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Kopfleiste

1. Eine Löwenjagd.

Abdruck aus der Jagdzeitschrift »Der Weidmann«, der der Verfasser 1897 diese unter dem frischen Eindruck der Ereignisse niedergeschriebene Schilderung zur Verfügung gestellt hatte. Mit Absicht ist nichts daran geändert worden.

» Simba-Station« heißt ein Haltepunkt der Ugandabahn, die den Indischen Ozean mit dem Viktoria-Nyanza verbindet.

Er liegt in der Nähe von Nairobi, und der Klang seines Namens zaubert mir den 25. Januar 1897 vor Augen, den Tag, an dem mir drei Löwen am hellichten Tage – Aug' in Aug' – beschert wurden (lange bevor dort eine Eisenbahn gebaut war).

Ende Januar 1897 war ich mit einer kleinen Karawane im Lande Kikúyu angelangt. Ich kam vom Viktoria-Nyanza, wo Malaria mich monatelang ans Krankenlager gefesselt hatte. Allein und verlassen, hatte ich Schweres durchzumachen, und nur der unermüdlichen Pflege zweier englischer Offiziere, Mr. C. W. Hobley und Tomkins im Fort Mumias, war es gelungen, gegen jede Erwartung und menschliche Voraussicht das furchtbare Fieber glücklich zu bekämpfen. Im Mai vorigen Jahres war die Forschungsexpedition, der ich mich hatte anschließen können, von der deutschen Küste mit etwa 420 Mann aufgebrochen und hatte, zuweilen gänzlich unerforschte und unbetretene Länder berührend, den Viktoria-Nyanza erreicht.

Die erste jemals zur Nachtzeit in Freiheit photographierte Löwin. Die Löwin tötete den Esel und wurde bei ihrem Rückzuge durch das aufflammende Blitzlicht auf die Platte gebannt.
Aufnahme vom Jahre 1903.

Die Schilderung der mannigfachen, teils sehr interessanten Erlebnisse dieses Teiles der Expedition ist nicht meine Sache. Ich möchte hier dem freundlichen Leser nur erzählen, was ich am 25. Januar erlebt habe, als ich auf meiner Rückreise zur Küste Kikúyu, ein erst vor wenigen Jahren bekannt gewordenes Land durchquerte, um – so war meine ursprüngliche Absicht – das Meer und Europa in Anbetracht meines fiebergeschwächten Zustandes möglichst bald zu erreichen.

Waren meine Jagderlebnisse bis zur Erkrankung sehr mannigfaltige gewesen, so hatte sich bis zum Eintreffen in Kikúyu nur wenig Gelegenheit zum Jagen geboten; überdies war ich noch viel zu sehr durch das Fieber geschwächt, um überhaupt an anstrengendes Jagen denken zu können. Nachdem wir aber höher gelegene Landstriche erreicht hatten, hoben sich die Kräfte wieder, und zwar überraschend schnell, und mit diesem auffallenden Umschwunge stellte sich natürlich auch die Lebenslust und Jagdpassion von neuem ein.

Auf den öden Flächen des Mau-Urwaldes mit ihren unermeßlichen Bambusdickichten und in den Wäldern zwischen dem Naiwashasee und Fort Smith in Kikúyu hatte ich nicht viel Wild angetroffen; tagelang mußte die Büchse ruhen.

Am 24. Januar genoß ich die Gastfreundschaft eines englischen Stationskommandanten, der, wie dies in so wohltuender Weise in englischen Kolonien stets der Fall ist, nicht nur privatim, sondern auch amtlich in jeder Weise für den Gast und seine Karawane Sorge trug, mich mit leihweise überladenem Milchvieh, einigen Eseln und Vorräten versah und alles tat, um mich in jeder Weise zu fördern und zu unterstützen.

Mr. Hall, der Kommandant von Fort Smith in Kikúyu, ein sehr liebenswürdiger Herr, ist einer der erfahrensten »afrikanischen Jäger von altem Korn«. Bald betraf das Gespräch eines der Hauptthemata dort drüben, die Jagd auf das »big and dangerous game«, das große gefährliche Wild, worunter hauptsächlich Elefanten, Rhinozerosse, Büffel, Löwen und Leoparden verstanden werden.

Mr. Hall war einige Zeit vor unserer Ankunft von einem männlichen Rhinozeros, welches er angeschossen hatte, dreimal in die Luft geworfen worden. Es wurden ihm dabei mehrere Rippen zerbrochen, und monatelang mußte er das Bett hüten. Nach seiner Wiederherstellung hatte er ein Zusammentreffen mit einem ebenfalls von ihm angeschweißten Leoparden. Einer seiner Askari befreite ihn zwar durch einen glücklichen Schuß von dieser gefährlichen Katze, doch hinterließ sie leider Mr. Hall in vielen Verletzungen und der dauernden Steifheit eines Beines einen bösen Denkzettel. Solche Erfahrungen hatten den energischen Mann, der vor diesen Ereignissen Jahre hindurch ohne Unfall eine große Strecke von gefährlichem Wilde erzielt hatte, zwar nicht abhalten können, auch jetzt noch zu jagen, so viel es ihm möglich. Aber er war äußerst vorsichtig geworden und riet jedem dringend ab, allein – ohne Begleitung eines zuverlässigen zweiten Europäers – auf Löwen und anderes gefährliches Raubwild oder auf das Rhinozeros usw. zu jagen.

Die Unterhaltung wurde höchst interessant. – Wir tauschten unsere Erlebnisse aus, und Mr. Hall erzählte mir, daß nur wenige Stunden vom Fort entfernt, nämlich auf den sehr wildreichen »Athiplains« (Ebenen am Athifluß), stets viele Löwen zu finden seien.

Korporal Ellis (von der D'Compagnie der Royal Engineers in Chattam) bestätigte dies und lud mich ein, auf meinem Wege Halt zu machen und nach einem Rasttage im Fort in seinem Lager – etwa fünf Stunden von Fort Smith – zu übernachten, um dann mit ihm gemeinschaftlich auf Löwen zu jagen. Er selbst hatte vor vierzehn Tagen eine Löwin dicht an seinem Lager geschossen!

Ich hatte nun nach vielen bisher stets vergeblichen Versuchen, auf Löwen zu Schuß zu kommen, eigentlich kein rechtes Vertrauen mehr dazu, beschloß jedoch, der freundlichen Aufforderung Folge zu leisten.

Nach herzlichem Abschied von Mr. Hall erreichten wir nach mehrstündigem Marsche Korporal Ellis' Lager. Er hatte dort ein Ochsendepot der Regierung unter sich und befehligte eine große Anzahl von Askari.

Ich durfte die Haut der erlegten Löwin besichtigen, und wir verabredeten, am frühen Morgen des kommenden Tages aufzubrechen.

So geschah es denn auch.

Als wir mehrere Stunden Weges bis zum »Mto Nairobi«, einem kleinen, zur trockenen Zeit höchst unbedeutenden Flüßchen, zurückgelegt hatten, ließ ich ein Lager aufschlagen und beorderte einige Leute, Brennholz zu holen. Dies mußte etwa vier Stunden weit herbeigeschafft werden, weil es solches inmitten der nur mit Gras bewachsenen »Athiplains« nicht gibt. Korporal Ellis riet zwar dringend ab, in dieser Gegend zu kampieren, weil seiner Ansicht nach nachts die Löwen zu gefährlich seien; ich hielt jedoch an meinem Vorsatz fest, offen gestanden immer noch zweifelnd, daß tatsächlich so viele Löwen hier vorkämen.

Korporal Ellis, fünf Mann von unserer Begleitung und ich machten nun einen kleinen Bogen um den oberhalb gelegenen, etwa dreiviertel Stunde lang rechts und links mit dürftiger Deckung bewachsenen Flußlauf, dem Wasserlaufe nachgehend, und dann wieder zum Lager zurückkehrend.

Auf der Ebene zeigten sich zahlreiche Gnus, Kuhantilopen, Grant-Gazellen, Thomson-Gazellen, Zebras und Strauße; jedoch war das Wild sehr scheu.

Ich muß gestehen, daß ich, als wir nun schließlich – noch dazu mit schlechtem Winde – dem Fluß folgend, zum Lager zurückgingen, mir absolut kein Resultat versprach. Wir waren etwa eine Viertelstunde unterwegs, zwei unserer Begleiter auf dem einen, wir selbst auf dem anderen Flußufer, als plötzlich der Ruf: »Simba!« »Simba!« – »Simba Bwana! Mkubwa sana!« (»Ein Löwe, Herr, ein starker Löwe!«) uns in die Ohren gellte. – Die auf dem jenseitigen Ufer befindlichen, erschreckt zurückweichenden Leute wiesen, gestikulierend, auf ein kleines Binsengebüsch am Wasser.

Den Ruf vernehmen und die Flucht ergreifen, war für meine Leute das Werk eines Augenblicks, auch für meinen sonst erprobten Reservegewehrträger, einen baumstarken, viel gereisten Msuaheli. Einem ersten Impulse folgend, setzte ich ihm zehn Schritte nach, packte ihn am Halse und herrschte ihm zu, stehen zu bleiben. Er kehrte daraufhin auch um, am ganzen Leibe zitternd, ging mit mir zurück, und wir bemühten uns nun, den Löwen in den Binsen, von denen uns ein etwa vier Meter breiter Wassertümpel trennte, auszumachen. Dies war jedoch vergeblich, trotzdem die am anderen Ufer in höchster Erregung befindlichen Leute immer wieder versicherten, ein starker Löwe liege dort. Doch ziemlich gleichzeitig bewegte sich etwas in den Binsen auf Korporal Ellis zu, – ein Knall, und eine starke Löwin quittierte einen Streifschuß aus des Korporals Henry-Martini-Gewehr; – sie tat einen plötzlichen Sprung vorwärts auf uns zu! In diesem Augenblick hatte ich ihren Kopf einen Moment frei, und ein außerordentlich glücklicher flüchtiger Schnappschuß auf etwa 7–8 Schritte ließ sie im Feuer verenden.

Die Kugel, wie immer ein 4/5-Mantel-Geschoß, saß seitwärts im Genick und hatte, wie stets in solchem Falle, ein sofortiges Verenden herbeigeführt. Ich bewahre sie in meiner Sammlung von 8-Millimeter-Geschossen als Denkwürdigkeit auf.

Meine Freude war unaussprechlich! Der Korporal gratulierte mir herzlich, und unsere Rückkehr ins Lager rief einen Begeisterungssturm unter den Leuten wach.

Zwölf Mann schafften die Beute ins Lager, und wir fanden als Mageninhalt die Reste eines Zebras.

Nach einem kurzen Frühstück brachen wir wieder auf, um etwas Wild für die Küche zu schießen.

Ellis, der vorausging, schoß mehrmals auf große Distanzen nach Kuhantilopen, ohne zu treffen.

Inzwischen machten sich bei mir die Anzeichen eines Dysenterieanfalls bemerkbar, der, nebenbei bemerkt, erst einige Tage darauf durch eine höchst energische Hungerkur verschwand.

Als ich nach etwa einer halben Stunde dem Korporal folgte, bemerkte ich bald rechts von mir in nicht allzu weiter Entfernung einen Zwerggazellenbock, den ich zu erlegen beschloß. Meinen Leuten winkend, stehen zu bleiben, pürschte ich mich an, so gut es ging. – Bald war ich von meinen drei Askari etwa 300 Meter entfernt und ihnen durch mehrere zwischen uns befindliche kleine Bodenerhebungen außer Sicht gekommen. Im Momente, als ich auf etwa 75 Meter den Bock schießen will, nehme ich etwa 100 Meter hinter ihm etwas Gelbes wahr, das ich sofort als Löwenkopf ansprach. Wiederum, im selben Augenblick, vernahm ich aber von der rechten Seite her einen mir zu gut bekannten Laut und sah, schnell herumfahrend, einen sehr starken schwarzgemähnten Löwen, der auf etwa 100–120 Meter knurrend im Grase aufstand.

Allem Anscheine nach hatte er den pürschenden Jäger eräugt oder vernommen, und gewiß ist es ein Glück, daß ich ihm nicht noch näher gekommen, was leicht möglich gewesen wäre, da meine ganze Aufmerksamkeit sich ja auf die Gazelle gerichtet hatte.

Ich stand wie erstarrt: Zwei Löwen auf einmal vor mir – das war doch etwas viel, zumal meine Nerven nach der schweren Krankheit noch zu wünschen übrig ließen! So war die Situation nichts weniger als angenehm; trotz aller Passion scheint in solcher Lage jeder Moment eine Ewigkeit, und dazu trat doch immer ein gewisses Bewußtsein verhältnismäßiger Hilflosigkeit. Es stand mir nur ein Schuß zu Gebot; denn zu jedem weiteren mußte ich wieder laden, und trotz aller Übung und Schnelligkeit würde ich wohl schwerlich mehrmals zu Schuß gekommen sein, falls der Löwe mich annahm. Der Repetiermechanismus der 8-Millimeter-Büchse ist (es handelte sich um die damals gebräuchliche Konstruktion) nämlich nach meinen Erfahrungen und denen zahlreicher anderer Schützen nicht zuverlässig, und man zieht daher, wenigstens in den Tropen, das Einzelladen vor, weil ein Versagen, resp. Festklemmen des Patronenrahmens die Büchse gänzlich unbrauchbar macht, eventuell bis zur oft recht schwierigen Entfernung des Rahmens.

Zunächst blieb ich also ruhig stehen, mit gehobener Büchse meinem nächsten – nun, sagen wir ruhig Gegner, dem alten männlichen Löwen, Aug' in Auge gegenüber. So dauerte es geraume Zeit, – wirklich die bekannte Ewigkeit für mich, und ich genoß den trotz aller Aufregung unvergleichlich köstlichen Anblick! »Der alte Herr« äugte mich, fortwährend dumpf knurrend, an und blieb ruhig stehen, den Kopf erhoben und die Rute tief gesenkt. Der andere Löwe, anscheinend eine Löwin, blieb halbgedeckt durch einige Grasbüsche liegen. Die Antilope hatte inzwischen vom ersten Löwen auf kaum 20 Meter Wind bekommen und war natürlich sofort hochflüchtig geworden.

Ich hegte nun den begreiflichen Wunsch, meine Begleiter möchten auf der Bildfläche erscheinen, und dies geschah denn auch, wie ich, nicht wagend mich umzublicken, aus ihren Zurufen schloß.

Ich verstand etwas wie: »Simba« und: »kali sana!« (»Löwe« und »sehr böse!«)

Langsam ging ich jetzt rückwärts Schritt für Schritt zurück und blieb, immer schußfertig, erst in der Nähe meiner Begleiter wieder stehen. Ich winkte ihnen; sie waren aber nicht eher zu bewegen, die uns noch trennenden etwa siebzig Schritte vorwärtszugehen, als bis sie von mir auf das energischste dazu aufgefordert wurden.

Als ich meinen » Baruti Boy«, welcher eine Doppelbüchse Kaliber 450 bereit hielt, und meine zwei anderen Askari, »Baruti bin Ans« und » Ramadan«, dicht bei mir hatte, von denen einer eine mit Posten für den Nah-Schuß im letzten Augenblick geladene Schrotflinte Kaliber 12 trug, konnte ich mich, entgegen allen Bitten meiner Begleiter, nicht halten und sandte dem Löwen, schnell abkommend, eine Kugel zu, welche ihn jedoch nur streifte.

Ich war eben doch nicht ganz Herr meiner Erregung. Aber schnell hatte ich wieder geladen und konnte auf den sich gerade etwas seitwärts wendenden Löwen einen Schuß abgeben. Auch dieser traf nicht gut, nämlich nur eine Hinterpranke etwas hoch. Sofort wendete sich der Löwe blitzschnell um, nahm mich aber doch nicht an, sondern drehte sich unter furchtbarem Gebrüll etwa zehn- bis zwölfmal im Kreise herum, wütend nach der getroffenen Pranke beißend! Er bot fast genau dasselbe Bild wie ein keckernder, krankgeschossener Fuchs oder Schakal.

Dieses »Zeichnen« des Löwen aber gewährte mir die beste Gelegenheit, ihm noch weitere drei Kugeln zuzusenden, von denen zwei sehr gut Blatt saßen. Bald brach er denn auch zusammen. Als wir uns ihm mit der solch edlem Wilde gebührenden Vorsicht genähert hatten, war er bereits verendet.

Der zweite Löwe war unterdessen, ziemlich gut gedeckt, flüchtig geworden.

Unser Jubel ging ins Unermeßliche! Korporal Ellis, der während meiner letzten Schüsse auf etwa 200 Schritte herangekommen und Zeuge des ganzen Vorganges gewesen war, beglückwünschte mich freudig, indem er hinzufügte, solches Weidmannsheil habe allerdings auch er nicht erwartet. Im übrigen müsse ich doch nun zugeben, daß er recht habe, wenn er den starken Löwenbestand dieses Gebietes betone. – Ich sei aber doch sehr unvorsichtig gewesen, zwei Löwen gegenüber so zu handeln, ohne auf ihn zu warten!

Ebenso, wie ich morgens nach Erlegung der Löwin zwei Eilboten mit einer Nachricht an Mr. Hall ins Fort Smith zurückgeschickt, so sandte ich nun zwei andere, welche wiederum einen Brief zu überbringen hatten, und zwar war dieser für den später eventuell dieselbe Straße ziehenden Expeditionsleiter bestimmt. Ich machte ihn darin auf die »Löwen-Gelegenheit« aufmerksam, und es ist mir berichtet worden, daß genannter Herr auch tatsächlich einige Zeit später, und zwar auf fast derselben Stelle, einmal acht Löwen zusammen gesehen und erfolglos von weitem beschossen hat. –

Mein zweiter Löwe war ein starker alter »blackmaned lion«, ein schwarzgemähnter Löwe, dessen narbenvolle Haut auf manchen ausgefochtenen Kampf mit seinesgleichen schließen ließ. Es sei hier bemerkt, daß die Löwen in einigen Teilen Ostafrikas, unter anderm auch flußaufwärts im Rufutale, oft überhaupt keine Mähne haben, sondern glatthaarig wie eine Löwin sind, wohingegen beispielsweise diejenigen, welche in Kikúyu leben, einem hochgelegenen, relativ kalten Lande, sehr starke und oftmals sogar schwärzliche Mähnen tragen.

Es folgte nun ein Triumpheinzug ins Lager, dann sorgfältiges Streifen des zuletzt erlegten und Präparieren der Häute beider Löwen. –

Korporal Ellis hielt es an der Zeit, in sein Lager zurückzukehren, weil er die Ebene gegen Abend nicht überschreiten wollte.

Nur um einiges Wild für den Lebensunterhalt zu schießen, machte ich mich etwa zwei Stunden vor Sonnenuntergang nochmals auf, und es gelang mir auch, mehrere Thomsonantilopen zur Strecke zu bringen. Bei dieser Pürsche folgte ich einem auf sehr weite Distanz angeschweißten Kuhantilopenbock längere Zeit, doch leider ohne ihm den Fangschuß geben zu können.

Wieder war ich meinen Leuten dabei außer Sicht gekommen, als ich plötzlich genau dasselbe warnende Knurren wie am Mittage vernahm und, seitwärts blickend, erst einen, dann einen zweiten, dritten und vierten Löwen – alles » gemähnte Herren« – erblickte. Von dem mir nächsten trennten mich nur etwa 125 Schritte!

Diesmal »verlor ich die Nerven«, wie man zu sagen pflegt. Ich versuchte, mich zurückzuziehen, was aber zur Folge hatte, daß der nächste Löwe ein paar Sprünge vorwärts machte, dann langsam auf mich zu schlich. Ich blieb nun bewegungslos stehen, – der Löwe ebenfalls, d. h. er blieb ruhig liegen.

So dauerte es lange Minuten, wenigstens zehn, wenn ich mich recht erinnere, bis endlich meine Leute in einiger Entfernung zu vernehmen waren.

Als sie der Löwen ansichtig wurden und auch sofort meine Situation überblickten, war es zunächst nur mein treuer »Baruti Boy«, – kein Msuaheli sondern ein Angehöriger des im Verdachte des Kannibalismus stehenden Stammes der Wanyema –, welcher sich mit der 450-Büchse näherte. Langsam folgten ihm dann auch die übrigen; doch nur bis auf eine gewisse Entfernung wagten sie sich zu mir und waren nicht zu bewegen, ganz nahe heranzukommen.

Die Löwen wurden jetzt unruhig und fingen an zu knurren: Ein majestätischer Anblick, der seinesgleichen sucht! Die gewaltigen Raubtiere zeichneten sich scharf im Scheine der zur Küste gehenden Sonne gegen den Horizont und den Boden der Steppe ab, die in welligen Formationen in weiter Ferne sich in flimmernden, ungewissen Tinten mit dem Horizonte vermählte. ...

Da dieses zur Vorsicht mahnende Knurren und überhaupt das ganze Benehmen der Löwen von dem Verhalten der am Vormittage von mir angetroffenen sehr abwich, so nahm ich an, hungrige, also höchst gefährliche vor mir zu haben; – und da ich eine Reservebüchse nicht zur Verfügung und, wie schon erwähnt, nur eine Kugel zu versenden hatte, so zog ich mich zu meinen Begleitern vorsichtig zurück. Es folgte nun ein »Schauri« (eine Beratung) mit den Leuten, um sie zu veranlassen, mit mir vorwärts zu gehen. Aber vergebens!

Schließlich sandte ich zwei der nunmehr auftauchenden Träger, welche, um das erlegte Wild zu holen, meinen auf die Antilopen abgegebenen Schüssen nachgegangen waren, ins Lager nach Verstärkung. Ehe diese aber eintraf, unternahm ich es doch – jetzt wieder ruhig geworden –, auf eigene Faust zu handeln, nachdem ich meine Leute so weit gebracht hatte, mit mir die Löwen bis auf etwa zweihundert Schritte anzugehen. Ich gab auf den ersten einen Schuß ab, der aber nicht traf. Sofort nahm der Beschossene uns in weiten Sprüngen an oder – besser gesagt – kam auf uns zu, blieb aber nach etwa zwanzig Sprüngen stehen, brüllte und machte dann langsam kehrt. Alsdann entfernten sich sämtliche Löwen erst im Schritt, darauf im Trabe und endlich in einem schwerfälligen Galopp, wobei zwei und zwei zusammen blieben. – Sie trennten sich später auch paarweise.

Es begann nun eins der spannendsten und interessantesten Jagdabenteuer meiner ganzen Reise.

Wir folgten den letzten beiden Löwen – d. h. den als letztes Paar flüchtig gewordenen beiden »Gemähnten« – wohl gegen eine halbe Stunde über die Ebene, immer der untergehenden Sonne entgegen. Der Dauerlauf wurde nur unterbrochen, wenn die Löwen stehen blieben und nach uns äugten. In solchen Augenblicken gingen wir, sonst aber liefen wir. Der Atem keuchte, nur zwei meiner besten Leute hielten mit mir aus, und in mir war der Wunsch, auch mit diesen Löwen »anzubinden«, so brennend geworden, daß ich wahrscheinlich den schnellsten und anhaltendsten Lauf meines Lebens (und die stärkste Probe auf die Konstitution meines Herzens!) ausführte, obwohl manche gerade im Dauerlauf gewonnene Wette in meiner Erinnerung lebt. Vorwärts! Nur immer vorwärts! Ich muß euch zu Schuß bekommen, – mag es biegen oder brechen!

Bald verringerte sich die Distanz auf etwa 400 Schritte, bald trennten uns 500–600, aber stets ging es keuchend vorwärts über die gewellte Ebene dahin! Es schien aber doch alles umsonst: Die Entfernung vergrößerte sich wieder! Da, – ein kurzer Entschluß: Vielleicht geschieht ein Wunder, und die Kugel trifft dennoch ihr Ziel! – Deutlich sehe ich das Geschoß etwa zehn Schritte hinter dem Löwen einschlagen! Aber das nahm er doch gewaltig übel! Er drehte sich um, blieb stehen und brüllte, mit der Rute schlagend. Auch der Entferntere flüchtete nicht mehr weiter, sofort ein zweiter Schuß, – ein dritter auf den nächsten resp. letzten Löwen. Das Einschlagen der Kugel in seiner Nähe quittiert er durch jedesmaliges Stehenbleiben, Brüllen und Schlagen mit der Rute.

Da! Die vierte oder fünfte Kugel scheint zu sitzen! In weiten Sprüngen nimmt er uns an; aber plötzlich bricht er vorn zusammen, – noch drei, vier taumelnde Sprünge halb schief nach vorn und plötzlich legte er sich, – in höchster Wut mehr knurrend als brüllend. Ich weiß heute noch nicht, wie es möglich war, daß mich bei diesem Anblick alle Vernunft und Vorsicht verließ; – ich lief allein näher heran, schoß auf etwa 120 Meter von vorn und – fehlte. – Und nun kam der kritischste Augenblick: Abermals mehrere wütende Sprünge; schon kniete ich nieder, um ruhiger und also im letzten Augenblicke sicherer abzukommen, aber da bricht er wiederum zusammen und legt sich! Jetzt! – auf 100 Meter etwa – ein kurzes Zielen, und mein dritter Löwe springt auf, überschlägt sich rückwärts und rührt keine Pranke mehr!

Wir rannten wie unsinnig und vor Freude schreiend auf ihn zu, wiederum, jetzt durch den Erfolg begeistert, ohne Vorsicht! – Doch er war verendet: Ein noch weit stärkerer »König der Wüste«, als der am Mittag erlegte, und mit noch dunklerer Mähne! Im Nu war er gestreift, nachdem – etwa zehn Minuten später als wir – auch unser Nachtrab sich eingefunden hatte. Kopf und Pranken blieben ungestreift an der Haut. Im Magen hatte er nichts, – im Gegensatz zu den am Vormittage erbeuteten Löwen, deren Mägen, wie schon erwähnt, mit dem Wildpret von Zebras, untermischt mit großen Hautfetzen, angefüllt waren. Deshalb zeigte er sich also viel kampfeslustiger.

Und nun ereignete sich etwas in Afrika (d. h. bei Afrikanern) sehr Seltenes: Die Leute verloren die Richtung, und als wir gerade bei Sonnenuntergang den Rückmarsch antraten, hatten wir uns bald verirrt. Sechs Leute schleppten – abwechselnd zu je dreien – die schwere Haut, und unser Rückmarsch gestaltete sich bei der Angst der Leute, über die »Löwen-Ebene« vorwärts zu gehen, und ihrem »Zusammendrängen wie die Schafe« höchst unbehaglich. Binnen fünfzehn Minuten war es, wie stets in den Tropen, völlig finster, und es verflossen etwa zwei Stunden, bis wir endlich, und halb durch einen glücklichen Zufall, das Lager erreichten. Ich selbst mußte währenddem wohl oder übel an der Spitze der kleinen Karawane marschieren.

Als wir dann aber das Ziel erreicht hatten, war alles Leid vergessen, und Jubel empfing uns. Beim Scheine der Feuer wurde die Haut noch ausgespannt, um am nächsten Morgen gereinigt zu werden.

Die Häute der drei vom Verfasser am 25. Januar 1897 erlegten Löwen. (Vor dem Zelte dieser selbst mit seinem Büchsenträger Baruti.)
Die Aufnahme erfolgte in Moschi am Kilimandscharo.

Vier Posten hielten in dieser Nacht wache, doch nur Löwengebrüll in der Ferne ließ sich vernehmen, sonst ereignete sich nichts von Belang.

Am folgenden Morgen erschien eine Deputation meiner Leute vor mir und – taufte mich feierlichst um. Ich wurde nämlich von da ab »Bwana simba«, »Löwen-Herr«, genannt, statt »Bwana ndege«, »Vogel-Herr«, denn diesen Beinamen hatte ich schon frühzeitig an der Küste erhalten, weil ich Vogelbälge sammelte und dazu Vögel (zur Verwunderung der Männer oft im Fluge) schoß.

Die treue Büchse aber, die, wie alle meine Waffen, Altmeister Reeb in Bonn mir geliefert, versah ich mit der auf den Schaft eingekratzten Inschrift: »Drei Löwen, 25. Jan. 1897«.

Eine Anzahl meiner Getreuen im Jahre 1899.

Wieder gingen Boten nach Fort Smith. – An Mr. Hall schrieb ich abermals Briefe, ihm nun meinerseits en revanche empfehlend, in jener Gegend zu jagen; und da ich die Absicht hatte, noch mehrere Tage dort zu bleiben, so wurde vom Fort Smith noch etwas Proviant für meine Träger hergeschafft.

Mr. Hall selbst konnte auf meine Einladung hin nicht kommen, weil er den Residenten von Uganda, Mr. Barclay, welcher auf der Rückreise nach England begriffen war, am selben Tage erwartete. Ich lernte ihn später bei Kibwezi kennen und konnte ihm meine Trophäen, von denen er viel gehört, vorzeigen.

Acht weitere Jagdtage in jenen Ebenen brachten mir keinen Löwen mehr zu Schuß! – Nur nächtliches Brüllen mußte mir als Schlummermusik dienen. Doch dieses Gebrüll in afrikanischer Nacht ist so großartig, daß man sich kaum einen Begriff davon machen kann.

Erwähnen will ich noch, daß das Fleisch meiner drei Löwen noch in derselben Nacht von den Hyänen gefressen wurde, ebenso die Knochen: Nichts mehr fanden wir am nächsten Morgen vor!

Allerdings sind in Kikuyu die Hyänen besonders starkzählig vertreten, weil die Wakikuyu (Einwohner von Kikuyu) ihre Toten nicht beerdigen, sondern von den Hyänen fressen lassen.

Für mich wird der 25. Januar 1897 ein Gedenktag bleiben, stets und für immerdar, auch ohne die drei kapitalen Häute, welche, von Robert Banzers Kgl. württembergischer Hofpräparator in Oehringen (Württemberg). Meisterhand präpariert und naturalisiert, einen Schmuck meines afrikanischen Jagdzimmers bilden!


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