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34. Endwort

Langsam und sicher schreitet die Erforschung, schreitet die Aufschließung der entlegensten Länder des Erdballes fort. Vor nicht vielen Monden sind wieder einige der letzten Bollwerke gefallen, das altehrwürdige Institutionen aufgerichtet hatten und das Naturgewalten schirmten, die keinem Angehörigen der modernen Kulturwelt zugänglich waren: das sagenumwobene Tibet mußte den Briten seine Pforten öffnen, die Pole wurden bezwungen. –

So wußte das seit uralten Zeiten kulturdurchflutete Asien länger noch einen der eindringenden modernen Zivilisation gegenüber unzugänglichen Hort sich zu bewahren, wie der noch vor kurzen Jahrzehnten so undurchforschte schwarze Erdteil, und Asien und Afrika überraschten in letzter Stunde noch die zoologische Wissenschaft mit je einem erst in unseren Tagen bekannt gewordenen, großen Säugetier, von dessen Existenz niemand etwas ahnte: Asien mit dem eigentümlichen Budorcas taxicolor Hodgs. – der seltsamen »Gnuziege« – Afrika aber mit dem zebragroßen Okapi Sir H. H. Johnston, der frühere Gouverneur des Ugandaprotektorates und glückliche Entdecker dieses – 1919 zum allerersten Male lebend in Antwerpen gezeigten – zebragroßen, merkwürdigen, in den zentralafrikanischen Wäldern lebenden Geschöpfes, ist der Verfasser der Vorrede der englischen Ausgabe von »Blitzlicht und Büchse«. In England erschienen meine Bücher bei Hutchinson u. Co. London, in den U. S. bei Doubleday, Page a. Co., Newyork. Die bei Harper's in Newyork erschienene Ausgabe ist dagegen vom Verfasser nicht autorisiert und völlig fehlerhaft. –!

Gibt es aber im schwarzen Erdteil große geographische Rätsel nicht mehr zu lösen, so harren dafür der Forschung dort ungezählte und schwierigste Fragen auf allen Gebieten der Wissenschaft, besonders aber der zoologischen Wissenschaft.

Niemand vermag dies besser zu verstehen und zu begreifen, als der Wanderer, der jahrelang dort drüben in der Wildnis lebte und, wenn auch mit bescheidenen Kräften, so doch mit Hingebung bestrebt war, den weiten, verschwiegenen Steppen, den Sümpfen und Urwäldern Geheimnisse abzuringen, die bis dahin menschlichen Augen verborgen waren ...

Eile tut not, hier zu erforschen und für die Nachwelt zu retten: denn unter dem Hauche der Kultur schwinden manche eingeborene Völker, schwindet ihre Sitte und Eigenart, schwindet die ursprüngliche Tierwelt mit unheimlicher Schnelle.

Ungeahnte Bahnen wandelt der Mensch unserer Tage, derselbe Mensch, der, wo er zur gleichen Stunde noch hier und da im Urzustand lebt, noch immer mit den Riesen der Tierwelt im Kampfe liegt. Immer mehr vergeistigt er sich und alles, was ihn betrifft. Aber kraft dieser Erkenntnis sollte er nicht vorschnell, allzu vernichtend eingreifen in die ursprüngliche Harmonie der Natur.

Die Tendenz dieses Buches ist in kurzen Worten: Tunlichster Schutz den Naturdenkmälern, Schutz dem auf diesem Gebiete Althergebrachten, Liebgewordenen und mit der Volksseele Verwachsenen! – Dies fordern heute unsere Besten im In- und Auslande! Und nicht nur ideale Gesichtspunkte, nein, auch kühl wägender, nüchterner Verstand, vor allem auch ein Blick in die Zukunft sollte uns lehren, die Natur nicht mehr zu veröden, als es unbedingt im Kampfe ums Dasein erforderlich ist. Alle unsere »Naturdenkmäler« bedürfen des Schutzes. Den Schutz der Tierwelt aber, die uns hier beschäftigte, sollte der Jäger in der ganzen Welt im weitesten Sinne in die Hand nehmen. Ihm zunächst erwächst die Pflicht, nicht nur nach rechnerischen Gesichtspunkten allein zu handeln: ist doch beispielsweise deutsches Weidwerk ein Symbol der Liebe zur Scholle, zum Vaterlande im engeren, zur schönen herrlichen Natur im weiteren Sinne.

Das aber kann und darf nicht das bewußte, das beabsichtigte Ziel sein, dem wir zusteuern: Völlige Vernichtung zahlreicher, formschöner Tierarten der übermäßigen Vermehrung einiger weniger »Nutzwildarten« halber!

Wer die erschreckende Liste der – vielfach nur so genannten – »schädlichen«, Jahr für Jahr in Deutschland abgeschossenen und gefangenen Tierarten durchgeht, muß sich betrüben über die Vernichtung so vielen tierischen Lebens, das einen Schmuck der heimischen Fluren bildete, eine Vernichtung, die leider zuweilen noch in übergroßem Umfang durch Gewährung von Prämien an die Schützen belohnt wird Im Winter 1919/20 zahlt der Pelzhandel in Leipzig bereits 300 Mark und mehr für den Balg eines deutschen Fuchses oder Marders.! Die freie Natur darf nicht allein dem Jäger gehören; er sollte vielmehr als ihr Verwalter den Millionen von Naturfreunden Rechenschaft schuldig sein, über die Erhaltung jenes prächtigen Kunstwerkes der Natur, der Fauna und Flora des Vaterlandes in ihrer Gesamtheit!

Möge das ursprüngliche, »wilde« Revier, in dem jener Hauch ursprünglicher Frische weht, jener Hauch des wundervollen tertiären Tierparadieses, der mich unter dem Zeichen des Eleléscho lehrte, wie schön und reich auch im Vaterlande die Urwildnis einst gewesen sein muß, noch lange erhalten bleiben! – – –

Es ist ein merkwürdig Ding um dieses Weberschifflein des Lebens, das heute vielgestaltige Form den Elementen gibt, die morgen bereits zum All zurückkehren, um immer neue Formen anzunehmen. Der Kampf mit den Riesen der Tierwelt hat den Menschen durch die Jahrtausende in Atem gehalten; heute hat er sie beinahe vernichtet. Nun kämpft er mit derselben Kraft gegen die Zwerge, die ihm oder seinen Nutztieren und Pflanzen Krankheiten bringen, jene unsichtbaren Lebewesen, die schlimmer noch, wie die großen Raubtiere in alter Zeit, ihm schaden und ihn gefährden. Auch sie versucht er nun völlig auszuschalten. Ob er auf die Dauer ohne diesen Kampf wird bestehen können – ob er gerade dieses Kampfes nicht bedarf um stark, schön, gesund zu bleiben, ob nicht der Mensch einen Pyrrhussieg hier nach ewigen Schicksals-Walten erkämpfen muß – wer vermöchte das, in die Jahrtausende, die Jahrhunderttausende vorausschauend, mit Sicherheit zu verkünden ...

 

Es drängt mich, an dieser Stelle der afrikanischen Getreuen zu gedenken, die als meine Begleiter Freud und Leid tausendfach mit mir geteilt haben. Kaum einen einzigen Mann fand ich nicht immer wieder mit Freuden bereit, mit mir eine neue Reise ins ferne Innere anzutreten, und die große Mehrzahl waren mir treu ergebene und dankbare Diener und Gehilfen. Meines braven und getreuen Präparator Wilhelm Orgeich aber muß ich hier besonders gedenken.

Auch die sollen für mich nicht vergessen sein, die in meinem Dienst ihr Leben ließen und deren Gebeine unter der Äquatorsonne bleichen ... ...

Die Jahre, die ich drüben verlebte, tauchen vor meinem Geiste auf als Tausende von Stunden höchsten, freudigsten Genusses, weil höchster und größter Anspannung aller Kräfte. Durchflutet von Licht und Sonnenschein, – geheimnisvoll von Mondschein durchwebt, liegt die Steppe vor meinen inneren Blicken, erfüllt vom Leben und Weben ursprünglicher Kraft. Seine besten Kräfte hat der Wanderer vielleicht der Nyika und ihrem Klima – wie so viele andere – geopfert.

Mit magischer Kraft zieht es und lockt es aber den in die zivilisierte Welt Zurückgekehrten täglich und stündlich zurück in die herrliche, unendliche, unvergeßliche – einst deutsche – Masai-Nyika! – – –

Den weitesten Kreisen und vor allem der heranwachsenden Jugend möchte ich, wie schon eingangs gesagt, dies Buch in die Hände legen. Der eine oder andere meiner Leser wird vielleicht, selbst eines Tages in fernen Landen weilend, der Stunden gedenken, in denen ihn »Blitzlicht und Büchse« im Geiste in die einsame Wildnis führte.

Ich würde mich freuen, wenn mir dann Nachricht und Kunde würde, daß dieser oder jener dasjenige, was ich hier zu schildern versuchte, empfand: Den Zauber der herrlichen Urwildnis, den Zauber des Eleléscho! –

 


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