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Kopfleiste

20. Gazellen und kleinere Antilopen.

Die beiden häufigsten Gazellenarten der Masai-Nyika sind die Grantgazelle oder Riesengazelle ( Gazella granti Brooke) und die sehr ähnlich gefärbte, aber bedeutend kleinere Thomsongazelle oder Zwerggazelle ( Gazella thomsoni Gthr.).

Die große und schöne Grantgazelle, deren Böcke prächtig geschweifte, und deren Weibchen stets ebenfalls schöne lange, wenn auch schwächere Hörner tragen, wurde erst im Jahre 1860 durch Speke und Grant in Ugogo aufgefunden und bekannt, auf ihrem Wege zum damals von ihnen entdeckten Viktoria-Nyanza. Die kleinere Gazellenart, die »Goilín« der Masai, verdankt dem englischen Reisenden Thomson erst 1883 ihre Entdeckung.

In oft vielköpfigen Rudeln finden wir die stattliche Grantgazelle im ganzen Masailand, höchst selten in einzelnen Exemplaren, oft aber in größeren Herden, die entweder nur aus weiblichen Tieren und nur aus Böcken bestehen, oder auch aus einer Anzahl weiblicher Tiere mit einem oder einigen Böcken.

Einzelne weibliche Grantgazellen fand ich in den Sommermonaten häufig inmitten großer Glasflächen, und es gelang mir dann zuweilen, ihre Kälber aufzustöbern, die in der Nähe verborgen waren.

Sind diese etwas herangewachsen, so sucht ihre Mutter mit ihnen wiederum das Rudel auf. Beide Gazellenarten meiden den Wald, finden sich in ihm nur in der Formation lichten Buschwaldes, äsen jedoch nicht nur Gräser, sondern auch Blätter und einige Baumfrüchte, namentlich häufig die Früchte einer großen Solanumart.

Die Hörner der männlichen Grantgazelle weichen sehr voneinander ab; manchmal sind sie sehr weit auseinandergebogen, aber auch wieder sehr eng zusammengestellt. Ich fand jedoch beiderlei Hörner an ein und derselben Örtlichkeit vor und sammelte eine große Reihe in allen verschiedenen Formen. Dieses Wild hat die Eigentümlichkeit, beim Flüchtigwerden außerordentlich viele Haken zu schlagen; man bemerkt dies namentlich von den weiblichen Stücken, die in der Flucht stets die Führung übernehmen, während der Bock oder die Böcke des Rudels bedächtig den Beschluß zu machen pflegen. Die Böcke sehen außerordentlich gravitätisch aus, wenn, sie, mit steif gehaltenem Hals die schwere Last der Hörner tragend, langsam fortziehend nach dem Jäger äugen; ihre Weibchen aber sind die Grazie und Beweglichkeit selbst und wissen erfreulicherweise dort, wo sie bereits viel gejagt worden, alle Listen des eingeborenen Pfeil-Jägers häufig zuschanden zu machen.

Die Grantgazelle wird in unsern Frühlingsmonaten außerordentlich von einer von mir entdeckten Hypoderma nov. spec. gequält, leidet zur selben Zeit auch sehr unter den Bremsen, die ich ebenfalls in einer neuen Art ( Pangonia nov. spec.) an ihnen fand. Die Larven des erstgenannten Schmarotzers durchlöchern die Decke des Wildes beim Verlassen ihres Wirtstieres; davon befallene Stücke machen einen außerordentlich jämmerlichen Eindruck und sind schlecht im Wildpret. Die Grantgazelle ist nicht an das Wasser gebunden, sondern man findet sie häufig außerordentlich weit von Wasserplätzen entfernt in der Steppe.

Durch ein mit einem Paare stattlicher spitzer Hörner geschmücktes Grantgazellenweibchen bin ich einst in große Gefahr geraten. Mein Freund Alfred Kaiser hatte gelegentlich meiner ersten Anwesenheit in Ostafrika mit mir in der Gegend des Meruberges einen Spaziergang unternommen. Wir rasteten neben einer Fallgrube der Eingeborenen, in der sich ein Nashorn in der Nacht gefangen hatte, als wir plötzlich auf weite Entfernung auf einem Hügel vor uns eine einzelne Grantgazelle bemerkten. Mit der mir vollkommen unbekannten Büchsflinte meines Freundes bewaffnet, pürschte ich die Gazelle an und schoß auf dreihundert Schritte – ein näheres Anpürschen war nicht möglich – mit entsprechend gestelltem Visier die großkalibrige Kugel auf das Tier. Auf den Schuß wurde sie außerordentlich flüchtig und kam – ich vermute, daß ihr Junges nicht weit von meinem Standorte im Grase versteckt war – mit lautem, blöckendem Geschrei, stark schweißend, flüchtig den Hang hinab auf mich zu. Im Anfange traute ich meinen Augen nicht, merkte jedoch bald den Ernst der Situation, und es gelang mir im letzten Augenblicke, die erboste Gazelle wenige Schritte vor meinen Füßen mit dem zweiten Laufe im Feuer ein Rad schlagen zu lassen, wäre mir dies nicht gelungen, so hätte mich das Tier unzweifelhaft mit seinen Hörnern durchbohrt. Man bedenke, wie gefährlich ein zahmer Rehbock unter Umständen für Menschen werden kann!

Von einem ähnlichen Betragen dieser Gazellenart habe ich nie wieder gehört; Kaiser aber und ich werden diese Szene wohl niemals vergessen.

Die ähnlich gefärbte und gestaltete Thomsongazelle oder Zwerggazelle ist eine bei weitem ausgeprägtere Bewohnerin offener Glasflächen. Sie scheint fast ausschließlich auf die Masailänder beschränkt zu sein und ist nicht nur bedeutend kleiner als die Grantgazelle, sondern auch geistig ihr nicht ebenbürtig und nicht so zierlich und edel.

Das Benehmen der Thomsongazellen hat vielmehr etwas, ich möchte sagen ungemein Schafartiges. Die Tiere lassen sich, wo sie noch nicht beschossen worden sind, auf offener Steppe bis auf etwa hundertundzwanzig Schritte angehen, ziehen dann langsam vor dem Schützen her und zeigen in jeder Weise ein unintelligentes Wesen. Sie sind ausschließlich Grasfresser. Die Böcke, die man nicht selten – im Gegensatz zu den Grantböcken, allein antrifft, tragen verhältnismäßig sehr lange und starke Hörner, die manchmal sehr dicht mit den Spitzen zusammengestellt sind, niemals jedoch weit auseinandergebogen verlaufen, wie bei manchen Grantgazellen.

Höchst bemerkenswert ist es, daß die weiblichen Thomsongazellen fast ausnahmslos verkrüppelte und schlecht ausgebildete Hörnchen tragen; man findet auffällige Deformationen sehr häufig. Auch erlegte ich einst einen Zwerggazellenbock, der bei ganz normaler Form der Hörner und normaler schwarzer Färbung ihres unteren Teiles völlig pigmentlose weiße Hornspitzen aufwies. Deformationen der Hörner bei Böcken habe ich dagegen nie gefunden. Beim Flüchtigwerden pflegen sich diese Gazellen anfangs in einer höchst stöckrichten steifen Haltung fortzubewegen. Niemals jedoch tragen sie den Kopf bei der Flucht hoch, sondern – namentlich in voller Flucht – nach Art der Kuhantilopen auffallend tief, wobei das ganze Gebäude des Tieres flach und langgestreckt erscheint. Nur beim Traben wird der Kopf etwas höher getragen, namentlich von den Böcken.

In der Nähe der von Masai geweideten Viehherden findet man häufig Zwerggazellen ganz vertraut mitten unter dem zahmen Vieh äsend, vorzugsweise unter den Ziegenherden.

Wild jeder Art zeigt sich überhaupt den niemals Wildfleisch verzehrenden Masai gegenüber außerordentlich vertraut.

Die Böcke fand ich zuweilen derartig eifrig miteinander kämpfend, daß ich sie fast mit Händen fangen konnte. Unsere kleine Gazelle zeichnet eine höchst auffallende Eigenschaft aus, die ich eigentümlicherweise von anderen Autoren nicht erwähnt gefunden habe. Wo und wann man nämlich auch die Tiere erblickt, bewegen sie ihre langen Wedel sehr stark und heftig hin und her, ganz besonders, wenn sie argwöhnisch nach dem sich Nahenden äugen und auch wenn sie flüchtig werden.

Unter allen Umständen vermag man an diesem Schwanzwedeln die Thomsongazelle zu erkennen!

Hier und da findet man sie in Gesellschaft und Gemeinschaft anderer Wildarten lebend. So habe ich einen einzelnen Bock zusammen mit einer weiblichen Giraffengazelle und einem alten Gnubullen tagelang beobachten können.

Auf dem linken Ufer des Panganiflusses habe ich die Zwerggazelle niemals bemerkt, sonst aber sehr häufig gefunden. In außerordentlich großer Anzahl, nach vielen Tausenden Stück, sah ich sie am Nakuro- und Elmenteita- See im englischen Gebiete.

Die Zwerggazellen bilden eine eigenartige Zierde der Salz- und Natronsteppen in der weiten Nyika. Hoffentlich bietet ihnen die unendlich große ostäquatoriale Steppe noch lange Schutz und Heim, zusammen mit den schönen Grantgazellen!

Unter den Gazellen finden wir in Afrika zwei einander ähnliche Arten, die in jeder Beziehung auf das erstaunlichste, ich möchte fast sagen, übertriebenste ihren öden Aufenthaltsorten angepaßt sind.

Man denke sich eine übermäßig schlanke und graziöse, fast einfarbig bräunlich gefärbte, gehörnte Minaturgiraffe, die noch dazu befähigt ist, sich nach Ziegenart auf den Hinterläufen aufzurichten, um so an Büschen und Bäumen zu äsen. Eigentümlich gestaltete Hörner schmücken die männlichen Tiere, die Weibchen sind hornlos. Die eine Art, die Clarkegazelle ( Ammodorcas clarkei Thos.), ist bisher nur innerhalb ganz beschränkter Örtlichleiten des Somalilandes festgestellt worden; von Wißmann's Angaben sind mit Bestimmtheit irrtümlich. Das Verbreitungsgebiet der anderen Art, der sehr ähnlichen Wallersgazelle ( Lithocranius walleri Brooke), ist bei weitem ausgedehnter und erstreckt sich nach meinen Beobachtungen weit hinein in die Steppen Deutsch-Ostafrikas. – Bis zur Feststellung dieser eigentümlichen Gazelle in Deutsch-Ostafrika im Jahre 1896 durch mich war diese den Waswahili unter dem Namen »Njogga-Njogga«, den Masai aber als »Nanjád« und den Wandorobbo als »Moile« bekannte Gazelle für jene Gebiete nicht nachgewiesen worden. Allerdings erwähnte Graf Teleki, wie von Höhnel in dem wundervollen, die große Entdeckungsreise beider Herren zum Rudolf- und Stefanie-See beschreibenden Werke ausführt, einer übermäßig schlanken, von ihm erlegten Gazelle in der Nähe des Panganiflusses, ohne indes weitere Angaben zu machen. Ich vermute, daß es sich in diesem Falle um die ihm nicht bekannte Wallersgazelle gehandelt hat.

In äußerster Scheu näherten sich die graziösen Impalla- oder Schwarzfersen-Antilopen (Aepyceros suara Mtsch.) der Quelle. Als mein Blitzlicht flammte, hatte ein Bock eben das Wasser erreicht ...

Zu einer meiner ersten interessanten Beobachtungen gehörte es, als ich in der Nähe von Buiko am Fuße des Süd-Paregebirges einen Bock dieser schönen Gazellenart in dem Augenblicke wahrnahm, da er sich, grell beleuchtet von der untergehenden Abendsonne, auf den Hinterläufen aufgerichtet hatte, um – zur Trockenzeit – die spärlichen Blätter niedriger Mimosen abzuäsen. Ich war überrascht von dem seltsamen, unerwarteten Anblicke, und glaubte es einen Augenblick mit einer jungen Giraffe zu tun zu haben! Hierbei muß man die Schwierigkeit richtiger Taxierung der Größenverhältnisse, namentlich unbekannter Objekte, in der klaren Luft der Steppe in Rechnung ziehen. Gleich darauf aber erkannte ich meinen Irrtum. Aus Abbildungen war mir das Aussehen der Wallersgazelle bekannt, und freudig fuhr mir der Gedanke durch den Kopf, daß ich durch meine Wahrnehmung eine hier gar nicht erwartete Wildart aufgefunden hatte. Groß war mein Wunsch, der Gazelle habhaft zu werden, aber bei der unsicheren Abendbeleuchtung fehlte ich das so schmale, fast messerartig dünne Tier spitz von hinten zu meinem lebhaftesten Mißvergnügen. Auch meine zweite Kugel verfehlte das wie ein Schatten verschwindende seltene Wild.

Am nächsten Morgen jedoch erlegte ein anderer Europäer ein weibliches Stück dieser Art. Zu meiner Freude wurde so meine Beobachtung bestätigt, deren Mitteilung am Abend vorher Zweifeln begegnet war – und nach Lage der Sache gerechtfertigten. – Es war dies einer der treffendsten Beweise für die damalige höchst oberflächliche Kenntnis der Verbreitung ostafrikanischer Tierarten, gerade wie meine spätere Auffindung einer gestreiften Hyäne und die Feststellung ihrer außerordentlichen Häufigkeit.

Bald konnte ich beobachten, daß die Giraffengazelle relativ außerordentlich häufig und überall zerstreut vorkommt, ein nur dem kundigen Weidmann erreichbares Wild. Inmitten dickster Dornenwildnis vermag sie zu leben, weit ab vom Wasser. Dabei ist sie mit der Fähigkeit begabt, inmitten ödester wasserlosester Aufenthaltsorte dennoch genügend frische Triebe, dünne Zweige, grüne Blätter zu finden, deren sie ausschließlich zu ihrer Ernährung bedarf. Inmitten einer Vegetation von Euphorbien, Cissus quadrangularis, Sanseviera cylindrica, Sanseviera Volksenii, und Strauchakazien fühlt sich die Giraffengazelle in der hungrigsten Steppe wohl. Die früheren Angaben, daß sie sich hauptsächlich von vertrocknetem Grase in der Nähe der Regenstrombetten ernähre, habe ich absolut nicht bestätigt gefunden. So weit verbreitet diese Gazelle ist, so sehr ist sie doch an einen ganz bestimmten Charakter der Steppenflora gebunden, der weit leichter durch Erfahrung kennen zu lernen, als zu beschreiben ist. Sowohl innerhalb ausgedehnter Akaziensteppen, wie auch inmitten hügeliger Landschaften ist sie nicht selten. Üppigere Vegetation aber meidet das Tier, ebenso Wälder. Früh gegen Morgen und gegen Abend ist sie rege; die übrige Tageszeit wird im Schatten von Akaziensträuchern verbracht. Bei nahender Gefahr pflegt sie, wie in Erz gegossen, zu verhoffen, wobei ihr übermäßig langer Hals stark und gerade aufgerichtet wird.

Hat sich die Gazelle über die Nahenden orientiert, so gleitet sie fast zu einer Linie ausgestreckt, mit weit vorgebogenem Halse, lautlos wie ein Schatten über den Boden zur nächsten Deckung. Erstaunt nimmt der folgende Jäger wahr, daß sie wie vom Boden verschlungen seinen Blicken entschwunden ist und bleibt, von einem Hügel aus kann man so wahrnehmen, daß sie, stets unter geschickter Benutzung der vorhandenen Deckung, außerordentlich bald aus dem Gesichtskreis entschwindet. Diese Eigentümlichkeit, ihre dem Boden so angepaßte Färbung, ihre messerartige Schmalheit und ihre Vorsicht machen es erklärlich, daß die vielen früheren Reisenden sie nicht wahrgenommen haben.

Zur Mittagsstunde in der heißen Zeit pflegte ich sie besonders gern zu jagen. Es bedarf allerdings eines die furchtbare Hitze nicht scheuenden Jägers und großer Passion, um diese Jagd auszuüben; dann aber kann sie an geeigneten Örtlichkeiten höchst interessant und ergiebig werden. Wie zahlreich die Wallersgazelle im Norden Deutsch-Ostafrikas vorkommt, beweist der Umstand, daß ich in der Nähe des Kitumbin-Vulkanes zur Mittagszeit innerhalb weniger Stunden fünf Wallersböcke zur Strecke brachte und außerdem vierzehn weibliche Tiere hätte erlegen können!

Diese Jagdart ist höchst anstrengend. Es gilt innerhalb des so mühsam zu durchkreuzenden Dornenrevieres möglichst lautlos und nicht zu langsam sich fortzubewegen und entweder das Verhoffen des Tieres wahrzunehmen, oder aber eine Kugel flüchtig anzubringen. Eine allzu langsam ausgeübte Pürsche wird häufig diese Miniaturgiraffe veranlassen, flüchtig zu werden, ehe der Schütze sie zu sichten vermag. Von höchstem Reize ist die Beobachtung einzelner Giraffenzellen oder kleinerer Rudel, die ich bis zur Stärke von acht Stück vereinigt fand, wenn sie gegen Abend ihrer Äsung nachgehen, und sich dabei, wie gesagt, zuweilen auf den Hinterläufen aufrichten. Das geschieht jedoch nicht allzu häufig und hauptsächlich zur trockenen Zeit, in der die Gazelle besonders rege sein muß, um ihre starken Ansprüche und Bedürfnisse in bezug auf frische Vegetation zu befriedigen.

Die Zahl der Zebras, Gnus, Kuhantilopen und Gazellen spottete jeder Beschreibung, Einzelne Strauße und ein Giraffenrudel zeigten sich in weiter Entfernung. Der reine Steppenwind war mit dem starken Geruch der eigenartigen Witterung so vielen Wildes gesättigt! (Nach einer Mitteilung Hauptmann Merkers.)

Dieses in so unwirtlichen Gegenden heimatende Tier vermochte bisher menschliche Hand weder lebend in der Gefangenschaft zu erhalten, noch viel weniger aber nach Europa überzuführen. Gleich dem herrlichen Kilimandscharo-Seidenaffen ( Colobus caudatus Thos.) scheint sie an so eigenartige Existenzbedingungen gebunden, daß Ersatz dafür ihr vom Menschen nur schwer geboten werden kann. So sehr auch ein Meister der Tieraufzucht, wie Menges, sich im Somalilande darum bemühte: dies schöne Ziel zu erreichen, blieb ihm versagt. Bedauerlicherweise; denn für einen zoologischen Garten in Europa gäbe es kein interessanteres Prototyp der afrikanischen Steppenfauna, als dies ihr graziöses, eigenartig schönes, so eifersüchtig bewahrtes Schoßkind.

Es ist eine bedauerliche Tatsache, daß eine Anzahl der hervorragendsten Mitglieder der afrikanischen Fauna kaum je lebend nach Europa gelangen wird. Die Kinder der Steppe sind eben allzu subtil und zart trotz ihrer »unwirtlichen« Heimat! – – –

Unter den Antilopen von annähernd derselben Größe wie die Giraffengazelle finden wir die Riedböcke weit verbreitet. Zwei sehr verschiedene Aufenthaltsorte ließen Riedböcke der sumpfigen Ebenen und solche der Berge entstehen; aber sowohl diese wie jene finden wir wieder sehr genau unterscheidbar, je nach ihren geographischen Wohngebieten. Eine kahle Stelle und Drüse unter dem Ohr kennzeichnet alle Riedböcke ohne Ausnahme.

Eine eigenartig schöne Erscheinung in bergigen Revieren ist der Masai- Bergriedbock ( Cervicapra chanleri Rothschild), durch Aussehen und Lebensweise wohl zu unterscheiden von den Riedböcken der Niederungen.

Der Erste, der dieses schöne Wild in Deutsch-Ostafrika fand und heimbrachte, war ich. Er bildete zur Zeit der ersten Niederschrift dieser Zeilen noch eines der seltensten Objekte unserer Museen.

Ausschließlich im Gebiete der Berge, mindestens aber hoher Hügel, habe ich diesen Riedbock aufgefunden. Ich muß sagen, daß sein Name kaum zutreffend ist, da er nicht im Ried lebt, sondern teils innerhalb mäßig hoher Stauden und Büsche, teils auf den Halden und Kuppen im Bergrevier. Hier finden wir ihn recht zahlreich in kleinen Sprungen bis zu fünf Stück auf den westlichen Abhängen des Kilimandscharo und auf allen Bergen der Masaisteppe. Ich kann meine Verwunderung nicht unterdrücken, daß frühere Beobachter ihn nicht bemerkt haben. Chanler's Riedbock ist nicht unbedingt ans Wasser gebunden, findet sich vielmehr auch auf trockenen, grasigen Hügeln. In solcher Umgebung hat ihn späterhin auch Lord Delamere in der Nähe des Rudolfsees erlegt.

Durch große Teile Afrikas finden wir in verschiedenen Arten je einen Riedbock der Ebene und einen Riedbock, der auf Bergen lebt. Chanlers Riedbock ist die für die Masaisteppe in Frage kommende, auf Bergen lebende Art. Ausgezeichnet ist dies Wild durch einen seltsam langen Wedel, die sympathische isabell-gräuliche Färbung, die weiße Unterseite und die eigenartig lange Behaarung. Je nach der Beleuchtung erscheint das Tier verschiedenartig gefärbt, immer aber ist es durch den langen auffallenden Wedel leicht kenntlich.

Der Bergriedbock bildet zusammen mit dem Buschbock ( Tragelaphus massaicus Neumann) und dem Klippspringer ( Oreotragus schillingsi Neumann) eine anziehende, zoologische Staffage der Berge und Höhen, und alle drei Tierarten gewähren dem unverdrossenen Jäger und Beobachter, der unter äquatorialer Sonne mit Genuß zu pürschen fähig ist, reizvolle Jagden. Gegen Abend trifft man bei vorsichtiger Pürsche die kleinen Sprünge dieses Riedbockes an den Berghängen äsend an; zur sonstigen Tageszeit werden sie hier und da vor dem Menschen flüchtig, ähnlich dem gewöhnlichen Riedbock. Die Hörner dieser Antilope erreichen niemals die Stärke ihres Vetters aus dem Ried der Ebenen und Sümpfe; seine Färbung gewährt ihm trefflichen Schutz inmitten seiner felsigen, steinigen Wohnorte.

Ein naher Verwandter ist der eigentliche Riedbock ( Cervicapra wardi Thos.), der, weit über Afrika verbreitet, die Masailänder in dieser zoogeographischen Art bewohnt. Seine Größe bleibt sehr erheblich zurück hinter der der südafrikanischen Riedböcke, und seine stärksten Hörner erreichen nicht einmal annähernd die Stärke seines südlichen Vetters.

Morgens und abends findet man ihn einzeln und in kleinen Gesellschaften, stets in der Nähe des Wassers in den grasigen, deckungsreichen Ebenen, wo er um die übrige Tageszeit der Ruhe pflegt.

Wo erstickende Hitze brütend über den moorigen Binsenmorästen liegt, die, von einzelnen Schilfkaupen unterbrochen, sich am Flusse dahinziehen, uns nur wenige Meter weite Fernsicht gestattend – da ist das echte und rechte Reich des Riedbockes!

Durchquert man die mit Hochgras bestandenen Ebenen, die von dichten Stauden bedeckten Plateaus, oder Schilf und Binsen, so wird dieser Riedbock, – der häufig den Menschen außerordentlich nahe herankommen läßt, – mit einem' plötzlichen, sehr schnellen und heftigen Sprunge flüchtig. Mehr als einmal bin ich durch ihn erschreckt worden, gefährliches Wild vermutend; immer aber ist seine Erlegung während der Flucht außerordentlich schwierig, da er mit größter Gewandtheit Haken schlägt, und, vom Hochgras verdeckt, mit der Büchse kaum zu erlegen ist. Eine Schrotflinte würde ihn leicht zur Strecke bringen, – müßte aber stets gespannt zur Hand sein!

Im Panganitale verwandte ich einst einen ganzen Tag darauf, eines starken männlichen Riedbockes habhaft zu werden, um eine komplette Riedbockfamilie in diesem Saisonkleide für das Museum zusammenzustellen, bis es mir endlich gelang, eine gute Kugel in voller Flucht anzubringen.

Im allgemeinen wird die Pürsche zur Morgen- und Abendstunde am erfolgreichsten sein; man hat aber sehr mit dem Umstände zu rechnen, daß die Riedböcke durch einen pfeifenden Warnungston sich gegenseitig von der Annäherung des Jägers zu verständigen pflegen. Dieser Warnungston wird auch von Wasserböcken wohl verstanden; ebenso achtet die Vogelwelt auf ihn. Erschallt der pfeifende Ton durch Schilf und Linsen, so steigen oft plötzlich erschreckte Ibisse und Reiher aus Lachen und Tümpeln in die Lüfte empor.

Angeschossene Riedböcke haben die Gewohnheit, außerordentlich dichte, schützende Schilfdickichte aufzusuchen, und sind dann sehr schwer aufzufinden.

Der Riedbock müßte nach seiner Lebensweise und durch seine Aufenthaltsorte ganz besonders geschützt scheinen, fähig, auch nach Eindringen der Kultur noch in größerer Anzahl zu existieren. Besser als Steppentiere, die nur auf freien Flächen zu leben vermögen, müßte er als deckungliebendes Tier imstande sein, sich auch dann noch zu schützen.

Leider berichtet das ausgezeichnete Werk: »Great and small Game of Afrika« (Hochwild und anderes Wild in Afrika), daß auch der beispielsweise in Natal, Zululand und Betschuanaland einst häufige Riedbock jetzt sehr selten geworden, und auch in Transvaal und Swaziland nicht mehr häufig zu finden sei!! – – –

In den Bergen der Nyika lebt eine prächtige Miniaturgemse, der Klippspringer, den ich in einer neuen Art ( Oreotragus schillingsi Neumann) auffand.

Wie ein Federball fliegt dies herrliche, mit dichtem, grau-grünlich-weißem Grannenhaar bedeckte Geschöpf von Fels zu Fels, dabei einen hellen Warnungspfiff ausstoßend.

Wir steigen bergan mit den ersten Strahlen der tropischen Sonne, die schon am frühen Morgen heiß auf die Erde herabbrennt. Wild ist das Revier; schwer ist der Pfad bergauf, und häufig müssen wir seitwärts und rückwärts steigen, nur um den Ausweg zu finden aus einem Felsental, das uns gefangen genommen. Wild und eigenartig ist die Flora, die uns umgibt; kniehohes, schwieliges Gras, verwachsene Ranken und dorniges Buschwerk hindern den Weg. Rechts und links vermorschende Baumstämme, über die wir uns mühsam den Weg bahnen. Windbrüche, vom Sturmwind entwurzelte Baumriesen hier und dort; stolz in die Luft strebende Riesenstämme, stark und lebenslustig wechselnd mit Baumleichen und vermodernden riesigen Ästen, die der Sturmwind gefällt. Durch diese Urwildnis gilt es seinen Weg zu bahnen. Allmählich wird es öde und kahl um uns. Grüne Matten wechseln mit ödem Felsgestein. Höhlen und Gänge durchziehen die Felsen, hier haust der murmeltierartige Klippschliefer zu Hunderten. Doch vor dem Nahenden warnt die kleinen Gesellen ein Warnungspfiff der erfahrenen Alten, und wie vom Blitze verscheucht ist das ganze putzige Leben und Treiben. Lange kann es dauern, bis sie aus Höhlen und Klüften wieder erscheinen. Eidechsen und Leguane teilen mit ihnen dieselben Örtlichkeiten, scheinen aufeinander angewiesen und warnen sich gegenseitig. Das Bergfrankolin geht brausenden Flügelschlages zu unseren Füßen auf, lebhaft an unser schönes Haselhuhn gemahnend. Und gar nicht selten erscheint hier eine der lieblichsten Bewohnerinnen afrikanischer Bergwildnis: jene afrikanische Zwerggemse, der Klippspringer. Rätselhaft erscheint es uns, wie er über Felsen und Klüfte hinwegzusetzen vermag, gleich einem Gummiball! Wer ihn mit dem Glase beobachten kann, wer den nur selten an die Gefangenschaft zu gewöhnenden auf nahe Entfernung sieht, der nimmt mit Erstaunen wahr, daß unsere schöne kleine Antilope nicht wie andere Geschöpfe auf ihren zierlichen Hufen stehen, noch sich ihrer in der Art ihrer Verwandten zur Fortbewegung bedienen kann. Nur auf den äußersten Spitzen dieser scharfkantigen Hufe vermag sie zu ruhen. Es ist gleichsam ein Versuch der schaffenden Natur, das Säugetier vom Erdboden loszulösen, dieses Säugetier, das einen großen Teil seines Lebens tatsächlich in der Luft verbringt, von Fels zu Fels sich schwingend. Ihm fehlen nur die Flügel. Es würde uns nicht erstaunen, am Klippspringer solche zu finden. Denn unbegreiflich erscheint es uns, wie die zwerghafte Gemse es versteht, sich in so gewagten Sprüngen von Grat zu Grat zu schnellen. Bald hier, bald dort ertönt ihr Warnungspfiff und lenkt durch das Ohr unser Auge; der Blick allein vermöchte den lebenden Gummibällen in der Feldwildnis kaum zu folgen, namentlich nicht, wenn es mehrere Stücke sind, die vor dem Jäger flüchtig werden!

Zebras und Weißbartgnus zeigten sich hier aufs engste vergesellschaftet, zwei Kranichgeier und eine Anzahl Impallah-Antilopen (im Vordergrunde, daher hier nicht sichtbar) vervollständigten dies tatsächlich paradiesische Tierbild ...

Der Klippspringer wird von den Masai, soweit ich es erkunden konnte, »en n'gnŏssoirŭ« genannt. Ich fand diese schöne Bergantilope überall im abflußlosen Gebiete an Bergabhängen sowohl, als auch im zerrissenen, felshügelbedeckten Steppengebiete des Masaihochlandes. – – –

Buschsteppe und Waldungen Ostafrikas aber sind belebt von einer Reihe anziehender Zwergantilopen. Die Schopfantilope ( Cephalolophus harveyi Thos.), der Ducker ( Sylvicapra ocularis Ptrs.), die Windspielantilope ( Madoqua kirki Gthr.), das Steinböckchen ( Raphiceros neumanni Mtsch.), das Moschusböckchen ( Nesotragus moschatus van Dub.) und andere Arten zwerghaft kleiner Gesellen unter den Antilopen habe ich oft erlegt und für unsere Museen gesammelt. Um sie aber photographisch festzuhalten, fehlte meist an ihren Aufenthaltsorten das rechte Licht!

Vielleicht wird es gelingen, auch diese zierlichen Gnomen afrikanischer Wildnis, deren kameruner Verwandte vor kurzem durch Oblt. von Oertzen in zahmen Exemplaren in dazu eingerichteten Gehegen vortrefflich photographisch festgehalten worden sind, mit den jetzt verbesserten Apparaten in »Natururkunden« in voller Freiheit auf die Platte zu zaubern! Jedoch das ist diesen schnellen und scheuen Zwergen gegenüber ein besonders schwieriges Unterfangen.


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