch und Affe, uneinig geworden, unter den spöttischen Zurufen der übrigen Träger wieder Frieden schlossen und »Feradji Bili« mit seinem Schützling endlich seinen Weg fortsetzen konnte.

Aber wiederum galt es verschiedene Schwierigkeiten zu besiegen. Auf dem Marsch zur Küste gelang es mir nur mit großer Mühe, den Affen namentlich mit Schlingpflanzen verschiedener Art zu ernähren, da die ihm besonders zusagende Fagara hier nicht wuchs. Dann aber auch machten sich bei dem Tiere Fiebererscheinungen geltend, denen ich durch Chinin zu begegnen versuchte.

Endlich aber gelang sein Transport zur Küste und seine Überführung nach Europa, wo er unter der Pflege meines Freundes Prof. Heck im Berliner Zoologischen Garten zwei volle Jahre als einziges bis dahin lebend nach Europa gebrachtes Exemplar lebte.

Hauptmann Merker hat später durch Fällen einiger Bäume, auf die sich Colobus-Affen in der Nähe von menschlichen Ansiedlungen begeben hatten, drei schöne alte Exemplare einfangen lassen. Der wiederum von mir gelegentlich meiner vierten Rückkehr vom schwarzen Erdteil versuchte Transport dieser zoologischen Raritäten nach Europa mißlang jedoch diesmal trotz aller Bemühungen, hauptsächlich, weil die schon längere Zeit aneinander gewöhnten Tiere sich doch in der engen Haft auf dem Dampfer unterwegs plötzlich gegenseitig ernstlich beschädigten.

Im Gegensatz zum Pavian und zu anderen Affen, aber auch im Gegensatz zu den zwar stets melancholischen, aber in Gefangenschaft sich ihren Pflegern außerordentlich nähernden Menschenaffen, weisen alt eingefangene Mbegas jede Annäherung zurück und leiden sichtbar unter der Trennung von ihren geliebten einsamen Bergwäldern. Ihr Benehmen hat niemals etwas Äffisches oder Komisches, ist vielmehr stets würdig, ernst, gemessen und zurückhaltend. Das Benehmen der Tiere schien mir stets ein Abglanz ihrer ernst gestimmten dunklen Wohnstätten – der mächtigen Baumkronen finsterer afrikanischer Berg-Urwälder. – – –

Welch anderen Anblick gewähren sowohl im Freien wie in der Gefangenschaft die verschiedenen Arten der allbekannten Paviane!

Nicht, wie der Laie vielfach glaubt, im Geäste der Bäume spielt sich in den tropischen Ländern das Leben der Pavianherden ab, sondern sie sind Bewohner der öden Steppe und der Gebirge, die sie weithin durchqueren, in der sie bestimmte ausgedehnte Reviere aufs genaueste kennen, und der sie, dank ihrer Klugheit, in den verschiedenen Jahreszeiten die besten Seiten abzugewinnen verstehen.

Wir müssen unterscheiden zwischen Pavianen, die die Steppen bevorzugen, und solchen, die im Gebirge leben.

Ein ausgeprägter Steppenbewohner ist der gelbe Pavian, den die Wissenschaft mit dem Namen Papio ibeanus Ogilb., der Küstenneger mit dem Namen »Njāni«, der Masai mit »ol'dólal« und der Ndoróbbo mit »Kireije« bezeichnet.

Nur in der Nacht sucht dieser im engsten sozialen Verbande großer Herden lebende Affe seine Schlafbäume auf. Am Tage durchstreift er die verschiedenen Formationen der Steppe, der Busch- und Uferwälder, um seiner Nahrung nachzugehen. Diese besteht zum nicht geringen Teile in Gräsern, dann aber auch in Baumfrüchten, Blättern, Grassamen und allen möglichen Insekten und niederen Tieren, selbstredend auch aus gelegentlich gefundenen Vogeleiern und jungen Vögeln. Ich habe niemals Anhaltspunkte dafür gewonnen, daß die Paviane, wie dies behauptet worden ist, auch erwachsenen Zwergantilopen nachstellen.

Den Pavianherden folgt auf Schritt und Tritt der Leopard, ihr schlimmster Feind, und nach ihm und anderen Verfolgern spähen die höchst wachsamen älteren Tiere der Herde stets auf das sorgfältigste aus. Nichts ist interessanter, als das Treiben und Gebaren einer solchen aus hundert und mehr Mitgliedern zählenden Pavianherde zu beobachten.

Auf einem umgestürzten Baumstamme, nur wenige Meter über dem Boden, haben drei oder vier erfahrene Anführer, Umschau haltend, Platz genommen. Unter ihrer Aufsicht fühlt sich die Herde vollkommen sicher. Sowohl die erstaunlich großen alten Männchen, deren Reißzähne an Stärke und Länge die des Leoparden bedeutend übertreffen, wie auch die Weibchen, an die angeklammert wir entweder kleine Junge erblicken oder denen schon erwachsenere in unmittelbarer Nähe folgen, dann aber auch eine große Anzahl mittelgroßer Tiere – sie alle ergehen sich nun sorglos in der Waldlichtung, fortwährend Grashalme auszupfend, Steine umkehrend, Heuschrecken und andere Insekten erhaschend oder auch miteinander Kurzweil aller Art treibend. ...

Inmitten dieser Affenherde, nur wenige Fuß von den einzelnen Tieren entfernt, habe ich manchmal Impallah-Antilopen, auch Zwerg-Antilopen, dann aber auch Wasserböcke und selbst Strauße bemerkt. In dem sozialen Zusammenleben aller dieser Tierarten, in ihrem gegenseitigen Verständnis und Zusammenhalten ist der Antrieb immer wieder die Scheu und Angst vor den Raubtieren, deren sie sich, so vereinigt, am besten erwehren können, durch ihre verschiedene Befähigung, zu sehen, zu wittern oder zu hören.

Namentlich um die Mittagstunde pflegen die mancherlei verschiedenartigen Tierarten stundenlang an ein und derselben stelle in dieser Weise ihr Wesen zu treiben.

Aber plötzlich ändert sich dies Bild! Irgendeines der Tiere hat mich bemerkt oder von mir Wind erhalten – ein Honiganzeiger umflattert mich plötzlich schreiend – eine Spatelracke verrät meinen Standort durch ihr heiseres Gekrächz – und wie der Blitz stiebt all das versammelte tierische Leben staubaufwirbelnd in alle Winde!

Ein aus nur wenigen quiekenden und knurrenden Tönen bestehendes Warnen hat die Affengesellschaft sofort in Bewegung gesetzt; die auf dem Baumstamm Wachhaltenden plumpsen herab, sie und die jüngeren Tiere nebst den Weibchen stürmen von dannen. Den Beschluß machen die starken, alten, wehrhaften Familienväter mit gesträubten Rückenmähnen und eigentümlich schiefgehaltenen Schwänzen, zwar unter fortwährendem Umschauen, aber im eiligsten Galopp.

Dies höchst charakteristische »Umschauen« während der Flucht und ohne anzuhalten kenne ich nur von Pavianen und gefleckten Hyänen!

Auf der Flucht zeigt sich ihre soziale Organisation auf leicht erkennbare Weise. Die älteren Tiere teilen den jüngeren und unerfahreneren rücksichtslos Püffe und Knüffe aus, um sie zu eiliger Flucht zu nötigen. Auf mehrere hundert Schritt sehen wir Mitglieder der Herde blitzschnell hier und da Baumstämme nur einige Fuß hoch erklimmen, um abermals Umschau zu halten, und dann kündet uns eine weit sich dahinziehende Staubwolke, daß die Herde ihr Heil in ferner Flucht sucht. – –

Die Sehschärfe der Paviane muß eine ganz außerordentliche, selbst die der Naturvölker noch übertreffende sein. Meine im Lager gefangen gehaltenen Paviane erkannten mich auf unglaubliche Entfernungen, wenn ich mich, von Streifereien zurückkehrend, wieder dem Lager näherte.

Von höchstem Interesse ist es ebenfalls, eine etwa gegen 4–5 Uhr nachmittags das Wasser besuchende Pavianherde zu beobachten, wie sie vorsichtig sich ihren Tränkplätzen nähert, um ihren Durst zu löschen.

Hier gilt es vor allem, das tückische und gefährliche Krokodil zu vermeiden. Niemals pflegen die Paviane ihren Durst zu stillen, ohne daß einige ältere erfahrene Exemplare von Bäumen am Ufer oder vom Ufer selbst herab sorgfältig den Wasserspiegel beobachten und nach Krokodilen Ausschau halten. Beim Erblicken einer der gefährlichen Echsen erschallt sofort ein Warnungston; wie der Blitz fahren die trinkenden Tiere vom Wasserspiegel zurück, retten sich in Baum und Strauch, und ein unwilliges allgemeines Grunzen und Quieken gibt ihrem Ärger über die Störung Ausdruck, und ihrer Angst vor dem bösen verborgenen Feinde. Von ihrer hohen Warte herab halten die erfahrenen alten Paviane nunmehr jede Bewegung der Krokodile im Auge, um sich erst nach längerem Harren endlich zu entschließen, sich wieder dem Wasserspiegel zu nähern und ihren Durst vorsichtig zu löschen, übrigens tunlichst an seichten, den Krokodilen weniger Gelegenheit zum Angriff bietenden Stellen.

Mit dem Eintritt in die eigentlichen abflußlosen Gebiete der Masailänder – in das Gebiet des »Großen ostafrikanischen Grabens« – begegnen wir in den Gebirgen einer ganz anderen, dunkelgrünlich gefärbten Art von Pavianen, welche Professor O. Neumann dort Anfang der neunziger Jahre entdeckt hat.

Sie leben in großen Herden an Bergabhängen. Mit Vorliebe pflegen sie an steilen, höchst unzugänglichen und schroffen Felswänden zu übernachten, sich so tunlichst vor den Nachstellungen der Leoparden sichernd. Fröstelnd in der Kühle des Morgens, hocken sie aneinandergedrängt auf den Felsen, und erst langsam unter dem Einfluß der belebenden Sonnenstrahlen erwacht die Herde zu neuem, regem Leben, denn Paviane sind licht- und sonneliebende Geschöpfe.

Mit einem guten Glase kann man das Tun und Treiben dieser Affenherden oft stundenlang verfolgen. Die Bergwände scheinen dann von einem primitiven Menschengeschlecht bewohnt, Gebirgsbewohnern, die sich in jene unzugängliche Felsenwelt zurückgezogen haben. Erstaunt musterten mich zuweilen die beträchtlich großen und starken Anführer der Affenherden, auf vorspringenden Felsen sitzend, während die Weibchen und die jüngeren Tiere sich in großen Mengen weiter in den Hintergrund zurückgezogen hatten.

Affen zu töten, gehört nicht zu den Vergnügungen tropischer Jagden. Der Jäger richtet nur mit Überwindung, zum Zwecke wissenschaftlicher Untersuchungen, sein Geschoß auf diese Tiere.

Ich erinnere mich einiger besonders unangenehmer Augenblicke, als ich einem mächtigen alten Pavian, den ich angeschossen hatte, in eine Felshöhle gefolgt war, wo ich das Tier antraf, wie es sterbend die Pfote auf die Todeswunde drückte.

Bei einer anderen Gelegenheit erreichte ich an der Spitze meiner Karawane nach fast zwölfstündigem Marsche, halb verdurstet, die Ausläufer einer Bergquelle. Innerhalb der umgebenden schroffen Felsenwelt zeigte sich keine Spur von tierischem Leben, als plötzlich einer meiner Leute mit dem Ausdruck der Angst und dem Rufe »Mtu Bwana!« »Ein Mensch! Herr!« auf eine menschenähnlich sich erhebende Gestalt hinwies, die sich hinter einem Felsblock auf etwa hundert Meter in der grellen Abendbeleuchtung vor uns zeigte.

Der vermeintliche Mensch aber war ein uralter Pavian, der, den Rückzug seiner Herde deckend, nach uns ausspähte, und in seiner ganzen Erscheinung dem Träger und fast auch mir den Eindruck eines sich an einem Felsblock aufrichtenden Menschen gemacht hatte.

Weithin erklingen innerhalb der Felsen die Warnstimme und die empörten Ausrufe der Affen beim Anblick von Menschen. Unter Umständen wird ihr Schreien und Lärmen sehr laut und durchdringend, namentlich zur Nachtzeit, wenn die Affen sich gegenseitig vor den Leoparden warnen.

Wenn plötzlich in dunkler Nacht sich dies angstvolle Schreien, die hohen Fisteltöne der Jungen, das tiefe Brummen und Knurren der alten Affen vernehmen läßt, gefolgt vielleicht für kurze Augenblicke von dem lauten Geknurr des furchtbaren Feindes der Affen, des Leoparden, so wird dies ein nächtliches Konzert, das zweifellos mit zu den eindrucksvollsten Naturlauten afrikanischer Wildnis gehört. Immer wieder läßt sich das angstvolle Aufschreien einzelner Mitglieder der Affenherde vernehmen, und selbst nach langer Zeit noch kündet uns hier und da ein einzelner Warnruf, daß die Führer der Herde auf ihrer Hut sind. ...

Im Gegensatz zu den Meerkatzen, die die Masailänder in drei verschiedenen Arten beleben, und zu einigen anderen Affenarten sind Paviane höchst charaktervolle Gesellen. In der Gefangenschaft schließen sie sich aufs innigste an ihre Herren oder von ihnen bevorzugte Menschen an, hassen aber ebenso konsequent gewisse andere Leute, die ihnen nicht sympathisch sind. An einem von mir mitgebrachten Exemplare, welches mir außerordentlich zugetan war, versagten alle Künste eines der bekanntesten Tierdresseure, der unzählige andere Tiere bedingungslos seinem Willen unterwarf.

Ein anderer Pavian war viele Jahre in Moschi, vor den Toren des Forts angekettet, gefangen gehalten worden. Ein Freundschaftsverhältnis innigster Art hatte sich zwischen dem großen, gefährlich aussehenden Pavianmenschen und einem kleinen, etwa anderthalbjährigen eingeborenen Kinde entwickelt. Aus der in der Nähe gelegenen Hütte kroch das Kind auf allen Vieren zu dem Affen hin, und hier spielte das kleine Wesen furchtlos mit seinem großen Freunde alltäglich mehrere Stunden in einer höchst anziehenden und possierlichen Weise.

In der Weihnachtsnacht des Jahres 1899, als wir alle innerhalb der Wallmauern des Forts einen Angriff der Eingeborenen erwarteten, die gesamte Bevölkerung der Station jedoch sich gegen neun Uhr abends plötzlich einer Schafherde gleich in die schützenden Mauern gedrängt hatte, riß sich auch dieser Pavian, von Angst befallen, in einer völlig unbegreiflichen Weise von seiner Kette los und flüchtete mit dem Menschenstrom ins Fort. – –


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