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Eleonore.

Am Himmelfahrtsabend.

Beauté, c'est donc-là ton dernier asyle!  

Noch weil' ich in der Frühlingslaube
Und gebe mich der Glut gefangen,
Die nicht des Westes Fittich kühlt,
Der hier um meine blassen Wangen
So abendlich, so leise spielt.
Mein Wesen wird der Kraft zum Raube,
Die magisch in mir wirkt und webt,
Indes der gottvertraute Glaube
Sein Haupt nach jenen Sternen hebt.

Die Frühlingsluft, die mich durchschauert,
Sie weckt in meinem kranken Herzen
Des wunderbaren Stromes Lauf,
Die bittre Lust, die süßen Schmerzen
Der ungestillten Sehnsucht auf,
Die nach dem Gut, das ewig dauert,
Nach der entschwundnen goldnen Zeit
Wie die gefangne Psyche trauert,
Und der kein Gott die Flügel leiht.

Ich seh' sich mir die Wolken neigen,
Mir beut der Lenz die zarten Schwingen,
Um in des Herzens regem Drang
Dem schönen Gotte nachzudringen,
Der heute sich der Erd' entschwang.
Die Blumen, so der Flur entsteigen,
Sie scheinen meinem Liebeswahn
Der Sehnsucht hohe Bahn zu zeigen,
Sie blicken alle himmelan.

Vergönne mir es nachzulallen,
Was in geweihten, ew'gen Stunden
Dies Herz zu meinem Herzen sprach,
Was ich auch, wenn du schwiegst, empfunden;
Denn nie sann ich ihm klügelnd nach.
Du klagtest, daß die Blüten fallen,
Wenn sie der Frühling kaum gebar,
Und daß die zarteste von allen
Noch immer Ephemere war.

Was ich errang, was ich noch halte,
Ach, wie so bald ist es entschwunden,
Verhallt, wie ein geflügelt Wort;
Die reinste Lust, von mir empfunden,
Lebt nur in der Erinnrung fort.
Und besser, daß sie schnell erkalte,
Die Kraft, so lebensvoll und warm,
Als daß ihr Jugendschein veralte,
Wie Tithon in der Göttin Arm.

Noch fühlen wir des Lenzes Segen,
Noch lauschen wir der Philomele,
Noch lebt uns Wiese, Hain und Feld,
Doch es verstummt die Liederseele,
Noch eh' die Frühlingsblüte fällt.
So wallt auf engverschlungnen Wegen,
Gerade wenn wir einsam sind,
Uns manche Huldgestalt entgegen,
Wir fassen sie, und sie   zerrinnt.

Erbärmlich Los der Staubgebornen,
Daß ihres Lebens höchste Blüte
Vom Atem des Genusses stirbt
Und alles, dem ihr Herz entglühte,
Nur in der Ferne Reiz erwirbt!
Daß mit dem Schimmer des Erkornen
Auch die Empfänglichkeit zerfließt,
Zum oft Gefundnen, oft Verlornen
Die Sehnsucht sich ins Grab verschließt.

Da stehn sie einsam, mit den Narben
Erschlagner Himmelsseligkeiten
In der zerrißnen, wunden Brust,
Ruinen der Vergangenheiten,
Des frühen Traums sich kaum bewußt,
Und schaun auf Keime, die erstarken,
Mit fürchterlichem Geize hin.
Sie sind so reich, so voll und darben
Mit ihrem königlichen Sinn.

Ich will mich an die Menschen hängen,
Will mich dem Augenblicke weihen,
Und wenn er noch so schnell entflieht,
Des losen Kranzes mich erfreuen,
Der um des Zaubrers Schläfe blüht.
Wer kann den lockenden Gesängen
Des holden Schmeichlers widerstehn?
Und wer entschließt sich, in den Gängen
Des Labyrinths allein zu gehn?

Willst du dem Weltentanz entfliehen?
Willst du allein die Wüste wählen,
Und aus des Meisters heil'gem Ring
Die zarteste der Perlen stehlen,
Die je der Orient empfing?
Willst du, wo tausend Blumen blühen,
Mit abgewendetem Gesicht
In stolzem Gram vorüberziehen?
Das kannst du, schöne Seele, nicht!

Laß durch die Schöpfungen uns wallen,  
Was hier sich unsrem Blick verloren,
Entschwand nicht aus des Vaters Reich,
In schönern Welten neugeboren
Lebt es den sel'gen Geistern gleich.
Mag aus der Hand die Blüte fallen,
Sie fällt an einen bessern Ort;
Mag Philomelens Ton verhallen,
Die Sphären tönen ewig fort!

Der schnelle Flug des Erdenglückes
Soll das Gemüt zum Lande heben,
Wo, durch den Raum nicht mehr getrennt,
Die abgeschiednen Stunden leben,
Wo die erloschne Flamme brennt;
Wohin die Schwinge deines Blickes
Im Sternenschimmer früh schon flog,
Wohin der Sieger des Geschickes,
Der größer als Alcides, zog.

Hat dieses Lied die Lust erneuert,
Die dir von dort herabgeflossen,
Vom Schmerze nur verdrungen ward,
Hat es dein Herz mir aufgeschlossen  
Dann hab' ich auf die rechte Art,
Von heil'ger Mitternacht umschleiert,
Von einem Geisterchor geküßt,
Des Heilands Himmelfahrt gefeiert,
Die mir das Fest der Sehnsucht ist.


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