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Kopfleiste

17. Von wilden Hunden, von Wildkatzen und von Luchsen.

Unter den mancherlei kaleidoskopartig in der Erinnerung vorüberziehenden Bildern aus afrikanischer Tierwelt haften mir besonders jene flüchtigen Augenblicke im Gedächtnis, wo ich die wilde Jagd der Wildhunde oder Jagdhyänen, auch Hyänenhunde genannt ( Lycaon pictus Temm.), beobachten konnte.

Meist ganz unerwartet, weit in der trockenen Steppe, aber auch am Karawanenweg in der Nähe der Küste und im Ried in der Nähe des Wassers, so habe ich an ganz verschiedenen Örtlichkeiten plötzlich die schönen Jagdhyänen flüchtige Augenblicke gesichtet, wie sie dicht hinter dem auserwählten Wilde in langen Sprüngen dahinsausten, zwei oder drei diesem dicht auf den Fersen, die übrigen aber weit zurück folgend, um bei Gelegenheit ihrem Opfer den Weg abzuschneiden. So schnell, wie das wundervolle Bild dieser Jagd sich bot, staubwirbelnd oder im Ried mehr erratbar denn sichtbar durch hier und da auftauchende Köpfe von Verfolgern und Verfolgtem – so schnell verschwindet es wie ein Phantom. –

Ich habe gefunden, daß der wilde Hund in den von mir bereisten Gebieten verhältnismäßig selten ist. Das gleiche erkundeten die bewährtesten Beobachter in Britisch-Ostafrika.

Wild aller Art, selbst die stärksten Antilopen, fallen dem ol oĭbor Kidongo (=Weißschwanz der Masai) zum Opfer; dicht bei der Eisenbahnstation Korrogwe sah ich sie einen Wasserbock jagen, den ein Beamter der Bahn dann vor den Hunden erlegte. Ein ganzes Rudel von vierzehn Stück fand ich einst sogar die riesige Elenantilope jagend; aber auch kleine Antilopen habe ich sie verfolgen sehen. Im Jahre 1899 war ich einst der Schweißfährte eines von mir krank geschossenen Elenbullen bereits vier Stunden weit gefolgt, als ich plötzlich, schnell vorwärtsschreitend, ein um die Mittagsstunde im Schatten einer Akazie ruhendes Rudel von Wildhunden seitwärts bemerkte. Mit eingekniffenen Ruten stoben die Hunde nach allen Richtungen davon; gleich darauf aber versammelten sie sich in flüchtigster, scheuester Haltung und bellten mich nun in auffallend hohen hundeartigen Tönen an. Die Laute klangen wie wa waú, wa waú, wa waú, in regelmäßigen kurzen Kadenzen von allen Hunden zugleich ausgestoßen, wobei sie sich mir, ähnlich sehr scheuen Haushunden, mit gespitzten Ohren bis auf fünfundzwanzig Schritt näherten, um nun wieder in unbeschreiblich flüchtiger Art seitwärts fortzuprellen und dann das Spiel von neuem zu beginnen! Ich war so gefesselt von dem seltsamen Anblick, daß ich nicht schießen wollte, vielmehr regungslos mit meinen Leuten niederkauernd verharrte und so die Hunde veranlaßte, allmählich näher zu kommen, wobei sie ihr dumpfes Bellen in hoher Tonlage immerfort hören ließen.

Aus diesem Benehmen vermag ich mir die Behauptung von Angriffen auf Menschen leicht zu erklären: meine Leute behaupteten mit Bestimmheit, daß sie unbewaffnete Menschen häufig zerrissen. Das ruhige und furchtlose Verhalten meiner Leute angesichts der zahlreichen Hunde stimmte allerdings mit ihren Worten wenig überein, konnte jedoch auch vielleicht in ihrem Vertrauen auf meine Schießfertigkeit seine Begründung finden.

Ich weiß nicht, wie lange dieses Spiel gedauert haben würde. Nach etwa zehn Minuten aber schienen die Hunde ihre Neugierde befriedigt zu haben; einige verschwanden im dürren Grase, und ich hielt es an der Zeit, durch eine glücklich gelingende Doublette mich zweier Exemplare zu versichern, worauf die anderen mit Blitzesschnelle die Flucht ergriffen.

I. G. Millais berichtet aus den »good old days«, den »guten alten Tagen« in Südafrika, daß ein vortrefflich berittener Mann von Durchschnittsgewicht eine helle Pferdeantilope nach vier, einen Wasserbock nach drei, einen alten Kudubullen nach zwei englischen Meilen (eine englische Meile = 1609 Meter) Verfolgung durchschnittlich »Hallali« machte, selten aber nur die dunkle Pferdeantilope und das Gnu. Nach diesem Maßstabe glaube ich auch die Chance des Entkommens dieser verschiedenen Wildarten, wenn von Hyänenhunden verfolgt, einschätzen zu müssen.

Die Jagdhyänen jagen sowohl auf der Fährte wie à vue (ihre Beute erblickend); durch oft wiederholte furchtbare Bisse greifen sie zunächst die Bauchwände der verfolgten Tiere an, die Eingeweide herausreißend und so auch große Antilopen überwältigend. Zweimal habe ich dies Anspringen beobachten können; englische Autoren und Eingeborene bestätigen mir zudem meine Beobachtungen.

Die außerordentlich bunten Farben des wilden Hundes kommen auf eine gewisse Entfernung wenig zur Geltung. Die Tiere sehen vielmehr einfarbig dunkel aus, zeichnen sich also erheblich von ihrer Umgebung ab. Das Bedürfnis, in ihrem Haarkleide mit der Umgebung zu harmonieren, haben sie ja auch nicht, da sie ihre Beute nicht zu beschleichen pflegen, sonderen, deren Fährte aufnehmend, sie im schnellsten Laufe verfolgen.

Um die Mittagsstunden fand ich einmal fünf und einmal zwei einzelne wilde Hunde im Schatten ruhend auf; ein anderes Mal kam ich gerade hinzu, als ein Rudel von ihnen eine Giraffengazelle niedergerissen hatte. Im ganzen scheinen sie, wie schon erwähnt, in den Masailändern nicht allzu häufig vorzukommen, und ich habe während meiner mehrjährigen Beobachtung der dortigen Tierwelt nicht im entferntesten die Überzeugung gewonnen, daß sie derartig schädlich sind, wie es von anderer Seite behauptet worden ist. –

Ich halte es überhaupt für vollkommen verfehlt, den Sündenbock unter den »schädlichen« Tieren zu suchen. Der Kulturmensch stellt durch planmäßige Vernichtung gewisser Tierarten auch den Bestand anderer, ihm nützlicher und angenehmer Arten in Frage!

Wir übernehmen bei unserem Eindringen in fremde Länder einen Bestand an Tieren, die sich harmonisch als ein Ganzes entwickelt und durch Auslese der schwächeren Mitglieder gesund, stark und schön erhalten hat.

Merzen wir allzu rigoros gewisse uns unsympathische Tiere aus diesem großen Kreise aus, so schädigen wir das Ganze, denn unfehlbar tritt Degeneration ein. Der Kundige weiß, wie unser heimisches Wild durch übermäßige Hege der schwächeren und durch stete Verfolgung der starken Exemplare bereits degeneriert ist.

Welcher ungeheure Wildreichtum – ich muß das stets und immer wieder betonen – findet sich überall da, wo der zivilisierte Mensch noch nicht in den Kreislauf der Dinge eingegriffen hat. Wo es aber beispielsweise viele wilde Hunde gab, da wimmelte es auch von Wild und umgelehrt! Erst die Zivilisation vernichtet so Jagdhyäne wie Wild!

Gefangengehaltene Jagdhyänen zeigen neben einer außerordentlichen Wildheit und großen Bissigkeit eine ausgesprochene Abneigung gegen zahme Haushunde. Der Anblick eines Rudels Jagdhyänen in voller Fahrt erweckte mehr als alles andere in mir den Wunsch nach einem guten Jagdpferde.

Unwillkürlich dachte ich der hinter der Meute verlebten Stunden in Europa, und mehr denn je trat mir das Gefühl des Gefesseltseins an die Scholle ins Bewußtsein, an die sandige Scholle, die Schritt für Schritt immer wieder abgemessen werden mußte, während die Welt der Vierfüßler sie souverän durchkreuzte und, kaum sichtbar geworden, schon in der Ferne verschwand! – – –

Unter den übrigen kleineren Raubtieren Ostafrikas finden wir unter andern einige schön gezeichnete Wildkatzen und Luchse.

Unter den Katzenarten übertrifft den Leoparden an Häufigkeit der Serval ( Felis serval Schreb.), e fǐmǐngǒr der Masai, eine hochbeinige auf gelbem Grunde wundervoll schwarz getupfte buschliebende Katzenart.

Bei der ausschließlich nächtlichen Lebensweise der Servale erbeutete ich sie wohl häufig in Fallen, traf sie jedoch zur Tageszeit nur einige Male, zufällig von mir aufgescheucht, an. Auch erforderte es längere Zeit, bis es mir gelang, ein vollkommen melanistisches (schwarzes) Stück zu fangen.

Bei meinen vielen Pürschgängen auf Elefanten an der Westseite des Kilimandscharo traf ich an einer bestimmten Stelle inmitten des dem eigentlichen Bergmassiv vorgelagerten hügligen Terrains der Hochsteppe, unmittelbar in der Nähe des Gürtelwaldes in ungefähr 2000 Meter Höhe, wieder und wieder eine schwarze scheue Katze.

Der Zufall wollte es, daß ich, auf das Erscheinen der Elefanten weit unter mir in den Schluchten des Mischwaldes wartend, zwar häufig beobachten konnte, wie sie nach Katzenart die tauschweren Gräser und Baumzweige, die ihren Weg versperrten, mit eleganten Sprüngen nehmend in der Dickung wieder verschwand; nie jedoch bot sich eine Gelegenheit, sie zu erlegen.

Aufgestellte Fallen führten anfangs nicht zum Ziel, denn die gefleckten Hyänen waren es, die sich in ihnen allnächtlich fingen. Doch überraschte mich eines Morgens, als ich die Fallen nicht selbst revidierte, mein Präparator mit den hocherfreuten Worten: »Da ham mer de schwarze Serval!«

Und richtig! Einen wundervoll schwarz gefärbten Luchs hielt er mit diesen Worten empor. Anscheinend sind diese melanistischen Servale, wie auch die zum ersten Male von mir nachgewiesenen melanistischen Ginsterkatzen, einfarbig schwarz gefärbt. In schräger Beleuchtung aber gewahrt man deutlich die ursprünglich normale Tüpfelung der Haare, wie mir Ähnliches nur bei Pferden, bei einer gewissen Art von Apfelschimmeln, wieder bekannt ist. Am nächsten Morgen hatte sich in derselben Falle ein normal gefärbter männlicher Serval gefangen, wohl der Gatte des Paares, wie ich annehmen darf.

So war ein von mir lang gehegter Wunsch erfüllt! Jene regenwolkenverhangene, große einsame Bergwelt, welche, mit fast undurchdringlichem Pflanzenwuchs bedeckt, sich wochenlang gleichsam wie ein verbotener Garten in den verschiedensten Beleuchtungen meinen Blicken darbot, – nicht rastenden Auges allmorgendlich stunden- und abermals stundenlang mit dem Glase nach Elefanten und anderen Vertretern der Tierwelt abgeäugt wurde; – jene schweigende Stille, nur manchmal unterbrochen vom unendlich melancholischen Rufe des Orgelwürgers, vom klatschenden Fluge und Gegurre des balzenden großen Taubers ( Columba arquatrix Tem.), und inmitten all der sattgrünen, tau- und regentriefenden Wildnis die Erscheinung des plötzlich auftauchenden und ebenso schnell wieder verschwindenden seltsamen großen schwarzen Luchses, – alles dies schuf ein Bild eigenartigsten märchenhaften Reizes. Das gemahnte mit zwingender Gewalt an Tage der Vorzeit: Vor mir ein gletscherbedeckter Riesenvulkan in finsterer Majestät, tief unten im Tale Riesenelefanten vergesellschaftet mit Giraffen, die schwankenden Schrittes so wenig in unsere nüchternen Tage zu passen schienen, wie die verfemten Zahnträger – dazu der kaum auftauchend schon wieder verschwundene tiefschwarze Luchs, den ich lebend bis dahin nie erschaut ... ...

Seltener begegnete ich der grauen Wildkatze ( Felis aff. lybica Olivier), die, sehr ähnlich unserer Hauskatze, langgeschwänzt und scheu, hauptsächlich in der Ebene vorzukommen scheint. Vor dem Hunde gelang es mir, ein Exemplar zu erlegen. Drei andere erbeutete ich, welche zufällig vor mir im Hochgrase flüchtig wurden. Meine Fallen lieferten sie mir ebenfalls hier und da; im ganzen jedoch wird sie der Jäger selten antreffen. Diese Katze steht in ihrem Aussehen und in ihrer Lebensweise unserer zahmen Hauskatze außerordentlich nahe, dürfte wohl auch in einer nah verwandten Art ihre Stammform darstellen.

Ebenso fand ich manchmal den ostafrikanischen Wüstenluchs, den Carracal ( Caracal nubicus Fitz.) zufällig vor mir flüchtig werdend.

Gelegentlich der Beobachtung von Zwergantilopen ( Madoqua kirki Gthr.) näherte sich mir ein, wohl ebenfalls aus guten Gründen für diese kleine Wildart interessierter Luchs bis auf zwanzig Schritte. Das war eine erwünschte Gelegenheit, den so selten sichtbaren Gesellen in der Freiheit ungestört zu beobachten, bis ich ihn mir durch einen Schuß sicherte.

Ihm verdanke ich übrigens eine der merkwürdigsten Doubletten, die sich wohl ein Jäger im äquatorialen Afrika ausdenken kann. Im Monat März fand ich täglich dicht bei meinem Lager etwa 64 Strauße, welche, da sie sich in der Mauserzeit befanden, nicht von mir gestört, desto öfter aber mit dem Glase beobachtet wurden. An einem gegebenen Tage wollte ich jedoch einen männlichen Strauß erlegen, als Belegexemplar für die Sammlungen des Königlichen Museums in Berlin. Nach längerer mühseliger Pürsche hatte ich mich dem Strauße bis auf etwa zweihundert Schritt genähert. In dem Augenblicke, wo ich ihm eine gut sitzende Kugel gab und der riesige Vogel, wie vom Blitz getroffen, flügelschlagend zusammenstürzte, wurde ich durch ein in dem mir als Deckung dienenden Busche plötzlich entstehendes Geräusch heftig erschreckt und glaubte es schon mit einem Leoparden zu tun zu haben! Sofort aber überzeugte ich mich, daß ein Wüstenluchs, welcher in dem Busch gelagert hatte, vor mir flüchtig geworden war, und meine zweite Kugel ließ den Luchs im Feuer verendet ein Rad schlagen. – Das war eine unvergeßliche Doublette – Luchs und Strauß! – – –

Ich glaube nicht, daß die Wüstenluchse in Ostafrika annähernd so häufig vorkommen, wie im Norden und Süden des Kontinentes.

Schlanke und kleine, mordlustige Vertreter des Katzengeschlechts finden wir endlich in den Ginsterkatzen, die ein zur Tageszeit wohl verstecktes Leben führen und nicht selten in Fallen erbeutet werden.

Sogar unter dem Wellblechdache des Verkaufsraumes eines griechischen Händlers in Moschi konnte ich eine Ginsterkatze erlegen, die sich unter dem Giebelbalken des Daches, – sichtbar für die Blicke der zahlreichen im Laden verkehrenden Menschen, – ein schlechtes Versteck gewählt hatte.

Schwarze Exemplare der Ginsterkatze fand ich als Erster am Kilimandscharo und überwies sie dem Königlichen Museum für Naturkunde in Berlin. Diese geschmeidige Schleichkatze besitzt eine außerordentlich feine Witterung und ist daher in für sie aufgestellten beköderten Fallen leicht zu erbeuten.

Im allgemeinen bekommt der Jäger und Beobachter alle diese kleinen Raubtiere infolge ihrer nächtlichen Lebensweise kaum im Freileben zu Gesicht, und weder Ginsterkatzen noch Honigdachse, weder die großen Ichneumone noch Zibetkatzen, welch letztere ich an der Küste beobachten konnte, und viele andere nächtliche Räuber sind zur Tageszeit leicht aufzufinden.

Alles dies verhält sich in Afrika genau wie in Europa, wenn ich in vergangener Jugendzeit an den heimischen Eifelbergen im väterlichen Parke Marder, Iltis, Wildkatze, Fischotter und Fuchs zu überlisten wußte und mir hier meine Sporen für meine spätere afrikanische Tätigkeit verdiente – im Freileben gesichtet habe ich alle diese Tiere nur selten und nur für kurze Augenblicke, wer aber die Fauna eines fremden Landes völlig kennen lernen will, muß sein Leben auf fremder Erde verbringen!


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