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Kopfleiste

8. Rhinozerosfang.

»Dann wird es hoffentlich auch gelingen, einmal ein junges, deutsch-ostafrikanisches Nashorn lebend herüberzubringen, ein Festtag für unsern Zoologischen Garten!« ... Diese Worte schrieb Professor L. Heck 1896 in seinem vortrefflichen »Tierreiche«.

In demselben Jahre betrat ich zum ersten Male afrikanischen Boden. Viele Anstrengungen sowohl in Deutsch- wie in Britisch-Ostafrika waren gemacht worden, ein junges Nashorn oder einen jungen Elefanten aus diesen Ländern und in den dort vorkommenden Arten lebend nach Europa zu bringen.

Während letzteres erst sehr viel später erreicht worden ist, gelang mir ersteres erst, nachdem ich zum vierten Male den schwarzen Erdteil aufgesucht, und zum dritten Male mit einer eigenen Karawane ins Innere gezogen war. Gutem Vernehmen nach hat allein die sogenannte Straußenzucht-Gesellschaft am Kilimandscharo in früheren Jahren an die vierzehn junge Nashörner durch kenntnislose Aufzucht verloren. Der Bau der Uganda-Eisenbahn, welche Mombassa mit dem Viktoria-Nyanza verbunden und die Möglichkeit eines Transportes, auch schwerer Güter, zum Meere gegeben hat, hat erst ganz erheblich später diesen heißen Wunsch aller zoologischen Gärten erfüllt.

Es muß seine guten Gründe haben, daß dem so ist, und diese Gründe liegen sowohl in der schwierigen Erlangung beispielsweise eines jungen Nashorns, als auch in der Schwierigkeit der Milchbeschaffung, bezw. in der Hinfälligkeit des Rindviehes, wenn es in Deutsch- oder Britisch-Ostafrika auf weitere Strecken von einem Ort zum anderen transportiert wird. Zum Teil aus denselben Gründen gelang es lange Zeit nicht, aus der Zahl der herrlichen Fauna Ostafrikas viele andere schöne Tiere lebend nach Europa zu bringen. Keine Giraffe oder Elenantilope, keine Oryx, keine Pferdeantilope, keine der herrlichen Grantgazellen, Impallahs und Wasserböcke, Kuhantilopen und Kudus gelangte in einen unserer Zoologischen Gärten – ganz zu schweigen von vielen kleineren Bewohnern der ostafrikanischen Nyika!

Dies wirft ein schlagendes Licht auf die schwierigen, klimatisch schlechten Verhältnisse des Landes.

Im Mai 1903, an der Westküste des Kilimandscharo weilend, beschloß ich wiederum, unter allen Umständen den Versuch der Nashorn-Aufzucht zu machen. Dieser Versuch erforderte freilich eigens zu erwerbende teuere Kuhherden und die unentwegte Suche nach einer Nashornmutter mit einem Jungen in fangbarem Alter, die ich beide früher – ohne zu meiner Verfügung stehendes Milchvieh – stets geschont hätte! Allein, beseelt von dem Wunsche, endlich zum Ziele zu gelangen, beschloß ich, die recht erheblichen materiellen Opfer zu bringen. – –

Inmitten dickster Dornenwildnis, deren Undurchdringlichkeit jetzt unmittelbar nach der Regenzeit durch grüne Vegetation und hohe Gräser erhöht wurde, sichtete ich nach vielen vergeblichen Versuchen endlich ein altes Nashorn mit noch kleinem Jungen.

Die Alte hatte mich bereits halb und halb durch ihre scharfe Witterung wahrgenommen: Jeden Augenblick konnte sie in den Dornen verschwinden; ich bin daher gezwungen, spitz nach vorne zu schießen. Sie wirft sich blitzschnell herum und verschwindet krachend und polternd – gefolgt von dem Jungen – in der Wildnis. Meine Kugel hat nicht gut gesessen, eine nur geringe Schweißfährte zeigt sich.

Nun folgt eine aufregende, unsäglich anstrengende Suche, bei der meine Leute und ich mühsam zwischen den Dornen uns hindurch winden müssen. Bald sind meine Kleider zerfetzt, Arme und Hände, wie auch mein Gesicht vielfach zerschrammt und blutend; jeden Augenblick erwarte ich auf nächste Entfernung mit dem angeschossenen und wütenden Tiere zusammenzustoßen. Meine Schwarzen klettern auf Termitenhügel, um Ausschau zu halten – da – plötzlich scheint einer das Nashorn erspäht zu haben!

Schnell erklettere ich selbst den Hügel, aber enttäuscht nehme ich ein anderes Nashorn, – einen Bullen nach der Kürze und Dicke seiner Hörner, – wahr. – Er darf uns jetzt nicht aufhalten! Glücklicherweise erhält er Wind und wird flüchtig; schweißtriefend und atemlos folgen wir wiederum der Fährte der Kuh, die, häufig von Fährten anderer Nashörner aus der vergangenen Nacht gekreuzt, nicht leicht zu halten ist.

Jeder Augenblick ist spannend: die hier wachsende Vegetation würde uns vor einem angreifenden Nashorn keinen Schutz gewähren, wohl aber würde sie das anstürmende Tier in keiner Weise hindern, sondern von ihm wie Streichhölzer zerknickt werden. ...

Die Zeit vergeht, es wird Mittag, die Hitze hat ihren Höhepunkt erreicht, und immer noch folgen wir mit angespanntester Aufmerksamkeit unter quälendem Durste so schnell wie möglich der Fährte, – durch trübe Erfahrungen gewitzigt, umspannen meine Hände die jeden Augenblick schußbereite Büchse. Stunde auf Stunde verfließt, ohne die kürzeste Unterbrechung unserer eiligen Verfolgung.

Wenig Hoffnung bleibt, das ersehnte Wild zu erreichen; da gelangen wir an einen Regenwassertümpel, in dem es sich eben erst mit seinem Jungen gesuhlt und erfrischt hat. Das trübe, lehmartige, wenig angenehm duftende Wasser bietet aber auch uns Erquickung. Wir können uns orientieren, und finden, daß das Nashorn glücklicherweise einen ungeheuren Bogen, nunmehr wieder in der Richtung auf das Lager zu, geschlagen hatte!

Das aufgefundene Wasser bietet mir die Möglichkeit, bis zum Einbruch der Nacht die Verfolgung fortzusetzen, wenig erfreulich ist dabei die Aussicht, unter Umständen in der Steppe übernachten zu müssen, die zur Nachtzeit von so zahlreichen Nashörnern durchquert wird.

Da plötzlich in einer kleinen Akaziendickung nehme ich die aufmerksam regungslos verharrende Nashornmutter dicht vor mir wahr, und ehe sie eine Bewegung hat ausführen können, viel schneller, wie es sich erzählen läßt, liegt sie durch meinen Schuß ins Ohr getötet vor uns in den Dornen.

Das Junge schreit und quiekt durchdringend, kommt einige Schritte auf mich zu und ergreift dann die Flucht. Die Alte wälzt sich noch einige Male im Todeskampf; ich gebe ihr noch zwei Fangschüsse, gleichzeitig meine Begleiter anfeuernd, sich auf das Junge zu werfen!

Doch dieses wendet sich schnaubend uns entgegen, – aber da wälzt es sich schon fest von mir umarmt mit mir zusammen am Boden, und ist blitzschnell gefesselt, da jeder meiner Leute einen Strick, für diesen Zweck seit Stunden in der Hand getragen, mit sich führte. Anfänglich folgt es mir willig, der ich ihm ein Stück Haut des alten Tieres vorhalte, dann aber weigert es sich quiekend mitzugehen, schnell entschlossen lasse ich vier Mann bei ihm und sende Eilboten ins Lager, um Leute zu holen, spät am Abend kommt es dann glücklich unter großem Jubel der Träger im Lager an.

Nun aber beginnen erst die großen Schwierigkeiten der Aufzucht, und ich muß noch eine ganze Anzahl von Kühen erwerben. Dann aber gewöhnt es sich an eine Ziege und, von mir wochenlang auf das sorgfältigste gepflegt und gewartet, gedeiht es nunmehr prächtig, um endlich glücklich sein Ziel, den Berliner Garten, zu erreichen, wo es, immer in Gesellschaft seiner Ziegen, sich wohl zu befinden scheint.

Mit Schwierigkeiten verbunden war monatelang später sein Transport zur Küste, den es zu Fuß zurücklegte. Zur Zeit der größten Hitze war ich gezwungen, sogar nachts mit ihm zu marschieren, und ein sehr schweres Fieber verdanke ich wohl einem Übernachten ohne Moskitonetz ihm zuliebe inmitten einer sehr ungesunden Gegend an der Karawanenstraße.

Endlich erreichte es glücklich Neapel. Professor Heck war ihm hier entgegengefahren und hatte von Chiasso aus einen Spezialwagen zu seinem Transporte mitgebracht. Hocherfreut war er, den so ersehnten Fremdling gesund begrüßen zu können; ebenso erregte er bei den Herren der zoologischen Station Neapel, welche ihn unter Führung von Professor Dohrn besichtigten, größtes Interesse.

Nach reiflicher Überlegung zogen wir jedoch den Transport auf dem Seewege auch fernerhin vor. Der Landweg erschien uns hauptsächlich aus klimatischen Gründen jetzt im Januar ungeeignet, trotz des sehr freundlichen Entgegenkommens der italienischen Eisenbahnbehörden, welche durch die Güte des italienischen Botschafters Grafen Lanza in Berlin außerordentlich hilfsbereit waren. Unser Transport gelang denn auch glücklich, obwohl wir im Mittelmeere einen Mistral erlebten, der uns fast zwei Tage den Genuß eines Orkanes auf hoher See auskosten ließ. »Windstärke 11« und »Schiff stampft gewaltig!« war im Schiffsjournal vermerkt; 45 Grad legte sich der 6000-Tonner auf die Seite! Trotz alledem überstand das junge Tier die Reise, und in Hamburg hatte Herr Hagenbeck in freundlicher Weise alles vorbereitet, um uns die schleunige Überführung nach Berlin zu ermöglichen, wofür ich ihm besonderen Dank schuldig bin.

So vermochten wir nun endlich das so interessante Tier, welches sich vor seinen schwerfälligen indischen Vettern durch Gewandtheit, relative Zierlichkeit und außerordentliche Länge der Doppelhörner auszeichnet, in der Gefangenschaft zu studieren und sein Wachstum und seine Ausbildung zu beobachten. Leider erlag das Tier einige Jahre darauf einer Krankheit.

Zwei weitere junge Nashörner kamen dann noch in meinen Besitz, jedoch war ich in ihrer Aufzucht nicht so glücklich, wie bei dem ersten.

In einem Falle fand ich die Fährte eines Nashorns mit seinem Jungen am Wasser. Diesmal nahm ich – ausnahmsweise begleitet von meinem Präparator Orgeich – die Verfolgung auf, die uns stundenlang über schwieriges, steiniges und hügeliges Terrain führte. Von Madenhackern gewarnt, nahm die Alte mit dem Jungen die Flucht, bevor ich schießen konnte, von einem Hügel aus konnte ich ihr Verschwinden in der Steppe lange verfolgen. Wiederum nahmen wir die Verfolgung auf, um nach abermals vierstündiger Jagd das Nashorn in einer großen, nur hier und da baumbestandenen Grasflur aufzufinden, in der es stehend »verhoffte«, durch die Verfolgung argwöhnisch gemacht.

Es stand unter einem Akazienbaume. Ich kroch auf hundert Schritte heran; meine Kugel schlug durch einen dicken Ast dieses Baumes, das Tier dennoch auf dem Flecke tötend. Ich wartete, bis alle meine Leute, vorsichtig auf dem Boden kriechend, sich mir genähert hatten. Dann sandte ich die mich begleitenden fünfzig Mann nach rechts und links aus, um das Junge »einzukesseln«. Jedoch vergeblich! Es durchbrach die Reihen seiner Fänger und verschwand mit hoch emporgerichtetem Ringelschwänzchen in der Steppe.

Ein fünfstündiger, scharfer Marsch führte mich zum Lager zurück, ein ebensolcher anderen Tages wieder zu dem erlegten Nashorn hin.

Am nächsten Morgen fanden wir es wiederum bei der erlegten Mutter; abermals erging es uns wie am Tage vorher, obwohl mir diesmal hundert Mann zu Gebote standen. So mißlang uns dieser Fang vollkommen!

In einem anderen Falle, nachdem die Verfolgung einer Fährte, sieben Stunden anhaltend fortgesetzt, endlich zum Ziele geführt hatte, erblickte ich die Nashornmutter im Scheine der untergehenden Sonne nicht weit vor mir in der Dornensteppe.

Auf meinen Schuß wurde sie schwerkrank flüchtig; nach anhaltender Verfolgung in schnellstem Laufe gelang es mir aber, sie durch eine zweite Kugel zu Falle zu bringen. Wir stürzten uns auf das schon relativ große Junge, aber vergeblich; es entfloh schneller, als wir zu folgen vermochten. Bald war ich ganz allein und wartete bei dem erlegten alten Nashorn, ob etwa das junge Tier zurückkehren würde. Im Eifer der Verfolgung waren alle meine Leute ohne Ausnahme, angespornt durch die ausgesetzten Belohnungen, ihm gefolgt. Es dämmerte bereits, als endlich zunächst meine zwei Flintenträger, die die von ihnen getragenen Reservegewehre bei mir zurückgelassen hatten, zurückkamen. Niedergeschlagen machten wir uns zum Lager auf. Nichts ist niederdrückender als der Gedanke, so dicht beim Ziele wiederum enttäuscht worden zu sein und zwecklos das Muttertier getötet zu haben. Wiederum war die mühevollste Arbeit eines ganzen Tages umsonst gewesen. Am nächsten Morgen zog ich, gefolgt von allen meinen Trägern, bis auf die notwendigen Wachen im Lager, abermals zur selben Stelle, in der Hoffnung, das Junge anzutreffen. Aber nur Hunderte von Geiern und einige Marabus fand ich hier vor, angelockt durch das verendete Nashorn. So gab ich meinen Leuten Anweisung, die Hörner des Tieres loszulösen und das Fleisch ins Lager zu schaffen.

Ich selbst begab mich mit nur drei Gewehrträgern einige Schritte abseits in die Nähe einer tiefen Regenschlucht, wo ich am Abende vorher einige seltene Vögel wahrgenommen hatte. Da! Nahe bei der Schlucht sprang plötzlich der junge Nashornbulle auf, dicht vor meinen Füßen!

Ich hatte ihn, der, mit dem rötlichen Erdboden der Steppe durch ein Schlammbad überzogen, sich nicht von seiner Umgebung abhob, so wenig wie meine Leute wahrgenommen!

Durch die Schlucht, die sich verzweigte, an einer Flucht gehindert, stürzte sich das junge Tier mit erstaunlich starkem Schnauben auf mich, den Kopf mit dem kleinen Horne tief gesenkt. Ich ergriff jedoch, so schnell ich vermochte, seinem Hornstoße ausweichend, seinen Hals, umklammerte diesen und nun wälzten wir uns beide am Boden, wobei ich nicht unerhebliche Kontusionen davontrug. Da stürzten sich aber auch meine Leute schon auf das Tier, und ein furchtbares Gebalge entspann sich. Gleich darauf hatten sich alle meine vom erlegten Nashorn herbeigeeilten Träger, hilfreiche Hand leistend, auf uns geworfen, und das junge Tier wurde glücklich gefesselt, um auf einer schnell improvisierten Tragbahre ins Lager geschafft zu werden.

Einige Tage ging alles gut. Dann aber zeigte sich eine Geschwulst am Unterkiefer, die allmählich, unter starker Eiterung, einen bösartigen Charakter annahm. So verlor ich das Tier nach einigen Tagen; eine harte Enttäuschung, da es schon so gut zu gedeihen schien!

Die Aufzucht junger Tiere gelingt häufig scheinbar, leider aber erlebt man bis zur völligen Eingewöhnung sehr häufig Enttäuschungen!

Abermals schien mir nun das Glück günstig, und ich konnte ein Nashorn, das ein Junges führte, erlegen. Doch wiederum vermochten wir uns des Jungen nicht zu bemächtigen. Die Schußstelle war weit ab vom Lager; enttäuscht zogen wir heimwärts, um in aller Frühe am nächsten Morgen zurückzukehren, sorgfältig suchte ich mit dem Glase nach dem jungen Tiere; ich finde es nicht. Wir nähern uns der erlegten Alten.

Da nimmt ein scharfes Negerauge eine Bewegung in den Büschen wahr. Mit dem Glase kann ich mich überzeugen, daß es das junge Tier ist, das sich dort aufgerichtet hat und bewegungslos, argwöhnisch lauscht. Nach einer Weile legt es sich wieder hin, völlig von Büschen verdeckt.

Wir nähern uns ihm mit günstigem Winde lautlos bis auf wenige Schritt, da bricht es schnaubend aus den Büschen hervor! Schon durchzuckt mich ein freudiges Gefühl: es hat die Richtung auf mich genommen, und wiederum hoffe ich, meinen bewährten Halsgriff, ausführen zu können, als es links abschwenkt. Die ihm nächsten Leute wagten nicht zuzugreifen, und eine wilde Jagd meiner gesamten Träger folgt ihm nun wiederum in die Steppe hinaus! Noch sehe ich, wie ein besonders schnellfüßiger Träger, ein Ugandamann, es beinahe einholt und an seinem charakteristisch hochgetragenen Schwanz es fast zu ergreifen vermag; dann aber geraten Wild und Verfolger in die Dornen des Pori und nach zwei Stunden kommen alle meine Leute, aufs äußerste ermüdet, halb verdurstet und ergebnislos zurück!

Derartige vergebliche Anstrengungen auf vielen Gebieten erlebt man drüben leider fast alltäglich; immer aber wieder bleibt es höchst niederdrückend, die heißersehnte Beute so nahe am Ziele verschwinden zu sehen. Ähnlich aber werden die meisten Versuche in einem Lande verlaufen, wo die Unmöglichkeit, Pferde zu verwenden, den Menschen in der Verfolgung allzusehr einschränkt. Unter Umständen kann aber ein solches Unterfangen auch einen mehr oder weniger tragischen Ausgang nehmen.

In etwa zweitausend Meter höhe auf einem Berge der Masai-Nyika gewahrte ich bei den Strahlen der untergehenden Sonne ein Nashorn, von Büschen halbverdeckt, mit scheinbar noch fangbarem Jungen. Die Erlegung des alten Tieres erforderte mehrere Schüsse, wobei es mich annahm und stark bedrängte. Das Junge ergriff die Flucht; unklugerweise folgten ihm einige meiner Leute laut schreiend, wobei sich namentlich ein Mann besonders hervortat, dessen friedliche Beschäftigung – die Eselwartung – mit seinem nunmehr plötzlich entfalteten Mute erheblich kontrastierte!

Ich hatte leider zu spät bemerkt – die Tiere standen halbverdeckt –, daß das Junge schon eine erhebliche Größe und dementsprechende Ausbildung der Hörner erreicht hatte. Plötzlich machte es schnaubend kehrt – die Verfolger waren zu Verfolgten geworden!

Schreiend ergreifen sie ihrerseits die Flucht!

Der Eselboy Hamis muß im nächsten Augenblick vom Horn des »Múnj« (Nashorn) aufgespießt werden; gellend erschallt sein Hilfeschrei. ... Auf seiner Flucht – instinktiv sucht er Schutz bei seinem Herrn – hat er mich fast erreicht: – da gelingt es mir, das angreifende Tier mit einem Genickschusse auf dem Fleck zu töten, nicht ohne daß es in seinem Falle den verfolgten Schwarzen unter sich begraben hätte! Erfreulicherweise kam er indessen ohne ernstliche Beschädigung davon.

Es wird nach dem Gesagten dem Leser klar werden, daß zur Erbeutung und zur Aufzucht eines jungen Nashorns eine Reihe von glücklichen Umständen mitwirken müssen. Es wäre zu hoffen, daß in den nächsten Jahren solche hier und da zusammentreffen und auf diese Weise noch einige der seltenen Tiere lebend nach Europa gelangen möchten!

In etwa vierzig anderen Fällen traf ich zwar Nashörner mit Jungen an; doch waren die letzteren entweder zu stark, um gefangen werden zu können, oder ich war zu weit vom Lager entfernt oder aus anderen Gründen verhindert, die Aufzucht zu versuchen, so daß ich selbstverständlich die Tiere, Alte wie Junge, nicht belästigte.

Im allgemeinen halten sich die Nashörner, wenn sie sehr kleine, noch gut fangbare Junge haben, in so dichter Deckung auf, daß eine Erlegung ersterer wie auch ein Fang letzterer dadurch höchst gefährlich und schwierig wird. Es ist nicht leicht, sich eine Vorstellung von dem Reichtum an Nashörnern in jenen abgelegenen Bergländern zu machen! Daß die Kunde dieses Reichtums nicht schon seit einem Jahrzehnt und mehr in die Fachliteratur gedrungen und allgemein bekannt geworden, ist ein Rätsel, wie so vieles andere auf zoologischem Gebiete. Aber was wußten wir vom Okapi der zentralafrikanischen Urwälder bis vor wenigen Jahren, was ist uns heute über seine Häufigkeit und Seltenheit bekannt? Hat doch der Herzog A. F. von Mecklenburg gelegentlich seiner letzten Reise im Gebiete der Urwaldzwerge nur Okapifelle erhalten können, nicht aber das Tier lebend auffinden können. Und wer sagt uns, wieviel Wale und Walrosse im Norden, wieviel Yaks in den tibetanischen Hochländern, wieviel Riesenelche und Bären in Alaskas unzugänglichen Wäldern im Norden Amerikas heute noch leben?

Es scheint das Schicksal des Großwildes der Erde in unserer Zeit zu sein, daß in der Hauptsache Nichtfachmänner dieses Wild dezimieren und vernichten, nicht Jäger, sondern gewerbsmäßige Schützen, die es abschlachten und darum vielfach über den Reichtum ihrer Jagdgründe schweigen. Hier sind englische und amerikanische Autoren, eine Autorität wie Präsident Roosevelt mit mir einig! In meiner Jugend las ich die Geschichte eines Seefahrers, in der von der Erbeutung nordischer Pelztiere berichtet wurde, die er als Pelzjäger auf abgelegenem Eilande erkundet hatte und durch deren Abschlachtung er ein Vermögen gewann. Ängstlich hütete der Seefahrer seinen Schatz, die Kenntnis jener abgelegenen Insel. Als er sie verließ, war das Leben dort erloschen, die Tierwelt vernichtet. Ähnlich ergeht es uns mit dem afrikanischen Elefanten, über dessen Abschlachtung wir so wenig erfahren und dessen Vernichtung wir nur an den gewaltigen Elfenbeinmengen messen können, die auf den Markt gelangen. Ähnlich verhält es sich mit der gewerbsmäßigen Vernichtung der Wale, der Robben der Arktis und Antarktis und vielem anderen auf diesem Gebiete. Auch von vielen Menschen erfährt man ja erst, wenn sie gestorben sind ...


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