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Willkommen, stille Zelle!
      
 Wie fröhlich zieh' ich ein
      
 In deine milde Helle,
      
 Du trautes Kämmerlein.
Ihr Bilder, leicht geflügelt,
      
 Bleibt immer draußen stehn,
      
 Die Tür ist zugeriegelt,
      
 Und ihr müßt weitergehn.
Doch kenn' ich wohl Gestalten,
      
 Die zogen mit hinein,
      
 Die mögen frei hier walten
      
 Und meine Meister sein.
Das Wirken und das Weben,
      
 Es hört wohl niemals auf,
      
 All das geheime Leben
      
 Hält immer seinen Lauf.
 Ihr Kindlein, schlafet selig
      
 Und spielt und füllt das Haus,
      
 O bilde dich allmählig,
      
 Du liebe Zukunft, aus.
O Zweig, wann willst du grünen
      
 Gleich Aarons heil'gem Stab?
      
 Du blühst wohl aus Ruinen
      
 Und stehst auf manchem Grab.
Brich unter Lust und Schmerzen,
      
 O Leben, brich heraus;
      
 Erblüh' aus meinem Herzen,
      
 Du reifer, voller Strauß.
Willkommen, stille Zelle!
      
 Ich ziehe gläubig ein;
      
 Bald soll mir deine Schwelle
      
 Des Himmels Stufe sein.
Mein Fenster geht nach Morgen,
      
 Nach Morgen geht mein Sinn;
      
 Da ziehen meine Sorgen
      
 Und meine Sehnsucht hin.
Ihr Mitternachtsgesichte,
      
 Nun weichet weit zurück;
      
 Mich grüßt vom reinen Lichte
      
 Der erste frühe Blick.
Die Luft um Brust und Locken
      
 Mir spielet frisch und mild,  
      
 Wohin denn willst du locken,
      
 O Luft, so gotterfüllt?
Die fernen Klänge dringen
      
 So rührend in mein Ohr,
      
 Hinauf möcht' ich mich schwingen
      
 Zum Aufgang hoch empor.
Das goldne Tor steht offen,
      
 Die liebe Stimme spricht,
      
 Da weilt mein süßes Hoffen,
      
 Da wohnt das ew'ge Licht 
      
In den Garten muß ich blicken,
      
 In das frische stille Grün,
      
 Tausend Wünsche muß ich schicken
      
 Fernhin, wo die Schwalben ziehn.
Fliegt nur mit den Morgenwinden,
      
 Mit den Wolken flieget fort,
      
 Eure Heimat sollt ihr finden,
      
 Liebe Wünsche, Ziel und Ort.
Rückwärts will ja nicht mein Sehnen,
      
 Nimmer in die Eitelkeit;
      
 Diese Seufzer, diese Tränen
      
 Gelten keinem Erdenleid.
Über Wolken, über Sterne
      
 Aufwärts, aufwärts, himmelwärts,
      
 Neubelebt, in sel'ger Ferne
      
 Sink' ich an das große Herz;
Wo die Wunden nicht mehr drücken,
      
 Wo das Heer der Wünsche schweigt
      
 Und zu mir mit süßen Blicken
      
 Sich die ew'ge Liebe neigt.
Aus den Wipfeln will es steigen,
      
 Mein geliebtes Wunderbild,
      
 Nach des Gartens grünen Zweigen
      
 Blick' ich still und lusterfüllt.