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Kopfleiste

11. Zebras.

Zu den im großen Publikum bekanntesten Tierarten Afrikas gehört das Zebra, welches in mehreren zoo-geographisch voneinander verschiedenen Arten im Norden Deutsch-Ostafrikas auftritt.

Obwohl in den letzten Jahrzehnten durch die zahlreichen im Lande tätigen Vorder- und Hinterlader, – nicht zum wenigsten der Schwarzen – erheblich dezimiert, beleben immer noch zahlreiche Herden der schönen Tigerpferde die weiten Steppen.

Das Zebra ist ein Tier der Ebene und lichten Waldungen; Urwald und Dickungen bergen es nicht, hingegen erklettert es geschickt mäßig hohe Berge. Wir finden Zebras häufig in Gemeinschaft von Straußen, Kuhantilopen und Gazellen; namentlich zeigt es eine entschiedene Vorliebe für die Gesellschaft des Gnus, und in dichtgedrängten Massen, so daß die so verschiedenen Tierarten sich körperlich fast berührten, fand ich in zahlreichen Fällen Weißbartgnu und Zebra, sowohl in Trupps freundschaftlich vereint, als auch gemeinschaftlich zur Tränke ziehend.

Nichts ist falscher, wie die Angabe eines »tierkundigen« Berichterstatters, daß das Zebra wohl die »scheueste Wildart Afrikas sei«. »It is the tamest« (es ist die zahmste Tierart), antwortete mir schon 1897 lakonisch Mr. F. A. Jackson, einer der bekanntesten englischen Kenner der ostafrikanischen Fauna, als ich ihm von dieser so verkehrten Ansicht Mitteilung machte.

Wie ich immer wieder betonen muß, sind alle Tiere nur dann in ursprünglichen Ländern scheu, wenn sie bereits viel gejagt wurden. Dort, wo aber beispielsweise nur Eingeborene mit Pfeilen zu jagen pflegten, ist es nicht schwer für den europäischen Jäger, sich dem Wilde so weit zu nähern, daß seine weittragenden Waffen in Aktion treten können. Jedoch einmal mit ihrer Wirksamkeit bekannt geworden, ändert die Tierwelt freilich sehr bald auch diesem gegenüber ihr Verhalten!

Zebras fand ich überall zu den vertrautesten Wildarten Ostafrikas zählend; der Anblick größerer Mengen der prächtigen Tigerpferde auf den weiten Ebenen bietet wohl eines der herrlichsten Schauspiele aus dem Reiche der heute den Erdball belebenden Fauna.

Die erste Nachtaufnahme wilder Zebras: Zebrastute mit Fohlen an der Tränke am Ol Donje Erok-la-Matumbato.

Ganz erstaunlich ist die Tatsache, daß die so auffallende schwarz-weiß gestreifte Färbung der Zebras ihre Träger in keiner Weise von der sie umgebenden Landschaft abhebt. Je nach der Beleuchtung sehen Zebras ganz verschieden gefärbt, bis zum einfarbigen Grau, aus; selbst da, wo ihre schwarz-weiße Färbung auf nächste Entfernung zur Geltung kommen könnte, verschwimmen die Tiere in ganz außerordentlichem Maße mit der Färbung der Steppe.

Aber auch dann wird uns ein höchst bemerkenswertes Beispiel von Schutzfärbung geboten, wenn Zebras um die Mittagstunde unter schattenspendenden Bäumen und Sträuchern Rast halten: die zitternden Streifen der Schatten, welche durch Baumzweige verursacht werden, mischen sich dann aufs überraschendste mit der Streifung der Zebras.

Alle Nachrichten – und solche sind oft auf das bestimmteste verbreitet worden – über das vorkommen von wilden Eseln in Deutsch-Ostafrika sind lediglich auf diese Tatsachen zurückzuführen, (Wildesel finden sich nur in nördlicheren Gegenden Afrikas.) Dazu kommt noch, daß die Zebras sich häufig hier und da im Staube wälzen und dann bräunlich oder rötlich gefärbt erscheinen können.

In äußerster Scheu näherte sich ein starkes Zebrarudel dem Wasser, die schönen Tigerpferde hoben sich scharf aus dem Dunkel der Nacht ab, als das Blitzlicht flammte ...

Dem Reisenden wird es beim Durchqueren der ostafrikanischen Steppengebiete leicht verständlich, daß auch die Wildpferde Europas in längst vergangenen Zeiten zu den begehrtesten Wildarten der damaligen primitiven Jägerbevölkerung gehörten. Schätzt doch der ostafrikanische Träger das süßliche Zebrafleisch außerordentlich hoch und zieht es dem aller andern dortigen Tiere vor, zumal da das Zebra namentlich in den Regenzeiten in älteren Exemplaren reichlich fett ist.

Unter Führung eines sorgfältig wache haltenden Leithengstes fühlen sich die Rudel verhältnismäßig sicher; seine Aufmerksamkeit gilt es zu täuschen, wenn der Jäger sich der Herde nähern will. In eine Staubwolke gehüllt, galoppiert das Rudel der offenen Ebene zu, wenn sein Mißtrauen erwacht ist; häufig hört man dann die eigentümlich hundeartig bellenden, wiehernden Laute, die auch nachts nicht selten ausgestoßen werden. Die Zebras sind außerordentlich bissige und recht bösartige Tiere; die Insassen unserer zoologischen Gärten geben uns dafür alltäglich Beweise. Überhaupt ist Wildheit und Bösartigkeit eine hervorstechende Eigenschaft freilebender Equiden (Pferdearten).

Bekanntlich waren Pferde bei der Entdeckung Amerikas dort nicht mehr vorhanden; die dort wilden, ursprünglich eingeborenen Pferdearten waren vielmehr längst ausgestorben. Erst die Konquistadoren brachten aus Europa wiederum Pferde in die neue Welt; der Gefangenschaft Entronnene bildeten bald verwilderte Herden, und diese konnten sich im Laufe der Jahre außerordentlich vermehren.

Wir haben es also in Amerika nur mit verwilderten Pferden zu tun. Immerhin ist beispielsweise das Texasponie (Broncho) heute noch wegen seiner ungeheuren Wildheit und fast unbesiegbaren Bosheit berüchtigt, Eigenschaften, die sich also in wenigen hundert Jahren wieder so hervorstechend entwickeln konnten.

Wie Eduard Hahn in seinem ausgezeichneten Werke »Die Haustiere« berichtet, waren allerorten die bis in die Neuzeit vielfach hier und da noch vorkommenden halbwilden Pferde zwar wegen ihrer außerordentlichen Widerstandsfähigkeit hoch geschätzt, wegen ihrer Bösartigkeit und Schwierigkeit aber auch gefürchtet. Namentlich in den Hochsteppen Asiens erwiesen sich in der neueren Zeit die alt eingefangenen Wildpferde, auch in der Hand der so außerordentlich geschickten Reitervölker als unbrauchbar.

In letzter Zeit wurden nun Versuche unternommen, Zebras zu zähmen und dem Menschen dienstbar zu machen; man glaubte, daß das Zebra berufen sei, in kurzer Zeit ein brauchbares Last- und Zugtier für Ostafrika abzugeben! Diese Behauptungen fanden um so mehr Beifall, als ja Pferde dem ungesunden Klima Ostafrikas in den meisten Gegenden nicht standhalten, und wenn auch hier und da eine Zeitlang existierend, doch selten im ernsten Sinne verwendungsfähig sind. Das südliche Somalland bezeichnet seit alters her die Grenze der Existenz- und Verwendungsfähigkeit von Pferden und Kamelen. Wäre das anders, so würden fraglos die berittenen Gallastämme in grauen Tagen südwärts über den Tanafluß sich in die ostafrikanischen Steppen ergossen haben. Erst mit der wohl höchst fraglichen Entdeckung unbedingter Vorbeugungsmittel gegen die Folgen des Stiches der Tsetsefliege, – vielleicht auch der Malaria und anderer Erkrankungen, – wird die Verwendung von Pferden in jenen Ländern vielleicht möglich sein.

Die Versuche, Zebras in Südafrika zu verwenden, haben nun, soweit ich es habe feststellen können, immer wieder das Ergebnis gehabt, daß die Zebras wie alle anderen auf entsprechend hoher Intelligenzstufe stehenden Tiere wohl zu zähmen seien, daß aber damit noch keineswegs – wie ja das selbstverständlich ist – ein Tier in die Gewalt des Menschen gebracht war, geeignet, ähnlich unseren domestizierten Tieren dem Menschen Sklavendienste zu leisten.

Ein Zebrarudel, im Vordergrund der Leithengst, stand neugierig sichernd dicht am Karawanenpfad. (Die Aufnahme erfolgte 1903 unweit der Station Mosch, am Kilimandscharo.)

Weder vom Kamel, noch von unserem Rindvieh, ebensowenig vom Pferde wissen wir, wann es vom Menschen unterjocht worden und auf welche Weise die heute vorhandenen Formen herangezüchtet worden sind.

In den heutigen gezähmten Pferden der ganzen Welt, das darf man mit Bestimmtheit sagen, fließt kein Tropfen Zebrablut, und keinesfalls wird dies im wahren Sinne des Wortes wilde, wehrflüchtige und böse Tier in einer oder in wenigen Generationen geeignet sein, dem Menschen in der Art unseres Pferdes oder Esels Dienste zu leisten. –

In Südafrika machte man die Beobachtung, daß die Zebras sich wohl mit Ponies einspannen ließen und in ihrer Gesellschaft sich relativ gefügig zeigten, in dem Augenblicke aber – und das ist der springende Punkt –, wo harte, andauernde Arbeit in der Art des Pferdes von ihnen verlangt wurde, in diesem Augenblicke legten sie sich einfach hin und starben, wie man zu sagen pflegt, »an gebrochenem Herzen«.

Daß Zebras mit Ponies als Lehrmeistern besser zu regieren sind, entspricht ihrem Charakter als gesellige Steppentiere übrigens vollkommen. Dasselbe Phänomen kann man täglich in südlichen Ländern beobachten, wo drei, vier und mehr Maultiere voreinandergespannt in neunundneunzig Fällen von hundert nur unter Führung eines Spitzenpferdes willig Arbeit leisten, nicht aber allein gehen.

Von höchstem Interesse waren mir in dieser Beziehung die Erfahrungen so geschickter Pferdedresseure, wie der Zirkusdirektoren der Neuzeit. Einem mir vorliegenden Briefe eines Zirkusdirektors entnehme ich die Nachricht, daß ein Zebrahengst, welcher bereits mehrere Jahre in Gesellschaft anderer Zebras in der Manege vorgeführt worden war, für einige Stunden unfangbar blieb, als er sich losgerissen hatte und in die Manege entwichen war. Trotz der vereinigten Anstrengungen des gesamten Zirkuspersonals gelang es erst nach mehreren Stunden durch Einschränkung mit Balken und Brettern, das gefährliche Tier wieder in seinen Stall zurückzubringen!

Spreche ich somit der unmittelbaren Verwendbarkeit eingefangener und »gezähmter« Zebras jede Aussicht auf wirklichen Erfolg ab, so möchte ich andererseits doch befürworten, daß umfangreiche Versuche lange Zeit hindurch mit der Umzüchtung der heutigen Zebras zu Nutztieren gemacht werden.

Solches aber kann nach meiner Ansicht nur der Staat in die Hand nehmen.

Bedauerlicherweise hat der Mensch seit grauen Zeiten es nicht mehr verstanden, aus dem reichen Schätze der noch vorhandenen wilden Tierwelt sich nützliche Wirtschaftsgenossen heranzubilden; die verschwindenden Ausnahmen, wie Truthahn, Kanarienvogel usw., sind kaum der Erwähnung wert.

Hier aber haben wir im Augenblicke, da die Urrassen der wirklichen Wildpferde in den Hochsteppen Asiens, in ihren letzten noch vorhandenen Beständen, dem Equus przewalski (einer von dem Forschungsreisenden Przewalsky gesprochen: »Pschewalsky« entdeckten echten Wildpferdeart), ihrem Erlöschen entgegengehen, ungezählte Mengen herrlicher wilder Equiden zu unserer Verfügung. Gebieterisch – möchte ich sagen dürfen – erwächst da den Machthabenden die Verpflichtung zu dem Versuche, ob in einer Reihe von Jahrzehnten das Zebra in der Hand des Menschen sich wandlungsfähig zeigen und geneigt zeigen wird – ich zweifle daran –, in den Kreis der Haustiere einzutreten.

Nur so kann das schöne Tigerpferd, kann das Punda milia der Waswahili, das ol'oitigo der Masai auf die Dauer vor völligem Hinsterben bewahrt bleiben.


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